Erster Brief. - Berlin, den 27. Mai 1791. - Nach einer sechstägigen Reise, ... langte ich Donnerstags Nachts den fünften Mai vor Hamburgs Wällen an. ...

Erster Brief. - Berlin, den 27. Mai 1791.
Nach einer sechstägigen Reise, während welcher der Ost- und Nordwind so freundschaftlich mit einander wechselten, daß jener mich in zwei Stunden über den großen Belt, dieser in neun Stunden vierzehn Meilen von Faaborg bis Kiel begleitete, langte ich Donnerstags Nachts den fünften Mai vor Hamburgs Wällen an. Vergebens war das Blasen des Postillons, wie mein Klopfen an mehr als Eine Hausthür. Eine schläfrige Dirne öffnete endlich, doch nur zur Hälfte, eine Thür und schalt. Ich schlüpfte hindurch, und gab die Hoffnung nicht auf, sie durch Schmeichelworte wach zu erhalten, und in ein sanfteres Wesen umzuwandeln. Es war aber eine Meduse: alle ihre Gunsterwiedrungen bestanden in einer kalten Stube, einer harten Pritsche und einem Tisch mit einem Lichte. Die Uhr war eins, und vor fünfen werden die Hamburgischen Thore nicht geöffnet.*) So lange saß ich da gleich einem Gefangnen, eiskalt, in durchnäßten Kleidern, starrte die Lichtflamme, fluchte auf die Meduse, und bekam ein Fieber.

In dem besten Gasthofe Hamburgs, der Stadt London, trat ich ab, und mußte zwei Tage das Bette hüten. Ich weiß nicht, ob ich den Arzneimitteln oder dem freundschaftlichen Umgange meines Arztes meine baldige Besserung verdankte. Daß sein Name Reimarus ist, daß er mich in vier Tagen täglich zweimal besuchte, daß er meine ihm gebotene Bezahlung für seine Bemühung ausschlug, muß ich zu seiner Ehre anführen, so wenig es gleich seinen seit lange erworbenen Ruhm zu erhöhen dient. Als Sohn eines der größten Philosophen Deutschlands, als Verfasser verschiedner tiefsinniger und gemeinnütziger Werke, z. B, über Handelsfreiheit, über Blitzableiter, und als ein thätiges Mitglied der Hamburgischen patriotischen Gesellschaft genießt er unter seinen Mitbürgern einer ausgezeichneten Achtung.


Diese Gesellschaft verdient sowohl wegen des ausgebreiteten Nutzens, den sie stiftet, als wegen der (mit beständiger Vermeidung alles Aufsehens) uneigennützigen Arbeitsamkeit ihrer Mitglieder, unstreitig viel Aufmerksamkeit. Sie ward vor ungefähr dreißig Jahren von einigen aufgeklärten Patrioten gestiftet, die sich in des verstorbenen Professor Reimarus Hause versammelten. Bis ins Jahr 1765 wirkte sie im Stillen. In diesem Jahre ließ ein Mitglied dieser noch kleinen Gesellschaft, Doktor Paulis einen Plan zur Aufmunterung drucken, welcher einen so guten Erfolg hatte, daß in einer Zeit von zwei Monaten mehr als hundert Bürger durch Subskription eines jährlichen Beitrags von zwei Dukaten an der Gesellschaft theilnahmen. Im April desselben Jahres wählte die Gesellschaft sechs Vorsteher, unter welchen Professor Büsch und der noch lebende Doktor Reimarus waren. Zwei Jahre nachher erhielt sie eine Bestätigung des Senats, und nahm den Titel der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe an. Ihr Siegel stellt einen Bienenkorb dar, mit dem Wahlspruch: Emolumento publico, und der Umschrift: Sigillum Soc. Hamb. artium utilium studiis excolendis. Ihr Zweck ist: durch Rath, Vorschläge und aufmunternde Belohnungen das Gute zu befördern und das Schädliche zu verhindern: ein Zweck, den eine, auch noch so sehr landesväterlich gesinnte Regierung nicht befolgen, vielweniger denselben zum Gegenstand ihrer Verordnungen machen kann. Die Gesellschaft hat auf diese Weise manche Nahrungswege allgemeiner und fruchtbarer gemacht, vornehmlich die Zuckersiedereien, Fischereien und das Spinnwesen. Sie hat durch Verbesserung der Bierbrauereien die Einfuhr fremder Biere vermindert. Sie hat Prämien auf Verfertigung besserer und geschmackvollerer Meublen ausgesetzt: z. B. auf die beste Tischlerarbeit in Mahagoniholz, auf die beste Metallvergoldung, u. s. w. Sie hat Prämien auf Verfertigung von Schuhen gesetzt, die den englischen Schuharbeiten nahe kommen, wodurch sie die Einfuhr fremder Schuhe aus England und Leipzig verminderte. Sie theilt Ehrenmedaillen in Gold zwei Dukaten schwer aus. Sie läßt junge Künstler auf ihre Kosten reisen. Sie hat eine Schule angelegt, in welcher zwölf junge Leute in der Baukunst unterrichtet werden, ingleichen eine Anstalt zum Unterricht junger Seeleute in der Schifffahrt. Zur Beförderung dieser Absicht setzte die Gesellschaft eine Prämie auf den besten Vorschlag zur Bildung des Seemannes. Ein gewisser Kapitän Müller in Stade gewann den Preis durch eine Schrift, welche im Jahre 1786 unter dem Titel: Vorschlag zu einem vollständigen Unterricht in der Schifffahrt, im Druck erschien. Im Archiv der Gesellschaft liegen Pläne zur Verbesserung der Fahrt auf der Steckenitz, wozu auch der berühmte Kapitän Hogreve in Hannover einen Plan entworfen und eine Karte verfertigt hat. Sollte dieß in so weit realisirt werden, daß die Schiffe von Hamburg nach Lübeck, statt sonst in 3 bis 4 Wochen, in 3 bis 4 Tagen gingen: so würde dieß für den Hollsteinischen Kanal ein Stoß seyn, und Lübeck würde stets im Besitz der Vortheile bleiben, die, wie man sich versprach, Rendsburg zufallen sollten. Um das Armen- und Medicinalwesen hat sich die Gesellschaft gleichfalls große Verdienste erworben. Sie besitzt eine ausgesuchte Bibliothek von ungefähr 1000 Bänden. Eine Sammlung ihrer Abhandlungen ist noch nicht erschienen: da aber theils die von einzelnen Mitgliedern herausgegebenen Schriften, wie auch ihre Preisschriften, die, durch die Gesellschaft veranlaßt, als ihre Schriften anzusehen sind, theils eine bedeutende Sammlung in ihrem Archive liegt, die sie herauszugeben Willens ist; so ist der, durch den Druck derselben zu erreichende Nutzen augenscheinlich **). Auch auf folgende Weise macht sich die Gesellschaft gemeinnützig: sie läßt einmal im Jahr 14 Tage lang im Maimonat in einem großen Saal alle Arten Kunstwerke, mechanische Erfindungen und andre nützliche Arbeiten öffentlich ausstellen. Jeder hat da für 8 Schilling dänisch Zutritt, um die Mahlereien, Zeichnungen, Bildhauerarbeiten, Modelle, Instrumente, Tischler-, Stuhlmacher- und Stuckaturarbeiten zu beschauen. Sind gleich manche dieser Arbeiten unter aller Kritik, so kann doch einiges darunter zur Bildung des Geschmacks, zur Aufreitzung der Nacheiferung und zur Anlockung von Käufern dienen. Ich sah dort unter den Gemählden einige Oelmahlereien nach van Dyk und Rubens, die sich unter den übrigen so sehr auszeichneten, daß ihr Verfasser genannt zu werden verdient. Dieser junge Künstler heißt Suhr, ist 19 Jahr alt, hat seine Kunst in Salzthal studirt, und verräth sowohl durch diese Kopien, als durch einige Originalarbeiten ein seltnes Kunsttalent.

Sehr viel Freude empfand ich, als ich zwei meiner alten Göttingschen Freunde in Hamburg wiedertraf. Der eine, Doktor Bartels, von dessen Briefen über Kalabrien wir nächstens den dritten Theil erhalten. Er studirte zu meiner Zeit Theologie, machte eine große Reise durch Frankreich und Italien, ging zurück nach Göttingen, wo er Doktor der Rechte ward. Jetzt theilt er in Hamburg seine Zeit zwischen den Wissenschaften und Rechtshändeln. Der andre, Ahrens, ein Architekt aus der höhern Klasse, von Geburt ein Hamburger, welcher seine! Kunst in Kopenhagen auf Charlottenburg erlernte, und zur Belohnung seines Fleißes die große und kleinere Goldmedaille erhielt. Er war mit mir zugleich ein halb Jahr in Göttingen, um sich theoretische Kenntnisse zu erwerben. Wir gingen dort fast täglich mit einander um. Auf Kosten der Hamb. Patriot. Gesellschaft bereiste er fünf Jahre lang Italien, Frankreich und England. Seit seiner Rückkunft lebt er in Hamburg, wo viele seiner Arbeiten in- und außerhalb der Stadt von seinem Genie und Geschmack zeugen. Er ist jetzt mit dem Bau eines Schlosses für den Herzog von Weimar, beschäftigt.

Von Hamburg bis Lenzen, die erste Preußische Gränzstadt, hat man 14 ¼ Meile zu reisen. Auf diesem kurzen Wege kommt man durch sechs verschiedene Gebiete. Zwei Meilen von Hamburg beginnt das Dänische und streckt sich eine Meile hin bis Bergedorf, welches halb zu Hamburg halb zu Lübeck gehört. Hier liegt eine Garnison von zwei und dreißig Mann, zur Hälfte Hamburgischer, zur Hälfte Lübeckscher Soldaten. Kaum ist man durch Bergedorf, so beginnt das Lauenburgische Gebiet. In der Vorstadt von Lauenburg machten die schönen Hannövrischen Soldaten einen auffallenden Abstich gegen die dürrleibigen Kerls, die ich in Bergedorf und nachher, obwohl sparsam, im Mecklenburgischen sah. Der jetzige Herzog hat etwa 1200 seiner Leute nach Holland gesandt, wo sie in Garnison liegen. Von Boizenburg, der ersten Mecklenburgischen Stadt, bis Lenzen sind 7 ½ Meilen, zum Mecklenburgischen gehörig. Hier wechseln Weidenalleen, niedliche Landschaften, und Tannengehölz mit schlechten und verfallnen Hütten ab, wo man nichts als Armuth, Unreinlichkeit und Mißvergnügen sieht. Die Mecklenburgischen Handelsstädte, die ich während dieser und einer frühern Reise sah, sind besser als die Preußischen, welches aber freilich nicht viel sagen will. Denn die schmutzigen und stinkenden Gassen, die über alle Beschreibung schlechten und fallnahen ***) Wohnungen, welche Lenzen, Perleberg, Kyritz, Wusterhausen, Fehrbellin, Bilzen, kurz, alle Preußische Städte zwischen Hamburg und Berlin enthalten, sind in aller Hinsicht sehr geschickt, dem Reisenden den vollen Eindruck der Schönheit Berlins und der Pracht dieser Stadt recht fühlbar zu machen. Durch das Preußische reiset sichs nicht sehr behaglich. Unterwegs wird man durch den Sand geplagt, der, wenn nur ein leiser Wind weht, Nasen und Augen füllt: und wenn man still liegt, ist (Lenzen nehm’ ich aus) nichts zu haben, und nichts zu sehen als Soldaten, die zwischen Flaschen und Tobakspfeifen inklusive daliegen.

Viele Weiden- und Birkenalleen unterhalten indeß hier wie im Mecklenburgischen den Reisenden. — In Lenzen stehen noch Mauern der Residenzen alter Fürsten der Veneder; und in der Kirche soll Gottschalk begraben liegen, der wegen seines Eifers, die christliche Religion auszubreiten, von Blusso und andern mißvergnügten Unterthanen 1066 am Altare ermordet ward. Erst 100 Jahre nachher ward er und die Religion von Albrecht dem Bären (dessen ehrenvoller Zunahme zeigt, wie vollkommen er für seine Zeiten paßte,) gerochen. Er vertilgte die Veneder, breitete die christliche Religion aus, legte Berlin, Spandau, Stendal u. s. w. an, und war, im eigentlichsten Wort verstände, der erste Stifter der Martgrafschaft Brandenburg. Er starb in Ballenstedt im Anhaltschen 1170. In Kletzke, einer 5 Meilen von Lenzen fernen Landstadt, liegen die beiden berüchtigten Brüder Johann und Dietrich Quitzov begraben, welches zwei neben einander stehende Leichensteine bezeugen. Ihr gewaltsamer Angriff auf den Burggrafen von Nürnberg, Friedrich I. den ersten des Hohenzollerischen Hauses, welcher in Brandenburg regierte, hatte viel Aehnlichkeit mit dem Angriff, welchen die Veneder auf Albrecht den Bären thaten. Friedrich vertheidigte sich wie dieser, vertilgte alle seine Gegner, und starb 1440 als der zweite Stifter von Brandenburg und als Stammvater aller folgenden Brandenburgischen Churfürsten. Bei Lenzen läßt der Reisende seinen Koffer visitiren, und erhält einen Zettel, mit welchem er frei bis Berlin kömmt, wo er aufs neue visitirt wird. Ich hatte nach dem Rathe Erfahrner meinen Koffer in Lenzen nicht plombiren lassen, in der Hoffnung, am Thor von Berlin visitirt zu werden und der Beschwerde zu entgehen, daß mein Koffer nach dem Packhof geschleppt würde, wo der Reisende oft 2 bis 3 Tage warten muß, ehe er ihn wieder erhält. Da ich aber um 12 Uhr in der Nacht ankam, und, aus Furcht vor Ungelegenheit, ehrlich genug war, etwas Thee bei der Akzise anzugeben, so half kein Bitten: ich mußte nach dem Packhof fahren, und dort meinen Koffer und Mantelsack deponiren, welche ich für gute Worte und Bezahlung erst den Tag nachher Mittags wieder erhielt. Von den Preußischen Visitirern habe ich außerdem gelernt: man könne sehr diensteifrig seyn ohne deshalb sehr ehrlich zu seyn. Auf dem Packhof erhielt ich einen Preußischen Grenadier zur Begleitung mit bis zum Gasthofe: Ville de Paris; war für den Herzog von York bestellt. Ich war, da man mir alles abgenommen, sehr leicht von einer Stelle zur andern zu bringen, und so versuchte ich, immer unter voriger Begleitung, mein Heil in Korsika, (einem prächtigen Gasthofe.) Hier warf ich flugs meine müden Glieder auf ein Bette, fiel in Schlaf, und erwachte bei der Darreichung folgenden gedruckten Zettels:

„Anzeige von Fremden so allhier eingetroffen. Der Name des Fremden. In was für Bedienung oder Charakter er steht. Wo er herkommt. In welchem Thore er einpassirt. Was seine Verrichtungen hier sind. Wie lange er gedenket hier zu bleiben.“

Sobald ich meinen Koffer vom Packhof wieder erhalten hatte, ging ich zu Herzberg, um ihm Ihren Brief zu bringen; ich traf ihn aber nicht. — In der Ville de Paris, hieß es, speise man gut und in der besten Gesellschaft. Ich ging dahin, und fand mich unter einer Menge Gens d’Armes, Englischer Offiziere und besternter Herrn. Das Gespräch betraf Pferde, Exerzise und Kollets, mitunter liefen sehr unwitzige und widerliche Spöttereien über die Religion. Die Wirthin, der Miene und dem Tone nach eine Gräfin, war einst hübsch gewesen, und war es noch; ihre Tochter witzelte in Deutscher, Franzosischer und Englischer Sprache, sang und spielte das Klavier — war aber nicht hübsch. Der Wirth schwieg. Die Tochter redete zu allen. Die Mutter ließ alle zu sich reden. Dieser Mittag kostete mir einen Reichsthaler; sehr viel für eine Mahlzeit, wo nichts schmeckte außer das Essen.

Als ich nach Hause kam, hörte ich: ein Bedienter des Grafen Herzberg sey da gewesen, und habe verlangt, ich möchte am folgenden Vormittag zum Grafen kommen. Um elf Uhr fand ich mich ein, ward in einen Saal geführt, dessen simple Größe meine Sehnsucht, den Mann, dessen Stimme in Europens Wagschale so großes Gewicht hatte, kennen zulernen, noch mehr aufreizte. Nach einigen Minuten trat er, in ein Kassaquin gekleidet, herein.

„Sie sind der — sagte er. Sprechen Sie deutsch? Sind Sie ein gebohrner Däne? Der Herr Kammerherr von Suhm hat Ihnen wohl gesagt, was er mir geschrieben hat; er glaubt: Dregers Kodex sey in Stettin; das ist er aber nicht, ich habe ihn gekauft. Wie weit ist der Herr Kammerherr in seiner Geschichte? — Bei 1270. Ich werde den Kodex abschreiben lassen, und dem Hrn. v. Suhm schicken; ich habe die größte Hochachtung für ihn, und sein Brief flattirt mich; ich werde ihm antworten, aber heute ist es Posttag, heute kann ich nicht. — Bleiben Sie lange hier? Gut, so werde ich Sie bei mir sehen. Haben Sie Bekannte hier? Wenige — Gut, ich will Ihnen einige verschaffen — mein Bedienter soll Sie zum Geheimen Legationsrath Oelrichs führen, der wird Ihnen alles zeige.“

Die offne Miene, der vertrauliche Ton, womit er dieß sagte, und das: Leben Sie wohl, womit er mich bis aus der Thüre hin begleitete, setzten mich in Verwunderung, und bewirkten, daß ich den Minister vergaß und nur den Gelehrten sah. -

Von ihm ging ich zu Oelrichs, wo ich mich über die nähern Aufklärungen freute, die er, als Herausgeber des ersten Theils des Dregerschen Werkes, mir zu geben im Stande war. Dreger hat bis 1500 gesammelt, sagte er mir; der zweite Theil, welcher bis ungefähr 1305 reiche, sey völlig mit Dregers Anmerkungen zum Drucke fertig, es mangle aber am Verleger. Seit Oelrichs Stettin, wo er Professor war, als er den ersten Theil herausgab, verließ, hat es ihm auch an Muße gefehlt, um den zweiten Theil mit einem Register versehen und wie das zum ersten Theile herausgeben zu können. Zum dritten Theil hat Dreger bloß Diplome gesammelt, sie aber nicht geordnet, noch Anmerkungen dazu gemacht. Er sagte: zur Herausgabe desselben werde viel erfordert, da die mehrsten Diplome deutsch seyen, und ein Herausgeber in dem alten Pommerschen Dialekt stark seyn müsse. Er wäre dem Langenbeck sehr behilflich gewesen, da dieser Diplome in Stettin und Pommern gesucht habe; doch habe er das Exemplar der Scriptorum, welches L. ihm versprochen, nicht erhalten; und er habe es oft vergebens zu erhalten gewünscht, da in Berlin niemand dieß schöne Werk besitze, und selbst auf der Königlichen Bibliothek nur die drei ersten Bände befindlich waren Ich erzählte ihm darauf die Geschichte dieses Werkes: daß Langenbeck ein Opfer seines Fleißes geworden und wahrend der Arbeit gestorben sey; daß Sie ****) gewiß nichts von diesem Versprechen wüßten, und daß die letzten Theile des Werkes das Einzige unter Ihren so vielfachen Arbeiten sey, welches auf Königliche Kosten gedruckt wird. Sowohl er als Herzberg freuten sich sehr auf den siebenten Theil und auf Waldemars Jordebeg, als auf ein Gegenstück zu dem von Herzberg herausgegebnen Katastrum Karls des IV. Unter seinen Büchern befindet sich eine vollständige Sammlung von Katalogen über alle Privatbibliotheken, und er behauptet: unter allen, die ihm vorgekommen, sey die Thottische die größte. Ein paar Tage nachher ward ich beim Grafen zur Tafel geladen, wo ich zahlreiche Gesellschaft fand. Gestern nahm ich Abschied, und da zeigte mir der Graf eine Sammlung von Diplomen, die er im Berlinschen Archiv gefunden, die alle in Lübeck vom, 12 zum 15 Jahrhundert ausgestellt waren, und die für die Geschichte Holsteins viel Aufklärendes enthielten. Er wollte sie bei Gelegenheit mit einem Kourier an Graf Bernstorf senden, und dort können Sie sie sehen. Er gab mir einen Brief an den Preußischen Minister in Dresden, Graf Gesler mit, und ich verließ ihn mit einer unbeschreiblichen Achtung und Dankbarkeit.

Unter den beiden Minister!, die ihm im ausländischen Departement an die Seite gesetzt sind, ist Schulenburg, als ein Mann von Talenten, Kenntnissen und Welt, allgemein geschätzt. Als der siebenjährige Krieg zu Ende war, ging er als Kornet eines Kavallerieregiments auf ein Gut, und legte sich dort mit Eifer auf die Wissenschaften, ward eine kurze Zeit hernach Direktor einer Domänenkammer in Magdeburg, kurz darauf Präsident derselben und 1770 Finanzminister. Der andre, Alvensleben, hat sich eigentlich durch die Expedition der Preußen in den Niederlanden bekannt gemacht. Frankreich sandte einen Minister nach Berlin, um das Ministerium durch 100,000 Mann, die es abschicken wolle, zu schrecken; die Antwort war: wenn es l00,000 Mann schickte, so würde man 50,000 gegenschicken. Da Frankreich indeß einen Minister gesandt hatte, so mußte Preußen einen wieder senden, und dieser war Alvensleben, welcher nach Paris, von da nach dem Haag, und so zurück reiste. Noch einen neuen Minister hat Preußen in diesen Tagen erhalten. Dieser ist Hr. von Hardenberg, welcher Anfangs Minister in Braunschweig war, nachher Minister in Anspach und nun Preußischer Minister mit dem Versprechen geworden ist, daß er, wenn diese Lande der Krone Preußen erblich zufielen, Chef des Departements werde, unter dessen Ressorts sie gerechnet werden würden.




*) Oeffnung und Schluß der Hamburger Thore sind nicht durchs ganze Jahr gleich, sondern ändern sich, zufolge der sogenannten Thorschließungstabelle, mit jedem Monate.

**) Eine Sammlung der Abhandlungen und Preisschriften der patr. Gesellschaft ist vor kurzen auf Subskription angekündigt.

****) Synkefaerdig? Dieß neugeschaffne Dänische Wort drückt den Begriff sehr gut aus. Ob auch das deutsche fallfertig oder fallnahe?

****) Dieser Brief ist an den gel. Kammerherrn v. Suhm in Kopenhagen geschrieben. Verschiedene der übrigen an vertraute Freunde des Verf. daher das Sie und Du in den Briefen wechselt.