CASSEL. Pr. Hessen-Nassau Hauptstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
Brüder-K. (ehem. Carmeliter). Beg. nach 1294, Chor voll. 1331, Sch. voll. 1376. — Unsymmetrisch 2sch. Hallenkirche, gewölbt, im Hauptschiff 8 Joche, im Nebenschiff (N) 4 Joche, gestreckter Chor mit Schluß aus 8Eck. Über dem Choranfang schlanker 6eck. Dachreiter. — Relief vom Tympanon des NPortals, Beweinung, jetzt in der Sakristei. — Epitaphe mit Relieffigg. aus 16. Jh.

Stifts-K. S. Martin. Chor voll. 1367, Langhaus 1453. Nach Einsturz neue Weihe 1462. — Große Hallenkirche mit gestrecktem 5/8 Chor und 2 WTürmen. Im Sch. 6, im Chor 2 Joche. Die reich profilierten Schafte setzen sich mit einem Teil ihrer Glieder in den Scheidbgg. fort. Die ungleiche Schiffsbreite hat nicht, wie in der frgot. hessischen Schule, zur Stelzung der Sschiffsgwbb., sondern zur Tieferlegung ihrer Scheitel geführt. An den Schlußsteinen des Chors Apostelbilder. Gegen die festlich reiche Wirkung des Innern fällt das Äußere ab. Von den Türmen nur der südl. vollendet, zum Schluß in Renss.Formen übergehend, seit 1892 mit got. Helm versehen, der NTurm ebenso ausgebaut. — Im Chor Marmorgrab Philipps des Großmütigen † 1567 und seiner Gemahlin von Elias Godefroy (Gottfro) aus Cambray (Kämerich) † 1569, vollendet 1570 von seinem Schüler Adam Beaumont; davor im Fußboden die betreffenden Grabsteine mit Wappen und Allegorien. Epitaphe der Landgräfin Christine mit Bronzerelief [pg 205] von Phil. Soldan 1550, des Prinzen Philipp 1619. In der Gruft Särge der landgräflichen Familie. — Orgel 1600 von Hans Scherer.

Luther-K. am Graben 1734 von G. Ghezzi. Einfacher, turmloser Saalbau in Straßenflucht. Ölgemälde von J. G. Tischbein.

Oberneustädter (französische) K. 1698-1706 vom Hugenotten Paul Du Ry. Gestrecktes 8Eck mit Walmkuppel, gekrönt von einer schweren Laterne, die Formen innen und außen die denkbar einfachsten, wenn man auch an der fein profilierten toskan. Ordnung der WFront die gute Pariser Schule nicht verkennen wird. Erhöhung durch die oberen Emporen 1874. Graumarmordenkmal des Grafen v. Broglie, gefallen 1758.

Kathol. K. 1770-1776 von Simon Louis Du Ry. Da den Katholiken damals nicht das Recht freier Religionsübung zustand, erhielt die in fortlaufender Straßenflucht stehende Fassade das Aussehen eines, zwar stattlichen, Privathauses. Reicher, wenn auch in klassizistischer Simplizität, das Innere; Emporen auf jon. Sll.; im 1/2kr. Chor ein oberer Umgang. Die Flächen in rotem Stuckmarmor; Basreliefs weiß, von Gérin. Spgot. Altarflügel angeblich aus Hersfeld. Ölbilder von L. Cranach und J.H. Tischbein. Bronzene Standleuchter 1626.

Hof- und Garnison-K. 1757-1770. Saalbau.

Unterneustädter K. 1801-08. Saalbau mit kleiner Kuppel und Laterne in der Mitte der flachen Decke.

Bettenhäuser K. 1792. Saalbau. Turm mit Schweifhaube.

Hospital S. Elisabeth mit K. Gegr. 1383, erneuert 1587. Sandsteinstatue der h. Elisabeth 15. Jh. in Renss. Nische.

Renthof. Einfacher großer Renss.Bau 1581-1618. Mehrere reich durchgebildete Portale und ein Brunnen mit sitzender Statue in römischer Feldherrntracht. Im Innern spärliche Reste alter Bemalung.

Marstall, voll. 1585. Vierflügelanlage mit Volutengiebel. Treppentürme in den Ecken des Binnenhofes.

Zeughaus 1573-1583, ansehnlicher Massenbau, an einigen Stellen reiche Wappensteine. Portale an der Hauptfront 1766.

Druselturm und Zwehrenturm, Reste der von Ldgrf. Ludwig I. 1415 angelegten Stadtbefestigung.

Sog. Kunsthaus, ursp. als Schauspielhaus erb. 1594 für Ldgrf. Moritz den Gelehrten, umgebaut 1696 von Paul Du Ry.

Orangerieschloß 1701-1711 von Ldgrf. Carl nach italienischen Reiseerinnerungen; jedoch ist die spezielle Stilerscheinung [pg 206] des malerisch empfundenen, im einzelnen viel Reizendes enthaltenden Gebäudes französisch. Architekt Paul Du Ry (nicht sicher). Der innere Ausbau erst 1730 voll. In der Mitte Apollosaal mit stuckierten Wänden. Vom einstigen Statuenschmuck vieles zerstört. In einem anschließenden Pavillon das Marmorbad 1720-28 mit den ihrer Zeit berühmten Skulpturen von Pierre Monot. Als Gegenstück das Küchenschloß 1765. Unterhalb der Orangerie breitet sich der großartige Augarten aus, entworfen von Le Notre, E. 18. Jh. anglisiert.

Alte Gemäldegalerie. 1751 von Charles Du Ry.

Garde du Corps-Kaserne. 1768 von S. L. Du Ry.

Museum Fridericianum (Bibliothek). 1769-79 von S. L. Du Ry, klassizistisch in besonders strenger und trockener, an englische Bauten dieser Richtung erinnernder Auffassung; lang gestreckt in 19 Achsen; einzige Pilasterordnung, jonisch, mit untergeordneter Behandlung der in 2 Geschossen angeordneten Fenster, oberer Abschluß durch Balustrade mit Vasen und Statuen, in der Mitte vorspringende Tempelfront.

Au-Tor. 1782 von S. L. Du Ry, die 2 Wachthäuser abgebrochen. Der Triumphbogen (1824 von Bromeis) auf den Platz vor dem Regierungsgebäude versetzt.

Privathäuser. Fachwerkbauten des 16. und 17. Jh. in ziemlicher Menge, einige durch neuerliche Rest. wieder zu Ansehen gebracht. Eines der ältesten Altmarkt 21; Druselgasse 27 ao. 1557; Brüderstr. 2 ao. 1597; Oberste Gasse 17 ao. 1651. Am steinernen Erdgeschoß des Hauses Brink 8 hübsches Vesperbild E. 15. Jh. Wildemannsgasse 19 Steinbau des 17. Jh. mit Diamantquadereinfassung der Fenster. Von Charles Du Ry das Haus Theodor Landré Ecke Karls- und Wilhelmsstr. Das Rokoko sehr gut vertreten durch das Haus am Friedrichsplatz gegenüber dem Theater und eine fast mit dem Asamhaus in München wetteifernde Stuckfassade Königsplatz 55. Das Haus des Ministers v. Jungken Ecke Friedrichsplatz und Königsstr. (jetzt k. Schloß) bmkw. als erstes rein klassizistisches Werk S. L. Du Rys beg. 1767 (durch Anbau 1821 erweitert und als kurfürstliches Palais eingerichtet). Von demselben 1773 das v. Waitzsche Haus, 1775 das französische Rathaus. Zahlreiche Bauten in gräzisierendem Klassizismus aus der Zeit Jérômes.