Zürich, den 28. September 1845.

Lieber Hegi!

Zur Beruhigung meines Gewissens kann ich Dir sagen, daß ich im Begriffe war, Dir zu schreiben, und daß Dein Brief dies nur um zwei oder drei Tage beschleunigt hat. Ein sauberes Imbegriffsein! wirst Du denken, wenn noch zwei oder drei Tage Beschleunigung möglich sind. Es ist nun einmal so, und eher wird der Nordpol zum Südpol werden, ehe ich von meiner Natur und Art ablassen kann; Gott helfe mir! Du willst also nach Paris? Ich wünsche Dir Glück und glaube wirklich auch, es wird sich finden, denn in solchen Situationen halte ich die kühneren Entschlüsse für die klügeren. Deine Mutter ist wirklich ein Muster von Noblesse und gibt der meinigen nichts nach. Gottes Segen komme über alle solche Mütter, wenn auch die Söhne nichts taugen!...


Mich betreffend bin ich immer noch im alten Wogen und Treiben und Vegetieren und mein einziges Trachten ist, meinen ersten Band Gedichte zusammenzubringen, was mit einem Schlage alle meine Verhältnisse ändern wird. Alles Bisherige war nur sicher vorbereitend und ich werde mit jedem Tage strenger und einsichtiger gegen mich selbst, um nichts zu übereilen; denn es ist heutzutage notwendig, wenn man sich über den Kot erheben will...

Lebe wohl und bleibe mir unwandelbar gewogen, wie ich auch Dich über Stock und Stein im Herzen zu tragen hoffe.

Dein
G. Keller.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe