Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1850

1850 nun sollte die Arbeit rüstiger fortschreiten, da man beabsichtigte, den Neubau zum Herbste unter Dach zu bringen. Zu diesem Zwecke war auch die Zahl der Arbeiter seit den 6. April, wo die Arbeit begann, eine größere. Es wurde nun der goldene Saal unter ein provisorisches Dach gebracht, der Eckturm am südwestlichen Teile ganz vollendet und die übrigen Fronten größtenteils bis zum Hauptgesimse aufgemauert. Am 18. November wurde der Knopf auf diesen Turm gebracht. Da in denselben Schriftstücke eingelegt waren, von welchen keine Abschriften genommen worden, auch kein Protokoll über diesen Vorgang aufgezeichnet war, so wurde am 4. November 1851 jener Knopf wieder abgenommen, die Schriftstücke aus ihm entfernt und ein Teil von ihnen am 26. Juli 1852 in den Knopf des Turmes links von der Haupteinfahrt gelegt.

Am 2. Januar d. J. wurde landesherrlich verordnet, dass auf Grundlage des Wahlgesetzes von 1849 die Wahlen zur ersten ordentlichen Kammerperiode in folgender Weise stattfinden sollten:


1) die allgemeinen Wahlen a) zum zweiten Wahlkörper am 5., b) zum ersten Wahlkörper am 15. Februar; 2) die besonderen Wahlen am 18. Februar. Am 26. Januar wurden die Wahlmänner zur Erwählung eines Abgeordneten ins Volkshaus des deutschen Reichstages zu Erfurt gewählt.

Am 27. Februar Vormittags 11 Uhr trat der erste ordentliche Landtag im Saale des Casinos zusammen, im Auftrage des Großherzogs durch den Minister von Lützow eröffnet. Inzwischen war schon am 30. September v. J. vom Großherzoge von Strelitz gegen einen Beschluss der Abgeordnetenkammer (Aufhebung der Union zwischen Mecklenburg-Schwerin und Strelitz) protestiert und auf die Wiedereinberufung der Landstände angetragen. Auch gegen das neue Staatsgrundgesetz hatten die Mitglieder des großherzoglichen Hauses, ein Teil der Ritterschaft und der König von Preußen einen Protest eingelegt. Die Mitglieder der Ritterschaft brachten denselben klagend vor die Bundeszentralkommission in Frankfurt, welche den Beschluss fasste, dass Schiedsrichter erwählt werden sollten, um über den Bestand der Verfassung zu entscheiden (2. April) In Folge dieses Beschlusses nahmen die Mitglieder des Ministeriums (von Lützow, von Liebeherr, Meyer, Steve) ihre Entlassung und wurde die Abgeordnetenkammer auf 3 Monate vertagt (4. April) Am 15. April trat ein neues Ministerium (Graf von Bülow, von Schröter, von Brock) ins Amt; am 1. Juli wurde die Abgeordnetenkammer aufgelöst. Am 12. September wurde durch das von Preußen und Hannover eingesetzte Schiedsgericht (den Freienwalder Spruch) das Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 aufgehoben und für die Wiedereinberufung der früheren Landstände entschieden (welche am 15. Februar 1851 zu Malchin wieder zusammentraten.) Nachdem dies Erkenntnis am 16. September publiziert worden, machten zwar Mitglieder der Abgeordnetenkammer, einberufen durch den Präsidenten derselben, Adv. M. Wiggers in Rostock, den Versuch, in Schwerin zu einer Beratung zusammenzutreten, wurden aber durch polizeiliche Maßregeln hieran verhindert (23. Sept) Da nun auch die Sessionsakten und die Schlüssel zum Versammlungslokale ausgeliefert werden mussten, so war die Periode der Kammerberatung für Mecklenburg mit diesen Akten faktisch beendigt, gegen welche freilich von verschiedenen Seiten Proteste eingelegt wurden. Ein solcher fand auch von Seiten der Bürgerrepräsentanten und des Magistrats zu Schwerin statt. Am 9. Febr. d. J. hatte nämlich in einer Sitzung der Ersteren der Hofbaurat Demmler, als Mitglied des Bürgerausschusses, den Antrag gestellt, „dass der Bürgerausschuss die in Rostock entworfene Verwahrung gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes vom 10. Oktober 1849 anerkennen, eine desfallsige Erklärung an das Ministerium gemeinschaftlich unterschreiben und den Magistrat ersuchen möge, sich derselben anzuschließen.“ Dies geschah einstimmig und wurde jene Erklärung am 11. Febr. von Rat und Bürgerschaft den Ministerium überreicht. Nachdem nun aber der Spruch des Schiedsgerichts erlassen, stellten Demmler und andere Repräsentanten in der Sitzung des Bürgerausschusses vom 23. Sept. den Antrag, „dass unter Bezugnahme auf die Erklärung vom 11. Februar von Seiten des Bürgerausschusses gegen den Schiedsspruch Verwahrung eingelegt werde, dass derselbe an dem Staatsgrundgesetze festhalte, auch den Magistrat ersuchen möge, sich dieser Verwahrung anzuschließen, die nächstens wieder zusammentretende Abgeordneten Versammlung möglichst zu unterstützen und zur Geltendmachung dieser Verwahrung die geeigneten Schritte tun.“

Am 12. Mai war die mecklenburgische Eisenbahn zum ersten Male von Schwerin aus durch einen Festzug von etwa 200 Personen in ihrer ganzen Länge befahren worden, am 13. wurde sie dem öffentlichen Verkehr übergeben.

Am 5. Februar war in einer Sitzung des hiesigen Marine-Vereins beschlossen worden, dass die bei ihm eingegangenen Gelder zum Bau einer deutschen Flotte, welche etwa 1.250 Thaler Cour. betrugen, einstweilen in Reluitionskassen-Papieren angelegt werden sollten, da ihre sofortige Verwendung für eine deutsche Flotte nicht zweckmäßig erscheine. Jene Papiere sollten beim Magistrat deponiert, etwaige Überschüsse bei der Sparkasse belegt werden. Im Oktober d. J. betrug die Summe dieser Flottengelder gegen 1.400 Thaler und es ward nun der Antrag gestellt, die zur Unterstützung für die Holsteiner zu verwenden. Dieser Antrag wurde jedoch von der Kommission abgelehnt; die Gelder fanden i. J. 1860 (s. d. J.) eine zweckmäßige Anwendung.

Im April traf das Gipsmodell von Paul Friedrichs Standbild in Schwerin ein und wurde vorläufig im Waffensaale des großherzoglichen Arsenals aufgestellt. Später erhielt es seinen Platz im Schloss, hofwärts über dem nach der Stadt hin gerichteten Eingange.

Schon seit längerer Zeit war die Reorganisation der städtischen Schulen zur Sprache gekommen; die Einführung eines ganztägigen statt des bisherigen nur halbtägigen Unterrichts, wie er in den städtischen Schulen, mit Ausnahme der altstädtischen, noch immer erteilt wurde, und eine Hebung der Volksschulen überhaupt schien ein dringendes Bedürfnis. Der Bürgerausschuss hatte zur Prüfung der Mittel eine Deputation niedergesetzt; durch deren Untersuchung sich herausstellte, dass zu jenem Zwecke eine einmalige Verwendung von 12.000 und eine jährliche Ausgabe von 2.660 Thalern erforderlich werde. Da nun die schon sehr belastete Stadtkasse diese Ausgaben nicht zu tragen vermochte, so musste die Reorganisation der Schulen hinausgeschoben werden (s. d. J. 1853) An der Realschule wurde indessen die zweckmäßige Einrichtung getroffen, dass die Klassen neu geordnet wurden. Bisher hatte man zwei fünfte und keine erste Klasse gehabt, jetzt machte man die obere fünfte Klasse zur vierten und gewann dadurch eine erste. Es wurden in dieser Zeit 1.418 Kinder in öffentlichen, dagegen 1.495 Kinder in Privatschulen unter richtet, deren 31 in der Stadt existierten. Von 1.530 schulpflichtigen Mädchen besuchten 1.082 die Privatschulen; eine öffentliche Schule für Mädchen mittlerer Stände gab es gar nicht, ebenso besuchten auch die Töchter höherer Stände ausschließlich Privatschulen.

Seit dem 20. August war die Cholera, welche schon seit einiger Zeit in anderen Städten Mecklenburgs geherrscht, auch in Schwerin ausgebrochen. Sie griff bald in bedeutender Weise um sich und forderte viele Opfer. Der Magistrat zeigte sich außerordentlich tätig und traf alle ihm zu Gebote stehenden Maßregeln, verbot z. B. den Verkauf solcher Erzeugnisse, welche der Krankheit Vorschub tun konnten (unreifes Obst, Pflaumen etc.) und richtete seit dem 26. September auf dem Stadthause eine Nachtwache für die Arzte zur schleunigen Hilfeleistung derselben ein. Dennoch hörte die Krankheit erst mit dem 14. November auf, nachdem sie 688 Personen befallen hatte, von denen ihr 379 erlagen.

Im September wurde die großherzogliche Münze aufgehoben, das mit derselben seit dem 11. August 1834 verbunden gewesene Eichungs- und Wardierungs-Amt zu einem selbstständigen Amte eingerichtet und dem Premierleutnant Vogler übertragen. Der Schützenzunft war vom Großherzoge gestattet worden, ihr Königs- und Scheibenschießen in Zukunft auf dem Werder abhalten zu dürfen. In Folge dessen bot sie gegen Ende d. J. ihr in der Schützenstraße gelegenes Schützenhaus zum Verkauf aus. Dies Haus wurde gegen Ende des Jahres 1851 aus zweiter Hand für die Frau Großherzogin Auguste erworben, welche es zu einem Stifte für verarmte Bürger und Bürgerinnen einrichtete (Augustenstift.) Das Haus kostete der Großherzogin 8.000 Thaler und da es sehr baufällig war, erforderte es noch 4 – 5.000 Thaler für Reparatur.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin