Sonnabend Morgens den 6sten.

Jasmund, bester Edward, kömmt unter diesem bisher noch nicht erklärten Namen zuerst in den Schriftstellern des zwölften Jahrhunderts vor, in Saxo und in Cranzen. Es war, wie eben diese Gegenden, um jene Zeit hauptsächlich von slavischen Völkerstämmen bewohnt, die schon damalen die meisten noch itzt vorhandenen Dörfer und Orte angelegt hatten. Die Rosschildsche Matrikel, die in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ausgefertigt wurde, nennt deren folgende:

Zum Kirchspiel Sagard: Clementelvitze, Lanke, Strachevitze, Metran, Burthevitze, Dubbevitze, Ghustavitze, Ambegaizere, Sember, Litzowe, Baranthovitze, Lubbevitze, Borotizze, Ratnovitze, Bernenstorp, Bliskowe, Salitze, Prymoysel, Voka sitze, Trochevitze, Borove, Wyk, Vorwerk, Wusseghochvitze, Marlowe, Targowe, Quosthorp, Goslyn, Poysow, Blukow, Sumeshagen, Vitzeke, Nypomerowe, Nedasitze.


Zum Kirchspiel Bobbyn: Rantzow, Zalositze, Neradevitze, Salositze, Blandow, Bysdomitze, Koldatitze, Polpevitze, Kampe, Dolmeditze, Kochestorp, Murkevitze, Pruszenvitze, Baldereke, Ruskevitze, Lubetitze, Glowe, Poldechow, Rützewine.

Die Halbinsel Jasmund ist ungefähr um ein Drittheil größer, als Wittow. Da ihr Boden aber ungleich undankbarer ist, so nährt sie einige hundert Einwohner weniger. Sie hängt vermittelst der schmalen Heide mit Wittow, und vermittelst der Prora mit dem größeren Lande Rügen zusammen, ist aber ohne Zweifel ehemalen eine volle Insel gewesen, indem die beiden Erdengen aus nichts denn Muschel und Meersande bestehen, die alten Ufer an den weitläuftigen Niederlagen glattgespühlter Kiesel und Flintensteine auch noch itzt sehr deutlich zu erkennen sind.

Auch dieses Land trägt überall unverkenntliche Spuren seines neptunischen Ursprungs. Die flüchtigste Ansicht zeigt, daß sein Boden ehedem zu dem Bette des Meeres gehört habe. Auf seinen höchsten Bergen findet man Schaalthiere in Menge, versteinert sowohl, als nicht versteinert. Kalk und Lehm, Meer- und Muschelsand ordnen sich überall nach den gewöhnlichen Gesetzen des Niederschlags und der Alluvionen (Anspülungen von Erdreich durch das Wasser).

Ein merkwürdiges Monument der verschiedenen Revolutionen, die das Land erlitten hat, ist der sogenannte Tempelberg zu Bobbyn. Der ganze Berg bestehet aus Meer- und Muschelsand, und enthält einen unerschöpflichen Vorrath von Petrefacten, Schnecken, Muscheln und Korallen, wunderbar gezeichnet, und so klein zum Theil, daß nur das bewaffnete Auge sie zu unterscheiden vermag. Aus den Eingeweiden des Berges gewinnt man allerlei Denkmale der rohesten frühesten Kultur sowohl, als des Aberglaubens unsrer Väter, Opfermesser, Streithammer, Urnenscherben, steinerne Kugeln, deren Bestimmung noch unbekannt ist. - Itzt steht auf dem Gipfel dieses Berges die Bobbynische Kirche.

Mit Steinen ist das Land noch reichlicher versorgt als Wittow. Unter den mancherlei Gattungen derselben scheint ihm jedoch keine zu eigen anzugehören, als der Feuerstein. Man findet ihn zerstreut auf dem ganzen Lande, hauptsächlich aber in den Kreideufern in ellenlangen Klumpen sowohl, als in wasserrechten Schichten. Nicht selten ist er mit andern Steinarten, mit schönen Petrefacten, und mit Krystallen durchsetzt, die in mancherlei Farben schimmern.

Die eingewanderten Steinarten (sit venia verbo) sind die gewöhnlichen: Granit- und Quarztrümmer von zum Theil erstaunenswürdiger Größe; Porphyre, Jaspisse, Glimmer, Schörle, Grünsteine, Talke; Stephanssteine, Schiefer, wie auch Kalk- Thon- und Sandsteine. An Krystallen findet man: Quarzkrystalle in den Feuersteinen, und Kalkkrystalle in den Wölbungen der Muscheln sowohl, als an den Aussenseiten der Echiniten. Auch kleine Dendriten giebt es auf Mergel, Sand, Kalk und Feuersteinen.

Petrefacten sind überall, doch findet man sie selten in einer größern, als Ellentiefe unter der Oberfläche. Versteinerte Knochen, imgleichen Glossopetren sind selten; desto häufiger alle Arten von Conchylien. Von ungewundenen Schnecken giebt es Tubuliten, Dentaliten, Vermikuliten in Menge; Orthocerathiten sind seltner; Belemniten desto häufiger. Man findet sie allein, oder im Feuerstein, mit und ohne Schaale, zum Theil, oder ganz versteinert; erkennbar noch in allen ihren Conomerationen; zuweilen mit Korallen und kleineren Schnecken ganz bedeckt. - Von gewundenen Schnecken giebt es Patelliten, Pektiniten nur in Fragmenten; auch Chamiten und Ostraciten nur fragmentweise; Mytholithen aber, Gryphiten und Terebrabuliten sehr schön und vollkommen wohl erhalten. Unter den vielschaaligten Muscheln ist der Echinite der häufigste. Man findet ihn theils als glatten Feuersteinkern, theils in einer glänzenden Kalkspathhülse, in welcher seine ganze Zeichnung getreulich abgedruckt ist. Auch die verschiednen Trümmer dieses Thiers, seine Warzen, Stacheln, Zähne u.s.w. sind in Menge. Von Zoophythen giebt es allerlei Variationen des Meerstares im weißen Kalkspath; aus dem pflanzenreiche Bibliolythen, und hin und wieder etwas versteinert Holz; endlich auch mancherlei Coralliten, Madreporiten, Milleporiten, Reteporiten, Fungiten u. dergl.
Metalle sind nicht vorhanden. Eisenocher giebt es fast überall, auch noch einen andern Eisenstein. Am Strande hat man Bleiglanz in einem vermuthlich ausheimischen Steine gefunden. Von Schwefelkieß sind hin und wieder Spuren.

Das Land wird angebaut, so weit es nur des Anbaus fähig ist. Zu Poissow und Sasseniz giebt es Kalkbrennereien, zu Ruskewiz einen Ziegelofen. An Holz hat das Land einen Ueberfluß, wie auch an den edelsten zum Theil mineralischen Quellen.

Sie können leicht erachten, mein Lieber, daß ich so mancherlei Notizen, während meines sechs und dreißigstündigen Durchfluges durch dieses Land, nicht aus eigener Beobachtung habe sammeln können. Ich verdanke die meisten derselben dem Herrn Pastor Frank zu Bobbyn (bei dem ich auf meinem Heimwege einige Stunden verweilte), einem Manne, welcher die natürliche Geschichte des schönen Landes, auf dem die Vorsehung ihm seinen Platz anwies, mit großem Fleiße studiert, die antiquarischen sowohl als die natürlichen Merkwürdigkeiten desselben sorgsam sammelt, und insonderheit von den Petrefacten, vornehmlich von Belemniten des Landes eine Sammlung besitzt, die vielleicht einzig in ihrer Art ist.

Außer dieser für meine Wißbegier und für mein Herz gleich interessanten Bekanntschaft, fand auch meine Fantasie und meine Landschaftsliebe heute wieder überschüssige Nahrung in dem Anschaun so mancher schöner Parthie dieser romantischen Halbinsel. Ich gedenke nur des einsamen Werders, einer Waldwohnung in der Stubniz, in deren Nähe man einen ungeheuren künstlich bearbeiteten Grabstein findet, den man bei flüchtiger Ansicht für zusammengeküttet halten sollte; eine genauere Untersuchung lehrt jedoch, daß das, was einem Fuge scheint, bloße Wirkung verwitterten Spates oder Glimmens sey - des hohen Selow, eines Landrückens, von dessen Gipfel man die ganze reizende Umlage überschauet - des Dorfes Quoltiz, in dessen Gegend sich ein hoher Begräbnisplatz mit einem höchst merkwürdigen Opfermaalsteine befindet - des Hügels Dubberworth, der an Höhe und Umfang alle übrigen sogenannten Hynengräber der Gegend übertrifft, und des Fleckens Sagard, wo der wackere Mann wohnt, welcher mich und meine Gefährten den Fluthen entriß.

Von Sagard aus wählt’ ich den nächsten besten Weg nach Hause, erreichte bald die schmale Heide, wandelte ihren langen Streifen in der Abenddämmerung entlang, und kam wohlbehalten, wiewohl hochermüdet, nach Hause. - Indem ich so aus dem romantischen Jasmund in das einförmigere Land zurückkehrte, war mir zu Muthe, wie wenn ich eine Weile in den Labyrinthen der Orlandiade gewandert bin, und dann mich wieder wende zu meines lieben Tasso einfacherm aber erhabner Gefühle.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe eines Schiffbrüchigen