1604 Inquisition und Hexenverfolgung in Schwerin

1604 wurde in Schwerin eine Inquisition gegen ein armes altes Weib, Namens Katharina Wankelmut, welches in den Verdacht der Hexerei geraten war, angestellt. Der erste Hexenprozess kam in Mecklenburg schon i. J. 1536 vor, seit dem Jahre 1562 waren die Hexenverfolgungen systematisch, auf Grundlage der mecklenburgischen Polizeiordnung betrieben. Im J. 1604 nun fand eine allgemeine große Hexenverfolgung im ganzen Lande statt, und bei dieser Gelegenheit erfahren wir von einer solchen in Schwerin zum ersten Male. Die Wankelmut wurde, nachdem sie eingezogen war, auf die Folter gebracht, legte auf derselben ein Geständnis ab, in welchem sie aussagte, dass eine alte Hirtin zu Schwerin, Magdalene Rukietz, ihre Mitschuldige gewesen, starb aber gleich nach der Folter im Gefängnis. Darauf wurde auch die Rukietz eingezogen und auf die Folter gebracht. Hier sagte sie aus, dass mehrere Schweriner Frauen mit der Wankelmut Umgang gehabt hätten, namentlich die Frau eines wohlhabenden Bürgers, Margarethe Kalthof oder Kaltofen, welche jener „viel Gutes erwiesen habe.“ Da dies nun nach damaliger Anschauung als Beweis der Mitschuld betrachtet wurde, so zog man auch die Kalthof ein. Die alte Rukietz wurde öffentlich (auf dem Markt?) als Hexe verbrannt, die Kalthof musste 5 Jahre lang im Gefängnisse sitzen und wurde, da man sie nicht überführen konnte, dann erst auf freien Fuß gesetzt, nachdem sie Urfehde geschworen hatte.

Ob dies die erste Hexenverfolgung in Schwerin gewesen, ist nicht bekannt; ältere Akten sind nicht mehr vorhanden, doch ist es wahrscheinlich, dass, wie in anderen Städten Deutschlands, so auch hier schon früher derartige Prozesse stattgefunden haben. Im hiesigen Stadthause wird eine ziemliche Menge weißer Stäbe aufbewahrt, welche der Richter am Schluss des hochnotpeinlichen Halsgerichtes über armen Sündern zerbrochen hat. Ein Teil dieser Stäbe ist mit den Namen der Verurteilten beschrieben; es sind folgende:


Lene Königs, verbrannt*) (als Hexe) am 14. Januar 1607.
Hanna Leverenz (oder Lorenz, als Hexe verbrannt) am 18. August 1660.
Hartwig Fritz Schefers (wegen Hexerei verbrannt) 1661.
Anna Krümmels (verbrannt als Hexe) am 23. August 1665.
N. N. Pfeuffer (verbrannt als Hexe) 1667.

*) Zweifelhaft ist es, ob die Hexenverbrennungen immer an den lebendigen Körpern vollzogen wurden; in der späteren Zeit scheint dies in Schwerin nicht der Fall gewesen zu sein, gewiss nicht im Jahr 1668 bei der Ilse Giesenhagen. In dem Urteilsspruch über dieselbe heißt es, dass sie „wegen erlernter und gebrauchter Zauberei und weil sie sich mit den Teufeln in eine ganz vermaledeite Gesellschaft begeben, auch mit denselben unnatürlich und aufs Grausamste vermischet, andere Seelen von Gott liederlich verleitet, auch gewissen Personen und sonst dem Viehe vielen Schaden getan, nachdem sie dies im öffentlichen hochnotpeinlichen Halsgerichte bejahet und zugestanden habe“, verurteilt sein solle, mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet zu werden“, jedoch solle sie „auf dem Holzhaufen zu vor mit dem Strange am Pfahle des Lebens verkürzt“, also erdrosselt werden. Solches geschah am 18. März d. J.

Die übrigen Stäbe sind unbezeichnet, Asten sind über diese Prozesse nicht vorhanden; nur über das Verfahren gegen eine sehr umfängliche Hexengesellschaft, an deren Spitze eine Schwerinerin, Namens Ilse Giesenhagen, stand, finden sich bedeutende Aktenmassen. Das Urteil in dieser Sache ist aus dem Jahre 1668.

Genannt werden noch:

der dreizehnjährige Knabe Asmus Veit, auf der Schelfe mit dem Schwert hingerichtet, „weil er zaubern konnte“, 1643,

Emerenz Saß, die „alte Buchbindersche“ genannt, als Hexe verbrannt am 30. Juli 1666,

ein Priester aus Schwerin, als Zauberer verbrannt, nachdem ihm die rechte Hand abgehauen und die Brust mit glühenden Zangen gezwickt worden, 1675, und ohne Zeitangabe

Lene Langenpape, Anna Evers, Anna Segers, Sophie Witt und Elisabeth Limberg, alle verbrannt.

Alle diese Personen gestanden aktenmäßig erst nach Anwendung der Tortur, welche auf dem Boden des Rathauses in Gegenwart des ganzen Gerichts vom Frohn vollzogen wurde. Nach den Akten wandte man zuerst die Beinschrauben an, dann die Schnüre an den Handgelenken, und wenn noch kein Geständnis erfolgte, so ließ man dem Delinquenten brennenden Schwefel auf die Schultern tröpfeln. Was der Angeklagte bei diesen Prozeduren aussagte, wurde zu Protocol genommen; die Anwendung der Folter hieß das peinliche Verhör.

Wir wollen hier eine Schilderung des hochnotpeinlichen Halsgerichtes der Stadt Schwerin anfügen, und damit diesen Gegenstand abschließen. Schon früher (s. d. J. 1569) haben wir eine Verordnung des Herzogs Johann Albrechts I. über die Haltung desselben vor der Burg mitgeteilt, welche sich auf Kriminalfälle bezog, die unter fürstlicher Gerichtsbarkeit standen. In städtischen Sachen wurde das Halsgericht in ähnlicher Art gehalten. Hart vor dem Rathause unter freiem Himmel wurde (noch i. J. 1773) eine Gerichtsstätte, früher durch dazu berufene Bürger, später durch Soldaten der Garnison, abgeschlossen und inmitten desselben ein grünbedeckter Tisch mit Stühlen aufgestellt. Hier nahm das Gericht, bestehend aus den beiden Bürgermeistern, zwei beisitzenden Ratsherren (Schöffen) und dem Stadtvogte Platz, bekleidet, wie von Alters her gebräuchlich war, mit blauen Mänteln. Aus dem nahe gelegenen Gefängnis der Frohnerei (sie lag an der nach ihr benannten Scharfrichterstraße, dort wo jetzt das Spritzenhaus steht, damals also außerhalb der Stadtmauer) wurde nun der Delinquent durch den Frohnvogt herbeigeführt, geleitet an einem Strick und die Hände durch ein seidenes Tuch nach vorn hin zusammengebunden, begleitet von den Predigern und dem Scharfrichter, welche alle mit ihm in den Gerichtskreis eintraten. Hier wurde der Verbrecher seiner Fesseln entledigt.

Der worthabende Bürgermeister trat nun auf, einen weißen Haselstab in den Händen haltend, und eröffnete das Gericht, indem er den zweiten Bürgermeister, als ersten Gerichtsschöffen fragte, ob es die rechte Zeit sei, um ein hochnotpeinliches Halsgericht, einem Jeden nach seinem Rechte, zu hegen?
Antwort: Ja, es sei die rechte Zeit, weil ja ihm, dem worthabenden Bürgermeister, als Richter, das Amt aufgetragen sei, Recht zu gebieten, Unrecht aber und „Dinges Unlust“ zu verbieten, und weil ein armer Sünder vorhanden sei, über welchen ein hochnotpeinliches Halsgericht gehalten werden müsse.
Nun fragte der Richter den ersten Beisitzer, ob das Gericht in gebührender Weise besetzt sei?
Nach Bejahung dieser Frage wurde dasselbe eröffnet im Namen der heiligen und hochgelobten Dreifaltigkeit und von wegen E. E. Rates der Stadt Schwerin zum ersten, zum anderen und zum dritten Male, mit Urteil und mit Recht.
Darauf wurde der jüngste Beisitzer gefragt, ob das hochnotpeinliche Halsgericht gebührend und einem Jeden zu seinem Rechte gehegt sei?
Wurde auch diese Frage bejaht, so wurde „dem gegenwärtigen armen Sünder seine Missetat und sein Bekenntnis öffentlich verlesen, und musste derselbe sein Geständnis laut bejahen. Als dann wurde das Urteil verlesen und der Delinquent dem Scharfrichter überantwortet, dass er das publizierte Urteil nach Pflicht und Gewissen vollstrecke. Diese Vorhaltung der Missetat und Verlesung des Urteils hieß das Zetergeschrei. Den Schluss der Handlung bildeten die Worte: „Von Rechtswegen.“ Wenn der Richter diese sprach, so zerbrach er den weißen Stab und warf die Stücke hinter sich. Dann musste der Scharfrichter antworten, dass er bereit sei, das Urteil zu vollstrecken. Und nun erhob sich das Gericht, stieß die Stühle, auf welchen es gesessen, nach rückwärts um, und damit war die Handlung geschlossen.

Der Verurteilte wurde nun wieder gebunden und, begleitet von den Geistlichen, zur Richtstätte E. E. Rats geleitet*). Hier wurde um die Richtstätte wieder ein Kreis geschlossen, in welchen das Gericht sich versammelte und das Urteil vollstreckt wurde. Der Körper des Gerichteten wurde in einen schlechten Sarg gelegt und an dem Fuße der Richtstätte eingescharrt. Die Versammelten sangen darauf das Lied: „Nun bitten wir den heiligen Geist“ usw. Einer der Prediger hielt an die eine Ermahnungsrede, nach welcher nochmals gesungen wurde und der Akt vollendet war.

*) Bei Schwerin gab es in späterer Zeit zwei Richtstätten: Ein Gericht, auch „Galgenberg oder steinernes Gericht“ genannt, welches links am alten Wege von Schwerin nach Lankow gleich am Lübecker Tore auf der s. g. Königsbreite lag und auf welchem die letzte Hinrichtung vollzogen wurde, und einen „Galgenberg“, früher auch „Gericht“ genannt, am Ostorfer See, in der Nähe des „Zwanges“, zwischen dem Ostorfer und Griemke-See. In früherer Zeit wurden die Kriminalstrafen vor der Hausvogtei an der Burgtorbrücke vollzogen.

Nach der Exekution hielten die Mitglieder des Rates, die Prediger und etwa assistierende Kandidaten auf dem Ratskeller ein gemeinschaftliches Mahl. Ebenso wurden auch die Ratsdiener und die beteiligten Bürger, jedoch an anderen Tischen beköstigt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin