Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1849

1849. Bis zu dieser Zeit befand sich derjenige Teil des Stadtackers, welcher unter dem Namen des Turower oder Außenfeldes bekannt ist, fast ganz im Pachtbesitze der Bauern der umliegenden Dorfschaften. Im Ganzen waren etwa 200 Morgen guten Ackers hierdurch der städtischen Betriebsamkeit entzogen, wovon sehr hohe Preise der zum Gartenbau, namentlich zum Kartoffelbau in Pacht der Städter gegebenen Ackerparzellen des Binnenackers, die Folge waren. Es versammelten sich deshalb in Januar d. J. die städtischen Ackerbautreibenden, um den an Auswärtige verpachteten Acker selbst in Kultur zu nehmen. Hierdurch angeregt wurde die Einrichtung getroffen, dass jährlich der dritte Teil der verpachteten Kämmerei-Acker gedüngt und bestellt an die unbemittelten Einwohner Schwerins zu 4 ß für die Quadratrute, namentlich zum Kartoffelbau, überlassen werden sollte.

Im Februar wurde, veranlasst durch die Bewegungen in Deutschland und ein vom Reichsministerium erlassenes Gesetz, eine vermehrte Aushebung in Mecklenburg anbefohlen, welche sich auf die in den Jahren von 1824–28 Geborenen erstreckte. Da diese Rekrutierung aber sehr günstige Resultate ergab, so wurden demnächst die von 1824 bis 31. Dezember 1825 Geborenen zurückgestellt.


Am 23. Februar, dem Geburtstage der Frau Großherzogin Alexandrine, fand nun die feierliche Enthüllung des von der Stadt Schwerin dem verstorbenen Großherzoge, Paul Friedrich auf dem Alten Garten errichteten Denkmals statt. Der festliche Tag wurde durch Kanonenruf geweckt und mit Musik begrüßt. Nicht bloß von den öffentlichen Gebäuden flatterten die deutschen und die Landesfarben, sondern auch in den Straßen, besonders in der Königs- und Schlossstraße sah man aus den Fenstern der Häuser zum Teil sehr stattliche Fahnen wehen – Mit klingenden Spiele zogen nun die Bürgerwehren, die Zünfte der Handwerker, die Schützengilde und das Militär nach einander auf den Alten Garten, wo eine wogende Zuschauermenge das noch verhüllte Denkmal umgab. Die im Hintergrund desselben befindliche Bretterwand hatte man mit frischgefällten dunklen Tannen bekleidet und auch den dort befindlichen Bauhütten dadurch ein malerisches Ansehen verliehen. Allmählich ordneten sich die Reihen der die Gruppen der mit besonderen Karten Versehenen, denen sich die teilnehmende Menge der Zuschauer anschloss. Nachdem der Großherzog und Herzog Wilhelm nebst Gefolge, von der Committee begleitet, erschienen waren und dem Denkmal gegenüber Platz genommen hatten, ertönte der Lieblingschoral des Gefeierten: „Jesus meine Zuversicht“. Darauf hielt der Sekretär der Committe, Pastor Bartsch, von erhöhter Tribüne die Festrede. Nachdem diese gesprochen worden, sank die Umhüllung des Standbildes unter dem Donner der Kanonen, unter Musikbegleitung und dem freudigen Zurufe der Teilnehmenden.

Unterdessen war vor den Denkmal ein freier Raum gebildet worden, auf welchem die Festzüge mit klingender Musik, den Großherzog, den Herzog und das Denkmal begrüßend, vorüberzogen. Voran schritt die Garde, ihr folgten die Jäger, dann kam die Bürgerwehr von Schwerin, die vollständig erschienene Bürgerwehr von Wismar, etwa 50 Repräsentanten der Rostocker, der Grabower und Doberaner Bürgerwehren. An diese reihten sich die Schweriner Schützengilde und die Gewerke mit ihren Fahnen und Emblemen. Abends war das Theater erleuchtet und mit Girlanden geschmückt.

Das Denkmal Paul Friedrichs ist, wie schon erwähnt wurde, ein Standbild aus Bronze auf einem Piedestall von Granit. Das Piedestal besteht aus 3 Teilen, der Basis, den Würfel und dem Postamente. Die Basis, welche sich von 19' 7" Breite am Grunde zu 7' 7" verjüngt, ist 2' 4" hoch und nicht poliert. Auf sie folgt der schön polierte Würfel, unten 7' 7" breit, in dem oberen Zweidrittel 6' 11" breit und 3' 9 ½ " hoch. Dann folgt das gleich falls schön polierte Postament, welches wieder eine sich nach oben verjüngende Basis hat. Auf dieser steht ein 3' 9 ½ " hoher Würfel, der an den 4 Ecken von Docken umstellt ist, welche mit ihm vereint das 6' 6" breite und 1' 1 ½ " hohe, aus mehreren Teilen konstruierte Gesims des ganzen Unterbaues tragen. Hierauf ruht die 4' 8 ½ ", breite, 9" hohe Plinte von Bronze, auf der das Standbild fußt. – Die Höhe der Basis beträgt 2' 4", das Piedestal ist 12' 4 ½ " und das Standbild mit der Plinte 11' 10", das ganze Monument also 26' 6 ½ " hoch. Auf dem von Docken umgebenen Würfel stehen die Worte:

Ihrem
PAUL FRIEDRICH
die Stadt
Schwerin.
MDCCCXLIX.


Das Standbild zeigt den Fürsten in einer der jetzigen ähnlichen, ideal gehaltenen militärischen Kleidung mit Schärpe und Ordensband und geschmückt mit dem Fürstenmantel. Die Rechte hält das Schwert, ohne sich ans ihm zu stützen, die Linke ruht an der Hüfte. Der rechte Fuß ist etwas vorgestreckt, so dass die ganze Figur auf dem linken Fuße ruht, der Kopf ist unbedeckt und nach der rechten Seite gewandt, so dass das Gesicht stadtwärts gekehrt ist. — Das eherne Standbild wiegt 9.000 Pfund; das Schleifen des Granits und die Ausstellung der Statue geschah unter des Hofbaurats Demmler Leitung.

Am 10. April wurde in Betreff des Stimmrechts und der Wahlfähigkeit zu Bürgerrepräsentanten, die im vorigen Jahre aufgehobene Bestimmung der Stadturkunde, dass diejenigen, welche sich ans die Konstitution vom 31. März 1812 berufen oder Konkurs gemacht und ihren Gläubigern nicht voll ausgezahlt haben, ausgeschlossen sein sollen, wieder hergestellt. (S. d. J. 1848.)

In diesem Monat war die Strecke der Schwerin-Crivitzer Chaussee vom Püsserkruge bis zur Fähre hin fahrbar geworden, und verlor deshalb der Magistrat die Benutzung der über den Ostorfer Hals führenden Lustwege, namentlich auch der Zippendorfer Chaussee, für alle schwer beladenen Wagen.

Am 30. d. M. wurde dem Großherzoge eine mit 800 Unterschriften bedeckte Dankadresse hiesiger Bewohner überreicht, weil nach einem Allerhöchsten Reskript der einstweilige Fortbestand der Hofbühne gesichert war. Die Neugestaltung der Verhältnisse hatte nämlich die Kündigung der Theatermitglieder veranlasst, weil es nicht sicher war, dass die Bühne in ihrem gegenwärtigen Bestande sich werde forterhalten lassen. Obwohl nun jene Verfügung des Großherzogs nur eine interimistische sein sollte, so ist doch der Bestand des Hoftheaters bis auf die Neuzeit im Wesentlichen der frühere geblieben.

Am 11. und 12. Mai fanden in der Nähe Schwerins größere Übungen der Garnison statt, zu welchen auch zwei Schwadronen des Dragonerregiments herangezogen waren, am 11. ein Schul- und am 12. ein Feldmanöver in der Gegend von Plate. Gegen Ende d. M. (22–24) rückten die mecklenburgischen Truppen nach Frankfurt aus, um an dem in Baden entbrannten Kampfe gegen die Revolution Teil zu nehmen. Sie bestanden hier mehrfache Gefechte (b. Waldmichelsbach und Siedelsbrunn 12/13., Käfertal 13., b. Hirschhorn 15., b. Ladenburg und Gr. Sachsen 15/16. Juni, ferner, nachdem am 22. Juni noch 2 Compagnien Jäger angelangt waren, bei Gernsbach am 29. und bei Oos am 30. Juni. Am 10. Juli zogen sie in Donaueschingen ein.) Seit dem 12. September d. J. fand der Rückmarsch statt; am 20./21. traf die Infanterie, am 16./17. Oktober die Artillerie (und die Dragoner) wieder in Schwerin ein. Am 3. Juni wurde von einem Teile der Bevölkerung eine Feier der von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen Reichsverfassung auf dem Luisenplatze abgehalten. Diese Verfassung, gegen welche sich die 3. Königreiche Preußen, Sachsen und Hannover vereinigt hatten, war auch von Mecklenburg nicht anerkannt; jene Feier konnte also, obwohl sich gegen 2.000 Menschen an ihr beteiligten, keine allgemeine oder offizielle sein. Die Bürgerwehr, die Abgeordnetenversammlung, die Zünfte, die Schützenzunft, das Stadtverordneten-Kollegium nahmen nicht in ihrer Gesamtheit an dem Zuge Teil, welcher sich durch die Straßen nach dem Festplatze bewegte. Um Johannis d. J. gründete der Kandidat Ebeling eine allgemeine Sterbekasse für beide Mecklenburg, welche noch jetzt besteht. Sie fand teilweise ihre Begründung in einer von der Bürgerwehr zu ihren Zwecken gebildeten Kasse. Am 22. Juli d. J. wurde die Abgeordnetenkammer geschlossen, nachdem sie ein Wahlgesetz und ein Staatsgrundgesetz vereinbart hatte, welches letztere am 23. Juli vollzogen, am 10. Oktober veröffentlicht wurde. Wir können hier nicht alle Phasen darstellen, welche das neue Verfassungsleben in Schwerin durchmachte. Zuerst, im Anfange d. J. 1848, hatten sich alle Freunde des Fortschritts zu denselben Zwecken geeinigt; später sonderten sich aus ihnen die demokratischen und die gemäßigteren Vereine und verfolgten heilweise besondere Zwecke. In der Abgeordnetenkammer war das demokratische Element zur hauptsächlichen Geltung gelangt und gab sich auch in der Physiognomie der Stadt während dieser Zeit kund. Auch wenn wir absehen von manchen sehr geräuschvollen Kammerszenen, von gleichfalls bewegten Vereinsversammlungen, diversen Katzenmusiken u. dgl. müssen wir das damalige Leben in Schwerin ein sehr unruhiges und ungebundenes nennen. Ohne Zweifel lag in ihm ein Grund mit zu den bald erfolgenden Rückschlage (s. d. J. 1850).

Am 29. Juli fand eine allgemeine Illumination der Stadt bei der Rückkehr des Großherzogs von Berlin und aus Schlesien statt. Derselbe hatte sich dort mit der Prinzessin August, Tochter des Fürsten Heinrich IXIII. von Reuß und der Gräfin Eleonore von Stolberg-Wernigerode verlobt (s. n)

Im August verlobte sich die Herzogin Luise von Mecklenburg, Tochter Paul Friedrichs und Alexandrines, geb. am 17. Mai 1824, mit dem Prinzen Hugo von Windischgrätz, Sohn des Fürsten Beriand von Windischgrätz und der Fürstin Eleonore, Prinzessin von Lobkowitz. (Die Vermählung dieses fürstlichen Paares fand am 20. Oktober in Ludwigslust statt, am 9. März 1859 schon starb die Herzogin Luise zu Venedig)

Am 5. September trat in Schwerin eine Kirchen-Konferenz, eine von der Kirchen-Kommission eingeladene Versammlung von Vertrauensmännern des Landes, zusammen, um über eine Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten zu beraten. Die am 14. Dezember 1848 nämlich eingesetzte Kirchen-Kommission hatte zunächst die Aufgabe, die Einleitungen zur Berufung einer Landessynode usw. zu treffen. Wegen dieser vorzugsweise sollte nun mit der Kirchen-Konferenz beraten werden, welche im Betsaal des Gymnasiums unter dem Vorsitze des Präpositus Fromm aus Rehna hielt. Sie bestand aus 31 Mitgliedern, unter welchen 16 Geistliche, 7 Rechtsgelehrte, 4 Gutsbesitzer, 1 Pächter und 1 Forstmann, und hielt ihre Schlusssitzung am 17. September.

Anfangs Oktober wurde der Magistrat von der Regierung angewiesen, die Schweriner Bürgerwehr aufzulösen, die aus dem Zeughause entnommene Armatur zurückzuliefern und die der Stadt gehörigen Bewaffnungsstücke selbst in Empfang zu nehmen. Einem früheren Antrage des Magistrats um Reorganisation der hiesigen Bürgerwehr entsprach die Regierung nicht, weil die eingereichten Statuten für dieselbe nicht genügende Gewähr leisteten und es zweckmäßig erscheine, diese ganze Angelegenheit zu vertagen, bis sie durch ein allgemeines Wehrgesetz geordnet sein würde. Obwohl nun auch gegen diese Auflösungs-Verordnung von Seiten eines Teiles der Bürgerwehr remonstriert wurde, blieb dieselbe doch bei Bestand und die Ablieferung der Waffen fand demnächst statt, freilich so langsam, dass der Magistrat noch an 31. Dezember bekannt machte, es seien 95 Gewehre noch nicht wieder abgeliefert, und gegen Strafandrohung zu deren sofortiger Eingabe aufforderte.

Am 4. Oktober war das mit der Abgeordnetenkammer vereinbarte Staatsgrundgesetz für Mecklenburg publiziert worden. Am Abend dieses Tages versammelten sich um 9 Uhr die Bürger und Einwohner Schwerins auf dem Schelfmarkt und zogen unter Musikbegleitung nach dem Palais der Neustadt, in welchem der Großherzog damals residierte. Nachdem demselben ein Hoch gebracht worden begab sich der Zug zum Hotel des Ministers von Lützow und brachte auch diesen ein Hoch dar.

Am 29. Oktober wurde in Schwerin die General Postdirektion angeordnet.

Am 3. November fand zu Ludwigslust die feierliche Vermählung des Großherzogs Friedrich Franz II. mit der Prinzessin Auguste Wilhelmine Mathilde von Reuß statt. Am 7. hielten die hohen Neuvermählten ihren feierlichen Einzug in die Residenzstadt Schwerin, eine Festlichkeit, welche durch die überaus große Beteiligung von Mitwirkenden und Zuschauenden aus allen Gegenden Mecklenburgs zu einem wahren Landesfeste wurde. Während der Nacht kamen lange Wagenzüge auf allen nach Schwerin führenden Straßen daher, mit Menschen voll gepackte Wagen in langer Reihe, welche alle dem teuren Ereignisse zueilten. Vom frühen Morgen an, der die Bewohner durch Kanonenschiffe und eine militärische Reveille weckte, wogte es in Menschenmassen durch die Straßen, in welchen alle Häuser festlich dekoriert waren. Um 9 Uhr Morgens begann eine fröhliche Musik auf den Neuen-Gebäude am Markt, während die fremden mitwirkenden Gäste, die Zunftgenossen und die uniformierten Schützendeputationen von den Schwerinern empfangen wurden. Um 10 Uhr sammelten sich die berittenen Bürger Schwerins, 70–80 an der Zahl, schwarz gekleidet, die mecklenburgischen Farben en écharpe, die reußischen als Schleife am linken Arme tragend, während eines mit Schnee untermischten Regenschauers auf dem Schelfmarkte und ritten ab, um am Rondel in Buchholze die allerhöchsten Herrschaften zu empfangen und ihnen von da aus in die Stadt das Ehrengeleite zu geben. Auf demselben Platz sammelten sich eine Stunde später die zahlreichen Mitglieder der Handwerkerzünfte, Meister und Gesellen, mit zahlreichen, zum Teil reich dekorierten Fahnen, auf mit dreifarbigen Bändern geschmückten Stäben die Embleme ihres Gewerkes tragend, um sich zu ordnen und sich nach den einen jeden Gewerke angewiesenen Straßen, wo sie das Spalier bilden sollten, in Bewegung zu setzen.

Auch das hohe Paar war rechtzeitig hier im Green-House eingetroffen, wo dasselbe von der Frau Großherzogin Alexandrine begrüßt und bewillkommnet wurde. Der Weg vom Ortkruge bis Schwerin war in drei Viertelstunden zurückgelegt. Auf dem Ortkruge nämlich hatten bereits die Pächter des Hausgutes und die Bauern der benachbarten Ämter unter der Führung einiger Beamten, nachdem sie dem fürstlichen Paare ihre Huldigung dargebracht, sich dem Zuge angeschlossen. Zu diesen war an dem vorhin erwähnten Platze die Ehrengarde der Schweriner Bürger gestoßen. Kurz nach 1 ½ Uhr setzte sich der Zug vom Green-House nach dem Berliner Tor in folgender Ordnung in Bewegung. Voran der Stadtkommandant, Oberst von Huth; dann eine Abteilung Postillone, deren schmetternde Fanfaren weithin das Nahen des Zuges verkündigten, geführt von dem Postinspektor Flügge. Hierauf kamen die amtseingesessenen Erbpächter, Bauern usw., geführt von dem Amtsverwalter Driever und dem Amtsregistrator Schnelle. Die Pferde der Bauern waren teilweise sehr hübsch und charakteristisch geschmückt; viele lustig geschwenkte Fahnen und Fähnlein gaben dem Vorbeizuge ein belebtes Ansehen. Dann die Pächter des Hausgutes, denen sich auch andere Pächter angeschlossen hatten, meist auf sehr schönen Pferden. Auf diese folgten die mehrerwähnten berittenen Bürger Schwerins, geführt vom Hofzimmermeister Lemcke, in Zügen von etwa zwanzig, von welchen jeder wieder seinen Führer hatte. Darauf folgten die Hofjäger unter Führung des Oberjägers Klockmann, dann das Forstpersonale, die Förster bezirksweise von ihren Oberförstern geführt, das Ganze unter Führung des Oberforstmeisters v. Rantzau aus Wittenburg. Eine halbe Eseadron Dragoner ging noch den Hofwagen voraus. Nach zwei sechsspännigen Kutschen, in welchen Herren vom Hofstaate Platz fanden, kann der Hoffourier mit der Livrée-Dienerschaft, dann der Stalldienst, und nun endlich nach den Läufern mit den Stäben – der von acht prächtigen Grauschimmeln gezogene Galawagen, in demselben zur Linken der Großherzog, zur Rechten die Gefeierte des Tages, die Großherzogin Auguste. Zur Rechten des Wagens an Vorderrade ritt der Herzog Wilhelm, zur Linken am Hinterrade der Gouverneur der Residenz, Generalleutnant v. Both. Hinter dem Wagen sah man fünf Prinzen von Reuß in ihren verschiedenen Uniformen und weiteres Gefolge, sowie die Adjutanten des Großherzogs. Zwei sechsspännige Kutschen und eine halbe Eskadron Dragoner schlossen den Zug. Dieser erhielt nun aber vom Berliner Tor ab, und je weiter er kam, immer fortschreitenden Zuwachs dadurch, dass die dort aufgestellte hiesige Schützenzunft und die Deputationen der übrigen Schützen- und Jägercorps der Städte des Landes, dann weiter die Handwerkergilden sich demselben, nachdem er an ihnen vorüber gegangen, anschlossen.

An der Ehrenpforte des Berliner Tores wurde das hohe Paar von dem Magistrat und dem Bürger-Ausschuss der Stadt Schwerin, dann von unserer Schützenzunft und Namens der Deputationen der fremden Schützenzünfte mit Anreden begrüßt. Diese Deputationen der fremden Corps, welche größtenteils ihre Musik, einige auch ihren König mitgebracht hatten, schlossen sich nun in folgender durch das Los bestimmten Ordnung, deren Anfang und Schluss die hiesige Zunft bildete, denn berittenen Teil des Zuges an:

1. Marlow, 2. Goldberg, 3. Güstrow, 4. Rostock, 5. Kröpelin, 6. Gnoien, 7. Brüel, 8. Malchin, 9. Teterow, 10. Rehna, 11. Dönitz, 12. Wismar, 13. Laage, 14. Hagenow, 15. Warin, 16. Grabow, 17. Parchim, 18. Waren, 19. Tessin, 20. Sternberg, 21. Wittenburg, 22. Boizenburg, 23. Bützow, 24. Krackow, 25. Grevesmühlen, 26. Ribnitz, 27. Lübz, 28. Plau, 29. Crivitz.

Unter endlosem Jubel bewegte sich nun der Zug durch die reich und festlich geschmückten Straßen. In der Schmiedestraße, ehe der Zug an die zweite Ehrenpforte gelangte, war das Gedränge furchtbar stark. An dieser zweiten Ehrenpforte hatten sich unterdessen die auf dem Rathause versammelten kostümierten Aufzüge der Schüler und Schülerinnen aufgestellt, von welchen nun drei Abgeordnete (Ida Schnelle für die Warnemünderinnen, Heinrich Friemann für die rehnaer Bauern, Anna Frese für die stonsdorfer Landmädchen) in der Ehrenpforte poetische Anreden an das fürstliche Paar hielten. Diese Züge, wurden nun auch dem Zuge (zwischen der Hofdienerschaft und dem Stallpersonale) eingereiht. Nach 3 ½ Uhr langte der Zug vor dem Palais des Großherzogs auf der Neustadt an. Es hatte sich hier eine so dichtgedrängte Menschenmasse eingestellt, dass das Vorfahren der Wagen nicht ohne Schwierigkeit und Gefahr zu bewerkstelligen war. Der Großherzog und die Großherzogin wurden in dem unteren Raume des Palais von den Herzog Gustav, in den oberen Gemächern von der Frau Großherzogin Mutter, der Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg und der Fürstin Caroline von Reuß empfangen. Der durch das sukzessive Anschließen der Handwerkergilden zu endloser Länge angewachsene Zug zog nun am Palais vorüber nach dem Schelfmarkte. Nachdem der Großherzog und seine hohe Gemahlin, um dem lauten Jubelrufe der zahllosen Menge Gewähr zu geben, sich derselben auf dem Balkone gezeigt, begann nun das Defilieren des gesamten Zuges vor dem Palais vorüber nach der Altstadt zurück. Am geöffneten Fenster sahen die gefeierte Fürstin und der Großherzog den langen Zuge mit Teilnahme zu und nahmen die Grüße der Vorüberziehenden und die zahlreichen von denselben unter Einstimmung der Volksmenge ihnen ausgebrachten Hurrahs mit Freundlichkeit auf. Einen überraschenden Eindruck machte es, als beim Vorüberziehen eine von den kleinen zierlichen Bäuerinnen eine weiße Taube auffliegen ließ, welche ihren Flug gerade auf die am Fenster stehende Großherzogin richtete und sich dann in die Lüfte erhob. Es war fünf Uhr, als der Vorüberzug, während dessen es angefangen hatte zu regnen, beendet war. Das großherzogliche Paar trat noch einmal auf den Balkon hinaus, um sich den jubelnden Volke zu zeigen.

Wir geben hier noch die Ordnung, in welcher die Zünfte und Arbeiter folgten:

1) Arbeitsleute; 2) Maurer; 3) Zimmerleute; 4) Drechsler; 5) Böttcher; 6) Bäcker; 7) Schneider; 8) Sattler; 9) Klempner; 10) Stellmacher; 11) Schuhmacher; 12) Maler; 13) Schlachter; 14) Glaser; 15) Müller; 16) Schmiede und Schlosser; 17) Tischler; 18) Töpfer.

Die Illumination, die Abends gegen 7 Uhr ihren Anfang nahm, kann eine wahrhaft glänzende genannt werden. Unter den öffentlichen Gebäuden verdient vor allem das Arsenal in seiner durchaus großartigen und prächtigen Beleuchtung erwähnt zu werden. Die günstige Lage desselben am Bassin des Pfaffenteichs, auf welchem ein Feuerwerk von 200 brennenden Teertonnen flammte, kam sehr zu statten, und gewährte das Ganze einen Anblick, der überraschend war. Das des ungünstigen Windes wegen nur teilweise beleuchtete Neue Gebäude am altstädtischen Markt mit seinen allegorischen Festgemälden, in der Mitte die Göttin Obotritia, welcher auf der einen Seite die Künste und Wissenschaften, auf der andern Handel, Gewerbe und Ackerbau ihre Huldigungen darbringen, vorstellend, das Amtsgebäude, der neue hohe Schlossturm, in den dunklen Nachthimmel hineinragend, waren neben mehreren andern nicht minder schön illuminiert. Einige von den öffentlichen Gebäuden, wie z. B. das Arsenal, Amtshaus, die Domkirche wurden von Zeit zu Zeit durch bengalische Flammen beleuchtet, während Musikchöre die Hauptstraßen durchzogen. Das hohe neuvermählte Paar, welches in Begleitung des Hofes Abends durch die in einem wahren Lichtmeere strahlende Stadt fuhr, wurde überall mit den lautesten Zeichen der Liebe und Verehrung begrüßt.

Nach 10 Uhr wurde dem großherzogl. Paare auf dem Hofe des Palais von hiesigen Sängern unter Leitung des Musikdirektors Lührß eine Serenade gebracht. Außer dem Liede „Erhebt in jubelnden Akkorden“ und dem der Feier des Tages so ganz entsprechenden „Gott segne Friedrich Franz“ wurde ein neues Quartett von Kücken „An die Sterne“ (Worte von Rückert), vorgetragen.

Am 8. November Vormittags wurden die Chefs und Deputierten der oben aufgeführten Schützenzünfte vom Großherzoge zur Abstattung der Gratulation empfangen. Am Abend wurde in mit Girlanden und Flaggen festlich geschmückten Schauspielhause ein von Fr. Eggers aus Rostock (in Berlin) gedichtetes Festspiel und darauf Halevys neue Oper „Das Tal von Andorra“ aufgeführt. Das Publikum empfing die hohen Herrschaften mit nicht enden wollendem Jubel.

Von der Mitte d. M. bis zum 5. Dezember brach die Cholera zum ersten Male in Schwerin aus, verlief aber so gelinde, dass im Ganzen nur 36 Erkrankungen vorkamen, von denen 13 mit dem Tode endigten. Am 19. Dezember wurde die bisherige Kirchen-Kommission, deren Stellung überhaupt nur als eine interimistische war angesehen worden, aufgehoben und ein Oberkirchenrat zur Pflege der Kirche, Wahrung ihrer Rechte und als das Organ, durch welches das oberbischöfliche Amt des Fürsten ferner geübt werden sollte, eingesetzt, welcher mit dem 1. Januar 1850 seine Funktionen begann. Mitglieder desselben wurden der Justizrat Kaysel als Dirigent, Superintendent Kliefoth und der Präpositus zur Nedden, bisher in Grevismühlen. Zur Feier der Vermählung des Großherzogs hatte sich am 3. November ein neuer Verein zum Turmbau des Domes konstituiert, welchem sich der ältere Verein vom 11. Februar 1844 anschloss. Am 6. Dezember übernahm der Großherzog das Protektorat dieses Vereins, welcher eine wöchentliche Schillingsammlung veranstaltete, daneben aber zu jährlichen oder einmaligen freiwilligen Beiträgen aufforderte. Die Kasse dieses Vereins stand jedoch nicht in Verbindung mit der durch die Besichtigung des Schlossmodells seit d. J. 1845 gebildeten und seit dem Januar 1846 durch den Geh. Kanzleirat Faull verwalteten Kasse.

Der Schlossbau ging in d. J. nicht in dem Maße vorwärts, wie man gewünscht hatte. Die nach der Vermählung des Großherzogs notwendig gewordenen Veränderungen im Palais der Neustadt nämlich, insbesondere der Bau eines neuen, 101 Fuß langen, 50 Fuß breiten und 30 Fuß hohen Saales daselbst, mit welchen Bauten der Hofbaurat Demmler beauftragt war, zersplitterten die Arbeitskräfte. Die für das Palais bestimmten Parkettfußböden und sonstige Tischlerarbeiten, sowie die inneren Verzierungen usw. wurden in der Kunsttischlerwerkstätte und der Kartonfabrik des Schlossbaues verfertigt, weshalb letzterer notwendiger Weise nicht in erwünschtem Maße fortschreiten konnte. Die Maurerarbeiten hatten am 26. Februar begonnen und dauerten bis zum 24. November.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin