Abschnitt 5

Salzburg


Unter diesen ist das Salzwerk zu Hallein ohne Vergleich das beträchtlichste. Das Innere dieses ohngefähr vier Stunden von hier entlegenen Berges besteht aus einer Masse von Salzkristall, welches aber mit häufiger Erde vermischt ist. Um es zu reinigen, werden ungeheure Kammern hineingehauen und mit Wasser angefüllt, welches das Salz ableckt und die Erdteile zu Boden sinken läßt. Das geschwängerte Wasser wird sodann auf die Pfannen geleitet und ausgesotten. Mit der Länge der Zeit füllen sich die Kammern von selbst wieder mit Satz an, und der Schatz ist unerschöpflich. - Eine solche Kammer, wenn sie beleuchtet wird, ist der schönste Anblick von der Welt. Denke dir einen Saal von ohngefähr hundert Schritt ins Gevierte, dessen Wände und Böden aus Kristallstücken von allen erdenklichen Farben bestehen, die im Glanz der durchscheinenden Lichter so wunderbar durchspielen, daß du wirklich glauben mußt, du seiest in einen Feenpalast versetzt. Zu diesem großen Werk wird das Holz auf der Salzach und den sich in dieselbe ergießenden Flüssen und Bächen, so weit jener Hauptfluß das große Tal beherrscht, herbeigeschwemmt. Seit einiger Zeit werden die Holzungen merklich dünner, und mit der Zeit könnte die gar zu große Verminderung derselben das Werk stockend machen.


Die unglückliche Lage des Landes ist schuld, daß es diesen Schatz nicht für sich ganz nutzen kann, sondern ihn größtenteils Fremden überlassen muß. Ringsum ist es von den österreichischen und bayrischen Landen eingeschlossen. Die erstern haben für sich Salz genug, und alle Einfuhr des fremden Salzes ist streng verboten. Auf der andern Seite ist das bayrische Salzwerk zu Reichenhall so ergiebig, daß es nicht nur diese Lande damit hinlänglich versorgen, sondern auch noch eine beträchtliche Menge an die Fremden abgeben kann. Die Erzbischöfe von Salzburg sahen sich also genötiget, mit den Herzogen von Bayern einen Vertrag zu errichten, vermöge dessen diese jährlich eine gewisse Menge Salzes um einen unmäßig geringen Preis von den erstern übernehmen und einen Teil der Schweiz und des Schwabenlandes damit versehen. So ist Bayern eigentlich im Besitz des Handels mit dem hier erbeuteten Salze und gewinnt wohl dreimal soviel dabei als die Fürsten von Salzburg. Der Wert des Salzes, welches Bayern jährlich übernehmen muß, beläuft sich auf ohngefähr 200.000 Gulden, und was im hiesigen Lande selbst und durch einen unbeträchtlichen Schleichhandel in die benachbarten österreichischen Lande abgesetzt wird, beträgt so viel, daß der ganze Wert der Ausbeute auf ohngefähr 350.000 Gulden geschätzt werden kann, wovon beinahe 200.000 Gulden reiner Gewinn sein mögen.

Die Gold- und Silberbergwerke des Fürstentums machen in den Geographien Deutschlands einen großen Lärmen, sind aber neben dem Salzwerk kaum nennenswert. Ich habe den Auszug aus den Registern des Ertrags aller Gold-, Silber-, Eisen-, Kupfer- und anderen Gruben gesehen, und im Durchschnitt der letztern zehn Jahre war der jährliche reine Gewinn des Fürsten von allen seinen Bergwerken 65.000 Gulden. Er baut sie fast alle selbst und verliert schon seit vielen Jahren an dem Bau eines Goldwerks in der Gegend von Gastein jährlich über 20.000 Gulden, in der betrüglichen Hoffnung, mit der Zeit reichere Ausbeute zu bekommen und um das Tal, worin es ist und dessen Einwohner bloß von diesem Werke leben, nicht zu einer Wüste werden zu lassen. Das hiesige Eisen wird immer spröder und von den Fremden weniger gesucht. Der Fürst hat auch, für seine Rechnung, eine Messingfabrike; aber der dazu erforderliche Galmei Zinkerz wird im Lande immer seltener.

Herr Büsching sagt in seiner Beschreibung Deutschlandes, er habe von guter Hand, die jährlichen Einkünfte des Erzbischofs beliefen sich auf vier Millionen Gulden. Wenn mich der Fürst zu seinem Generalpachter machen wollte, ich getraute mir kaum, 1.200.000 Gulden für seine ganze Einnahme zu bieten. Ich weiß ziemlich zuverlässig, daß die Steuern, Domänen, Landzölle und dergleichen nicht viel über 600.000 Gulden abwerfen; rechne ich nun den Gewinn an den Bergwerken dazu, so müßten die Akzise, Zölle und der übrige Ertrag der Hauptstadt samt einigen fürstlichen Bierbrauereien noch 435.000 einbringen, ehe ich bei meiner Pachtung gewinnen könnte.

Die Größe des Landes wird auf 240 deutsche Quadratmeilen geschätzt. Es hat nur sieben oder acht Städte, wovon einige mit einem großen schwäbischen Dorf nicht zu vergleichen sind. Die Zahl der sämtlichen Einwohner wird auf 250.000 angegeben, wovon ohngefähr 14.000 auf die Hauptstadt kommen. Die geringern Fabriken von baumwollenen Strümpfen und Nachtmützen zu Hallein ausgenommen, ist das Land ganz von Manufakturen entblößt. Seitdem die Straße nach Triest so vortrefflich ist angelegt worden, treibt die Stadt Salzburg einen beträchtlichen Handel mit Spezereien und Materialien, womit sie einen großen Teil von Bayern versieht. Die Wege durch dieses bergichte Land sind überhaupt sehr gut, ob sie schon hie und da über schauerlichen Abgründen auf Holzgerüsten schweben oder gar in Ketten an den hohen Felsen hängen. Die schwersten Fuhren haben nichts zu befürchten, als etwa von einem gewaltigen Stoßwinde umgeworfen oder im Frühjahr von einer Schneelawine bedeckt zu werden. Auf meiner Reise in das Bad zu Gastein, einer der wildesten Gegenden des Landes, sah ich alles, was zu tun möglich ist, um die schrecklichsten Abgründe und die steilsten Felsen wegsam zu machen. Auf dieser Reise sah ich auch einen der merkwürdigsten Wasserfälle, die ich je gesehen. Ein starker Bach stürzt wie aus den Wolken auf einen unterliegenden Felsen, der über hundert Schuh über dem Weg emporragt, und wird von da in einem Bogen so stark zurückgeprellt, daß man auf der Straße, die unter diesem Bogen durchgeht, gar nicht benetzt wird. Von vorne kann man diesen schönen Fall nicht sehen, weil das Tobel enge Schlucht zu enge und der entgegenstehende Fels zu steil ist; aber in einiger Entfernung bietet er, von der Seite betrachtet, den seltsamsten Anblick dar. Lebe wohl.

Ich lobe mir die Bergländer. Ich bin zwar keiner von denen, deren Gefühl bloß durch das Abenteuerliche reizbar ist, die starke Erschütterungen lieben, weil sie gegen sanftere Regungen gemeiniglich stumpf sind, und die ihr Vergnügen auf unwirtbaren Felsenrücken und scheußlichen Eis- und Schneefeldern suchen, weil sie durch unmäßigen Genuß an den Freuden, welche mildere Gegenden darbieten, einen Ekel bekommen haben. Mir ist die einförmigste Ebene mannigfaltig genug, um mein Herz in dem Grad von Wärme und meine Sinnen in der Spannung zu erhalten, die zu einem ununterbrochenen Genuß der Natur nötig sind. Ich umarme den Baum, der mir auf meiner Wanderung durch ein kahles und ebenes Gefilde auf einen Augenblick Schatten gibt; das Moos auf einer Heide hat Reiz für mich, und der Bach, der durch einen unabsehbaren Wiesengrund schleicht, ist mir auch ohne das Geräusche eines Wasserfalles lieb. Aber ich bin auch billig genug, um dem Gebirge Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihm in Rücksicht auf Schönheit den Vorzug vor der Ebene einzuräumen. Der Puls der Natur schlägt hier stärker, alles verrät mehr Leben und Treibkraft, alles verkündigt die immer wirksame Allmacht lauter und stärker. Der Bach, welcher, ohne zu wissen, welchen Weg er nehmen soll, langsam die Ebene durchirrt, eilt im Gebirge brausend und ungestüm seinem Zweck zu. Der Zug der Wolken, die Empörungen der Luft, das Hallen des Donners: alles ist hier lebhafter und stärker. Die Täler sind in der schönen Jahreszeit von einem viel geistigern Geruch der Blumen und Kräuter durchdüftet als die Ebenen, deren Boden zur Zubereitung der feinern Pflanzensäfte nicht so bequem ist und worauf sich die Ausduftung derselben in der weiten Luft verliert. Die Natur ist hier mannigfaltiger und unendlich malerischer. Sie schattiert sich auf eine Art, wovon sich der Bewohner einer Ebene keinen Begriff machen kann, und in der Schattierung werden alle, auch die kleinsten Züge derselben auffallender und reizender. Hier bietet die Natur die Eigenschaften aller Jahrszeiten und der verschiedensten Erdkreise auf einmal dar. Während daß man im Sommer in der Tiefe des Tales die Hitze von Afrika empfindet, genießt man auf der mittlern Höhe der Berge die gemäßigte Luft des Frühlings, und auf den Gipfeln derselben starrt man im Frost Sibiriens. Und wie mannigfaltig sind nicht die Gestalten, Verkettungen und Aufhäufungen all der Berge und Hügel!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland.