Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1852

1852. Beim Schlossbau wurde i. d. J. mit dem Ausbau und den dekorativen Arbeiten in den bereits fertigen Teilen begonnen. Vollendet wurde das Mauerwerk der beiden Türme an der Haupteinfahrt und der Kuppel, das Dach über der Schlosskirche, die Überwölbung unter der Fahrbahn vor der Terrasse und der Viadukt dahinauf sowie ein Teil der Gartenanlagen über der Grotte bis zur Eckbastion dem Marstall gegenüber, und ein Tunnel, der vom See aus zu einer im Keller unter dem Altertumssaale aufgestellten Dampfmaschine führt. Diese Maschine ist aus der Albanischen Fabrik in Plau und wurde im Frühling d. J. aufgestellt. – Begonnen wurde mit dem Treppenhause am Altertumssaale (Obotritentreppe), auch wurde an mehreren Gebäudeteilen mit dem Auftragen des Putzes angefangen. Besucht wurde der Bauplatz i. d. J. vom Könige August von Sachsen und dem Herzoge Ernst von Sachsen-Altenburg, welche zur Taufe des am 19. September geborenen Herzogs Paul Friedrich in Ludwigslust anwesend waren.

Am 10. Januar erschien ein Publicandum zur besseren Heiligung der Sonn- und Festtage, nach welchem verordnet wurde, dass künftig während des Gottesdienstes, Morgens von 9 ½ bis 11 1/2 und Nachmittags von 2 bis 3 Uhr aller städtische Verkehr ruhen solle.


Die Angelegenheit wegen der Verbesserung des Schulwesens wurde weiter geführt. Die Sparkasse hatte der Stadt zur Reorganisation desselben eine zinsenlose Anleihe von 4.000 Thaler bewilligt und konnte nun in diesen Sommer der Bau eines neuen, größeren Schulhauses für die altstädtische Stadt- und Waisenschule anstatt des sehr verfallenen Schulhauses an der Scharfrichterstraße begonnen werden. Dies Haus, an der Martinstraße (Nr. 2) gelegen, sollte für acht Klassen eingerichtet werden, doch beabsichtigte man zugleich den Durchbau der neu- und vorstädtischen Schulhäuser an der Hospital- und der Lübschen Straße. Zugleich wurde die um Michaelis 1847 errichtete Bürgerknabenschule in der Schulstraße erweitert.

Eine an dem Durchgange unter dem Rathause befindliche Räumlichkeit wurde damals zum Aufbewahren von Torf benutzt. Von diesem Raume führte ein Fenster nach dem Durchgange hin. In der Nacht vom 28. auf den 29. Januar hatte eine ruchlose Hand eine Scheibe dieses Fensters eingedrückt und den Torf in Brand gesteckt. Glücklicherweise wurde das Feuer entdeckt, als die Flamme gerade um sich greifen wollte; über diesem Torfraum befanden sich damals die Stadt- und die Sparkasse.

Die Paulsstadt erstreckte sich damals bis zur Wilhelms- und Wismarschen Straße. Die Augusten-, Lankower-, Gustav-Straße usw. waren noch nicht angebaut und lag an ihrer Stelle ein den Geh-Ministerialrate Störzel gehöriges Ackerstück, über welches dieser jetzt mit dem Magistrate eine Vereinbarung dahintraf, dass es durch eine 48 Fuß Werkmaß breite Straße von der Wilhelmstraße bis zur Lübecker quer durchschnitten werden solle (Augustenstraße) und dass der Lankower Fußsteig zu einer Straße erweitert werden solle (Lamkower Str.), welche ihre Fortsetzung in der Ackertwiete und der Arsenalstraße finden würde. Die Pflasterung und Erleuchtung dieser anzulegenden Straßen reservierte sich die Stadt. Man beabsichtigte hiermit zugleich, das weite Ackerfeld zwischen der Lübecker und Wittenburger Straße in das Bebauungsprojekt hineinzuziehen und dadurch den Paulstädtischen Verkehr in diese Gegend zu lenken. Die beiden neuen Straßen sollte der Geh-Ministerialrat Störzel auf eigene Kosten anlegen, dagegen den Grund und Boden dieser Straßen, sowie seinen an der Lübschen Straße gelegenen Garten unentgeldlich an die Stadt abtreten. In der Bürgerrepräsentanten-Sitzung vom 14. Februar wurde dieser Vertrag nach lebhafter dreistündiger Debatte mit 18 gegen 17 Stimmen angenommen und wurde dadurch rechtskräftig.

Um diese Zeit wurde den Bürgerrepräsentanten ihr Kirchenstuhl im Dom eingeräumt.

Am 24. April wurde der Sarg Paul Friedrichs, ein innerer bleierner und ein äußerer hölzerner, welcher bisher mit einer Samtdecke bekleidet frei in der heil. Bluts-Kapelle stand, in einen ehernen, auf einem Sockel von schwarzem Marmor ruhenden Sarkophag gestellt. Dieser mit Inschrift versehene Sarkophag war in Regensburg verfertigt.

Um Johannis ging der großherzogliche Holzhof ein.

In d. J. war es vorgekommen, dass fremde Kahnführer den Schweriner See befahren und für Geld Frachtfuhren übernommen hatten. Da nun die Schweriner Schiffer ein privilegiertes Amt bildeten, so war dies nicht nur verboten, sondern auch ein wiederholt betroffenes Fahrzeug konfisziert und demnächst mit Strafe belegt worden. Am 21. Juni wurde verordnet, dass jedes auf dem See gehaltene, nicht konzessionierte, Fahrzeug konfisziert und zum Besten der Armenkasse verkauft, Jeder aber, der unbefugter Weise ein konzessioniertes Fahrzeug benutzen würde, in eine Strafe von 2 Thaler genommen werden solle.

Seit dem 15. August machte das von einer Aktiengesellschaft erkaufte, frühere Plauer Dampfschiff „Alban“ von 20 Pferdekraft Spazierfahrten auf dem großen See. In Folge dessen bewilligte der Magistrat, unter Genehmigung des Ausschusses, die unentgeldliche Lieferung des zu einer Landungsbrücke in Zippendorf erforderlichen Holzes aus der Stadtwaldung. Den Bau der Brücke unternahm der damalige Besitzer des Gasthauses in Zippendorf, Erbpächter Block.

In diesem und den voraufgehenden Jahren hatten sehr viele Diebstähle in Schwerin statt gefunden, weshalb sich der Magistrat und der Bürger-Ausschuss genötigt gesehen, außer den gewöhnlichen Nachtwächtern noch besondere Abend- und Morgenwächter für die Wintermonate anzustellen. Doch hörten damit die Diebereien noch nicht auf, u. A. wurden am 26. November vor dem Posthause aus dem schon verschlossenen Postwagen, während die Offizianten sich auf einige Minuten ins Posthaus begeben hatten, mittelst eines Nachschlüssels ein Beutel mit 1.000 Thaler gestohlen. Ähnliche große Diebereien, welche einmal sogar die Summe von 2.000 erreichten, kamen mehrfach vor.

Am 20. Dezember brachten die Schweriner dem Großherzoge und der Großherzogin, welche an diesem Tage aus Ludwigslust im neustädtischen Palais eingetroffen waren, einen Fackelzug, begleitet von Musik und dem Gesange der Männer-Liedertafel.

Zu bemerken ist noch, dass von einer Anzahl Männer Schwerins i. d. J. eine noch bestehende Bibliothek begründet wurde, welche dem Publikum gegen ein Lesegeld von 6 Pfenn. für den Band zur Benutzung stehen und ihm eine heilsam anregende und belehrende Lektüre bieten sollte. Deshalb sollen nur in echt christlichem Geiste und volkstümlich gehaltene Bücher angeschafft werden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin