David Chyträus "eine Lobrede von der Stadt Schwerin..."

David Chyträus, der größte Theologe Mecklenburgs, welcher im J. 1551 als Professor der Theologie nach Rostock berufen war, hatte in diesem Jahre „eine Lobrede von der Stadt Swerin, darin die jungen Herzogen von Mecklenburg ihre Hoffhaltung haben“, verfasst und von dem Studenten der Theologie Simon Pauli, einem geborenen Schweriner, dem Sohn des Bürgermeisters Johannes Pauli, öffentlich halten lassen. Hederich hat diese, nach der Sitte damaliger Zeit sehr bombastische lateinische Lobrede in deutscher Übersetzung aufbewahrt; wir entnehmen aus ihr nur dasjenige, was uns von Interesse zu sein scheint.

„Schwerin liegt fast ins Gevierte, doch so, dass die Seiten gegen Norden und Südosten sich mehr in die Länge erstrecken. Und hat vier Teile, mit unterschiedlichen Namen genannt: Schwerin, die Neustadt (kleine Schelfe), die Schelfe und das Moor, wie wir lesen, dass gleicher Gestalt die königliche Stadt Hebron im gelobten Lande abgeheilt gewesen, daher sie wegen solcher gevierten Abteilung und dass gemeiniglich die Alten zu den selbigen Zeiten ihre Städte und Gemeine in viererlei Stände, als Ratsherren, Priester, Kriegsleute, Handwerks- und Ackerleute zu unterscheiden gepflegt, Cariatharbe, d. i. Vierstadt, genannt worden.


„Sie liegt aber an einem sehr lustigen Ort, beinahe einer Insel gleich, von wegen einer frischen See, die allenthalben daran stößt und am Ufer mit schönen Gärten, fruchtbarem Acker, nutzbarlichen Holzungen, Lustwäldern und Wiesen umringet und gleich bekleidet ist der jüdischen Stadt Capernaum, am See Tiberias gelegen.

„Die Figur der Schwerin’schen See ist nicht ungleich dem zuwachsenden Monde in einem ersten Viertel oder vielmehr einem Triangel, auf dessen Spitze die Stadt und das Schloss stehen. Und ist dieser See nicht allein an Menge der Fische, sondern auch an der Länge und Breite mit dem vorgedachten Meere Tiberias ungefähr zu vergleichen, denn wie Plinius schreibt, hat der See Tiberias von Capernaum bis Machanaim an die 16.000 Schritte. Eben so weit ist’s auch vom Dorfe Viecheln, wo der schwerinsche See einen Anfang hat, bis an die Fähre, wo er seinen Ausfluss bekommt und die Stör genannt wird. Von Viecheln bis zur Ostsee sind nicht mehr als 5.000 Schritte, d. i. eine gute deutsche Meile. Darum hat man vor wenigen Jahren (s. d. J. 1547) versucht, eine Schifffahrt aus der Ostsee anzurichten und zu diesem Behufe den Isthmus, d. i. das Land zwischen Viecheln und der Ostsee, durchgraben wollen. Es ist dies aber nicht beendigt, vielleicht aus derselben Ursache, aus welcher die Cuidier eine gleiche, schon begonnene Arbeit unbeendigt ließen, er schreckt durch ein Orakel, welches also lautete:

Ihr Cuidier, seid das berichtet,
Das Land ihr sollt durchgraben nicht;
Denn hätt es Gott gefallen so,
Eine Insel stünd’ bereits alldo.

„Der Schweriner See gibt sechsundzwanzigerlei Art der Fische häufig und überflüssig, die in großer Anzahl gefangen werden, nämlich: Hechte, Welse, Karpfen, Barsche, Kaulbarsche, Brachen, Marenen (so heißt hier der einem Hering ähnliche Fisch), Aale, Krebse, Gründlinge, Plötzen, Schleie, Schnäpel, Alande, Rothaugen, Bleie oder Gustern, Steinbeiße, Ellritzen, Ohlraupen, Quabben, Karautschen, Stinte, Witinge, Dövel, Bitterlinge, Mutterloßken. Zuweilen hat man nach glaubwürdiger Nachricht auch Lachse, Lampreten und Störe gefangen. Die meisten Fische aber sind so gemein und so billig, dass man nicht zweifeln kann, Gott habe dem Lande in diesem fischreichen See eine sonderliche Wohltat und Ehrengabe verliehen.

„Der Evangelist Johannes schreibt, dass Petrus, Thomas und Natanael nebst den Söhnen des Zebedäus auf Befehl des Herrn Christi ihr Netz in den See Tiberias warfen und 153 große Fische auf einen Zug fingen. Aber darüber muss man sich doch mehr wundern, dass 2 Tage vor Herzog Heinrichs Beilager mit der Herzogin Helena im Schweriner See auf einmal 5.000 Brachsen sind gefangen worden.

„Von der Jagd sagen die, welche es verstehen, dass es in den Holzungen um Schwerin viel Wild gebe, welches mit Lust zu jagen sei. Mit der Weide ist das Vieh notdürftig versehen; der Acker hat keinen sandigen, noch mageren, sondern so einen fruchtbaren und fetten Boden, dass ein Scheffel, wenn’s Korn gerät, 10 bis 12 Scheffel wiederzugeben pflegt.

„Es hat auch Schwerin diese Bequemlichkeit, dass rings umher große und reiche Städte liegen, mit welchen es sowohl in der Religion und Lehre, wie in Handel und Wandel gute Nachbarschaft hält. Von Lüneburg, dem berühmtesten Salzbrunnen in Sachsen, liegt Schwerin soweit, wie Capernaum von Jerusalem; von Lübeck, dem Haupte und der Krone aller sächsischen Städte, soweit, wie Jerusalem von Samaria. Von Wismar liegt es gerade so weit entfernt, wie Cana von Capernaum und von Rostock beinahe so weit, wie Cana von Sarepta. –

„Was die Gebäude anlangt, so ist es wahr und gibt es der Augenschein, dass die Häuser überwiegend bequem gebaut sind. Und besonders tritt der Dom vor allen übrigen Gebäuden hervor, welchen Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen gegründet und sich dadurch ein ewiges rühmliches Andenken gestiftet hat. Ferner ist auch die Burg oder das Schloss der durchlauchtigsten Fürsten erwähnenswert, nicht nur, weil sie groß und fest, sondern auch weil sie schön, zierlich und ansehnlich erbaut ist. Sie liegt nahe der Stadt auf einer Insel, deren ganzen Raum sie mit ihren Gebäuden, Wällen, Basteien und Rondellen einnimmt, ist durch eine lange Brücke mit der Stadt und dem festen Lande verbunden und vor feindlichen Angriffen fest und wohl verwahrt. Die Gebäude bestehen aus den fürstlichen Häusern und Gemächern, der Schlosskapelle, Sälen, dem Zeughause, der Küche und Kellern, Alles schön und herrlich mit großen und vielen Gemächern, die mit köstlichem Schnitzwerk, Tapeten, Laubwerk, samtenen Decken und anderen schönen Sachen gleich einen königlichen Schloss geziert und geschmückt sind. Die größte Ehre und den größten Ruhm aber bringt es dem Vaterlande, dass in dieser Burg christliche und gottesfürchtige Fürsten, welche Pfleger der Kirche sind, ihren Sitz haben.

„So ist auch in der Stadt das bürgerliche Regiment gut bestellt; Mutwille, Schande und Laster gehen unter den Bewohnern wenig im Schwange, diese sind vielmehr, da das fürstliche Hoflager oft und viel von Fremden besucht wird, zutätiger und freundlicher gegen Jedermann, als die Bewohner anderer Städte zu sein pflegen. Auch die Jugend wird christlich und gut erzogen, und die Schulen sind so vortrefflich, dass die Stadt Schwerin eine allgemeine Werkstätte und ein Vorbild guter und löblicher Zucht und Unterweisung der Jugend im Lande Mecklenburg sein wird. Und es lässt sich der durchlauchtige Fürst Herzog Johann Albrecht den Fleiß der Lehrer und das Gedeihen der Schulen ein rechtes Wohlgefallen sein, befördert und vermehrt die Schulen, lobt und beschenkt die fleißigen Knaben und besucht die Übungen.

„In den Kirchen wird durch Gottes Gnade die Lehre des heiligen Evangeliums rein und lauter gepredigt, und gottselige, wohl beredete und gelehrte Prediger verwalten in Liebe und Einigkeit den Predigtstuhl. Das Volk geht fleißig und gern zur Kirche und die Fürsten geben durch ihre öffentliche Teilnahme an den gottesdienstlichen Versammlungen ein gutes Beispiel.

„Deswegen die lieben Landsleute, die Bewohner Schwerins, fleißig gebeten und ermahnt sein sollen, dass sie die liebe Vaterstadt teuer und wert halten und ihr Bestes aus aller ihrer Kraft zu befördern bestrebt sein mögen.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin