An Marie von Frisch - Zürich, den 13. Januar 1885.

Verehrte Frau Professor und Gönnerin!

Ehe die erlaubte Frist zu sehr überschritten wird, muß ich mich nun doch daran machen, Ihnen für die weihnachtliche kosmopolitische Fraß- und Trinkbarkeitskiste meinen tiefgefühltesten Dank oder vielmehr tiefstgefühlten Dank abzustatten. Es ist alles so rührend und gut gedacht und verpackt, daß die getreuliche Mühe so gut schmeckt wie die Sachen selbst, und das hübsche Glas wie die grünen Tannenzweige lassen tröstlich hoffen, daß Ihr mir neben der Wein-, Käse- und Pumpernickelgesinnung auch noch etwas Höheres zutraut, etwas platonisch Transzendentales.


So schön und gut nun aber alles ist, muß ich Euch doch ernstlich ermahnen, aus Eurer Güte nicht eine beschwerliche Servitut erwachsen zu lassen. Auf diese Weise kommt das Übel in die Welt, und ich möchte doch nicht so einen alten Leviten oder Baalspfaffen abgeben, der das Volk mit Steuern, Zehenten und Brandopfern belastet, die er selber frißt!

In Ihrem letzten Briefchen vom vergangenen Sommer erwähnten Sie einer schweren Krankheit, welche Sie im Jahr 1883 erlitten. Ich habe in der Tat nichts davon gewußt. Adolf kam bei dem etwas tumultuarischen Anlaß seines Hierseins und den stets unterbrochenen Unterhaltungen nicht darauf zu sprechen. Um so fröhlicher wünsche ich Ihnen nachträglich Glück zur guten Genesung, als Sie und die lieben Ihrigen sich nun vortrefflich befinden!

Ihre drei Junkerleins reichen Ihnen gewiß schon über den Kopf und dem Herrn Professor an den Bart, und die Stiefel allein kosten wohl ein artiges Geld jährlich, was mich schadenfröhlich erheitert. Wie lange wirds gehen, so werden Sie ihnen die Militärmäntel im Hofe aufhängen, wie einst dem Bruder Serasin.

Regieren Sie nur immer froh und gesund mit Ihren leichten Händen, und tanzen Sie nicht zu heftig im beginnenden Fasching, sondern grüßen Ihr ganzes Haus, den Herren an der Spitze (und den Herrn Hofrat nicht zu vergessen, wenn er noch leben tut), recht herzlich von mir.

Ihr alter
Gottfr. K.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe