Die praktische Gestaltung des Schwerin'schen Rechts
Erläuterungen über die praktische Gestaltung des schwerinschen Rechtes, das Gewohnheitsrecht, welches sich auf einer Grundlage gebildet hatte, besitzen wir von Christian Hövisch, welcher sie im Jahre 1593 niedergeschrieben hat. Derselbe war früher selbst eine Zeitlang Gerichtsverwalter und Beisitzer des Richters gewesen, später wurde er Ratmann zu Schwerin und schrieb seine Beobachtungen und Erfahrungen zum Nutzen des Rates und der Bürgerschaft nieder. Hederich hat sie uns in einer Chronik aufbewahrt und teilen wir sie gleich hier des Weiteren mit:
I. Vorerst wird alle Jahr auf Mitfasten vom Rathause aus der auf dem Markte versammelten Bürgerschaft ein Auszug aus den Statuten der Stadt (die s. g. Bürgersprache) vorgelesen, worin ihnen mitgeteilt wird, was ein jeder Einwohner tun und lassen solle und wie die Verbrecher gestraft werden. Ferner wird ihnen vorgelesen, welche besondere Gerichte und Gerechtigkeit, Gebühren und Freiheiten die Stadt besitzt. Zum Schlusse werden die Namen der „regierenden“ Bürgermeister und Ratsherren genannt, und wenn es nötig ist, werden sodann durch den Rat neue Ratsherren aus der Gemeinde erkoren und ihre Namen zur öffentlichen Kenntnis gebracht.
II. Es wird ein besonderes bürgerliches Gericht (das Bürgergericht) auf die Scharen bestellt, bestehend aus einer Anzahl von Bürgern, deren Vorsitz die beiden Kammerherren (Kämmerer) der Stadt führen. Vor dies Gericht werden die Irrungen gebracht, welche sich beim Kaufe und Verkaufe von Gärten und Äckern ereignen, z. B. wegen der Ackerkontrakte, wegen Abpflügungen, Abhütungen und Abmähungen, wegen Auspfändung; ferner wegen Verpfändung oder Versetzung von Acker und Garten, wegen schlechter und fälschlicher Zumessung derselben, Abzäunung und Beraubung; ferner was sich in den vor der Stadt liegenden Scheunen zugetragen hat, wenn dieselben bestohlen wurden, wenn das Korn in ihnen mit Beschlag belegt werden soll, wenn Schlägereien in ihnen stattgefunden haben. Alle diese und ähnliche Sachen werden in der gedachten Versammlung der Bürgerschaft auf dem Brotschaaren verhört und beurteilt. Wenn der Findesmann der Bürgerschaft das Urteil der Bürger eingebracht hat, und eine Partei hält sich durch dasselbe beschwert, so kann eine Appellation an E. E. Rat stattfinden. Die Strafe, womit der schuldige Teil belegt wird, z. B. wenn derselbe einen Faden Ackers abgepflügt hatte, beträgt 3 Pfund, jedes Pfund zu 20 Schillingen.
Wer einen Anderen „Lügner“ heißt, hat auch 3 Pfund zu zahlen; wer ohne Erlaubnis im Gerichte redet, 1 Pfund. Wenn Jemand vom Gerichte fortläuft, so begeht er einen halben Halsbruch.
Nachdem nun von der Bürgerschaft das Urteil eingebracht worden, muss die Appellation binnen 10 Tagen eingelegt werden, anderenfalls das Urteil Rechtskraft erhält. Gleichwohl darf der jenige Teil, welcher gewonnen hat, nicht aus eigener Gewalt selbst zufahren und den streitigen Gegenstand in Besitz nehmen, sondern es wird ihm derselbe gegen Erlegung der Gebühr von dem Rate, und speziell von den Kämmerern der Stadt, angewiesen, damit kein Bürger von einem andern übereilt und übervorteilt werde.
III. Gilden- und Amts-Angelegenheiten gehören vor den Rat, von welchem sie, soweit möglich, auch entschieden werden. Privilegien, Vorschriften, Kundschaften, Geburtsbriefe werden von E. E. Rat ausgestellt.
IV. Hauskäufe werden stets von E. E. Rat bestätigt und im Beisein der Kämmerer vollzogen. Es findet bei denselben ein „Weinkauf“ statt in der Art, dass eine große, stets geöffnet stehende Kanne voll Bier von Hand zu Hand herumgereicht wird und Jeder der Anwesenden aus ihr trinkt. Wer dabei den Trunk versagt und den Deckel der Kanne zuschlägt, muss sie zur Strafe halb leer trinken. Wenn die Kanne herumgereicht wird, ruft man laut das Wort „Weinkauf“, zum Zeichen, dass nicht ein heimlicher, sondern ein öffentlicher Kauf stattfinde, und dass sich Jeder, welcher Einsprache tun möchte, melden könne, bevor der Kauf ins Stadtbuch geschrieben und das Grundstück verlassen wird. Denn wenn freiwillige Verkäufe und Verträge, Verpfändungen, Geldzahlungen auf Häuser, Äcker, Gärten, bewegliche und unbewegliche Güter und andere vor E. E. Rate im Beisein beider Parteien vollzogene Kontrakte in Gegenwart zweier Zeugen in das Stadtbuch eingetragen sind, alsdann sind sie unwiderruflich und feststehend, so dass der neu Eingewiesene nicht nötig hat, das Objekt anders wieder abzutreten, als bis er sein Geld oder was sonst vertragsmäßig ausgemacht wurde, wieder bekommen. Die ins Stadtbuch Eingetragenen gehen auch allen übrigen Gläubigern vorauf und erhalten volle Bezahlung, es werde mit den anderen, wie es wolle. Deshalb wird auch der Verkäufer stets vor dem Abschlusse eines Kaufes gefragt, ob er den Gegenstand auch seinen Freunden angeboten, ob er ihn auch sonst etwa zu Pfand oder Sicherheit gestellt, ob auch ein Anderer sonstige Ansprüche an ihn habe – Alles zu dem Zwecke, damit Niemand betrogen werde. Dadurch wird vielem Unglück, Hader, Zank und Rechtsstreiten vorgebeugt und die Leute werden in ihrem Besitz gesichert.
Alle anderen Sachen, welche sich oft seltsam und täglich wundersamer in der Welt zutragen, gehören vor das Untergericht, d. i. den Stapel zu Schwerin. Solche Sachen sind z. B. Lästern, Schwören, Fluchen, Zaubern, „Böten, Wicken“, Wahrsagen, das Vornehmen ungehöriger Dinge während der Predigt, Ungehorsam gegen die Obrigkeit, gegen Vater und Mutter, tätliches Vergreifen gegen dieselben, Beleidigungen anderer Personen, Schmähen, Höhnen, Lästern, Schlagen, Morden, Huren, Ehebrechen, fleischliche Vermischung mit Tieren und anderen Kreaturen, Rauben, Stehlen, Lügen, Betrügen, Überlisten, Handel mit falscher Ware, falschem Maße und Gewichte, Verschweigung eines Betruges, Verräterei, Zurückhaltung der Wahrheit beim Handel und bei Zeugnissen, das Nichthalten verbriefter und versiegelter Versprechungen, Verfälschung der Nahrung und des Getränks, „Anstiftung von Neuerungen“, Gewalttätigkeiten, die Vornahme eines Baues zu nahe am Grundstücke des Nachbarn oder überhaupt Anderen zum Schaden, Schulden machen und nicht bezahlen können oder wollen u. j. w. Alle Fälle dieser Art und ähnliche, welche man nicht alle aufzählen kann, gehören vor den Stapel, auch wenn sie zum Teil peinlich werden können. Das Stapelgericht ist auf folgende Art bestellt: Den Vorsitz führt ein Richter (früher nannte man ihn Vogt, Stadtvogt). Neben ihm sitzen zwei der jüngsten Ratsherren, welche den dritten Teil am Gerichte (an den Gerichtsporteln) haben, und ein Gerichtsschreiber. Dazu werden den Parteien zwei Vorsprecher (die Fürsprachen) zugeordnet, welche das Notwendige für sie vorbringen und als Belohnung jeder 1 Gulden erhalten. Ferner wird eine Anzahl von Personen aus der gemeinen Bürgerschaft zum Gerichte beschieden, welche nach abgehörter Sache das Urteil zu fällen haben. Ist dies geschehen, so wählen sie aus ihrer Mitte Einen zum Findesmann, welcher das Urteil dem Gerichte einbringen muss, wofür er 8 Schillinge bekommt.
Wenn nun Jemand eine Klage erheben will, so meldet er sich beim Richter, der sie anhört und nach befundener Gültigkeit den Beklagten durch den Gerichtsknecht (welcher dafür 1 Schill. vom Kläger erhält) auf den folgenden Tag oder je nach der Wichtigkeit der Sache früher oder später in die Gerichtsstube bescheiden lässt. Kläger muss sich an demselben Tage ebenfalls einstellen und eine Klage in Gegenwart der Gerichtsherrn und des Gerichtsschreibers vor dem Richter und dem Beklagten wiederholen. Wenn nun die Sache nicht peinlich, sondern bürgerlich ist, so wird erst der Weg der Güte versucht, wobei sich jedoch das Gericht Strafe und Kosten vorbehält. Kommt die Sache aber auf diesem Wege nicht zur Entscheidung, so werden die Parteien vor den Stapel verwiesen. In diesem nimmt der Richter nebst den beiden Gerichtsherrn und dem Gerichtsschreiber einen Sitz, und die B?rger werden zugezogen, welche schon am Abend vorher benachrichtigt waren, dass sie die Sache anhören und das Urteil fassen sollen. Die Gerichtshandlung beginnt nun; die Parteien werden zuerst gefragt, ob sie auch Bürger zu Schwerin seien und angesessen? Sind sie dies nicht, so müssen sie, falls die Sache bürgerlich ist, Bürgschaft dafür stellen, dass sie auch die Brüche und Kosten bezahlen und nicht etwa davonlaufen. Ist die Sache aber peinlich, so müssen beide Parteien (wenn sie nicht angesessene Bürger der Stadt sind) Bürgen bis zur Haft stellen und die Übernahme der Bürgschaft dem Gerichte durch Brief und Siegel der Bürgen beweisen. Kann ein Fremder keine Bürgen bekommen, so muss er vor Gericht einen Eid darauf ablegen, dass er seine Sache durchführen will.
Darauf beginnt das eigentliche Gericht nach schwerinischem Rechte, wobei die Parteien nur durch ihre Fürsprecher reden, folgendermaßen.
Der Fürsprach des Klägers fragt den Richter: „Herr Richter, sitzet ihr, als ob ihr richten wollet?“
Antwortet der Richter: „Ja“.
Der Fürsprach: „Herr Richter, ich bitte euch um Urlaub des heiligen schwerinschen Rechtes“.
Der Richter antwortet: „Es sei Dir vergönnt, sofern Du Recht hat.“
Ehe nun der Gerichtsschreiber zu schreiben beginnt, muss der Kläger ihm 2 Schill. der Beklagte 1. Schill. geben.
Nun ist das Gericht „eingedinget“ und es ruft nach einem Gebrauche von Alters her der Büttel vorm Gerichte aus: „Wer klagen will, der klage fest!“ Hierfür bekommt er 6 Pfenninge. Dann beginnt der
Fürsprach des Klägers: „Herr Richter, ich bitte Urlaub (Erlaubnis).“
Der Richter: „Es geschehe“.
Der Fürsprach: „So erscheine ich hier wegen meines „Hauptmanns“ der bei mir steht, und klage über N. N. dass er
(folgt die Klage)
„Solches Alles wider Gott und das heilige Schwerinsche Recht. Der halben begehre ich wegen meines Prinzipals, zu dessen Gunsten, es dem Beklagten zu beweisen. So rufe ich euer richterliches Amt an und bitte um Einsehen, dass Beklagter nach dem heiligen Schwerin’schen Rechte möge gestraft werden“.
Nachdem also die Klage angebracht worden, wendet sich der Richter zum Beklagten und spricht:
„Du hast gehört, was wider dich geklagt wird; darauf gib gebürliche Antwort.“
Der Fürsprach des Beklagten: „Herr Richter, ich bitte Urlaub“.
Der Richter: „Der Urlaub sei Dir vergönnt“.
Darauf sucht der Fürsprach den Beklagten zu verteidigen oder zu entschuldigen.
Liegt die Sache durch Beweise klar vor, so ist sie schnell ab, gemacht und das Urteil erfolgt sogleich. War sie eine bürgerliche, so wird die Strafe gleich nach dem schwerinschen Rechte bemessen. War sie aber eine peinliche, so wird der Schuldige bis zur Exekution in Haft gebracht.
Zuweilen bleibt die Sache aber auch zweifelhaft, und in diesem Falle kann bei minder wichtiger Streitsache der Beklagte mit einem Einlager in seinem Hause*) belegt werden (um ihn zum Geständnisse zu bringen). Bei wichtiger Sache musste der Beklagte Bürgen stellen, welche sich bei Verlust ihrer Habe und Güter dem Gerichte schriftlich verpflichten mussten, dass sie den Beklagten auf Erfordern „lebendig oder tot“ dem Gerichte wieder präsentieren würden. Wenn bei zweifelhaften Sachen, die vielleicht peinlich werden könnten, der Beklagte kein Bürger ist, so wird ihm die Hälfte der Strafe sofort zuerkannt (zur Sicherstellung des Gerichts), doch wird alsdann dreimal vor Gerichte ausgerufen, dass man Bürgschaft für ihn annehmen wolle, falls er solche bekommen könne. Geschieht dies, so ist er bis zum nächsten Rechtstage, wo weiter verhandelt wird, frei, die Bürgen dagegen bleiben für ihn verpflichtet, bis er seine Strafe bezahlt oder die Sache sich sonst ausgeglichen hat.
*) Hiermit hat es folgende Bewandtnis: In das Haus eines mutmaßlich Schuldigen wird eine Person von Gerichtswegen eingelegt, die er auf seine Kosten unterhalten muss, bis er mürbe gemacht ist und die Wahrheit der Sache eingesteht. Der Bestrafung musste in jener Zeit stets das Geständnis des Schuldigen voraufgegangen sein, falls man auf dem Rechtswege verfahren wollte, welcher freilich oft genug nicht innegehalten werden mochte.
Bei bürgerlichen und noch zweifelhaften Sachen kann der Beklagte, wenn er vorgibt, eine Antwort nicht vorgesehen zu haben, um Frist bitten, welche ihm das Gericht drei Male auf je 14 Tage, also auf 6 Wochen, und auf 3 Tage darüber hinaus bewilligen muss. Nach dieser Zeit hat aber die Rechtsfrist ein Ende und wird der Beklagte als schuldig betrachtet, wenn er sich jetzt nicht reinigt. Ebenso geht es dem Kläger, wenn er eine begonnene Klage nicht fortsetzt, es sei denn, dass er durch Krankheit behindert wäre.
Erscheint aber der Beklagte, so geht die Sache, wie oben gezeigt, ihren Rechtsgang. Lässt sie sich durch Disputieren nicht beendigen, so schreitet man zur Ablegung des Eides oder nimmt den Parteien ihre Aussagen an Eides Statt ab, verhört Zeugen, vergleicht die Urkunden usw. Das Protokoll wird den zum Gerichte geheischten Bürgern verlesen und sie werden ermahnt, daraus ein Urteil zu fassen, „wie sie es vor Gott, der hohen Obrigkeit und Jedermann verantworten können“. Doch müssen, ehe die Vorlesung beginnt und das Urteil gefasst wird, die Freunde der Parteien und sonst verdächtige Personen (denen also wie auch anderen Bürgern das Zuhören bei den Verhandlungen erlaubt war) abtreten. Ist nun das Urteil von den Bürgern gefunden, so beauftragen sie den Findesmann, es in ihrer Gegenwart dem Gerichte vorzulegen. Hat er dies mündlich getan, so fragt er die Bürger, ob sie ihm den Vortrag nicht also befohlen hätten? Sagen sie ja, so ist es gut, sagen sie nein, so wird die Sentenz noch geändert, bis Übereinstimmung erreicht ist. Nun trägt der Gerichtsschreiber das Urteil ins Gerichtsprotokoll, es wird verlesen und der Richter fragt nochmals die Bürger, ob sie bei dem Urteile bleiben und „ob es so im vorkommenden Falle auch für die und ihre Kinder gelten solle?“ Darauf genehmigen die Bürger es durch ihr zustimmendes Ja.
Gefällt aber das Urteil einer Partei nicht, so kann sie an E. E. Rat, d. h. an das Rathaus zu Schwerin, appellieren (das Urteil „schelten“), sofern sie zuvor das Appellationsgeld von 12 Schillingen erlegt hat. Der Richter ermahnt darauf die appellierende Partei, binnen 10 Tagen die Appellation beim Bürgermeister anhängig zu machen und zu verfolgen. Als dann stehen Alle auf und gehen aufs Rathaus, verlesen die Akten, damit sie richtig abgeschrieben werden, und erhält der Appellant eine Abschrift derselben gegen Erlegung der Gebühr.
Die Sache kommt nun vor den Rat, wird von diesem untersucht und erwogen und das Urteil des Stapelgerichts entweder bestätigt oder umgeändert. Die Parteien werden darauf zur Verlesung des neuen Urteils vor den Rat geladen und müssen geloben, mit demselben sich zufrieden geben zu wollen. Darauf wird es ihnen aus dem Urteilsbuche publiziert und der Bürgermeister bekräftigt es dadurch, dass er das Buch schließt und mit der Hand fest auf das selbe schlägt. Vom Urteile des Rats kann nicht appelliert (es kann nicht „gescholten“) werden, sondern es ist ein entscheidendes Recht („inschedende Recht“).
Zuweilen tragen sich aber Fälle zu, an welchen Kläger und Beklagter beide Schuld haben und wo Beklagter sagt, er habe es unwissentlich oder nicht absichtlich getan. Z. B. wenn Jemand mit einem Wagen auf der Straße fährt und es gerät ein Schwein oder Schaaf unter denselben, so wird das für Unrecht erachtet, jedoch müssen beide Teile nach Schätzung unparteischer Leute den Schaden tragen.
Andere Gebräuche in bürgerlichen Sachen sind folgende: Der Schuldner gibt es zweierlei Art, einmal Solche, die bezahlen können, sodann Solche, die nicht bezahlen können. Wenn Jemand seine Schuld aber nicht in barem Gelde bezahlen kann, so stellt er seinen Gläubigern vor Gerichte ein Pfand, entweder ein bewegliches oder ein unbewegliches. Das bewegliche Pfand bleibt 6 Wochen und 3 Tage beim Gerichte stehen, darauf wird es, wenn der Schuldner während dieser Zeit kein Geld aufgebracht hat, vor dem Rathaus aufgeboten und nach Schätzung sachverständiger Bürger verkauft, die Kaufsumme aber zur Befriedigung des Gläubigers verwandt, jedoch nach Abrechnung des Pfandschillings, welcher 12 Schill. beträgt. Über ein unbewegliches Pfand, wie Haus und Hof und was sonst Einer in der Stadt an Scheunen, Gärten oder Buden besitzt, haben der Stadtvogt wegen des Fürsten und beide Gerichtsherren wegen der Stadt je zum dritten Teile die Jurisdiktion, sowie sie auch die richterliche Einweisung des Gläubigers in ein solches Pfand bestimmen. Dasselbe steht 18 Wochen 6 Tage, worauf der Gläubiger es mit Wissen und Willen des Gerichts zu sich nehmen kann. Die Gebühr hierfür an den Richter sowohl wie an die Gerichtsherren beträgt 12 Schill. Wenn in unbewegliche, außer der Stadt gelegene Pfänder, wie Äcker, Gärten, Scheunen u. dgl. worüber E. E. Rat die besondere Jurisdiktion hat, die Einweisung eines Gläubigers verlangt wird, so hat E. E. Rat solche durch die Kämmerer anzuordnen, welche dafür eine Gebühr von 12 Schill. erhalten.
Wenn Jemand in Armut geraten ist und seine Gläubiger auf Bezahlung dringen, aus seinem Vermögen aber nicht bezahlt werden können, so wird ein Tag zur Liquidation angesetzt, wobei alle das Vermögen des Schuldners betreffende Urkunden und Beweise aufgelegt werden. Die Stadtbuch Gläubiger haben in solchem Falle die Prärogative und werden von allen Gläubigern zuerst bezahlt, darauf Diejenigen, welche für ihre Schulden Unterpfande in Händen haben, alsdann Diejenigen, welche Briefe und Siegel in Händen haben, nach der Reihenfolge des Alters ihrer Ausstellung. Wer für seine Forderung Bürgen hat, hält sich an diese, wenn er aus der Masse nicht bezahlt werden kann. Sind die Stadtbuchgläubiger bezahlt und es bleibt dann noch Gut übrig, so fällt dies pro rata an die anderen Gläubiger.
Übrigens hat man den Schuldnern immer Frist zur Bezahlung gestattet, und wenn Jemand nicht hat zahlen können, so hat man mit ihm Geduld gehabt und ihn nicht mit Gefängnis oder Verweisung bestraft.
Wenn eine Schuld zweifelhaft war, so hat sie der Kläger beweisen oder der Beklagte sich in älterer Zeit sofort eidlich reinigen müssen. Schon um 1590 hat man aber den Eid nicht gern mehr zugelassen, weil es etwa um 1540 vorgekommen war, dass ein Bewohner der Burgstraße, Namens Valentin Knüppel, der vor Gericht einen Eid geschworen, bei der Rückkehr in sein Haus an der Schwelle desselben rücklings niederfiel und bald hernach starb (was man natürlich als Strafe eines Meineids aufgefasst hatte).
In Betreff der Erbfälle ist nach schwerinschen Rechte in folgender Weise verfahren: Eheleute haben, sobald sie getraut sind und die Decke über die geschlagen worden, alle Güter, Vorräte, Schuld und Schaden gemeinschaftlich, es möge der Eine immerhin viel, der Andere wenig gehabt haben. Das Vermögen wird auch nach dem Tode des Einen, wenn keine Leibeserben vorhanden sind, unter die Erbberechtigten halb und halb geheilt, es wäre denn, dass sie unter sich ein rechtsgültiges Testament unter Bestätigung des Stadtbuchs und des Stadtsiegels oder vor einer genügenden Anzahl von Zeugen aufgerichtet hätten, worin anders bestimmt wäre. Kommt es aber zur Teilung, so nimmt noch vor derselben der Mann, wenn er der Überlebende ist, oder sonst dessen nächster Blutsfreund sein „Hergewede“ vorweg, bestehend in Allem, was zur Kriegsrüstung und Wehre gehört, dazu die Männerkleidung, ein aufgemachtes Bett mit den zugehörigen Laken, Kissen, Decken (doch nur, wenn mehr als eine vorhanden, damit der Frauen Gut nicht zu gering werde) und vorm Bette ein Stuhl nebst Kissen und ein Becken. Ferner gehört ihm vorab ein gedeckter Tisch mit einer Kanne, ein Topf, ein Teller und eine Schüssel, ein silberner Löffel, wenn solche vorhanden sind, ein Handtuch, ein Tafellaken, ein Kessel, in welchen er mit Stiefeln und Sporen treten kann, und wenn Pferde vorhanden sind, eins der nächstbesten.
Ist der Mann eine öffentliche Person und sind im Hause silberne Becher vorhanden, so nimmt er zu seiner Hergewede von diesen den besten, der ihm zu Ehren auf den Tisch gehört. Einem Handwerksmanne kommen die Geräte zu, mit welchen er sein Handwerk betreibt.
Wie also die Schwertmagen oder, wie man zu sagen pflegt, die auf der Schwertseite ihr Hergewede genommen, so nehmen auch die auf der Spinneseite, d. i. das Frauengeschlecht, das ihrige, die s. g. Weiberrade. Dazu gehört nach schwerinschem Rechte alle Frauenkleidung, aller Schmuck und Kleinodien, was die Frau zur Kirche getragen hat. Ist die Frau vor der Teilung schon nicht mehr am Leben, so treten die Schwestern oder sonstige nächste weibliche Verwandte an ihre Stelle. Zum Gewede der Frauenseite gehört gleichfalls ein aufgemachtes Bett, die Leibwäsche und was Frauen sonst tragen, angeschnittene Leinwand, Garn, Flachs, Spinngerätschaften, Hecheln. Sodann alle Schmalrinder (d. i. Starken, junge Kühe), die Schaaf, Gänse und Enten. Erkaufte Schafe, welche eine kleine Schäferei bilden, und unangeschnittene Leinwand gehören in die Teilungsmasse.
Wenn von beiden Seiten Derjenigen, von welchen das Erbe stammt, keine Namensverwandte am Leben sind, so kommt die ganze Nachlassmasse zur Teilung unter die beiderseitigen Verwandten.
Will der überlebende Teil das Haus gern behalten, so hat er die Wahl. Es wird dasselbe alsdann von einigen Bürgern geschätzt und kann er es für den Schätzungswert annehmen, wenn er will. Oder es machen auch die Miterben die Schätzung des Hauses ab und kann es der Haupterbe für dieselbe behalten; will er es aber nicht, so müssen es Erstere zu gleichem Werte annehmen. Wer das Haus behält, bekommt zugleich Alles, was erd- und nagelfest ist, dazu den Tisch, den Kesselhaken, den angeschnittenen Speck und einen Spieß voll trockenen Fleisches.
Alles hier von der Erbteilung Gesagte muss jedoch mit Willen und Wissen des Gerichts vorgenommen werden, damit keinem Teile Unrecht geschehe.
Der Rat bekommt die Zehnten von den Fremden, welche ein Erbe in der Stadt nehmen, aber keine Bürger sind. Deshalb darf kein Fremder, der nicht Bürger ist, ein Erbe in der Stadt nehmen, ohne dem Rate den Zehnten bezahlt zu haben.
Ferner müssen Erben dem Richter einen nächstbesten Grapen geben und auch, nach dem Werte der Erbschaft, jedem der Gerichtsherren ein Stück Hausgerät verehren. Wenn Jemand sich mit seinen Gütern an einen anderen Ort begeben will, dort zu wohnen, so wird ihm dies nicht gestattet, bevor er sich nicht mit dem Rate abgefunden hat. So darf auch Keiner in der Stadt sich niederlassen, er muss dem regierenden Bürgermeister wenigstens 8 Witten geben und das Bürgerrecht zu gewinnen versprechen, auch über sein früheres Verhalten Zeugnis beibringen. Wenn er aus diesem des Bürgerrechts für würdig erachtet worden, wird er zur Ablegung des Bürgereides zugelassen, für welchen ein Fremder 2 Gulden oder nach einem Vermögen noch mehr, eines Bürgers Kind 1 Gulden zu entrichten hat. Wer aber das Bürgerrecht gewinnen und es jährlich mit 8 Witten verschossen will, der braucht den Zehnten nicht zu geben, auch an keinem anderen Orte als zu Schwerin, und zwar vor dem Stapelgerichte allda, zu Rechte zu stehen. Und wenn er auch an einem anderen Orte ein peinliches Verbrechen begangen hätte, so darf er doch an keinem anderen Orte, als zu Schwerin, vor Gericht gezogen werden, wofern er nur das Gebiet der Stadt nicht überschreitet. Auch weder Beamte noch andere Personen dürfen ihn fassen, ebenso wie Beamte nicht berechtigt sind, einen Bauern oder einen anderen Mann in der Stadt oder deren Gebiete anzugreifen, sondern es darf dies nur durch den Stadtdiener, und zwar auf besonderen Befehl des Rats und Gerichtes geschehen. Der Rat hat nämlich, wie oben gezeigt, die Jurisdiktion sowohl vor den Toren, wie binnen der Stadt und auf deren Feldmark mit Ausnahme jedoch der Landstraßen, welche fürstlicher Hoheit angehören.
Es tragen sich auch oft Sachen zu, welche erst bürgerliche sind, aber durch Halsstarrigkeit usw. peinliche werden. Z. B. wenn Jemand aus Unbesonnenheit oder beim Trunke Alles, ohne dass es seines Amts wäre, beklügeln, verbessern und tadeln, Alles reformieren, Jemanden Lügen strafen, Meuterei unter der Gemeine anrichten, Andere verraten und schelten, auf der Gasse tumultuieren, mit allerlei schädlichen Gerätschaften Streit anfangen, Fenstern und Türen zerbrechen oder ausschlagen wollte u. dgl. m. Da könnte es geschehen, dass ein Anderer selbst wider seinen Willen mit ihm in einen Streit käme, aus welchem Wortwechsel und Schlägerei entständen, die leicht peinlich endigen könnten. Solche Vergehung würde alsdann, unter Berücksichtigung der Person und Tat, mit Geld, Gefängnis oder am Leibe gestraft werden.
Ein halber Halsbruch gilt 15 Mark, und darf der Schuldige davon nicht appellieren.
Ein ganzer Halsbruch gilt 30 Mark.
Ein doppelter Halsbruch gilt 60 Mark.
Man findet auch oft, dass mutwillige Gesellen nach Verübung eines Mutwillens kein Geld haben, die Sühne zu erlegen. Solche müssen eine Zeitlang, 8 bis 14 Tage oder auch länger, mit Gefängnis bestraft werden. Ist die Missetat bedeutender, so wird sie mit Verweisung entweder aus der Stadt oder aus dem Amte oder den Lande bestraft, und wird solche teils auf einige Jahre, teils auf Lebenszeit („in alle Ewigkeit“) verhängt. Ein Jeder aber, welcher in Verhaft genommen wird, sei es auf längere oder auf kürzere Zeit, der muss am Schlusse der Haft Urfehde schwören (geloben, sich ruhig zu verhalten und sich nicht zu rächen) oder er wird nicht entlassen.
I. Vorerst wird alle Jahr auf Mitfasten vom Rathause aus der auf dem Markte versammelten Bürgerschaft ein Auszug aus den Statuten der Stadt (die s. g. Bürgersprache) vorgelesen, worin ihnen mitgeteilt wird, was ein jeder Einwohner tun und lassen solle und wie die Verbrecher gestraft werden. Ferner wird ihnen vorgelesen, welche besondere Gerichte und Gerechtigkeit, Gebühren und Freiheiten die Stadt besitzt. Zum Schlusse werden die Namen der „regierenden“ Bürgermeister und Ratsherren genannt, und wenn es nötig ist, werden sodann durch den Rat neue Ratsherren aus der Gemeinde erkoren und ihre Namen zur öffentlichen Kenntnis gebracht.
II. Es wird ein besonderes bürgerliches Gericht (das Bürgergericht) auf die Scharen bestellt, bestehend aus einer Anzahl von Bürgern, deren Vorsitz die beiden Kammerherren (Kämmerer) der Stadt führen. Vor dies Gericht werden die Irrungen gebracht, welche sich beim Kaufe und Verkaufe von Gärten und Äckern ereignen, z. B. wegen der Ackerkontrakte, wegen Abpflügungen, Abhütungen und Abmähungen, wegen Auspfändung; ferner wegen Verpfändung oder Versetzung von Acker und Garten, wegen schlechter und fälschlicher Zumessung derselben, Abzäunung und Beraubung; ferner was sich in den vor der Stadt liegenden Scheunen zugetragen hat, wenn dieselben bestohlen wurden, wenn das Korn in ihnen mit Beschlag belegt werden soll, wenn Schlägereien in ihnen stattgefunden haben. Alle diese und ähnliche Sachen werden in der gedachten Versammlung der Bürgerschaft auf dem Brotschaaren verhört und beurteilt. Wenn der Findesmann der Bürgerschaft das Urteil der Bürger eingebracht hat, und eine Partei hält sich durch dasselbe beschwert, so kann eine Appellation an E. E. Rat stattfinden. Die Strafe, womit der schuldige Teil belegt wird, z. B. wenn derselbe einen Faden Ackers abgepflügt hatte, beträgt 3 Pfund, jedes Pfund zu 20 Schillingen.
Wer einen Anderen „Lügner“ heißt, hat auch 3 Pfund zu zahlen; wer ohne Erlaubnis im Gerichte redet, 1 Pfund. Wenn Jemand vom Gerichte fortläuft, so begeht er einen halben Halsbruch.
Nachdem nun von der Bürgerschaft das Urteil eingebracht worden, muss die Appellation binnen 10 Tagen eingelegt werden, anderenfalls das Urteil Rechtskraft erhält. Gleichwohl darf der jenige Teil, welcher gewonnen hat, nicht aus eigener Gewalt selbst zufahren und den streitigen Gegenstand in Besitz nehmen, sondern es wird ihm derselbe gegen Erlegung der Gebühr von dem Rate, und speziell von den Kämmerern der Stadt, angewiesen, damit kein Bürger von einem andern übereilt und übervorteilt werde.
III. Gilden- und Amts-Angelegenheiten gehören vor den Rat, von welchem sie, soweit möglich, auch entschieden werden. Privilegien, Vorschriften, Kundschaften, Geburtsbriefe werden von E. E. Rat ausgestellt.
IV. Hauskäufe werden stets von E. E. Rat bestätigt und im Beisein der Kämmerer vollzogen. Es findet bei denselben ein „Weinkauf“ statt in der Art, dass eine große, stets geöffnet stehende Kanne voll Bier von Hand zu Hand herumgereicht wird und Jeder der Anwesenden aus ihr trinkt. Wer dabei den Trunk versagt und den Deckel der Kanne zuschlägt, muss sie zur Strafe halb leer trinken. Wenn die Kanne herumgereicht wird, ruft man laut das Wort „Weinkauf“, zum Zeichen, dass nicht ein heimlicher, sondern ein öffentlicher Kauf stattfinde, und dass sich Jeder, welcher Einsprache tun möchte, melden könne, bevor der Kauf ins Stadtbuch geschrieben und das Grundstück verlassen wird. Denn wenn freiwillige Verkäufe und Verträge, Verpfändungen, Geldzahlungen auf Häuser, Äcker, Gärten, bewegliche und unbewegliche Güter und andere vor E. E. Rate im Beisein beider Parteien vollzogene Kontrakte in Gegenwart zweier Zeugen in das Stadtbuch eingetragen sind, alsdann sind sie unwiderruflich und feststehend, so dass der neu Eingewiesene nicht nötig hat, das Objekt anders wieder abzutreten, als bis er sein Geld oder was sonst vertragsmäßig ausgemacht wurde, wieder bekommen. Die ins Stadtbuch Eingetragenen gehen auch allen übrigen Gläubigern vorauf und erhalten volle Bezahlung, es werde mit den anderen, wie es wolle. Deshalb wird auch der Verkäufer stets vor dem Abschlusse eines Kaufes gefragt, ob er den Gegenstand auch seinen Freunden angeboten, ob er ihn auch sonst etwa zu Pfand oder Sicherheit gestellt, ob auch ein Anderer sonstige Ansprüche an ihn habe – Alles zu dem Zwecke, damit Niemand betrogen werde. Dadurch wird vielem Unglück, Hader, Zank und Rechtsstreiten vorgebeugt und die Leute werden in ihrem Besitz gesichert.
Alle anderen Sachen, welche sich oft seltsam und täglich wundersamer in der Welt zutragen, gehören vor das Untergericht, d. i. den Stapel zu Schwerin. Solche Sachen sind z. B. Lästern, Schwören, Fluchen, Zaubern, „Böten, Wicken“, Wahrsagen, das Vornehmen ungehöriger Dinge während der Predigt, Ungehorsam gegen die Obrigkeit, gegen Vater und Mutter, tätliches Vergreifen gegen dieselben, Beleidigungen anderer Personen, Schmähen, Höhnen, Lästern, Schlagen, Morden, Huren, Ehebrechen, fleischliche Vermischung mit Tieren und anderen Kreaturen, Rauben, Stehlen, Lügen, Betrügen, Überlisten, Handel mit falscher Ware, falschem Maße und Gewichte, Verschweigung eines Betruges, Verräterei, Zurückhaltung der Wahrheit beim Handel und bei Zeugnissen, das Nichthalten verbriefter und versiegelter Versprechungen, Verfälschung der Nahrung und des Getränks, „Anstiftung von Neuerungen“, Gewalttätigkeiten, die Vornahme eines Baues zu nahe am Grundstücke des Nachbarn oder überhaupt Anderen zum Schaden, Schulden machen und nicht bezahlen können oder wollen u. j. w. Alle Fälle dieser Art und ähnliche, welche man nicht alle aufzählen kann, gehören vor den Stapel, auch wenn sie zum Teil peinlich werden können. Das Stapelgericht ist auf folgende Art bestellt: Den Vorsitz führt ein Richter (früher nannte man ihn Vogt, Stadtvogt). Neben ihm sitzen zwei der jüngsten Ratsherren, welche den dritten Teil am Gerichte (an den Gerichtsporteln) haben, und ein Gerichtsschreiber. Dazu werden den Parteien zwei Vorsprecher (die Fürsprachen) zugeordnet, welche das Notwendige für sie vorbringen und als Belohnung jeder 1 Gulden erhalten. Ferner wird eine Anzahl von Personen aus der gemeinen Bürgerschaft zum Gerichte beschieden, welche nach abgehörter Sache das Urteil zu fällen haben. Ist dies geschehen, so wählen sie aus ihrer Mitte Einen zum Findesmann, welcher das Urteil dem Gerichte einbringen muss, wofür er 8 Schillinge bekommt.
Wenn nun Jemand eine Klage erheben will, so meldet er sich beim Richter, der sie anhört und nach befundener Gültigkeit den Beklagten durch den Gerichtsknecht (welcher dafür 1 Schill. vom Kläger erhält) auf den folgenden Tag oder je nach der Wichtigkeit der Sache früher oder später in die Gerichtsstube bescheiden lässt. Kläger muss sich an demselben Tage ebenfalls einstellen und eine Klage in Gegenwart der Gerichtsherrn und des Gerichtsschreibers vor dem Richter und dem Beklagten wiederholen. Wenn nun die Sache nicht peinlich, sondern bürgerlich ist, so wird erst der Weg der Güte versucht, wobei sich jedoch das Gericht Strafe und Kosten vorbehält. Kommt die Sache aber auf diesem Wege nicht zur Entscheidung, so werden die Parteien vor den Stapel verwiesen. In diesem nimmt der Richter nebst den beiden Gerichtsherrn und dem Gerichtsschreiber einen Sitz, und die B?rger werden zugezogen, welche schon am Abend vorher benachrichtigt waren, dass sie die Sache anhören und das Urteil fassen sollen. Die Gerichtshandlung beginnt nun; die Parteien werden zuerst gefragt, ob sie auch Bürger zu Schwerin seien und angesessen? Sind sie dies nicht, so müssen sie, falls die Sache bürgerlich ist, Bürgschaft dafür stellen, dass sie auch die Brüche und Kosten bezahlen und nicht etwa davonlaufen. Ist die Sache aber peinlich, so müssen beide Parteien (wenn sie nicht angesessene Bürger der Stadt sind) Bürgen bis zur Haft stellen und die Übernahme der Bürgschaft dem Gerichte durch Brief und Siegel der Bürgen beweisen. Kann ein Fremder keine Bürgen bekommen, so muss er vor Gericht einen Eid darauf ablegen, dass er seine Sache durchführen will.
Darauf beginnt das eigentliche Gericht nach schwerinischem Rechte, wobei die Parteien nur durch ihre Fürsprecher reden, folgendermaßen.
Der Fürsprach des Klägers fragt den Richter: „Herr Richter, sitzet ihr, als ob ihr richten wollet?“
Antwortet der Richter: „Ja“.
Der Fürsprach: „Herr Richter, ich bitte euch um Urlaub des heiligen schwerinschen Rechtes“.
Der Richter antwortet: „Es sei Dir vergönnt, sofern Du Recht hat.“
Ehe nun der Gerichtsschreiber zu schreiben beginnt, muss der Kläger ihm 2 Schill. der Beklagte 1. Schill. geben.
Nun ist das Gericht „eingedinget“ und es ruft nach einem Gebrauche von Alters her der Büttel vorm Gerichte aus: „Wer klagen will, der klage fest!“ Hierfür bekommt er 6 Pfenninge. Dann beginnt der
Fürsprach des Klägers: „Herr Richter, ich bitte Urlaub (Erlaubnis).“
Der Richter: „Es geschehe“.
Der Fürsprach: „So erscheine ich hier wegen meines „Hauptmanns“ der bei mir steht, und klage über N. N. dass er
(folgt die Klage)
„Solches Alles wider Gott und das heilige Schwerinsche Recht. Der halben begehre ich wegen meines Prinzipals, zu dessen Gunsten, es dem Beklagten zu beweisen. So rufe ich euer richterliches Amt an und bitte um Einsehen, dass Beklagter nach dem heiligen Schwerin’schen Rechte möge gestraft werden“.
Nachdem also die Klage angebracht worden, wendet sich der Richter zum Beklagten und spricht:
„Du hast gehört, was wider dich geklagt wird; darauf gib gebürliche Antwort.“
Der Fürsprach des Beklagten: „Herr Richter, ich bitte Urlaub“.
Der Richter: „Der Urlaub sei Dir vergönnt“.
Darauf sucht der Fürsprach den Beklagten zu verteidigen oder zu entschuldigen.
Liegt die Sache durch Beweise klar vor, so ist sie schnell ab, gemacht und das Urteil erfolgt sogleich. War sie eine bürgerliche, so wird die Strafe gleich nach dem schwerinschen Rechte bemessen. War sie aber eine peinliche, so wird der Schuldige bis zur Exekution in Haft gebracht.
Zuweilen bleibt die Sache aber auch zweifelhaft, und in diesem Falle kann bei minder wichtiger Streitsache der Beklagte mit einem Einlager in seinem Hause*) belegt werden (um ihn zum Geständnisse zu bringen). Bei wichtiger Sache musste der Beklagte Bürgen stellen, welche sich bei Verlust ihrer Habe und Güter dem Gerichte schriftlich verpflichten mussten, dass sie den Beklagten auf Erfordern „lebendig oder tot“ dem Gerichte wieder präsentieren würden. Wenn bei zweifelhaften Sachen, die vielleicht peinlich werden könnten, der Beklagte kein Bürger ist, so wird ihm die Hälfte der Strafe sofort zuerkannt (zur Sicherstellung des Gerichts), doch wird alsdann dreimal vor Gerichte ausgerufen, dass man Bürgschaft für ihn annehmen wolle, falls er solche bekommen könne. Geschieht dies, so ist er bis zum nächsten Rechtstage, wo weiter verhandelt wird, frei, die Bürgen dagegen bleiben für ihn verpflichtet, bis er seine Strafe bezahlt oder die Sache sich sonst ausgeglichen hat.
*) Hiermit hat es folgende Bewandtnis: In das Haus eines mutmaßlich Schuldigen wird eine Person von Gerichtswegen eingelegt, die er auf seine Kosten unterhalten muss, bis er mürbe gemacht ist und die Wahrheit der Sache eingesteht. Der Bestrafung musste in jener Zeit stets das Geständnis des Schuldigen voraufgegangen sein, falls man auf dem Rechtswege verfahren wollte, welcher freilich oft genug nicht innegehalten werden mochte.
Bei bürgerlichen und noch zweifelhaften Sachen kann der Beklagte, wenn er vorgibt, eine Antwort nicht vorgesehen zu haben, um Frist bitten, welche ihm das Gericht drei Male auf je 14 Tage, also auf 6 Wochen, und auf 3 Tage darüber hinaus bewilligen muss. Nach dieser Zeit hat aber die Rechtsfrist ein Ende und wird der Beklagte als schuldig betrachtet, wenn er sich jetzt nicht reinigt. Ebenso geht es dem Kläger, wenn er eine begonnene Klage nicht fortsetzt, es sei denn, dass er durch Krankheit behindert wäre.
Erscheint aber der Beklagte, so geht die Sache, wie oben gezeigt, ihren Rechtsgang. Lässt sie sich durch Disputieren nicht beendigen, so schreitet man zur Ablegung des Eides oder nimmt den Parteien ihre Aussagen an Eides Statt ab, verhört Zeugen, vergleicht die Urkunden usw. Das Protokoll wird den zum Gerichte geheischten Bürgern verlesen und sie werden ermahnt, daraus ein Urteil zu fassen, „wie sie es vor Gott, der hohen Obrigkeit und Jedermann verantworten können“. Doch müssen, ehe die Vorlesung beginnt und das Urteil gefasst wird, die Freunde der Parteien und sonst verdächtige Personen (denen also wie auch anderen Bürgern das Zuhören bei den Verhandlungen erlaubt war) abtreten. Ist nun das Urteil von den Bürgern gefunden, so beauftragen sie den Findesmann, es in ihrer Gegenwart dem Gerichte vorzulegen. Hat er dies mündlich getan, so fragt er die Bürger, ob sie ihm den Vortrag nicht also befohlen hätten? Sagen sie ja, so ist es gut, sagen sie nein, so wird die Sentenz noch geändert, bis Übereinstimmung erreicht ist. Nun trägt der Gerichtsschreiber das Urteil ins Gerichtsprotokoll, es wird verlesen und der Richter fragt nochmals die Bürger, ob sie bei dem Urteile bleiben und „ob es so im vorkommenden Falle auch für die und ihre Kinder gelten solle?“ Darauf genehmigen die Bürger es durch ihr zustimmendes Ja.
Gefällt aber das Urteil einer Partei nicht, so kann sie an E. E. Rat, d. h. an das Rathaus zu Schwerin, appellieren (das Urteil „schelten“), sofern sie zuvor das Appellationsgeld von 12 Schillingen erlegt hat. Der Richter ermahnt darauf die appellierende Partei, binnen 10 Tagen die Appellation beim Bürgermeister anhängig zu machen und zu verfolgen. Als dann stehen Alle auf und gehen aufs Rathaus, verlesen die Akten, damit sie richtig abgeschrieben werden, und erhält der Appellant eine Abschrift derselben gegen Erlegung der Gebühr.
Die Sache kommt nun vor den Rat, wird von diesem untersucht und erwogen und das Urteil des Stapelgerichts entweder bestätigt oder umgeändert. Die Parteien werden darauf zur Verlesung des neuen Urteils vor den Rat geladen und müssen geloben, mit demselben sich zufrieden geben zu wollen. Darauf wird es ihnen aus dem Urteilsbuche publiziert und der Bürgermeister bekräftigt es dadurch, dass er das Buch schließt und mit der Hand fest auf das selbe schlägt. Vom Urteile des Rats kann nicht appelliert (es kann nicht „gescholten“) werden, sondern es ist ein entscheidendes Recht („inschedende Recht“).
Zuweilen tragen sich aber Fälle zu, an welchen Kläger und Beklagter beide Schuld haben und wo Beklagter sagt, er habe es unwissentlich oder nicht absichtlich getan. Z. B. wenn Jemand mit einem Wagen auf der Straße fährt und es gerät ein Schwein oder Schaaf unter denselben, so wird das für Unrecht erachtet, jedoch müssen beide Teile nach Schätzung unparteischer Leute den Schaden tragen.
Andere Gebräuche in bürgerlichen Sachen sind folgende: Der Schuldner gibt es zweierlei Art, einmal Solche, die bezahlen können, sodann Solche, die nicht bezahlen können. Wenn Jemand seine Schuld aber nicht in barem Gelde bezahlen kann, so stellt er seinen Gläubigern vor Gerichte ein Pfand, entweder ein bewegliches oder ein unbewegliches. Das bewegliche Pfand bleibt 6 Wochen und 3 Tage beim Gerichte stehen, darauf wird es, wenn der Schuldner während dieser Zeit kein Geld aufgebracht hat, vor dem Rathaus aufgeboten und nach Schätzung sachverständiger Bürger verkauft, die Kaufsumme aber zur Befriedigung des Gläubigers verwandt, jedoch nach Abrechnung des Pfandschillings, welcher 12 Schill. beträgt. Über ein unbewegliches Pfand, wie Haus und Hof und was sonst Einer in der Stadt an Scheunen, Gärten oder Buden besitzt, haben der Stadtvogt wegen des Fürsten und beide Gerichtsherren wegen der Stadt je zum dritten Teile die Jurisdiktion, sowie sie auch die richterliche Einweisung des Gläubigers in ein solches Pfand bestimmen. Dasselbe steht 18 Wochen 6 Tage, worauf der Gläubiger es mit Wissen und Willen des Gerichts zu sich nehmen kann. Die Gebühr hierfür an den Richter sowohl wie an die Gerichtsherren beträgt 12 Schill. Wenn in unbewegliche, außer der Stadt gelegene Pfänder, wie Äcker, Gärten, Scheunen u. dgl. worüber E. E. Rat die besondere Jurisdiktion hat, die Einweisung eines Gläubigers verlangt wird, so hat E. E. Rat solche durch die Kämmerer anzuordnen, welche dafür eine Gebühr von 12 Schill. erhalten.
Wenn Jemand in Armut geraten ist und seine Gläubiger auf Bezahlung dringen, aus seinem Vermögen aber nicht bezahlt werden können, so wird ein Tag zur Liquidation angesetzt, wobei alle das Vermögen des Schuldners betreffende Urkunden und Beweise aufgelegt werden. Die Stadtbuch Gläubiger haben in solchem Falle die Prärogative und werden von allen Gläubigern zuerst bezahlt, darauf Diejenigen, welche für ihre Schulden Unterpfande in Händen haben, alsdann Diejenigen, welche Briefe und Siegel in Händen haben, nach der Reihenfolge des Alters ihrer Ausstellung. Wer für seine Forderung Bürgen hat, hält sich an diese, wenn er aus der Masse nicht bezahlt werden kann. Sind die Stadtbuchgläubiger bezahlt und es bleibt dann noch Gut übrig, so fällt dies pro rata an die anderen Gläubiger.
Übrigens hat man den Schuldnern immer Frist zur Bezahlung gestattet, und wenn Jemand nicht hat zahlen können, so hat man mit ihm Geduld gehabt und ihn nicht mit Gefängnis oder Verweisung bestraft.
Wenn eine Schuld zweifelhaft war, so hat sie der Kläger beweisen oder der Beklagte sich in älterer Zeit sofort eidlich reinigen müssen. Schon um 1590 hat man aber den Eid nicht gern mehr zugelassen, weil es etwa um 1540 vorgekommen war, dass ein Bewohner der Burgstraße, Namens Valentin Knüppel, der vor Gericht einen Eid geschworen, bei der Rückkehr in sein Haus an der Schwelle desselben rücklings niederfiel und bald hernach starb (was man natürlich als Strafe eines Meineids aufgefasst hatte).
In Betreff der Erbfälle ist nach schwerinschen Rechte in folgender Weise verfahren: Eheleute haben, sobald sie getraut sind und die Decke über die geschlagen worden, alle Güter, Vorräte, Schuld und Schaden gemeinschaftlich, es möge der Eine immerhin viel, der Andere wenig gehabt haben. Das Vermögen wird auch nach dem Tode des Einen, wenn keine Leibeserben vorhanden sind, unter die Erbberechtigten halb und halb geheilt, es wäre denn, dass sie unter sich ein rechtsgültiges Testament unter Bestätigung des Stadtbuchs und des Stadtsiegels oder vor einer genügenden Anzahl von Zeugen aufgerichtet hätten, worin anders bestimmt wäre. Kommt es aber zur Teilung, so nimmt noch vor derselben der Mann, wenn er der Überlebende ist, oder sonst dessen nächster Blutsfreund sein „Hergewede“ vorweg, bestehend in Allem, was zur Kriegsrüstung und Wehre gehört, dazu die Männerkleidung, ein aufgemachtes Bett mit den zugehörigen Laken, Kissen, Decken (doch nur, wenn mehr als eine vorhanden, damit der Frauen Gut nicht zu gering werde) und vorm Bette ein Stuhl nebst Kissen und ein Becken. Ferner gehört ihm vorab ein gedeckter Tisch mit einer Kanne, ein Topf, ein Teller und eine Schüssel, ein silberner Löffel, wenn solche vorhanden sind, ein Handtuch, ein Tafellaken, ein Kessel, in welchen er mit Stiefeln und Sporen treten kann, und wenn Pferde vorhanden sind, eins der nächstbesten.
Ist der Mann eine öffentliche Person und sind im Hause silberne Becher vorhanden, so nimmt er zu seiner Hergewede von diesen den besten, der ihm zu Ehren auf den Tisch gehört. Einem Handwerksmanne kommen die Geräte zu, mit welchen er sein Handwerk betreibt.
Wie also die Schwertmagen oder, wie man zu sagen pflegt, die auf der Schwertseite ihr Hergewede genommen, so nehmen auch die auf der Spinneseite, d. i. das Frauengeschlecht, das ihrige, die s. g. Weiberrade. Dazu gehört nach schwerinschem Rechte alle Frauenkleidung, aller Schmuck und Kleinodien, was die Frau zur Kirche getragen hat. Ist die Frau vor der Teilung schon nicht mehr am Leben, so treten die Schwestern oder sonstige nächste weibliche Verwandte an ihre Stelle. Zum Gewede der Frauenseite gehört gleichfalls ein aufgemachtes Bett, die Leibwäsche und was Frauen sonst tragen, angeschnittene Leinwand, Garn, Flachs, Spinngerätschaften, Hecheln. Sodann alle Schmalrinder (d. i. Starken, junge Kühe), die Schaaf, Gänse und Enten. Erkaufte Schafe, welche eine kleine Schäferei bilden, und unangeschnittene Leinwand gehören in die Teilungsmasse.
Wenn von beiden Seiten Derjenigen, von welchen das Erbe stammt, keine Namensverwandte am Leben sind, so kommt die ganze Nachlassmasse zur Teilung unter die beiderseitigen Verwandten.
Will der überlebende Teil das Haus gern behalten, so hat er die Wahl. Es wird dasselbe alsdann von einigen Bürgern geschätzt und kann er es für den Schätzungswert annehmen, wenn er will. Oder es machen auch die Miterben die Schätzung des Hauses ab und kann es der Haupterbe für dieselbe behalten; will er es aber nicht, so müssen es Erstere zu gleichem Werte annehmen. Wer das Haus behält, bekommt zugleich Alles, was erd- und nagelfest ist, dazu den Tisch, den Kesselhaken, den angeschnittenen Speck und einen Spieß voll trockenen Fleisches.
Alles hier von der Erbteilung Gesagte muss jedoch mit Willen und Wissen des Gerichts vorgenommen werden, damit keinem Teile Unrecht geschehe.
Der Rat bekommt die Zehnten von den Fremden, welche ein Erbe in der Stadt nehmen, aber keine Bürger sind. Deshalb darf kein Fremder, der nicht Bürger ist, ein Erbe in der Stadt nehmen, ohne dem Rate den Zehnten bezahlt zu haben.
Ferner müssen Erben dem Richter einen nächstbesten Grapen geben und auch, nach dem Werte der Erbschaft, jedem der Gerichtsherren ein Stück Hausgerät verehren. Wenn Jemand sich mit seinen Gütern an einen anderen Ort begeben will, dort zu wohnen, so wird ihm dies nicht gestattet, bevor er sich nicht mit dem Rate abgefunden hat. So darf auch Keiner in der Stadt sich niederlassen, er muss dem regierenden Bürgermeister wenigstens 8 Witten geben und das Bürgerrecht zu gewinnen versprechen, auch über sein früheres Verhalten Zeugnis beibringen. Wenn er aus diesem des Bürgerrechts für würdig erachtet worden, wird er zur Ablegung des Bürgereides zugelassen, für welchen ein Fremder 2 Gulden oder nach einem Vermögen noch mehr, eines Bürgers Kind 1 Gulden zu entrichten hat. Wer aber das Bürgerrecht gewinnen und es jährlich mit 8 Witten verschossen will, der braucht den Zehnten nicht zu geben, auch an keinem anderen Orte als zu Schwerin, und zwar vor dem Stapelgerichte allda, zu Rechte zu stehen. Und wenn er auch an einem anderen Orte ein peinliches Verbrechen begangen hätte, so darf er doch an keinem anderen Orte, als zu Schwerin, vor Gericht gezogen werden, wofern er nur das Gebiet der Stadt nicht überschreitet. Auch weder Beamte noch andere Personen dürfen ihn fassen, ebenso wie Beamte nicht berechtigt sind, einen Bauern oder einen anderen Mann in der Stadt oder deren Gebiete anzugreifen, sondern es darf dies nur durch den Stadtdiener, und zwar auf besonderen Befehl des Rats und Gerichtes geschehen. Der Rat hat nämlich, wie oben gezeigt, die Jurisdiktion sowohl vor den Toren, wie binnen der Stadt und auf deren Feldmark mit Ausnahme jedoch der Landstraßen, welche fürstlicher Hoheit angehören.
Es tragen sich auch oft Sachen zu, welche erst bürgerliche sind, aber durch Halsstarrigkeit usw. peinliche werden. Z. B. wenn Jemand aus Unbesonnenheit oder beim Trunke Alles, ohne dass es seines Amts wäre, beklügeln, verbessern und tadeln, Alles reformieren, Jemanden Lügen strafen, Meuterei unter der Gemeine anrichten, Andere verraten und schelten, auf der Gasse tumultuieren, mit allerlei schädlichen Gerätschaften Streit anfangen, Fenstern und Türen zerbrechen oder ausschlagen wollte u. dgl. m. Da könnte es geschehen, dass ein Anderer selbst wider seinen Willen mit ihm in einen Streit käme, aus welchem Wortwechsel und Schlägerei entständen, die leicht peinlich endigen könnten. Solche Vergehung würde alsdann, unter Berücksichtigung der Person und Tat, mit Geld, Gefängnis oder am Leibe gestraft werden.
Ein halber Halsbruch gilt 15 Mark, und darf der Schuldige davon nicht appellieren.
Ein ganzer Halsbruch gilt 30 Mark.
Ein doppelter Halsbruch gilt 60 Mark.
Man findet auch oft, dass mutwillige Gesellen nach Verübung eines Mutwillens kein Geld haben, die Sühne zu erlegen. Solche müssen eine Zeitlang, 8 bis 14 Tage oder auch länger, mit Gefängnis bestraft werden. Ist die Missetat bedeutender, so wird sie mit Verweisung entweder aus der Stadt oder aus dem Amte oder den Lande bestraft, und wird solche teils auf einige Jahre, teils auf Lebenszeit („in alle Ewigkeit“) verhängt. Ein Jeder aber, welcher in Verhaft genommen wird, sei es auf längere oder auf kürzere Zeit, der muss am Schlusse der Haft Urfehde schwören (geloben, sich ruhig zu verhalten und sich nicht zu rächen) oder er wird nicht entlassen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin