Chinesische Kochkunst.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 2. 1818
Autor: Ada Osten, Erscheinungsjahr: 1818

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: China, Kochkunst, Delikatessen, Reis,
Im allgemeinen wissen wir noch recht wenig vom Land und von den Leuten Chinas und meist nur Zweifelhaftes, was in verallgemeinernd abgefassten Reisebüchern von Leuten berichtet wird, die nie an Ort und Stelle gewesen sind; geglaubt aber werden solche Schilderungen, weil die größere Masse aller Leser für das Ungeheuerliche und Wunderbare besonders eingenommen ist. Immer noch besteht der Glaube, dass der Chinese ausschließlich von Reis lebt und nur bei besonderen Anlässen den Küchenzettel ändert und anfaulen Eiern, Vogelnestern und Regenwürmern Genuss findet. Fast nie geht es bei Beschreibungen chinesischer Tafeleien ohne diese, mit dem üblichen europäischen Entsetzen geschilderten Delikatessen ab.

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Allerdings ist Reis das Hauptnahrungsmittel; dafür sprechen schon die riesiger: Reisfelder in Mittel- und Südchina. Im Norden gedeiht der Reis nicht. Auch einige Redensarten in der Umgangssprache deuten darauf hin: „Haben Sie Ihren Reis schon gegessen?“ fragt der Chinese bei der Begrüßung; eine höfliche Erkundigung, die unserem „Wie geht es Ihnen?“ entspricht. „Reis essen“ bedeutet allgemein eine Mahlzeit einnehmen. Der Chinese lebt aber nicht ausschließlich von Reis, ja es gibt in China fast kein Tier und keine Pflanze, die dort nicht als Nahrungsmittel Verwendung finden. Er ernährt sich zum größten Teil von Pflanzenkost, und die strengen Anhänger Buddhas genießen überhaupt kein Fleisch. Am verbreitetsten ist Schweine- und Hammelfleisch; auch Rindfleisch wird genossen. Von den ärmeren Volksklassen wird ferner das Lendenfleisch von Kamelen, Pferden, Mauleseln und Eseln gegessen. Die Ansicht, dass der Chinese hauptsächlich Hunde- und Katzenfleisch genieße und aus Ratten sich eine Delikatesse mache, ist übertrieben. In manchen Gegenden allerdings, vor allem im Binnenlande, wird das Fleisch von Hunden und Katzen verzehrt, aber der Chinese ist nun bei diesen Tieren noch wählerisch: er bevorzugt schwarze Katzen; weiße und gefleckte sind von geringerem Wert und werden in manchen Gegenden überhaupt nicht gekauft. Ratten und Mäuse finden nur in einigen Gegenden in der Küche unbemittelter Verwendung.

Geflügel wird hauptsächlich im Winter zur Nahrung verbraucht; bevorzugt werden Hühner und Enten. Auch andere Vögel, vor allem Sperlinge, erscheinen auf dem Speisezettel. Das „Feldhuhn“, wie der Chinese den Frosch nennt, findet Liebhaber, und die Puppe der Seidenraupe schmückt, gekocht und mit einer süßen Tunke gegeben, als große Kostbarkeit die Tafel.

Fische werden kaum in einem Lande der Erde so viel gegessen wie in China. Der Tintenfisch, den europäischer Geschmack ablehnen würde, gilt als großer Leckerbissen; auch Haifischflossen, die zubereitet eine gallertartige Speise geben, isst man mit Vorliebe. Ferner sind Haifisch- und Kabeljaumagen, getrockneter und gesalzener Fischrogen und eine lange Reihe der seltsamsten Schaltiere sehr beliebt. All diese Speisen finden sich fast nur bei den Bemittelten; der einfache Mann isst meistens Reis und dazu — nicht umgekehrt — Fisch oder eingesalzene Gemüse. In Nordchina, wo der Reis nicht gedeiht, tritt an dessen Stelle Hirse, Mais und Weizen, daneben von den Hülsenfrüchten namentlich Bohnen und Erbsen; auch Buchweizen wird viel verbraucht.

Milch, Butter und Käse isst der Chinese nicht, dafür bereitet man aus Hülsenfrüchten eine Art Quark, der ihm als Ersatz dient. Groß ist der Verbrauch von Eiern; man genießt sie roh oder gekocht, vielfach verwendet man sie auch zu Gemüseeierkuchen. Tauben- und Kiebitzeier kommen in die Suppe, Enteneier werden zu den berühmten „faulen Eiern“ gemacht, indem man sie längere Zeit — je länger, je besser — unter Luftabschluss aufbewahrt.

Ein besonderes Geschick besitzt der Chinese im Bereiten von Salaten aus Pflanzen, die uns dazu unbrauchbar scheinen, so aus Lattich, allerhand Wurzeln und Strauchblättern. Die Kartoffel konnte sich im Lande noch immer nicht einbürgern; man findet sie wohl stellenweise angebaut, doch spielt sie nur die untergeordnete Rolle eines Ersatzmittels. Gemüse werden außerordentlich gern gegessen; Rüben fehlen selten bei einer Mahlzeit, ebenso Spinat, auch sind die Zwiebeln, deren Wurzeln, Stängel und Blätter man ebenfalls verwendet, sowie Knoblauch sehr beliebt. Auch Pilze schätzt man sehr; sie dürfen auf Festtafeln nicht fehlen. Aber auch aus Flechten und Moosen bereitet man beliebte Speisen. Ja, noch weiter geht der erfindungsreiche Chinese: Algen verwendet er Zur Suppe; er kocht sie und gibt sie mit Tunke auf den Tisch. Diese Gerichte sind eine Lieblingsspeise der Chinesen, zu welcher allerdings nur einige besondere essbare Arten von Algen in Betracht kommen.

China ist reich an verschiedenartigem und schönem Obst, das in großen Mengen in Zucker, Honig oder in Sirup eingemacht, aber auch getrocknet wird. Gemüse wird ebenfalls getrocknet, ferner Lotus- und Lilienwurzeln, Oliven und Pflaumen, doch wird auch das In-Salz-legen und Kandieren angewandt. Außer den von uns verwendeten Gewürzen gebraucht der Chinese Ingwer, Kardamom und Anis in größeren Mengen; Senf ist ihm unbekannt, dagegen ist Essig beiden Mahlzeiten ähnlich unserem „Maggi“ stets zur Hand.

Auch die „Vogelnester“ geben eine bevorzugte Mahlzeit. Diese sind die Speichelabsonderung einer Seeschwalbenart des Ostindischen Archipels; die besten und teuersten sind jene, die am meisten Blut enthalten, das der an einer schwindsuchtähnlichen Krankheit leidende Vogel aus dem Schnabel absondert. Für diese seltenen Nester werden bis zu hundert Mark für das Pfund bezahlt; weniger wertvoll sind die geringeren, nur Speichel enthaltenden Nester.

In der Speisenfolge geht der „Nachtisch“, nach unseren Begriffen, den Gängen voran. Bei einem Festmahl bietet man Eingemachtes, Geflügel und Fleisch und Obst vielerlei Art als „Nachtisch“; die eigentlichen Gänge, die ebenfalls reichlich bemessen sind, enthalten als besondere chinesische Leckerbissen: Lotussamen, Vogelnester, Haifischflossen, Tintenfisch, Bärenpfoten, Tigersehnen, Entenkopfblut und Senfblätter. Zuletzt gibt es Kuchen. Als Getränk wird heißer Wein in winzigen, dünnen Tässchen geboten; eine Tasse Tee eröffnet und beschließt das Festmahl.

Im Trinken ist der Chinese sehr mäßig; Tee allerdings genießt er fast zu jeder Tageszeit; im Sommer liebt man, ihn kalt zu schlürfen. Die Zubereitung ist von der unsrigen völlig verschieden und keineswegs zur Nachahmung empfehlenswert. Die vom Strauch gepflückten, getrockneten und mit besonderen Blüten, gewöhnlich Jasminblüten, „duftend“ gemachten Teeblätter werden in Tassen oder kleine Krüge getan, mit kochendem Wasser gefüllt und sogleich, ohne das Ganze ziehen zu lassen, ungesüßt getrunken.

Bezeichnend für die Genügsamkeit der Chinesen ist es, dass täglich nur zwei Mahlzeiten eingehalten werden; das Frühstück gegen zehn Uhr, das Mittagessen gegen fünf Uhr nachmittags. Die Chinesen sind das beste Beispiel dafür, mit wie wenig einfacher Nahrung und vorzugsweise Pflanzenkost der Mensch nicht nur zu leben, sondern auch gesund zu leben vermag.

Handynastie, glasierte und unglasierte Tonwaren

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Tangdynastie, Schalen aus steinzeugartiger Masse

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Sungdynastie, Töpfe und Schalen der Sung- und Yüandynastie

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Erzeugnisse der der Sung- oder Yüan-Zeit

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16. Jahrhundert, Schälchen und Vase der Marke des Kaisers Wan-Li

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Vase der Marke des Kaisers Wan-Li (1573 bis 1619)

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Vase aus der Zeit des Kaisers Kang-Hi (1662-1722).

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Vase in Fünffarbenmalerei aus der Tsingdynastie

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