Die Rechte der Stadt Schwerin 28 bis 43

28. Der Bürgermeister trifft die Verabredung mit den Hirten.*)
29. Die Jagd auf dem Stadtfelde gehört der Herrschaft, nicht dem Bürgermeister**)
30. Keiner darf seinen Nachlass weggeben ohne Zustimmung seiner Erben.

*) Wie schon Hederich sagte, sind die §. §. 28, 29, 31 und 38 in ihrer Fassung dunkel. §. 28 lautet: Magister civium pastores conveniet. Hederich übersetzt: „Dieser Magister oder Aufseher soll die Pastores besuchen und mit ihnen avereinkommen“. – Hövisch schreibt: „Der Vorsteher oder Öconomus soll die Prediger unterhalten“, Joach. Wedemann aber: „Der Borgermeister schall sick mit den Heerden fredsahm upföhren“. – Wir vergleichen hiermit Folgendes: In den städtischen Herden bestand der größte Teil des Reichtums der Bürger, wie es denn auch fehde- und beutelustige Nachbaren meistens gerade auf sie abzusehen pflegten. Deshalb wurde gewöhnlich die ganze städtische Feldmark mit einem hohen Walle, der „Landwehr“ umzogen, wodurch man das Rauben der Viehherden zu verhindern suchte. Auch baute man auf der Feldmark hier und da Wachtürme, um von diesen erhöhten Orten aus eine weitere Umschau halten und herannahende Raubzüge so früh wahrnehmen zu können, dass man zur schnellen Sicherung der Herden Lärm schlagen und die Bürger aufrufen konnte. Auf der Parchimschen Feldmark steht noch oder fand noch vor Kurzem ein solcher Wachturm, welcher nach seiner Bestimmung die „Kuhburg“ genannt wurde. Eine Schweineburg lag bei Schwerin vor dem Schmiedetore. Es ergibt sich hieraus die Wichtigkeit, welche die Wahl tüchtiger Hirten, das Austreiben des Viehes und seine Bewachung für die Bürger hatten, und lässt sich wohl annehmen, dass dies Alles mit besonderer Sorgfalt geschah, wie ja noch vor Kurzem in unseren Landstädten an einem bestimmten Tage (1. Mai), unter freudiger Beteiligung der ganzen Bürgerschaft die Heerde ausgetrieben zu werden pflegte, wobei die Kühe mit Maibuch geschmückt wurden, jedoch mit Ausnahme der letzten, welche zur Verspottung ihrer Langsamkeit einen Strohkranz tragen musste, und wobei unter großem Zulauf der Einwohner ein „Bollenstoßen“ im offenen Felde stattfand. Auch war es vielleicht zweckmäßig, wegen häufig drohender Raubgefahr, die Weideplätze der Heerden öfter zu verändern. Hierauf und auf die Beaufsichtigung der Hirten bezieht sich unserer Meinung nach die Pflicht, welche dem Bürgermeister durch § 28 auferlegt wird.


**) Bei der Gründung einer Stadt wurde ihr eine Feldmark zugelegt, welche die Stadt als Gemeingut beackern oder unter die einzelnen Bürger verteilen konnte. Gewöhnlich geschah das Letztere, so dass jedem Hause oder Erbe ein gleicher Teil des Feldes gegeben wurde. Vergrößerte die Stadt später durch Ankauf ihre Feldmark, so pflegte auch diese an die Bürger verteilt zu werden. Letztere entrichteten für ihren Ackerbesitz eine Abgabe; entweder ist diese in dem vorliegenden § gemeint oder wahrscheinlicher die Jagd. Derselbe lautet: Praeda campestris potestati pertinet, non magistro (civium). Hederich übersetzt: „der Raub auf dem Lande gehört der Obrigkeit und nicht dem Magistro Civium“. Hövisch hat: „Der Feldroff gehöret der Obrigkeit und nicht dem Rate oder Burgermeistern“, Wedemann: „De Jagd gehöret der Herschop un nicht den Borgermeister“.


31. Wenn Jemand in Abwesenheit seiner Erben stirbt, nimmt der Rat den Nachlass zur Aufbewahrung an sich auf Jahresfrist. Ist diese verstrichen und hat sich kein Erbe eingestellt, so geht der Nachlass an die Herrschaft über. Es muss aber der Nachlass in die siebente Hand zurückgegeben werden, d. h. wenn sich binnen der festgesetzten Frist ein Erbe meldet, der mit dem Erblasser nicht über das siebente Glied hinaus verwandt ist.

32. Wenn Jemand mit Hinterlassung zweier Erben stirbt und die Mutter will sich wieder verheiraten, so soll sie den Nachlass des Vaters zuvor teilen.

33. Wenn einer der Erben stirbt, fällt der Nachlass an den Bruder.

34. Wenn dieser Erbe und seine Erben sterben, so fällt der Nachlass wieder an die Mutter.

35. Wenn die Mutter Sicherheit leisten kann, bleibt die Vormünderin; ebenso ist es mit dem Vater.

36. Wenn eine Frau mit Hinterlassung eines Erben stirbt und der Vater, nachdem er sich mit diesem auseinander gesetzt hat, heiratet wieder und erzeugt aus dieser Ehe Kinder, so tritt der separierte Erbe nach dem Tode des Vaters in den Nachlass der Mutter ein.

37. Wenn Jemand, der außerhalb der Stadt wohnt, ein Fremder, eine Klage gegen einen Bürger der Stadt erhebt, kann sich der Bürger verteidigen, durch wen er will. Ein Fremder aber muss sich durch einen Bürger verteidigen lassen.

38. Wenn jedoch ein Mann von selbständigen Verhältnissen, der sein eigener Herr ist, d. h. der kein bürgerliches Geschäft betreibt, in der Stadt sich aufhalten will, soll er von Ansuchen jeglicher Dienstleistung – wie der in §. 22 und 23 gedachten – frei sein.

39. Was der Rat der Stadt zum gemeinsamen Besten verordnen wird, das soll für die Bürgerschaft gültig sein.

40. Wenn ein vor dem Gerichte überführter Schuldner seine Schuld nicht zahlen kann und sein Haus dem Gläubiger zur Verfügung stellt, soll der Gläubiger dasselbe zu dreien Malen von sechs zu sechs Wochen vor dem Gerichte aufbieten. Wenn der Schuldner es während dieser Frist nicht zurückkauft, kann der Gläubiger es in seinen Gebrauch nehmen.

41. Brüche der Eichen, Buchen und Tannen betragen ohne vorheriges, besonderes Verbot für jeden Stamm 30 Mark.

42. Für einen abgehauenen Zweig 15 Mark.

43. Für gefälltes weiches Holz 3 Pfund; ein Pfund hat 20 Schill.
Spätere Nachsätze zu diesen Statuten sind:

1. Wer einen Anderen beleidigt, schmäht, ihn verhöhnt oder ihn Übles nachredet, ohne es beweisen zu können, der soll die Kaaksteine tragen oder sich mit 20 Mark lösen. Mit dieser Strafe werden auch alle Diejenigen belegt, welch unehrlich (unkeusch) leben und zu früh „bei einander kommen“.

2. Die Ehebrecher werden am Halse gestraft.

3. Dirnen und Buben werden am Kaak mit Ruten gestraft.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin