An Marie Erner - Zürich, den 19. April 1874

Mit Ihnen will ich nun das Geschäftliche wegen meines Hinkommens besprechen, da Sie doch das Hausmütterchen sind und für die Sachen aufkommen müssen. Also das Schlössel ist mir das beste in jedem Fall, vorausgesetzt, daß es nicht gerade eine Ausspannung für Fuhrleute ist. Wenn ich dann dort bin, so komme ich jeden Tag ein paar Mal zu Euch. Die Hauptsache ist, daß ich am Abend gut versorgt und nicht der Kneipwildnis von Wien überlassen bin oder wenigstens in guter Kompanie ausrücke. Was nun die Zeit betrifft, so schickt es sich für mich im Juli auch am besten; ich würde es dann so einrichten, daß ich etwa zehn Tage in Wien wäre und dann mit Euch an den Mondsee reiste, was ich mir als lustig vorstelle; dann aber nach ein paar Tagen mich seitwärts in die Büsche schlüge. Ich soll noch mit einem andern Wiener, der in Meran hockt, diesen Sommer irgendwo zusammentreffen, was alsdann am besten um jene Zeit geschähe. Wenn Ihnen meine Zusendung wirklich einiges Vergnügen gemacht hat, so bin ich über Verdienen belohnt. Ich würde am liebsten gleich wieder ein Bildchen anfangen, wenn es nicht zu weichlich wäre, zuviel für sein Vergnügen zu tun (husten Sie nicht!)...

Was für eine Teufelei beabsichtigen Sie mir anzutun, daß Sie sich jetzt schon Straflosigkeit sichern wollen? Nun ich werde mir jedenfalls den Schaden besehen, ehe ich amnestiere. Eigentlich werde ich doch nicht viel machen können; es guckt mir soeben ein blühender Kirsch- oder eigentlich Zwetschgenbaum mit der Abendsonne ins Fenster und stimmt mich mild und gnädig, und so sei es Ihnen denn zugesagt! Nur beißen Sie mir nicht geradezu den Kopf ab! Behüt Sie der Himmel auch mit allen Ihren sieben Sachen. Also im Juli werde ich im Hotel Schlössel einziehen, vorher aber nochmals schreiben und fragen, wie die Gestirne stehen.


Ihr ergebener
G. Keller.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe