Die Entwicklung der städtischen Verhältnisse

Da hier die Schelfe zum ersten Male auftritt und sich von nun an zur Neustadt Schelfe entwickelt, die Altstadt dagegen sich in ihren Grundzügen ausgebildet hat und das Leben in ihr sich in mittelalterlicher Weise energischer zu entfalten beginnt, so unterbrechen wir hier den Gang unserer Darstellung, um diese Entwicklung der städtischen Verhältnisse im Zusammenhang näher zu betrachten, wobei wir zugleich die nächstfolgende Zeit berücksichtigen werden.
Die Schelfe, wie erwähnt, gehörte damals nicht mit zum Bezirke der Stadt, doch hatte das Domkapitel sie zum Teil schon vor dem Jahre 1228 von den Grafen erworben.

Die eigentliche Stadt, später die Altstadt, war nur klein; sie umfasste folgende, nach Örtlichkeiten in ihr oder nach dem Stande der Bewohner, meistens aber nach Gewerben benannte Straßen: die Burg- (später Schloss), die Ritter-, Bader-, Salz-, Filter- (später Königs-), die Mühlen*), Schuster-, Schmiedestraße, die Grube (später Faule-Grube), den Glaisin, die kleinen Straßen um das Rathaus, die engen Verbindungsgassen zwischen der Königsstraße und der Faulen-Grube und die von der zahlreichen Geistlichkeit bewohnten Örtlichkeiten um den Dom. Der jetzige große und der kleine Moor, mit den Quergassen der beiden Glaisinstraßen, die Grüne und die Scharfrichterstraße waren unbebaut und größtenteils noch Wiese und Moor (daher ihr Name). Alle Straßen waren sehr eng und unregelmäßig, der Markt war nur halb so groß, wie jetzt, da die Schmiede- und Schusterstraße in einer Mitte zusammentrafen. Der Raum rund um den Dom gehörte dem Domkapitel, wurde meistens von zahlreichen Geistlichen bewohnt, und umfasste von Schmiedetore (am Ende der Schmiedestraße) die nördliche Seite dieser Straße, die Nordseite des Marktes und die Domstraße in einer Linie vom Markte bis vor den Anfang der jetzigen Scharfrichterstraße.


*) Nicht die jetzige Mühlenstraße, sondern eine Verlängerung der Burgstraße.

Der alte Domhof (Hof der Domherren) ist das jetzige Gasthaus Hôtel de Paris. Nahe an der Domkirche, jedenfalls auf der Südost, Süd- und Westseite derselben, lag der alte Kirchhof; der letzte Rest der ehemaligen Kirchhofsmauer, dem Prinzenhofe gegenüber, also im Westen von der Domkirche, wurde erst im Frühling 1838 abgebrochen.

Neben dem Dome, wo jetzt die Friedrichstraße ist, ging in alter Zeit ein schmaler Gang zwischen Gärten nach dem Küterhause (Schlachterhause), welches am Pfaffenteiche lag. Dieser Gang hieß der Kütergang. Mit seiner Rückseite stand am Ausflusse des Fließgrabens, welcher hier die Grenze des Stadtgebietes bildete, in den Pfaffenteich, der alte Bischofshof an Stelle der jetzigen Post, und hatte eine Abfahrt nach der Schmiedestraße hin. Dieser Bischofshof war die Residenz der Bischöfe von Schwerin, wenn sie anwesend waren; von dem alten Gebäude ist aber längst jede Spur verschwunden, da es i. J. 1590 abgebrochen wurde; auch sonst ist wenig von ihm bekannt geworden. Zwischen ihm und dem Dome lag die Domfreiheit. Wo die Stadt nicht durch natürliche Grenzen geschützt war, hatte man sie mit Gräben, Wällen und starken Planken umgeben, welche dort gingen, wo jetzt die Fließgraben, Friedrichs-, Scharfrichter- und Theater- (früher Armensünder-) Straße liegen. Das Plankwerk, welches der Theaterstraße entlang ging, schied zugleich den Platz vor der Burg, die Burgfreiheit (später „Alter Garten“) von der Stadt. Dieser Platz stieß rechts an die Moorniederung des jetzigen Großen und Kleinen Moors und war von der Stadt am Eingange in die Burgstraße durch das Burgtor getrennt. In der Nähe des Moors stand auf der Burgfreiheit schon in alter Zeit ein Ritterhof (später „die Ravensburg“ genannt). Am anderen Ende der jetzigen Schlossstraße bei der Mühle lag das Mühlentor, am Ende der Schmiedestraße das Schmiedetor und am Zusammenstoße der jetzigen Scharfrichter- und der Friedrichstraße das Schelftor. An der Grube (Faulen-Grube) lag das heiligen Geist-Hospital, welches schon 1283 zur Verpflegung alter, schwacher und gebrechlicher Armen diente und eine Kapelle enthielt. Die Vorstadt bestand nur aus einigen Häusern, welche um das, vor 1283 gegründete Beguinen-Hospital St. Georg vor dem Mühlentore gebaut waren. Das St. Georgs-Hospital war, wie alle stets außerhalb der Städte gelegenen Hospitäler dieses Namens in vielen mecklenburgischen Städten, besonders zur Aufnahme am Ausatz (Mielsucht) Erkrankter („Aussätziger“) bestimmt. Diese schreckliche Krankheit war aus dem Orient durch heimkehrende Kreuzfahrer eingeschleppt und verbreitete sich auch in Mecklenburg zu wiederholten Malen sehr stark. Zur Abwehr ausatzartiger Krankheiten hatte man öffentliche Badestuben, in denen namentlich auch die Handwerker wöchentlich zu baden pflegten. Die Krankenpflege im St. Georg-Hospital besorgte die Schwesternschaft der Beguinen, welche sich stets nur in den Städten ansiedelten, wo es Franziskanerklöster gab (in Schwerin also erst nach 1236; denn in diesem Jahre wurde das dortige Franziskanerkloster erst gegründet). Das Hospital enthielt gleichfalls eine Kapelle; in seiner Nähe standen einige Scheunen.

Links vor dem Mühlentor, wo das Hospital St. Georg lag, hatte die Stadt einen „Rosengarten“ zu Tänzen und Spielen im Freien und zu den s. g. Rosenfesten, welche, wie an vielen anderen Orten Deutschlands, jährlich am Johannistage abgehalten wurden; rechts vor demselben Tore lag ein „Wettlauf“ zu öffentlichen Spielen. Auch einen Kalandsverein finden wir später in Schwerin.

Über das städtische Leben der Bürger erfahren wir aus dieser Zeit wenig Spezielles und berichten deshalb über dasselbe hier nach den Mitteilungen, welche uns über das Leben in den mecklenburgischen Städten überhaupt aufbewahrt worden sind. Im Innern war die älteste Stadt Schwerin, wie alle übrigen Städte Mecklenburgs, vielleicht mit Ausnahme von Rostock und Wismar, unansehnlich. Die Straßen waren zwar dicht bebaut und stark bevölkert, aber eng und schlecht angelegt; die Wohnungen bestanden meistens aus Häusern in Fachwerk, größtenteils mit Wänden aus Lehm („geklehmt“), waren mit Stroh oder Rohr gedeckt und mit dem Hauszeichen der Bürger gezeichnet. Die meisten oder doch sehr viele Bürger hatten außerhalb der Stadt einen Ackerbesitz, da ein solcher schon den Städten bei ihrer Gründung zugelegt zu werden pflegte und sich später durch Ankäufe vergrößerte. Die Scheunen befanden sich ursprünglich alle innerhalb der Städte unmittelbar neben den Wohnhäusern, oft nach Art der älteren Bauerhäuser über den Wohnungen selbst. Vieh wurde in Folge des Ackerbesitzes in ziemlich beträchtlicher Menge gehalten, die Hühner und Gänse liefen frei auf den Straßen herum, oft auch die Schafe und Schweine, wenn letztere sich nicht zur Mast in den nahen Waldungen aufhielten, wo man sie, nachdem sie mit den Hauszeichen der Besitzer gezeichnet waren, sich selbst überließ; die Kühe wurden außerhalb der Stadt auf die Weide getrieben. Die Dunghaufen lagen natürlich in der Nähe der Wohnungen, oft an der Straße, und Abfälle aller Art warf man unbesorgt um ihre Gerüche auf die Dunghaufen oder auch wohl geradezu auf die Straße.

Alle Bewohner einer Stadt waren in älteren Zeiten genötigt, das Bürgerrecht in ihr zu erwerben. Ausnahmen gab es außer der Geistlichkeit gar nicht, selbst in den Städten wohnende Personen von Adel mussten Bürger sein; eigentliche, nichtbürgerliche Tagelöhner fehlten gänzlich. Innerhalb der gesamten Bürgerschaft aber gab es verschiedene Stände oder Rangordnungen, zu welchen schon bei der Stiftung der Städte der Grund gelegt wurde. Es bildeten sich nämlich in der Bürgerschaft der Stand der Patrizier oder „Geschlechter“, wie sie vorzugsweise genannt werden, und der Stand der gewöhnlichen Bürger. Zu ersteren gehörten die Vasallengeschlechter, welche sich in einer Stadt niederließen, ferner die Nachkommen derjenigen Personen, welche die Stadt gegründet, den Stiftungsbrief und das Stadtrecht erhalten, die Feldmark und die Stadtgerechtsame entgegengenommen, die Anlage und die Einrichtung der Stadt geordnet und den Rat zuerst besetzt hatten. In den Landstädten wurden sie nur ausnahmsweise dem Adel gleich geachtet und besaßen nur ausnahmsweise Siegelfähigkeit (das Recht, Schild und Helm zu führen) Lehnsfähigkeit (das Recht, Landgüter zu erwerben) und Turnierfähigkeit. Immer aber bildeten sie eine bevorzugte bürgerliche Klasse und beschäftigten sich nicht mit eigentlichen Handwerken, trieben jedoch Handel und Ackerbau. Die Handwerke blieben der niederen Bürgerschaft überlassen, in welcher gleichfalls der dem ganzen Mittelalter eigentümliche Trieb, sich in bestimmt von einander gesonderten Klassen zu scheiden, bald einen Ausdruck erhielt. Dies zeigte sich in der Bildung der Zünfte oder Innungen, welche auf Grundlage bestimmter Satzungen und Ordnungen, unter jedesmaliger Zustimmung des Rates und nur mit dessen Genehmigung, stattfand. Die Bildung der Zünfte war schon bei der Gründung der Städte vorhergesehen; beispielsweise wird schon 1235 dem Rate der Stadt Plau (gegr. um 1225) und 1235 dem Rate der Stadt Parchim (gegr. 1218) das Recht, Innungen zu stiften, bestätigt. Es wurde nun Sitte, dass, sobald die Zahl der Mitglieder eines Handwerks ausreichend befunden wurde, dasselbe in eine Zunft zusammentrat. So kam es, dass die ursprünglichen und für die Gemeinschaft der Städte notwendigsten Handwerke (Schuster, Bäcker, Schmiede u. s. w), deren Zahl sich am schnellsten ausreichend vermehrte, die ersten Zünfte bildeten, und da man sich nun bald gewöhnte, die zünftigen Handwerker dem bürgerlichen Range nach über die unzünftigen zu stellen, so gewannen jene, namentlich die Schuster, in den ältesten Zeiten der Städte ein hervorragendes Ansehen. Wie es hiermit speziell in Schwerin gewesen ist, wissen wir nicht; die Entwicklung des bürgerlichen Lebens wird sich hier aber nicht anders gestellt haben, als in den Städten, von welchen wir darüber Kenntnis besitzen; denn die Anschauungen und Grundsätze, aus welchen jene hervorging, waren im Mittelalter allgemein. An der Spitze der Zünfte standen Hauptleute (Altermänner), deren Zahl nach der Menge der Mitglieder bestimmt wurde und deren Amt wechselte; sie wurden abgekürt („afkeet“). In die Zunft wurden nur ebenbürtige Personen aufgenommen, die von „unberüchtigten, ehrlichen und frommen Leuten abstammten und deren „vier Ahnen weder Pfeifer, Leineweber“ (diese waren nach damaliger Anschauungsweise unehrlich), „noch Wenden oder Leibeigene“ gewesen. Auch über die Frauen zünftiger Meister erstreckte sich diese Ahnenprobe; sie mussten ehelich geboren und durften nicht von wendischer Abstammung sein. Zweck der Zünfte war übrigens auch – für damalige Zeiten sehr bedeutungsvoll – die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, namentlich der Armen, Alten und Kranken, das Geleit der Verstorbenen, die Überwachung aller Mitglieder in ihrem bürgerlichen und gesellschaftlichen Leben. Statuten regelten die Vereinigung und im Sinne der Zeit lag es, dass dieselbe unter den Schutz eines Heiligen und der Kirche gestellt wurde. An der Spitze der nicht zünftigen Bürger standen die s. g. Wiekmeister. Auch Juden, welche sich schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Mecklenburg angesiedelt hatten, konnten ausnahmsweise das Bürgerrecht erwerben. Wann zuerst sich Juden in Schwerin niedergelassen haben, ist nicht bekannt; der älteste Judenkirchhof lag an dem westlichen Ende der jetzigen Mühlenstraße, wo diese mit der Apothekerstraße und dem Schweinemarkt zusammenstößt, an der Stelle des früheren „kleinen Weinberges“.

Aus der Mitte der Patrizier wurde der Rat erwählt, an dessen Spitze die Bürgermeister standen; alljährlich wurde ein Drittel der Ratsmänner erneuert. Der Rat führte das Regiment der Stadt, verwaltete ihre Einkünfte, beaufsichtigte die Bürgerschaft, verhandelte durch die Hauptleute der zünftigen und die Wiekmeister der unzünftigen Gewerbe mit denselben und leitete die Verteidigung der Stadt. Diese lag der Bürgerschaft nämlich allein ob. Jährlich in der Pfingstwoche fanden deshalb Waffenübungen statt mit der Armbrust, dem Dolchmesser und dem Spieße (daher „Spießbürger“), aus welchen Waffen die Ausrüstung der Bürger bestand.“

Auch das Stadt- oder Stapel-Gericht, dem die höhere und niedere Gerichtsbarkeit zustand, leitete der Rat unter dem Vorstand eines fürstlichen Stadtvogtes; die Urteilssprecher, welche ähnlich wie die heutigen Geschwornen richteten, wurden – wahrscheinlich in einer bestimmten Reihenfolge – aus der allgemeinen Bürgerschaft entnommen. Außer dem Stadtgericht gab es ein Ratsgericht unter dem Vorsitze der Bürgermeister, welches zugleich die Appellationsbehörde bildete, und ein Bürgergericht, in welchem die beiden Stadtkämmerer den Vorsitz führten, und wo jeder Bürger nach einfacher Meldung eine Klage anbringen konnte. Zu allen Gerichten war freier Zutritt erlaubt, das Bürgergericht fand öffentlich statt, einmal jährlich an einem bestimmten Tage (auf Mitfasten). Am Sonntage Lätare wurde alljährlich nach vollendetem Gottesdienste aus dem geöffneten, nach dem Markte hinausgehenden Fenster des Rathauses der versammelten Bürgerschaft die s. g. Bürgersprache öffentlich vorgelesen. Dieselbe enthielt eine Darstellung der bürgerlichen Pflichten und Befugnisse. Das Gerichtswesen der Stadt Schwerin ist schon früher (vgl. S. 13) dargelegt worden; hier lassen wir die Bürgersprache der Stadt Schwerin folgen, einer Abschrift d. d. 18. September 1789 entnommen.

                  Bürgersprache zu Schwerin.

Im Namen Gottes, Amen!
Günstige gute Freunde.

Es ist eine gewöhnliche Weise von Gottes und unsers gnädigsten Landesfürsten und Herrn wegen und E. E. Rats zu Schwerin, dass man auf diesen Tag pfleget zu verkündigen die Gesetze und Gebote dieser Stadt, bei dem Höchsten zu halten.

Fürs Erste gebieten wir, dass Niemand soll sprechen auf Herrn oder Fürsten, auf Ritter und gute Männer (rittermäßige Vasallen), auf Geistliche oder Weltliche, auf Rat und Gericht, Frauen oder Jungfrauen, bei dem Höchsten (bei höchster Strafe).

Zweitens: Ein jeglicher Bürger soll laut unsers gnädigsten Fürsten und Herrn Polizei-Ordnung und nach den alten wohlhergebrachten Statuten dieser Stadt, wie sie durch E. E. Rat und die ganze Gemeine geschlossen, beliebt und angenommen sind, keine liegende Gründe oder stehende Erbe veräußern oder verkaufen ohne des Rats Vorwissen, bei Strafe von 20 Mark.

Drittens: Ein jeglicher Bürger soll, wenn es nötig ist, in eigener Person die Wache versehen, bei Strafe eines Guldens.

Viertens: Ein jeglicher Bürger soll sein Vieh vor den allgemeinen Stadthirten treiben, bei Strafe eines Guldens.

Fünftens: Ein Jeglicher soll seinen ledernen Eimer und eine Leuchte haben, bei Strafe eines Guldens.

Sechstens: Ein Jeglicher soll auf ein Feuer und Licht achten, auch bei Licht nicht dreschen, Futter schneiden oder mit Flachs hantieren, bei Strafe von 3 Gulden.

Siebentens: Ein Jeglicher soll ein Aas vor die Stadt bringen lassen, bei Strafe eines Guldens.

Achtens: Niemand darf vor den Toren kaufen, sondern muss Alles auf den Markt bringen lassen, bei Strafe von 3 Gulden.

Neuntens: Niemand darf dasjenige kaufen, worauf ein Anderer gedingt hat, bei Strafe von 10 Gulden.

Zehntens: Ein Jeglicher soll gute Aufsicht darauf haben, wen er bei sich beherberget oder in seine Wohnung zur Miete nimmt. Wenn von einem Solchen ein Schade entstehen sollte, ist der Wirt für den Gast verantwortlich.

Elftens: Kein Bürger darf während der Predigt und des Gottesdienstes Bier oder Branntwein schenken, bei Strafe von 5 Gulden.

Zwölftens: Es darf auch Keiner bei „nachtschlafender Zeit“ mit Pfeifen, Sackpfeifen oder anderen Instrumenten oder Spielwerk auf der Gasse gehen, auch soll sich Jeder des abscheulichen Rufens, Brüllens, Schreiens, Jauchzens und Tanzens, wie auch des Grassatengehens (?) gänzlich enthalten, bei Strafe von 10 Gulden.

Dreizehntens: Ein Jeglicher soll auch gutes Bier brauen und gutes Brod backen, nach den Verhältnissen, wie denn auch Einer den Anderen im Handel und Wandel, beim Kaufen und Verkaufen der Waren nicht überfordern soll.
Zuvörderst und vor allen Dingen soll ein Jeglicher sich der Gottesfurcht, eines ehrbaren, christlichen und unsträflichen Lebens und Wandels befleißigen; dagegen aller Gotteslästerung, allen Fluchens, Schmähens, Lästerns und Scheltens gänzlich enthalten, bei hoher willkürlicher Strafe.

Vierzehntens: Es soll sich ein Jeglicher des Holzhauens auf dem Stadtfelde gänzlich enthalten, insonderheit die junge Hölzung, als die Eich- und Buchhester im Gosewinkel und sonst überall auf dem Stadtfelde verschonen, bei einer Strafe von 10 Gulden oder anderer willkürlicher Strafe nach der Größe des Verbrechens.

              Der Stadt Freiheit,
darin E. E. Rat das Höchste und Niedrigste (sc. Gericht) hat.

Daneben gebieten. Wir alle alten Gebote, genannte oder ungenannte, die Wir, der Rat zu Schwerin, von Alters her gehabt haben von Gott und unsers gnädigsten Fürsten und Herrn, der Herzoge zu Mecklenburg, bei dem Höchsten und der Stadt Wohnung zu halten. Als nämlich:
1) Das Rathaus,
2) Unterm Rathause,
3) Das Schauer auf dem Kirchhof,
4) Der Brot-Schaaren,
5) Die Fleisch-Schranken,
6) Die Badestube,
7) Das Mühlentor,
8) Das Schmiedetor,
9) Auf den Toren,
10) Unter den Toren,
11) Bei den Mauern,
12) Zwischen den Toren,
13) Zwischen den Schlagbäumen,
14) Das Frohnenhaus,
15) Der Stadtgraben,
16) Der Bleckelberg,
17) Den ganzen Graben,
18) Die halbe Schlagbrücke vor der Bahn,
19) Die Schelfbrücke halb,
20) Das Schelftor,
21) Den Schelfgraben ganz mit dem Wall.

Ferner hat auch E. E. Rat die höchste und niedrige Gerichtsgewalt

im Dorfe und auf der Feldmark zu Zippendorf,
auf dem Ostorfer Felde,
auf dem Göhrener Felde,
auf dem Stadtfelde und auf dem Twange,
im Siechen-Hause und Hofe,
im Beguinen-Hauses Platze,
zu St. Georg und zum heiligen Geist.

Nun werden zum Schluss die Ratsherren verlesen: „Jetzt lebende Herren des Rats in diesem Jahre sind“ u. s. w. Aufgezählt werden 2 Bürgermeister, ein Senator und Camerarius, ein Senator und Waisenherr, ein Senator und ältester Beisitzer des Stadtgerichts, ein Senator, zugleich jüngster Beisitzer des Stadtgerichts und Stadthauptmann, 2 Supernumerär-Senatoren und ein Stadtschreiber (Sekretär).

Nach geschehener Verlesung der Bürgersprache wird jedem Mitglied des Rates und auch dem Stadtsekretär nach altem Gebrauche aus der Stadtkämmerei 1 Mark lüb. zu einem Stübchen rheinischen Weines gegeben; auch die Ratsdiener erhalten einige Schillinge zu ihrer Ergötzlichkeit.

Die öffentlichen Versammlungen der Bürger fanden gewöhnlich an einem etwas erhöhten Platze auf dem Markte vor dem Rathaus statt, neben welchem auch der Kaak (Schandpfahl) zu stehen pflegte, an dem die Urteile in Strafsachen vollstreckt wurden. Häufig aber versammelte man sich auch in den Kirchen oder auf den Kirchhöfen, wie denn überhaupt im Mittelalter und noch lange nachher die Kirchen zu manchen weltlichen Zwecken gebraucht wurden. Die Strafen bestanden ursprünglich in einer Geldbuße verschiedenen Betrages, durch welche man Vergehungen je nach ihrer Schwere abkaufte. Aus der späteren Zeit des 16. Jahrhunderts werden erwähnt: das Gefängnis, teils bei Wasser und Brot, das Halseisen, das Stehen am Schandpfahl, das Tragen der Kaaksteine, Stockschläge, die „Abnehmung etlicher Glieder“, die Verweisung aus der Gemeine, die Hinrichtung mit dem Schwerte und am Galgen, das Rädern, verschärft durch zuvoriges Reißen mit glühenden Zangen, das Verbrennen, das Ersäufen in Säcke gesteckter Verbrecher, das Lebendig begraben, verschärft durch zuvoriges Pfählen (der eingegrabenen Person ward ein spitzer Pfahl durch den Leib geschlagen) u. s. w.

Die eigentliche Bürgerschaft beschäftigte sich, wie vorhin erwähnt worden, mit den Betriebe ihres Handwerkes und dem Ackerbau. Der Ertrag des Handwerkes wird im Allgemeinen nicht sehr bedeutend und ein Absatz fast allein auf die Stadt beschränkt gewesen sein, da die Landbevölkerung in damaliger Zeit eine sehr geringe war. Deshalb fand auch nur eine geringe Zufuhr vom Lande statt, und dies wies die städtischen Bewohner notwendig auf eigene Produktion der erforderlichen Lebensmittel an. Doch war auch der Ertrag des Ackerbaues nur gering, da die vielfachen Fehden und Plünderungen damaliger Zeit ihn häufig mehr oder minder in Frage stellten. So war der Wohlstand der Bürger im Ganzen wohl nicht bedeutend; erscheinen auch die damaligen Preise aller Lebensbedürfnisse nach dem jetzigen Werte des Geldes als gering, so war dies doch auch in gleichem Maße der Verdienst, übrigens der Wert des Geldes damals ein ungleich höherer als jetzt, und da eine Ab- und Zufuhr der Bedürfnisse nicht oder nur in geringem Grade stattfand, so gab es auch keine eigentliche Regelung der Preise und diese mussten sehr schwankend sein.

Gesundheitspflege gab es während der frühesten Zeit in den Städten fast gar nicht; die ersten Ärzte kamen 1420 mit der Universität nach Rostock, in den Landstädten waren aber noch lange nach diesem Jahre keine Ärzte. Als den ersten herzoglichen Leibarzt finden wir 1512 den Dr. Rhembertus Giltzheim genannt, doch war dessen Anstellung vorübergehend, und noch im Jahre 1571 gab es keinen beständigen Arzt am herzoglichen Hoflager. In Krankheitsfällen wandte man sich an die Wunderkraft der Reliquien, woraus sich der große Zulauf zu diesen erklärt. Als Vorbeugungsmittel gebrauchte man warme Bäder, welche sehr häufig besucht wurden, und in allen Städten gab es öffentliche Badestuben.

Der Volksbelustigungen, welche vor der Stadt auf dem Rosengarten und dem Wettlauf stattfanden, ist schon oben gedacht. Von größter Bedeutung waren die sich in der Nähe der Kirchen konzentrierenden Kirchweihfeste, mit welchen stets Jahrmärkte verbunden waren (s. d. J. 1171 und 1248), weil die letzteren bald zu einer für die städtische Betriebsamkeit segensreichen Handelsbewegung Veranlassung gaben. Um die Pfingstzeit wurde die Waffenübung der Bürger zu allerlei Festlichkeiten die Veranlassung. Dazu fanden dann noch häufige kirchliche Festlichkeiten und Aufzüge statt, die Prozessionen des Mittelalters, die Wallfahrten zu den Heiligtümern des Domes, endlich die öffentlichen Versammlungen der Bürger u. dgl. m. So gestaltete sich das städtische Leben unserer Vorfahren keineswegs so still und einfach, wie man gewöhnlich meint.

Das große Feld vom Schelftor bis zum Werder hieß seit den ältesten Zeiten die Schelfe; vom Ziegelsee bis zum Schelfmarkt war sie ein großer, mit vielen Schilf (daher der Name) bewachsener Sumpf, in dessen Mitte sich der heutige Stephansberg als eine trockene Anhöhe darstellte. Durch diese Anhöhe wurde die Schelfniederung in zwei Teile geschieden, deren einer über die jetzigen Wasserstraßen und die Apothekerstraße zum Pfaffenteich, der andere über die Lehmstraße und den Ziegenmarkt zum großen See sich erstreckte. Der der Stadt zunächst gelegene Teil der Schelfe bis etwa zum jetzigen Ziegenmarkte hinunter hieß die „kleine“, der entferntere Teil von dort bis zum Werder die „große Schelfe“. Die Hälfte der kleinen Schelfe mit der nach ihnen benannten Bischofsmühle besaßen die Domherren schon im 12. Jahrh.

Zugleich mit oder doch bald nach dem Anfange des Baues der Nicolai-Kapelle auf der Schelfe wird nun auch die Bebauung der letzteren selbst begonnen haben. Es siedelten sich hier allmählich namentlich mehrere Ritterfamilien (die Lützow auf Eikhof, die Raven auf Stück, die Sperling u. a.) und Fischer an, welche ihres Gewerbes wegen nicht wohl in der beschränkten Stadt wohnen konnten. Auch der Erzbischof Johannes zu Riga besaß einen Hof auf der Schelfe, welchen er 1299 der Kirche zu Schwerin unter der Bedingung schenkte, dass zwei Dritteile der Einkünfte aus ihm den Domherren und Vicarien, ein Drittel aber den Armen der Stadt zufallen solle.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin