Brüllende Riesenfrösche und ihre Opfer

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1926
Autor: Dr. Johs. Bergner, Erscheinungsjahr: 1926

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Amphibien, Lurchen, Frösche, Kröten, Grasfrosch, Ochsenfrosch, Wasserfrosch, Kannibalen,
Schon unsere Frösche und Kröten sind arge Räuber, die nicht bloß allerlei Insekten, Schnecken und Gewürm vertilgen, sondern sich an alles wagen, was sie bewältigen können. Vor allem unser grüner Wasserfrosch, der Sänger der Teiche, haust wie ein Kannibale unter seinesgleichen und den Jungen des braunen Grasfrosches, ja er verschlingt selbst junge Mäuse und Sperlinge, wo er sie nur erwischen kann. Und doch ist dieser größte ein heimischer Frosch ein Zwerg, verglichen mit den riesigen Verwandten in der Neuen Welt, die ihn auch an Gefräßigkeit und Lärm weit übertreffen. So ist der an der Ostküste des wärmeren Nordamerikas lebende Ochsenfrosch, der von der Schnauzenspitze bis zu den Zehen der ausgestreckten Hinterbeine fast ein halbes Meter misst, ein sehr gefürchteter Geflügeldieb, da er schwimmende junge Enten an den Füßen packt und in die Tiefe zerrt, um sie in aller Ruhe dort hinab zu würgen. Auch unvorsichtige Küchlein, die sich dem Uferrande nähern, erhascht dieser gewaltige Wasserfrosch im jähen Sprung, bevor die mit gesträubtem Gefieder herbeistürzende Henne ihnen Hilfe bringen kann.

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Er ist deshalb bei den Farmern sehr verhasst, zumal auch sein dem Ochsen ähnelndes Gebrüll kaum zu ertragen ist, wenn einige hundert dieser Riesenfrösche ein Konzert veranstalten. Mit dem Quaken unserer einheimischen Frösche verglichen, verhält es sich wie die Posaune zu der sanften Flöte. Wirklich ohrenbetäubend wird dieser Lärm zur Paarungszeit im Frühjahr, weil sich da zahllose Frösche zusammenfinden. Das Weibchen legt dann binnen weniger Minuten zwölftausend bis zwanzigtausend Eier als pfannkuchenförmige Gallertmasse von etwa einem Meter Durchmesser zwischen Treibholz und Wasserpflanzen. Nach drei bis fünf Tagen schlüpfen die Kaulquappen aus, von denen freilich viele den Fischen und Wasservögeln zum Opfer fallen. Die überlebenden aber brauchen mindestens zwei Jahre, bis sie zum ausgewachsenen Tier sich umgewandelt haben. In Riesensprüngen von drei Meter Länge und eineinhalb Meter Höhe betreiben sie sodann ihr räuberisches Handwerk. Mit allen Mitteln, mit Spießen, Netzen, Fallen und dem Schrotgewehr geht man dem olivfarbenen, braungefleckten, unten aber gelblichweißen Untier zu Leibe, doch ausrotten darf man es nicht, weil die Stechfliegen sonst durch maßlose Vermehrung zu einer noch viel größeren Plage würden. Vor allem aber bringt die Froschjagd lohnenden Gewinn. Sie wird sogar sportsmäßig mit der Angel ausgeübt, wobei als Köder ein rotes Läppchen dient. Die Schenkel des ein bis drei Pfund schweren Ochsenfrosches liefern nämlich eine ebenso wohlschmeckende wie nahrhafte Speise, für die besonders die in den Vereinigten Staaten ansässigen Franzosen schwärmen. Allein nach Neu York kommen während der Sommermonate wöchentlich eine Million Froschschenkelpaare, von denen drei bis vier ein Pfund wiegen; sie werden wie Forellen gewertet und bezahlt. Man könnte diesen Riesenfrosch sehr wohl in Deutschland einbürgern, stünden dem nicht der schlimmen Eigenschaften wegen große Bedenken entgegen. Immerhin wird er oft, besonders als Kaulquappe, von unseren Aquarien- und Terrarien-freunden gehalten. In seiner Lebensweise unterscheidet sich das schon an seinem großen Trommelfell kenntliche Tier nicht von dem grünen Wasserfrosch, doch ist der räuberische Brüller selbst in kleinen Exemplaren für andere Terrarien-Insassen sehr gefährlich, denn Tiere, die ihm an Größe fast gleichkommen, werden von diesem Vielfraß in stundenlangem Würgen verschlungen. Hat man doch beobachtet, dass solch ein Ochsenfrosch in einem Tag nicht weniger als dreiundzwanzig Maikäfer, drei Frösche, eine Maus, einen jungen Sperling und ein Küken fraß! Ein anderer, etwas ausgehungerter Riese wurde sogar in einer Stunde mit einer Unzahl Grillen und Regenwürmern, vier Wasser- und sechs Laubfröschen, zwei kleinen Mäusen und drei jungen Spaten fertig!

Sein Gegenstück an Größe und Gefräßigkeit ist der merkwürdige Hornfrosch, der mit sechzehn Arten hauptsächlich die südamerikanischen Wälder bevölkert, wo er in selbstgegrabenen Mulden auf Beute lauert. Mit seinem ungeheuren Rachen kann er ein junges Huhn verschlingen, sonst aber lebt er, in keiner Weise wählerisch, von Fröschen, Mäusen, Schnecken und dergleichen mehr. Wenn solch ein Hornfrosch zuschnappt, hält er wie ein Bullenbeißer fest und vergiftet das Blut des Opfers mit seinem Geifer. Es sind Fälle bekannt geworden, dass sogar Pferde infolgedessen starben. Hutson, der die Lebensweise dieser Frösche in den La-Plata-Staaten studierte, berichtet, dass man das bösartige Tier mit fest geschlossenen Kiefern verendet an den toten Pferden fand, so dass es scheint, als käme es mitunter trotz all seines Bemühens nicht mehr los und bezahle somit den ungestümen Angriff mit seinem Leben. Die Hornfrösche sind denn auch wild aussehende Gestalten, die ihren Namen dem zu einer hornförmigen Spitze ausgezogenen oberen Augenlid verdanken. Geperlte Kämme und Leisten am Kopf und Rücken sowie die warzige oder faltige Haut geben ihnen ein krötenartiges Aussehen. Trotzdem sind sie durch ihr prächtiges, farbenfrohes Kleid mit die schönsten aller Frösche. Den durch vier in die Rückenhaut eingelagerte Knochenplatten förmlich gepanzerten Schild- oder Buckelfrosch zum Beispiel schmückt ein von der Schnauze über den Rücken hinziehendes Orangeband, von dem schwarze und rotbraune Schrägstreifen abwärts laufen, während die grau braunen Flanken von dunkelgrünen und rötlichen Flecken anmutig unterbrochen werden. Der helle Bauch aber ist gelb gesäumt, und gelblich ist auch die Grundfarbe der Vorderbeine. Bei dem Männchen haben nur die braunen Hinterbeine zwei grasgrüne Querbinden. Noch bunter ist das Weibchen, denn von dem grünen Rückenband zweigt jederseits vom Nacken her ein ebensolcher Streif nach unten ab. Der schwarze Grund zwischen Auge und Nase trägt ein weißes Zickzackband und, um das Fastnachtskleid noch farbenfroher zu gestalten, sind hier Vorder- und Hinterbeine grün beringelt. Die so auffallenden Tolpatsche werden in Brasilien allgemein verabscheut. Die Ureinwohner aber erwiesen den nach Gewitterregen allenthalben auftauchenden Riesenfröschen abergläubische Verehrung, was sie jedoch nicht hinderte, die Wettergötter weidlich durchzuprügeln, wenn sich der erbetene Regen oder Sonnenschein nicht einstellte.

Als Dritter im Bunde ist noch die Aga oder Sapo, eine in Süd- und Mittelamerika häufige Riesenkröte, zu nennen (Abbildung unten links). Mit ihrem grauen oder braunen, dunkel gefleckten Leibe, dessen schwarze Warzen beim Männchen in Hornspitzen enden, bedeckt sie einen ganzen Suppenteller! Gleichwohl ist sie ein munteres Tier, das sich mit besonderer Vorliebe in der Nähe von Städten und Dörfern aufhält. Man begegnet ihr denn auch abends auf allen Straßen, wo sie sich hüpfend, nicht kriechend, wie sonst Krötenart, gewandt bewegt. Nach einem Gewitter vollends erscheint sie oft in solcher Menge, als habe es Kröten geregnet. Wenn man sie reizt oder erschreckt, sinkt sie laut zischend in sich zusammen und wird ganz platt. Dabei spritzt sie eine sehr gefürchtete Flüssigkeit aus ihrer Harnblase. Der Saft der Hautdrüsen vollends ist derart giftig, dass ihn die Eingeborenen zur Herstellung eines wirksamen Pfeilgiftes verwenden. Dem Riesenwuchs entspricht natürlich auch ihre Gefräßigkeit, so dass man allen Ernstes daran dachte, sie auf Jamaika als Rattenfänger einzubürgern. Als man die ersten Riesenkröten aber dort aussetzte, erregten sie durch ihre Hässlichkeit und mehr noch durch ihr schnarchendes Gebell bei Negern und Farmern Furcht und Entsetzen.

Der als Geflügeldieb verhasste Ochsenfrosch, eine junge Ente verschlingend

Riesenfrösche. Links: Agakröte auf der Lauer. Ihr Leib misst ein Viertelmeter. Rechts: Hornfrosch, eine Maus verschlingend

Lurchen, Der als Geflügeldieb verhasste Ochsenfrosch, eine junge Ente verschlingend

Lurchen, Der als Geflügeldieb verhasste Ochsenfrosch, eine junge Ente verschlingend

Lurchen, Riesenfrösche, Links, Agakröte auf der Lauer, Ihr Leib misste ein Viertelmeter. Rechts, Hornfrosch eine Maus verschlingend

Lurchen, Riesenfrösche, Links, Agakröte auf der Lauer, Ihr Leib misste ein Viertelmeter. Rechts, Hornfrosch eine Maus verschlingend