Chinesische Grab - Keramik
Die Gefäße der Han-Zeit (ca. 200 v. Chr. bis 200 n. Chr.) bieten ein größeres Repertoire an Formen: einmal die oben schon erwähnten Nachbildungen von Bronzegefäßen, die das Getränk enthielten, das man dem Toten als Opfer mit ins Grab gab; dann ferner: niedrige zylindrische Gefäße mit drei kurzen Füßen, deren plastisch modellierter Deckel den Himmel in Gestalt von Bergen mit Wolken symbolisiert, während die Wandung des Gefäßes das Getier der Erde zwischen den (von Wellen angedeuteten) Meeren darstellt. Der Inhalt bestand aus Kornfrucht. Eine Variante zeigt dasselbe Gefäß mit schlankem, hohem Fuße, wobei der Bergdeckel durchbrochen ist. Aus ihm zog der Rauch des Kornes ab, welches man für den Toten verbrannte. Plastisch angegeben sind hier nur die Berge, während der aufsteigende Rauch die Wolken andeutet. Alle diese Gefäßformen, die als Ersatz für Bronzegerät gedacht sind, dienten den Zeremonien des Totenkultus.
Was sonst an Keramik den Gräbern beigegeben ist, vertritt in kleinerer Nachbildung den Besitzstand des Verstorbenen, und zwar nicht nur seine Frauen, seine Diener, seine Haustiere und das Vieh, sondern auch sein Wohnhaus samt Stall, Mühle, Kornspeicher und Brunnen, seinen Wagen mit den Zugtieren und sein Speisegeschirr (Schüssel, Löffel u. dergl.).
Nach ältester chinesischer Anschauung blieb jedes Familienoberhaupt auch nach seinem Tode unumschränkter Besitzer seiner Frauen und Diener, sowie seines sonstigen lebenden und toten Eigentums. Nach chinesischen Quellen, die weit in vorchristliche Zeit zuverlässig zurückreichen, wurden dem Toten ursprünglich Frauen und Dienerschaft lebendig ins Grab mitgegeben. Seine Besitzungen wurden von den überlebenden verlassen. Dieser Brauch wurde später dahin abgemildert, daß man, was früher dem Toten in natura mitgegeben wurde, nun in effigie ins Grab legte. In der Chou-Zeit wurden die Lebenden durch Puppen z, B. in Stroh ersetzt. Es werden auch bewegliche Puppen überliefert. Vielleicht geht hierauf die Tatsache zurück, daß noch in der frühen Han-Zeit (ca. 200 v. Chr.) die Tonpferde aus einzelnen Teilen locker zusammengefügt wurden (Abb. 8 und 9). Mit der Han-Zeit ging man ferner dazu über, auch das lebende und tote Inventar durch keramische Verkleinerungen für den Toten zu ersetzen. Die späteren Jahrhunderte der Wei-, T'ang- und Sung-Zeit haben zwar die Formgebung stilistisch umgeändert, aber gerade dieser Brauch ist bis in unsere Tage hinein lebendig geblieben. Was sich in einem altchinesischen Grabe findet, dient nicht wie anderorts zur Unterhaltung des Toten oder zur ewigen Dokumentierung seiner irdischen Tätigkeit, sondern bildet de facto das Faustpfand des ihm verbleibenden Besitzes.
Die Gräber-Keramik besteht in der Chou-Zeit aus grobkörnigem, hartgebranntem Ton von graubrauner oder dunkelgrauer Farbe. Spuren einer Bemalung sind aus dieser Zeit bisher nicht bekannt geworden. Die Muster sind eingeritzt oder eingedrückt (Flechtmuster), oder aber Rillen (vom Drehen auf der Scheibe). Punkte sind aufgesetzt, ebenso Randstreifen, die durch Kerbung in Punktreihen aufgelöst sind; einfache Töpfe sind auf der Scheibe gedreht, kompliziertere Formen, wie Dreifüße, aus der Hand geformt.
Seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert findet sich ein rötlicher Ton, gleichfalls sehr hart gebrannt. Gleichzeitig sind Formmodeln aufgekommen. Man rollte Ornamentstreifen auf die Wandungen der Gefäße auf; Deckel wurden in Modeln ausgeformt, Henkel in Modeln ausgepresst und den Gefäßen angefügt. Ein Teil der Keramik ist bemalt. Als neuer Faktor ist auch die Glasur hinzugekommen, in den Farben grün, zuweilen braun, und seltener gelblich. Durch die Glasur wird das keramische Produkt veredelt und den kostbaren Metallgefäßen angeglichen. Das Grün der Glasur entspricht der Patina der altehrwürdigen Bronzegefäße, deren geheiligte Formen schon in der Han-Zeit von der Geschichte verherrlicht und von der Kunst nachgebildet wurden. Die braune Glasur scheint die Oberfläche von unpatinierter Bronze, vielleicht auch von rostigem Eisenguss wiederzugeben. Endlich mag die selten vorkommende gelbliche Glasur damals bereits das Aussehen von Jade angestrebt haben. Die häufigste Glasur, die grüne, ist oft in der Erde verwittert. Ihr silbriger oder irisierender Schimmer übt einen besonderen Reiz aus.
Die rund 400 Jahre, die zwischen dem Sturze der Han-Dynastie und dem Beginn der T'ang-Dynastie (618 — 907 n. Chr.) liegen, haben uns nur wenig Ausbeute an Grabkeramik gegeben. Der rasche Wechsel von Kriegen und Dynastien scheint aber mit der Wei-Zeit (386 — 534 n. Chr.) eine vorübergehende Festigung auch für die Kunst der Keramik gebracht zu haben. In dieser Zwischenzeit mögen die zahlreichen keramischen Gefäße entstanden sein, die gemeinhin auch der Han-Zeit zugeschrieben werden, die sich aber von den älteren Stücken durch Entartung der Formen ins Zierliche oder Plumpe unterscheiden, desgleichen durch eine dicke und unreine Glasur, welcher auch die Verwitterung der Han-Zeit fehlt. Stücke, die auch innen glasiert sind (womöglich in anderer Farbe als außen), sind durchweg später als Han.
Wie die Masse feiner geworden ist, so veredelt sich in der T'ang-Zeit auch die Glasur, die bei besonders guten Stücken oft hauchdünn wie eine zarte Haut aufliegt. Während in der Han-Zeit nur einfarbig glasiert wurde, kommt nun die charakteristische Dreifarben-Kombination von. braun, gelb und grün (nebeneinandergesetzt) zur Anwendung. Neu ist auch die Laufglasur, die herabrinnend den unteren Teil der Masse unbedeckt lässt und sich in zarten Erhebungen sackt. Ferner sind gegenüber den vorangegangenen Zeiten in der Formgebung der Gefäße neu die Bildungen, die an griechische Vasenformen (z. B. Amphora, vergl. Abb. 5a) erinnern. Diese und persische Formen (Henkelkannen mit Ausguss [Abb, 5b]) sind damals vom Westen her in China heimisch geworden.
Die Sung-Zeit (960—1280 n. Chr.) lebt, was Grabkeramik anlangt, vom Erbe der T'ang-Zeit, so groß ihre selbständige Bedeutung für die Keramik im übrigen ist. Neu sind langhalsige Gefäße in Flaschenkürbisform, zuweilen von modellierten Drachen umwunden und von einem plastischen Kranze von stehenden Heiligen umgeben (vergl. Abb. 7). Neu sind auch die vielen kleinen Töpfe, Flaschen und Schüsseln mit Laufglasur, ebenso in einfarbiger Glasur die zahlreichen neuen Nuancierungen der Farbtöne. Vor allem bleibt eine neue Technik zu erwähnen, die der dünnen gelblichen Glasur mit Überglasurmalerei in Sepiabraun (sogen. Suchou-Yao); und endlich auch die großen Töpfe mit dicker schokoladenbrauner Glasur, in die der Dekor bis auf den helleren Grund eingeritzt ist (Sgraffito).
Und zum Schluss zusammenfassend über die figürliche Keramik der Gräber. Aus der Han-Zeit sind bisher nur Tiere bekannt geworden (Abb. 8 — 10). Entweder zeigen sie die typische verwitterte grüne Glasur, oder sie sind unglasiert und zuweilen mit Erdfarbe bemalt. Abbildung 8 zeigt das Fragment eines Pferdekopfes, welcher in der Formgebung identisch ist mit den in die frühe Han-Zeit nach Münzen zu datierenden beiden Pferdeköpfen, die (als Funde von Dr. Herbert Müller) im Berliner Völkerkunde-Museum zu sehen sind. Die glasierten Tiere sind stets aus zwei symmetrisch aus der Form gepressten Hälften zusammengesetzt. Dementsprechend sind sie wie Hochreliefs behandelt; besonders bei den großen Pferdeköpfen ist die Modellierung breitflächig mit scharf geradlinigen Rändern. Dass Kopf, Rumpf und Beine einzeln gearbeitet sind, um nachträglich zusammengefügt zu werden, wurde oben bereits erwähnt, ebenso, daß die Masse aus hartem dunkelgrauem oder graubraunem Ton besteht.
In der T'ang-Zeit wechselt mit dem feineren gelblichen Material auch die Formgebung. Das Flächige ist dem Voll-Plastischen gewichen. Bei den Pferden ist häufig der Kopf zur Seite gewendet und der vornstehende Huf erhoben; Kamele knien nieder, um entladen zu werden, Lautenspielerinnen kauern am Boden, Diener halten scheuende Pferde, und Sättel, Zaumzeug und dergleichen beleben die reicher modellierten Wandungen. Die Spuren der Zusammensetzung sind zumeist verwischt, die Wandungen ziemlich dünn und die Höhlung nach der Unterseite offen. Die menschlichen Figuren und Tiere der T'ang-Zeit sind entweder wie in den älteren Perioden mit Erdfarbe bemalt oder glasiert, zumeist einfarbig gelblich, seltener gefleckt in den drei typischen Farben gelb, grün und braun.
Ein Teil der figürlichen Keramik, der heute noch als T'ang gilt, wird in die folgende Zeit der Sung-Dynastie zu datieren sein. Mit Wahrscheinlichkeit gehören in die Sung-Zeit diejenigen Stücke, die in ihren Proportionen Übertreibungen zeigen: überschlanke Menschen mit übergroßen Köpfen, Enten mit großem Rumpf und schmächtigem Hals (Abb. 20), eine Erscheinung, die auch in der Groß-Plastik der Sung-Zeit zu beobachten ist.
Von der Grabkeramik späterer Zeiten zu reden erübrigt sich, da nur noch massenweise hergestellte Töpferarbeit beigegeben wurde, welche als Nachklang früherer Perioden kaum Anspruch auf eigene künstlerische Bedeutung hat.
Zeittafel der wesentlichsten chinesischen Dynastien
Chou-Dynastie 1122 — 256 v. Chr.
Han-Dynastie 206 v. Chr. bis 220 n. Chr.
Wei-Dynastie 220 — 265 n. Chr.
T'ang-Dynastie 618 — 906 n. Chr.
Sung-Dynastie 960 — 1280 n. Chr.
Yüan-Dynastie 1280 — 1368 n. Chr.
Ming-Dynastie 1368 — 1643 n. Chr.
Literatur
S. C. Bosch Reitz, Exhibition of Early Chinese Pottery and Sculpture. Kat. d. Metropolitan-Museums 1916, New York.
Hobson, R. L. Chinese Pottery and Porcelain. Cassell & Co. Ltd. London 1915.
Band I.
Hobson, R. L. Catalogue of a Collection of Early Chinese Pottery and Porcolain. Burlington Fine Arts Club. London 1910.
Kümmel, Otto, Die Kunst Ostasiens. Berlin, Br. Cassirnr, 1921.
Laufer, Berthold. Chinese Pottery of the Han-Dynastie. E. J. Brill Ltd. Leiden 1909.
O. Burchard. Chinesische Kleinplastik. Serie Orbis Pictus. Wasmuth A. G., Berlin. (Erscheint demnächst.)
Abbildungen
001. Zwei graue unlasierte Töpfe. Chou-Zeit. a) Privatbesitz. H. 24cm. b) Sammlung Hirth, Museum Gotha. H. 31 cm
002. Mitte: Weinkrug, grün glasiert. Han-Zeit. H. 38 cm. Links und rechts: Zwei Kornspeicher, grün glasiert. Han-Zeit. H. 23 cm
003. Zwei Bergdeckel-Vasen, grün glasiert. Han-Zeit. a) Ostasiatisches Museum, Köln. H. 21 cm. b) Phot D. Komter, Amsterdam. H. 23 cm
004. Haus, grün glasiert. Han-Zeit. H. ca. 20 cm
005. Zwei Vasen der T'ang-Zeit. Dresden, Porzellansammlung, a) gelblich-graue Glasur, H. 32 cm. b) dunkelbraune Glasur, H. 22 cm.
006. Vase der T'ang-Zeit. Dünne braune Glasur, H. 19 cm.
007. Fünf Grab-Vasen der Sung-Zeit. Blassgrüne Glasur
008. Pferdekopf, Fragment, grauer Ton. Han-Zeit. Länge 21 cm
009. Pferdekopf. Han-Zeit (?). Grauer Ton, Länge 30 cm
010. Hund, grün glasiert. Han-Zeit. Länge 28,7 cm
011. Statuette, Oberteil. Ton, mit Spuren der Bemalung. Wei-Zeit. H. 30 cm. Berlin, Ostasiatisches Museum
012. Lautenschlägerin, heiler unglasierter Ton. T'ang-Zeit. H. 19 cm
013. Sklave (Pferdeknecht?), Reste roter Bemalung. T'ang-Zeit. H. 19cm.
014. Zwei Frauenfiguren, Reste von Bemalung. T'ang-Zeit. a) Ostasiatisches Museum, Köln. H. 25 cm. b) Besitzer W. J. G. van Meurs, Amsterdam. H. 26,5 cm
015. Pferd, Spuren roter Bemalung. T'ang-Zeit. H. 36 cm. Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe
016. Verschiedene figürliche Grabbeigaben. T'ang-Zeit.
017. a) Ente, b) Schwein. T'ang-Zeit. Besitzer Dr. Edmund Simon, München.
018. Zugochse, gelblicher Ton mit Spuren von Bemalung. T'ang-Zeit. H.20cm.
019. Zebu, Tang-Zeit. H. 17,5 cm. Völkerkunde-Museum, München
020. Ente, rotgelber Ton, dreifarbige verwitterte Glasur. Sung-Zeit. H. 22 cm
001. Zwei graue unlasierte Töpfe
002. Mitte: Weinkrug, grün glasiert. Han-Zeit. Links und rechts: Zwei Kornspeicher
003. Zwei Bergdeckel-Vasen, grün glasiert. Han-Zeit
004. Haus, grün glasiert. Han-Zeit.
005. Zwei Vasen der Tang-Zeit.
006. Vase der Tang-Zeit
007. Fünf Grab-Vasen der Sung-Zeit
008. Pferdekopf, Fragment, grauer Ton
009. Pferdekopf. Han-Zeit
010. Hund, grün glasiert. Han-Zeit.
011. Statuette, Oberteil. Ton, mit Spuren der Bemalung.
012. Lautenschlägerin, heiler unglasierter Ton.
013. Sklave (Pferdeknecht?), Reste roter Bemalung. Tang-Zeit.
014. Zwei Frauenfiguren, Reste von Bemalung. Tang-Zeit.
015. Pferd, Spuren roter Bemalung. Tang-Zeit.
016. Verschiedene figürliche Grabbeigaben. Tang-Zeit.
017. a) Ente, b) Schwein. Tang-Zeit.
018. Zugochse, gelblicher Ton mit Spuren von Bemalung. Tang-Zeit.
019. Zebu, Tang-Zeit.
020. Ente, rotgelber Ton, dreifarbige verwitterte Glasur. Sung-Zeit.