Zweite Fortsetzung

Wie viel solcher Beispiele werden Ostpreußens Bewohnern bekannt sein, die erst in der Zukunft das größere Publikum mit diesen Völkern vertraut machen werden.

            Hier nur noch einige Bemerkungen.


Über den harmlosen, gutmütigen Charakter der asiatischen Steppenvölker ist nur eine Stimme. Kotzebue, auf seiner Reise durch Sibirien, Pallas, Klaproth und alle, die unter ihnen weilten, sind über diesen Punkt untereinander einstimmig. Namentlich können sie gerade die Kalmücken, die im siebenjährigen Kriege als die grausamsten Truppen verschrien waren, nicht genug rühmen. Wir erinnern nur, um diesen Widerspruch zu heben, an den oben angeführten Grund, bemerken aber noch, dass ein Reisender unter ihnen, Bergmann, namentlich über ihr Benehmen in diesem Kriege Erkundigung einzog. Sie lachten herzlich über seine Mitteilungen. Nur um sich ihren Feinden furchtbar zu machen, hatten sie, z. B. wie sie ihm sagten, Gliedmaßen menschlicher Leichname von den Pferden herunter hängen lassen.

Der Sold des russischen Soldaten ist gering. Da er das meiste in Naturalien erhält, bedarf er auch wenig. So unbedeutend aber auch das ist, was ihm bar gereicht wird, immer reicht es doch hin, um seine Gutmütigkeit, seinem Mitleid in vorkommenden Fällen eine Genüge zu leisten. Ein Beispiel von der

      Gutherzigkeit eines gemeinen russischen Soldaten.

Es ist in Russland gewöhnlich, dass in der Marterwoche Kollekten für die Armen gesammelt werden. Damen des ersten Ranges unterziehen sich diesem Geschäft um so lieber, da ja selbst die erhabene Mutter des großen Alexanders so ein rührendes Beispiel unzählige mal gab. Im vorigen Jahr hatten es denn in Wilna auch einige Damen unternommen. Sie kommen an ein Haus, vor welchem ein Soldat vom Krementschug’schen Infanterieregiment Schildwache steht und den Befehl hat Niemand einzulassen. Der Herr, der die Damen begleitet, sucht ihm begreiflich zu machen, dass dieser Befehl hier eine Ausnahme leidet. Ja, komme man nur zum Russen! Dieser gehorcht streng. Ausnahmen, und was ihnen ähnlich sieht, kennt er nicht.

„Die Damen“, sagt der Begleiter endlich, „haben das Recht, überall hinzugehen, weil sie für die Armen sammeln!“

„Ah so!“ sagt der Soldat. Wenn dem so ist, so will ich gern geben, was ich habe, ins Haus darf aber niemand. Hier ist mein ganzer Reichtum!“

Und damit gab er ein Zweikopekenstück hin!

Ein edler Zug des russischen Soldaten ist die Anhänglichkeit, die Liebe zu seinem Chef. Es ist schon eine weltbekannte Sache, dass der russische Soldat am wenigsten desertiert. Man könnte sagen, dass Sprache, Liebe zum Vaterlande und mehreres der Art ihn an seine Fahnen fesselt und allerdings mag auch jedes dieser Motive das Seinige dazu beitragen, allein nichtsdestoweniger ist doch selten ein Krieger so für seinen Chef eingenommen, so an ihn gekettet, so bereit, jeden seiner Befehle zu erfüllen, und wenn es auch mit offenbarer Todesgefahr ist, als der russische. Es versteht sich, dass der Chef ihn zu fesseln weiß. Es ist in dieser Hinsicht von Suwarow so mancher Zug der Aufzeichnung wert, der mit seiner barbarischen Strenge dennoch eine wunderbare Kraft auf die die Gemüter seiner Truppe vereinte. Man weiß, dass er mehrmals wohl 500 Prügel diktierte, und doch vergaß der Halbtote seiner Schmerzen, wenn er sich ihm nur zu nahen und Rock, Hand und Stiefel küssen durfte. Die Ursache dieses ungeheuren Enthusiasmus für den fürchterlichen Suwarow war wohl keine andere, als dass dieser große Krieger den Charakter der Nation bei allen Ehrenstellen in einer besonderen Reinheit zu erhalten gewusst hatte und die fürchterlichsten Beschwerden mit dem gemeinsten Soldaten teilte. Ein Zug der Art ist

                    Suwarows Wintermanöver.

Als Warschau eingenommen war, ließ Suwarow einst seine Truppen in der grimmigsten Kälte mehrere Stunden hintereinander exerzieren. Die gutmütigsten, abgehärtesten Krieger froren und klapperten mit den Zähnen und murrten unter der Hand.

„Ihr räsonniert? Rief der raue Feldherr, „Ihr friert? O ihr Schufte! Schämt Euch!“

Und damit warf er seinen Rock ab und kommandierte im bloßem Hemde noch einige Stunden hintereinander fort.

Mit welchem Fug konnte da ein Soldat murren. Aber freilich wär zu solchen Dingen, nicht leicht ein anderer aufgelegt, als gerade dieser Sonderling!

Die Lieblingswaffe der Russen ist das Bajonett und die Lanze. Jenes für die Infanterie, dies für die Kavallerie.

Das Bajonett spielte schon im siebenjährigen Kriege in den Schlachten bei Jägersdorf, Kunersdorf eine wichtige Rolle, durch Suwarow ward es aber in den Türkenkriege noch furchtbarer eingeübt. Der Angriff der russischen Infantriekolonnen war den Franzosen in dem italienischen Kriege unwiderstehlich. Um mit dieser Waffe viel auszurichten, gehört notwendig Furchtlosigkeit, kühnes Vordrängen, und hauptsächlich körperliche Kraft dazu. Sonst wird man sich damit weder gegen ein dringende Feinde schützen, noch in ihre Reihen im Gegenteil einbrechen können. Nehmt junge, feige, siebenzehnjährige Bürschchen, die nie Pulver rochen, kein Mark in den Knochen haben, bleich werden beim Kanonendonner, und ihren bebenden Händen entsinkt die Waffe, überhaupt, wie wollen sie vorwärts kommen und eine Kolonne über den Haufen werfen? Aber eine Reihe bärtiger, derber russischer Grenadiere, die mit ihrem Hurrah daher schreiten und den Tod nicht scheuen, eher fallen, als zurückweichen, nur vorwärts dringen nicht rückwärts sehn, ja bei ihnen wird das Bajonett furchtbar sein, Suwarow gab darüber ein besonderes Gesetz in seinem Soldaten-Katechismus.

„Mit dem Bajonett“, sagte er, „stich wacker zu. Die Kugel kann fehlen, das Bajonett nie, die Kugel ist eine Närrin, das Bajonett aber ein wackerer Bursche. Stoß nur einmal zu, wirf den Ketzer vom Bajonett herunter. Zappelt er noch auf dem Bajonett, so kratze der Säbel ihm an der Gurgel. Schlag zu, durchbohre den zweiten, den dritten, ein Held durchbohrt ein Dutzend und mehr. Fallen dich drei an, so erstich den ersten, erschieß den zweiten, dem dritten gib mit dem Bajonett den Rest. So was geschieht selten, aber zum Laden ist keine Zeit mehr als dann!“

So empfiehlt Suwarow das Bajonett, er, der in den mörderischen Türkenkriegen die Wirkung desselben doch bei unzähligen Gelegenheiten, wo es zum Handgemenge kam, wohl bei urteilen konnte. Wenn es daher jetzt in den neuesten Zeiten so von Bülow, Voß und Andern verdächtig gemacht wurde, so lag es gewiss an nichts anderem, als dass sie seinen Gebrauch nach der Kraft unbärtiger, schwächlicher Memmen beurteilten.

Was die Lanze anbelangt, so ist der größte Teil der zahlreichen russischen Reiterei damit bewaffnet. Alle die zahlreichen leichten Truppen, Kosaken, Kalmücken, Baschkiren, Tataren, alle die vielen Ulanen, die ersten Husareneskadrons haben 5-6 Ellen lange, starke Lanzen. Wir könnten schon an sich aus den häufigen Kriegen, die die Russen seit 100 Jahren führen, abnehmen, dass sie den Nutzen derselben erfahren haben müssen. Wir können denselben Schluss daraus ziehen, dass der französische Kaiser sie in seinem Heer und in dem der nun verschwindenden Rheinbundfürsten einführte. Aber in der Tat schon ein wenig Nachdenken lehrt das Fürchterliche dieser Waffe. Lasst ein Regiment solcher Lanzenhelden auf eine Infanteriekolonne ein- und sie durchbrechen! Sie sind vor jedem Bajonettstich sicher. Sie haben nur die Kugeln des kleinen unsicheren Gewehrs zu fürchten, das kaum einmal bei einem raschen Angriff abgefeuert werden kann. Die Lanze, vom Fuß mit Kraft eingerennt, von der Hand geleitet, wirft durch den ersten Stoß den durch nichts gegen ihr mörderisches Eisen gesicherten Infanteristen darnieder. Wie viel gefährlicher ist dasselbe Geschäft dem Dragoner, dem Kürassier mit seinem Säbel. Sein Pferd oder er stürzt, da er erst, sieht er das Weiße im Auge des feindlichen Fußvolks, seinen Stich, seinen Hieb führen kann. Wenn bei Lanzenreitern das erste Glied das wichtigste ist und alles sogleich vor sich niederwirft, einbricht, mit einem Wort entscheidet, so ist im Gegenteil bei andern dies erste Glied gerade, wenn alles gut geht, doch nur eine Linie von Enfans perdus, bestimmt, die Bajonette der Feinde abzustumpfen, die Flintenläufe leer zu machen, dem nachfolgenden Chok des zweiten und dritten Gliedes den Erfolg zu sichern. Geht nach Eylau, nach Aspern, nach Wagram, lasst Euch sagen, wie viel tausende von den französischen Kürassieren bei solchen Attacken auf Infantrielinien blieben und wie oft dennoch jede solche Attacke nur unvollkommen oder gar nicht ihren Zweck erreichte. Denkt man sich die leichten Truppen mit Verfolgung des Feindes beschäftigt, sicher wird dann die Lanze ihm noch gefährlicher sein, als der Säbel: „Sie reicht weiter. Sie setzt den Infanteristen außer Stand, sich noch mit dem Bajonett zu verteidigen, sie macht seinen Schuss unsicherer, sie gewährt mehrere Punkte. Gewiss kommen noch die Zeiten wieder, wo der Reiter keine andere Waffe kennt, als Lanze und Schwert, jene für die Ferne, zum Einbrechen, zum Verfolgen, dieses für die Nähe, für den Faustkampf gleichsam, da, wo der Reiter auf den Reuter stößt und Mann gegen Mann kämpft. Freilich gehört auch zu ihrem Gebrauch ein kräftiger Arm, ein muskulöses Bein, das den Todesstoß als ein kräftiger Hebel zu geben vermag.

Durch fremde Blätter sind die Kosaken, die einen sehr großen Teil der russischen Kavallerie ausmachen, vorzüglich in ein falsches Licht gestellt worden. Man sollte glauben, das es furchtsame, feige Räuber wären, die weder Mut noch Kraft hätten, eine Compagnie zu durchbrechen. Als ob die Parther den Römern weniger gefährlich gewesen wären, weil sie im Fliehen fochten! Als ob die Hunnen, die Ungarn, Feiglinge gewesen wären, weil sie im steten Zurückziehen – aber immer Vorwärts rücken auf einem andern Punkte, – den Deutschen gefährlicher wurden, als die tapfersten Völker! Als ob die Seldschuken während der Kreuzzüge, die Araber, für minder tapfer zu achten gewesen wären, denn unsere Krieger, bloß, weil sie eine andere Art zu fechten hatten! Der Tapferste ist der, der mit den Waffen in der Hand zu siegen weiß. Wie er dies anfängt, ist gleich. Gewohnheit, Sitte und Übung entscheidet hier das Meiste. Indessen wer wollte so einfältig sein, und ein Wort von jenen Schmähungen für wahr achten! Wer hat Sibirien, den ungeheuren Länder-Koloss erobert? Permak, der Kosaken-Hetmann, derselben donschen Kosaken-Hetmann, die die besten Krieger sind, nahm es mit 6.000 seiner Brüder ein, schlug alle Tataren, die sich ihm entgegenstellten, und machte sein Andenken in Russland so groß, so heilig, wie Columbus das Seinige für ganz Europa, durch die Entdeckung Amerikas! Wer sind die genügsamsten, tätigsten Krieger, die gutmütigsten Menschen und die furchtbarsten Feinde? die Kosaken! Wer nahm den Franzosen so unzählige Zufuhren, so herrliche Equipagen, ab? Wer schwärmte immerfort in ihrem Rücken, in ihren Flanken, wer beunruhigte unaufhörlich ihre Vorposten? Antwort, diese angeblich so verächtlichen Kosaken! Es ist hier nicht die Rede von dem Rückzuge im vorigen Jahre. Der schwächste Feind musste hier furchtbar werden. Nein, wir erinnern an den Feldzug von 1807, von den Gefechten bei Mohrungen, die der Schlacht von Eilau vorangingen, die den Verlust von aller Equipage des Bernadotte’schen Korps zu folge hatten. Warum sollen die Kosaken schlechte Truppen sein? Weil sie nicht gern in geschlossener Linie kämpfen. Nun so sind die Tiraileurs aller Nationen ganz schlechte Truppen, so sind Husaren von jeher keinen Kreuzer wert gewesen, denn sie schwärmten herum, neckten den Feind, verfolgten ihn auf dem Rückzug, nahmen ihm Gefangene ab. Keinen andern Zweck hatten sie. Wenn es wahr ist, das ihm die Kosaken am meisten gewachsen sind, so kann nur ein Tor behaupten, dass sie schlechte Truppen sind. Sie sind in ihrer Art die Besten und Napoleon gäbe Millionen dafür, wenn er die Hälfte seiner neuen Reiterei in solche Kosaken verwandeln könnte. Man muss von einer leichten Kavallerie nicht die Dienste eines Kürassierers verlangen. So wenig man diesem den Dienst der Vorposten zumutet, da Pferd und Harnisch ihn zu leichten Bewegungen ungeschickt machen, so wenig darf man den Kosaken zumuten, eine Infantriekolonne zu durchbrechen oder ein schweres Kavallerieregiment zu attackieren. Sein Pferd ist nicht zum Chok, es ist zum Laufen gemacht. Ein Hollsteiner Rappe rennt, es über den Haufen, aber vermag nicht mit ihm gleichzeitig am Ziele anzukommen. Non omnia possumus Omnes!

Doch jetzt würden mehr solche Demonstrationen ermüden. Vielleicht in einem folgenden Hefte kommen wir wieder auf diesen Gegenstand zurück!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Charakterzüge und Anekdoten russischer Krieger