Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1853

1853. An der jetzigen Werderstraße wurde i. d. J., die neue Häuserreihe angelegt, indem die Bauplätze dazu von dem Terrain des der alten Waisenstiftung gehörigen Waisengartens entnommen wurden.

In der Sitzung des Flotten-Komitees vom 12. Februar wurde der Beschluss gefasst, dass die vorhandenen, etwa 1.477 Thaler betragenden Gelder zum Besten der Kleinkinderbewahranstalten, vorzugsweise zum Erwerb eines Grundstücks für dieselben, verwandt, jedoch zuvor ein Proclam zur Anmeldung etwaiger Widersprüche erlassen werden solle. Im September 1855 wurden jene Gelder der Armenkasse zu diesem Zwecke überwiesen. (s. d. J. 1860)


Folgende in der Anlage begriffene Straßen wurden jetzt mit Namen belegt: die Augusten, die Gustav- und die Lankower Straße am 20. Januar, die Martin- und die Heinrich-Straße am 31. März.

Im Februar erschien ein Regulativ für die amtlichen Verhältnisse der Geistlichkeit an der hiesigen Schloss, Dom- und Nicolai Kirche, welches, unter Aufhebung der bisher normierenden herzoglichen Verordnung vom 4. November 1751, die Grenzen der Gemeinden dieser Kirchen ordnete. Darnach gehören zur Schlossgemeinde alle großherzoglichen, auch die pensionierten, Hof- und Zivilbeamten in Schwerin auf dem Jägerhof, dem Schelfwerder, der Schiffbauerei, der Schlossbleiche, der Schleifmühle und im Schlossgarten, die Mitglieder des Oberkirchenrats und dessen Subalternen. Das Militär, mit Ausnahme der zugleich eine Hofcharge bekleidenden Militärpersonen, bildet die einstweilen zur Nicolaikirche gewiesene Garnisonsgemeinde. Sonst bleiben die Parochien der Dom- und der Nicolai-Kirche die früheren. Die Mitglieder der Gemeinden sollen sich wegen kirchlicher Geschäfte, namentlich wegen des Abhaltens der Beichte, an ihre kompetierenden Prediger wenden, und bedarf die Substituierung eines Predigers aus einer anderen Gemeinde oberbischöflicher Dispensation.

Der Magistrat und der Bürgerausschuss hatten i. d. J. mehrfach wegen einer neuen Katastrierung der Häuser zum Zwecke ihrer Besteuerung beraten. Man wünschte statt der bisherigen Norm von 1/1, ½, ¼ usw. den wirklichen Ertragswert jedes einzelnen Hauses zur Grundlage einer Steuerkraft zu machen und nach diesem Prinzipe ein neues Kataster zu entwerfen. Von Seiten des Ministeriums wurde jedoch dies Prinzip verworfen, vornämlich des halb, weil es nicht auf einer stabilen, sondern großen Schwankungen ausgesetzten Grundlage beruhe.

In Folge einer Ministerial-Verfügung wurden am 27. Mai der Unterricht in der Gewerbeschule, welcher bisher zum Teil in die Kirchzeit fiel, auf die Stunden von 7 bis 10 Uhr Vormittags und 3 bis 6 Uhr Nachmittags verlegt. Um diese Zeit war auch das neue Schulhaus für die altstädtische Stadt- und Waisenschule in der Martinstraße fertig geworden. Es wurde Michalis bezogen, nachdem zugleich für alle drei Stadt- und Waisenschulen ganztägiger Unterricht eingeführt, die Zahl der Lehrer und Lehrerinnen auf 17 vermehrt und die Leitung dieser drei Schulen nebst der städtischen Bürgerschule in der Schulstraße unter einem Rektor war vereinigt worden. Seit dieser Zeit wurde die Zahl der Lehrer jährlich vermehrt und beträgt jetzt an den ersteren drei Schulen zusammen 24; auch an der Bürgerknabenschule war eine neue Lehrerstelle errichtet worden.

Am 4. Juni wurde das für die in Baden und Schleswig gefallenen mecklenburgischen Soldaten auf dem Exerzierplatze beim Hafelholze vom Militär errichtete (seit 1851 intendierte) Denkmal enthüllt und eingeweiht. Nachdem sich die Truppen, im Beisein der großherzoglichen Familie, des Prinzen von Preußen und des Herzogs Wilhelm, zu einem offenen Viereck aufgestellt hatten, wurden nach einer kurzen religiösen Feierlichkeit die Namen der Gefallenen verlesen. Das mit Eisengitter umringte Monument besteht aus einem 10 Fuß hohen, mit einem kolossalen Helm geschmückter Granitwürfel. An den beiden Langseiten befinden sich zwei Denktafeln, deren eine die Inschrift trägt: „Den in Schleswig und Baden während der Feldzüge von 1848 und 1849 gefallenen mecklenburgischen Kriegern ihre Kameraden“. Die andere Tafel enthält unter der Überschrift: „Es starben den Heldentod“ in 2 Reihen die Namen der 47 Gefallenen. Am 4. und 5. August feierte das Gymnasium Fridericianum sein dreihundertjähriges Jubiläum. Gegen 9 Uhr Morgens verkündigte das Geläute der Glocken des Doms den denkwürdigen Tag, worauf die in den Lehrzimmern versammelten damaligen und die älteren Schüler, welche sich zahlreich im Auditorium eingefunden hatten, im feierlichen Zuge sich zur Kirche begaben. Um 10 Uhr empfing das Lehrerkollegium im Betsaale die Glückwünsche und Festgaben der verschiedenen Deputationen, des Magistrats, durch welche dem Direktor Dr. Wex das Ehrenbürgerdiplom der Stadt Schwerin überreicht wurde, der Universität, der mecklenburgischen Gymnasien usw. Um 11 Uhr begann in dem geschmückten Konzertsaale des Schauspielhauses die eigentliche Gedächtnisfeier mit der Festrede, und um 3 Uhr in demselben Lokale das Festmahl für etwa 400 Personen. Gegen Abend versammelten sich die Gäste im Schlossgarten und in Ostorf und später wurde dem Direktor Wex von ehemaligen

Schülern eine Serenade gebracht. Am zweiten Festtage fand Morgens um 11 Uhr ein Akt im festlich dekorierten großen Hörsaale statt, der mit Bildnissen Johann Albrechts I. und Friedrich Franz II, Festgaben des Großherzogs, sowie mit einem von der Frau Großherzogin Auguste der Schule geschenkten Banner geschmückt war. Nach mittags um 4 Uhr zogen sämtliche Schüler, ihrem neuen Banner folgend, zum Turnplatze auf den Werder. Nach der Rückkehr wurden noch einigen Lehrern Serenaden gebracht und Reden gehalten. Damit schloss die seltene Feier, welche viele der älteren Schüler des Gymnasiums zum letzten Male vereinigt hatte. Am 1. September wurde die auf Gegenseitigkeit gegründete mecklenburgische Lebens-Versicherungs- und Spar-Bank in Schwerin eröffnet. Die erste Veranlassung zur Gründung dieses Instituts gab i. J. 1851 der Wunsch, eine allgemeine Bürgerwitwen-Kasse in Schwerin ins Leben zu rufen. Nachdem zu diesem Zwecke Berechnungen angestellt worden, einigte man sich zu einer Lebensversicherungs-Anstalt, weil in einer Witwenkasse beim früheren Tode der Frau die eingezahlten Gelder verloren gehen würden, während jene, wenn auch nur gegen größere Einlagen (Prämien), einen stets sicheren Erwerb der versicherten Gelder garantiert. Die Bank wurde mit einem Aktien-Kapital von 100.000 (500 Aktien à 200 Thaler) gegründet, welche schon im Dezember v. J. gezeichnet waren; es war außer diesen noch eine große Zahl von Aktien-Anmeldungen eingegangen, welche nicht berücksichtigt werden konnten. Im Juni waren die Statuten der Bank landesherrlich genehmigt worden und am 29. d. M. forderte dieselbe die Einzahlung der ersten 10 % des Nominalbetrags jeder Aktie (also 20 Thaler) ein.

Im Oktober wurde ein langjähriger Wunsch des Magistrats seiner Erfüllung nahe gebracht, indem ihm nämlich gelang, mit dem Unternehmer der Gasfabrik eine Vereinbarung über die Erleuchtung der Stadt durch Röhrengas zu schließen. Nun wurde der Bau eines Fabrikgebäudes von Seiten der Gas-Gesellschaft mit Eifer unternommen und die Legung von Leitungsröhren in Privathäusern begonnen.

Nach langjährigen Verhandlungen wurde im Dezember die Anlage einer vierten, in Folge der so sehr vermehrten Bevölkerung notwendig gewordenen Apotheke genehmigt, jedoch dabei die Bedingung gestellt, dass diese neue Offizien am Marienplatz etabliert werde.

Gegen den Schluss d. J. war die Telegraphenstrecke Schwerin-Ludwigslust-Hagenow vollendet. Es bestehen auf dieser Strecke zwei Linien, eine für den auswärtigen Verkehr bestimmte, welche sich in Hagenow an den Berlin-Hamburger Telegraphen schließt, und eine für den inneren Verkehr bestimmte, welche direkt nach Ludwigslust geht.

Der Winter d. J. brachte in Folge einer geringen Ernte und des Missratens der Kartoffeln große Teuerung. Zur Linderung der Not bildete sich in Schwerin eine Unterstützungs-Kommission, um die ärmeren Klassen mit Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Feuerung zu versorgen. Zu diesem Zwecke hatte der Großherzog 2.000 Thaler, das Direktorium der Ersparnis-Anstalt 2.500 Thaler bewilligt, von Privaten waren 1.326 ½ Thaler aufgekommen. 1.402 Schf. Kartoffeln und 9018 Pfd. Brot wurden unentgeldlich verheilt, 6.547 Schfl. Kartoffeln und 699.588 Pfd. Brot zu billigeren Preisen verkauft. 635 Thaler blieben zur Deckung aus der städtischen Armenkasse.

Der Großherzog ließ, um verdienstlose Arbeiter zu beschäftigen, im Schlossgarten Erdarbeiten unternehmen, einen Durchstich des oberen Randes der Kaskaden zunächst. Andere ähnliche Arbeiten waren in der Vorbereitung begriffen, und am Schloss wurde, namentlich im Inneren der Gebäude, auch während der Wintermonate tunlichst fortgearbeitet. In Folge der höheren Kornpreise musste nun auch die Droschkentaxe erhöht werden, und zwar waren von jetzt an für eine einfache Taxe 8 ß (früher 6 ß) zu zahlen, jedoch nur einstweilen, im Sommer 1854 trat der frühere Satz wieder ein.

Am Schloss hatten die Bauten d. J. erst im April beginnen können, da während des März sehr heftige Kälte und sehr starker Schneefall herrschte. Dennoch wurde viel geschafft; die noch nicht eingedeckten Dächer erhielten ihre Schieferbedeckung, das Hauptgesims und fast alle Dachkörungen, auch der Dachputz wurden zum größten Teile vollendet. Das Treppenhaus am Altertumssaale wurde bis zur Festetage aufgemauert, desgleichen die Halle von gebrannten Tonsteinen von dort bis zum Neubau. Die Standbilder der Grafen Guncelin und Heinrich, der Herzoge Albrecht und Magnus wurden in den Nischen der Haupteinfahrt aufgestellt, dasjenige Adolf Friedrichs vollendet und Johann Albrechts begonnen. Gillmeister hatte im Februar schon das letzte der 18 mit Fürstenbildern geschmückten Fenster des Waffensaales vollendet (s. d. J. 1857) welche ihm am 11. Mai 1846 waren aufgetragen worden. Einer der für das Treppenhaus bestimmten Obotriten, modelliert vom Bildhauer Abert Wolf in Berlin, wurde angefangen, die Büsten der Herzoge Christian Ludwig II, Friedrich Wilhelm, Carl Leopold und Johann VII. in den oberen Giebeln angebracht. Der Maler Pfannenschmidt zu Berlin vollendete eins (Nr. 5) der 12 Freskogemälde für die Durchgänge der Langchöre in der Schlosskirche, mit denen er beauftragt worden. Das von Demmler schon angelegte und aufgestellte Orangeriehaus mit eisernen Balken, Bögen und Tragesäulen erhielt Türen und Fenster und eine Wasserheizung.

In Betreff des Eintritts in den Bauplatz war verordnet worden, dass solcher täglich von 12 – 2 Uhr stattfinden dürfe, Sonntags unentgeldlich, an den Wochentagen gegen ein Eintrittsgeld von 4 ß. Zu anderen, als den Mittagsstunden hatte man für den Besuch 8 ß zu zahlen, und flossen die Aufkünfte in die Domturm-Baukasse. Am 26. August hatte der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Bauplatz besucht und in dem festlich ausgeschmückten Speisesaale in der Beletage über der Einfahrt nach der Seite des Schlossgartens hin ein Frühstück eingenommen. Von dieser Veranlassung erhielt jener Saal den Namen des Königssaales.

Am 6. November besuchten der Prinz Friedrich von Hessen und seine Gemahlin den Bauplatz.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin