COBURG. Hauptstadt von Sachsen-Coburg.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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COBURG. Hauptstadt von Sachsen-Coburg.

Moritz-K. Spgot. Hallenkirche, wesentlich aus 2. H. 15. Jh., mit erheblichen Veränderungen. Die reichen Schmuckformen der Strebepfll. und Fenster 1520 ff. von Konrad Krebs (vgl. Torgau). Das Innere 1701 barockisiert, geputzte Flachdecke auf 2 Reihen jon. Sll. in der alten Einteilung (3 Sch. : 5 Jochen), die 2geschossigen Emporen der Ssch. durchschneiden die Fenster. Chor gestreckt, 3 schmale Kreuzgwbb. und 5/8 Schluß. Got. Formen ferner erhalten im WBau; der zwischen die Türme einspringende Teil des Msch. chorartig polygonal geschlossen (jetzt durch die Orgelbühne verdeckt), Gwbb. mit gewundenen Reihungen und reichem skulptiertem Detail. Die Doppeltürme bauen sich in 5 niedrigen, durch Wasserschläge geteilten Geschossen schwerfällig auf; nur der linke (nördl.) trägt, durch 3kantige Pyramidenteile vermittelt, ein schlankes, reich geschmücktes Oktogon; das oberste zurückspringende Mauergeschoß und der Bar.Helm A. 17. Jh. — Das Hauptportal ist mit glücklicher malerischer Wirkung dem WChor angegliedert; Statuen, einerseits Adam und Eva, andererseits Maria und Magdalena, M. 15. Jh. Die Figg. an den nördl. Strebepfll. nach 1520. — Mobilien 18. Jh. — Grabdenkmäler: am Schluß des Chors Alabasterepitaph Joh. Friedrichs II. † 1595, ausgeführt bis 1605 von Nik. Bergner, einem thüringischen Meister (aus Rudolstadt?); der Sockel und das Hauptgeschoß nach der Breite 3teilig, im Gr. polygonal (entsprechend den Chorwänden), darauf 2 fortschreitend in der Höhe abnehmende Geschosse und Krönung (ganze H. 12 m). Zwischen der überaus reich geschmückten Rahmenarchitektur große Reliefbilder; auf dem Sockel die reichlich lebensgroßen knienden Freifigg. des Herzogs und seiner Familie. In Größe und Schmuckfülle auch von den Weimarer Grabmälern, die ihm am nächsten kommen, nicht erreicht. Die zugehörigen Bodenplatten jetzt an der Wand. — Heraldische Grabplatte, Bronze, für Joh. Ernst † 1553, gegossen in Nürnberg vom Büchsenmeister Bernh. Eberlein. — Ikon. Grabplatte, Bronze, für Joh. Casimir † 1633, handwerklich. — Bronzeteile von anderen Grabplatten. — Im Lhs. (Ssch.) ikon. Hochreliefplatte, Stein, des Ritters Albrecht v. Bach † 1441. — Viele Grabsteine an der Außenwand, verwittert. — Kelche und sonstige Altargeräte in größerer Zahl. Von eigenartiger Anlage und vorzüglicher Arbeit ein Hostienschrank von 1607.

Ehrenburg. Herzog Joh. Ernst beschloß 1540 die Übersiedlung von der Veste in die Stadt (vgl. den ähnlichen Vorgang in Landshut i. Baiern), Erbauung der neuen Residenz 1543-49 [pg 217] und Benutzung des ehem. Barfüßerklst. Erweiterungsbau unter Joh. Kasimir beg. 1626, Baumeister Bonallino. Nach schwerem Brandschaden 1690 Wiederherstellung. 1816-40 Ausbau in neugot.-englischem Stil durch Rénier. — Die alte Anlage umschloß 3 große Höfe. Der Haupteingang war von der Steingasse. 1816 wurde ein Frontwechsel vorgenommen unter Niederlegung des Hinterhofs und seiner Wirtschaftsgebäude und Ställe. Der jetzige vordere offene Hof (N) ist der alte mittlere. Die neugot. Formen seiner Fassaden umkleiden die alten Mauern des 16. und 17. Jh. Durchschreitet man die doppelte Durchfahrt seines Mitteltrakts, so kommt man in den alten Vorderhof, der den Charakter der Renss. und des Bar. im wesentlichen bewahrt hat. Die Außenfronten an der Stein- und Rückertstr. einheitlich aus der Bauzeit 1543-49; 2geschossig; Zwillingsfenster mit Volutenverdachung; am Dach Zwerchhäuser. Im Hof gehören dieser Bauzeit die Fronten im W und S mit mächtigem Treppenturm im Winkel. Die Front des OFlügels (»Altane«) 1626 in kräftigem italienischem Bar., jedoch mit gotisierenden Maßwerkbrüstungen; die obere Loggia später geschlossen. Der schöne Brunnen stark renss. Die Bauten 1679-93 stecken im Ausbau des 19. Jh. — Inneres: Die Räume des 16. Jh. haben die alte Einteilung und die alten Gwbb. bewahrt, nicht mehr die Dekoration. Zu beachten vornehmlich die zu den prächtigsten ihrer Zeit gehörenden Bar.Räume nach 1690; die Künstler nicht bekannt; der Charakter der Stuckdekoration verwandt den gleichzeitigen Arbeiten in Gotha, Altenburg, Eisenberg und Großfahner. Der »Riesensaal«; 28 »Riesen«, von der Hüfte ab aus hermenartigen Pfll. herauswachsend, tragen die (nicht hohe) Decke, die sie mit dem einen Arm stützen, während der andere jedesmal einen Bronzekandelaber hält. »Weißer Saal« ebenfalls reich stuckiert. Aus derselben Zeit die besonders prunkvolle Decke des »Gobelinzimmers« und des »Roten Zimmers«. Der Bibliothekssaal um 1730. Die Schloßkirche (gew. 1738) ist die glänzendste dieser Epoche in Thüringen; stilistisch noch unberührt vom Rokoko. In den nächsten 70 Jahren ruhte die Ausstattung. 1808 ff. der Marmorsaal und eine Reihe kleiner Zimmer in vorzüglicher klassizistischer Behandlung. — Deutsche Gemälde des 16. und 17. Jh., darunter 4 von L. Cranach d. Ä.

Justizgebäude am Markt. Erb. 1597 ff. als Sitz der Landeskollegien. Der Maler Peter Sengelaub, von dem die umfangreichen (verschwundenen) Fassadenmalereien herrührten, soll auch die Architektur entworfen haben. Gestrecktes, nach 3 Seiten freies Rck. in ausgeprägter Horizontalkomposition, [pg 218] darüber hohes Dach mit sehr reich behandelten Giebeln und Zwerchhäusern. Leider ist eine für die Abrundung der Komposition nötige zweite Kontrastwirkung heute nicht mehr vorhanden: der vor den Verkaufsläden des Erdgeschosses sich hinziehende offene Säulengang, dessen Schieferdach bis dicht unter die Luken des Mezzanins reichte. Die glückliche Massenverteilung in Verbindung mit dem reichen plastischen Schmuck der Türme, Erker und Giebel (von Nik. Bergner) und der Bemalung der Wandflächen stellte den Bau in die Reihe der prächtigsten Bauten der Sprenss. in Thüringen. Das Innere 1896 gänzlich verändert.

Gymnasium Casimirianum. 1601 ff. von P. Sengelaub und Nik. Bergner. Die Anlage dem Regierungsgebäude ähnlich, jedoch nur 2geschossig, dadurch ohne Kontrastwirkung des Erdgeschosses, aber mit gesteigerter Betonung der Dachregion, deren Zwerchhäuser die Zahl 6 und volle Geschoßhöhe erreichen. Die Fassadenmalerei auch hier verschwunden. In den Details kommen noch Fr.Renss.-Formen (der venezianische Pilaster) und sogar einzelne got. vor (wie auch an Joh. Casimirs Altane in der Ehrenburg). An der Ecke Standbild des Gründers von Veit Dümpel 1628. Das Innere enthielt 3 große Auditorien (also ähnliche Grundsätze der Einteilung wie in der gleichzeitigen Universität in Helmstädt).

Zeughaus 1616-21 von P. Sengelaub. Der Formencharakter den beiden vorigen ähnlich, mit etwas vordringendem Bar.Charakter (am Portal Rustikasäulen).

Rathaus 1577, im 18. und 19. Jh. stark verändert, die Fassade (1750) unbedeutend, früheste Rok.formen in Coburg. An der Ecke schöner Renss.Erker- und im Hof stattlicher Renss.Treppenturm. Großer Saal mit geschnitzter Holzdecke. Fürstenporträts (Joh. Friedrich II. von Sengelaub).

Hofapotheke, Eckhaus am Markt. 1543 in got.renss. Mischstil aus einem Bau des 16. Jh. adaptiert.

Wohnhäuser des 16.-18. Jh. in größerer Zahl und oft gut erhalten; namentlich ist Coburg eine Stadt schöner Erker. — Besterhaltenes Renss.Haus Herrengasse no 17 ao. 1591; ebenda no 4 sog. Kemnate (Trinkstube der fürstl. Beamten); Spitalgasse no 25 mit steinernen Hofarkaden. Zahlreiche Renss.Portale in Rosengasse und Ketschengasse. Erker in der Judengasse, Spitalgasse und am Markt. — SpBarock: Gymnasiumsgasse no 5 um 1700, Spitalgasse no 5 ao. 1739, ebenda no 12 mit reicher Stuckdekoration. Das Rokoko ist schwach vertreten (ganz hübsch Spitalgasse no 14 ao. 1785), reichlicher der Klassizismus. — Die einst zahlreichen Fachwerkhäuser [pg 219] zusammengeschmolzen oder durch Putz verdorben; von ihm kürzlich befreit Steingasse no 14 ao. 1627.

Brunnen Rückertstr. 1679, zwei auf dem Markt 1687.

Veste (166 m über der Stadt). Unter Otto III. als königliches Gut erwähnt, als castrum zuerst 1265. Damals im Besitz der Grafen von Henneberg (bis 1248 des Herzogs von Meran). 1353 durch Erbgang an das Haus Wettin, dem es verblieben ist. — 3 rom. Pfll. im Erdgeschoß des jetzigen »Fürstenbaues« sind Reste des Palas aus 12. oder 13. Jh. Heideloff wollte 1840 Spuren einer rom. Doppelkapelle entdeckt haben; nicht mehr zu kontrollieren. Auch die im sp. Ma. mehrmals genannte Doppelkap. ist verschwunden. Im heutigen Bestande der Veste ist nur weniges (das Zeughaus in den Außenmauern) älter als der Brand von 1500. Auf diesen folgte eine umfassende Erneuerung, bei welcher der Kriegszweck schon der bestimmende war. 1540 Verlegung der Residenz in das Stadtschloß. Der Plan von 1553 zeigt in Übereinstimmung mit dem heutigen Bestande eine doppelte Ringmauer mit Zwinger. Verstärkung der Außenwerke unter Johann Kasimir durch Gideon Bacher 1614 ff. Belagerung 1635. Ausbesserung und letzte Vollendung 1669-71. Die 1838 begonnene Restauration beeinflußte die bauliche Erscheinung stark, weshalb dem Beschauer Vorsicht zu empfehlen ist. — Die Ringmauern umschreiben, dem natürlichen Fels sich anschließend, ein ungefähres Oval von ungefähr 230 : 110 m. Haupteingang von S durch ein imposantes Bar.Tor von 1671 (der Straßenzug, sowie der hinter dem Tor über der inneren Mauer sich erhebende Turm ist modern). Die beiden keilförmigen SBasteien mit ihren malerischen kleinen Auslugtürmen schon auf Abbildungen von 1625 und 1626. Die SFront hat übereinander 3 Verteidigungsgänge. Der Wehrgang des obersten, östl. vom »hohen Haus«, ist moderne Imitation. Der vom NWEingang ausgehende Tunnel um 1553. Der ihn schützende Rote Turm verschwunden. Die Bärenbastei (W) aus 17. Jh. Die am meisten gefährdete OSpitze durch den großen runden Eselsturm (Ruine) gedeckt. Hier wird der Bergfried der ma. Burg vermutet. Die über ihr liegende »hohe Bastei« eine künstliche Aufschüttung nach dem 30jährigen Kriege. — Das Innere des Berings wird durch eine Quadermauer in 2 weiträumige Höfe ohne geschlossene Gebäudefolge zerlegt. a) der östl. Burghof. Das Hauptgebäude besteht aus 2 im rechten Winkel zusammenstehenden Flügeln: »Hohe Kemenate« und »Fürstenbau«, der letztere auf den Grundmauern des rom. Palas, die spgot. Teile nach 1501, die in Fr.Renss.-Formen ausgeführten von Nik. Grohmann 1553-58; im wesentlichen jedoch die Fassade M. 19. Jh. [pg 220] Hinter der offenen Galerie 2 Räume mit wohlerhaltenen, z. T. reich geschnitzten hölzernen Decken. Der schöne Kachelofen aus A. 17. Jh. (im Kupferstichkabinett) neuerlich in München erworben. Im O. schließt sich die Kapelle an; durch öfteren Umbau, namentlich auch im 19. Jh., historisch entwertet; »Wiederherstellung« beabsichtigt. Der WFlügel (»Hohe Kemnate«) hat spgot. Mauerwerk und z. T. spgot. Fenster. Der alte Bankettsaal jetzt Waffensaal; die Türumrahmung neu, alt der eiserne Ofen mit Reliefplatten um 1480. Im selben Geschoß das sog. Lutherzimmer; die Erscheinung wesentlich neu, alt der eiserne Ofen, bez. 1548. (Das Zimmer, in dem Luther 1530 in Wirklichkeit gewohnt hat, ist ein anderes und vollständig verändert.) In den Zimmern des Obergeschosses ist Altes und Neues sehr gemischt; bmkw. das Rosettenzimmer mit spgot. Türgestell und renss. Kachelofen (wohl fremd). Im Jagdzimmer (sog. Hornzimmer) die Wandbekleidung mit Intarsia und Schnitzerei von 1632 aus der Ehrenburg übergeführt; sie gehört zum Schönsten, was in dieser Art in Deutschland zu finden; die Vorlagen zu den Jagdszenen von Wolfgang Birkner; die Möbel verschiedenen Ursprunges, aus den Vorräten der Veste zusammengestellt. — b) der westl. Burghof. An der SMauer, deren Wehrgang neu, das Zeughaus (»hohes Haus«) von 1489, rest. nach Brand 1500, mehrstöckiger Giebelbau, von hübscher Wirkung die Dacherker (Fialen aus Zink 1850); der Turm hat den ma. Charakter eingebüßt. Die Zisterne mit gutem Renss.-Baldachin um 1540. Im übrigen enthält der Hof schlichte Wirtschaftsgebäude. — Die Verlegung der Residenz in die Stadt 1540 ist Ursache, daß die baukünstlerische Entwicklung der Veste über diese Zeitgrenze nicht fortschritt. Die Restaurationen des 19. Jh. sind im einzelnen ärgerlich und irreführend genug, für den summarischen Eindruck aber sind sie ziemlich unschädlich, und zumal die Außenansichten von unvergänglichem Reiz. Ein wertvoller Zuwachs die im 19. Jh. angelegten Kunstsammlungen, aus denen hervorzuheben: 2 Altarflügel, fränkisch, 1. H. 15. Jh., 12 Tafelbilder von Cranach und seiner Werkstatt; 7 Fürstenbilder von Jost Stettner M. 16. Jh.; zahlreiche Porträts aus 2. H. 16. und 17. Jh.; karolingischer Elfenbeindeckel aus Gandersheim; Sandsteinmadonna aus Königsberg A. 15. Jh.; Holzmadonna A. 16. Jh. aus der H. Kreuz-K. in Coburg; von einem ausgezeichneten Werkstattgenossen Riemenschneiders; von demselben Altarwerk, 2 Engel und 3 Relieftafeln; Kruzifix von Veit Stoß (?) und zahlreiche andere Holzskulpturen des 15. und 16. Jh. Ausgezeichnete Möbel, Gläser, Waffen. Bedeutende Kupferstichsammlung, auch mit Miniaturen und Handzeichnungen.