Zweiter Brief -2-

Webers Äußere ist nicht sehr ansprechend. Kleine Statur, ein schlechtes Untergestell und ein langes Gesicht ohne sonderlich angenehme Züge. Aber auf diesem Gesichte liegt ganz verbreitet der sinnige Ernst, die bestimmte Sicherheit und das ruhige Wollen, das uns so bedeutsam anzieht in den Gesichtern altdeutscher Meister. Wie kontrastiert dagegen das Äußere Spontinis! Die hohe Gestalt, das tiefliegende dunkle Flammenauge, die pechschwarzen Locken, von welchen die gefurchte Stirne zur Hälfte bedeckt wird, der halb wehmütige, halb stolze Zug um die Lippen, die brütende Wildheit dieses gelblichen Gesichtes, worin alle Leidenschaften getobt haben und noch toben, der ganze Kopf, der einem Kalabresen zu gehören scheint und der dennoch schön und edel genannt werden muß: – alles läßt uns gleich den Mann erkennen, aus dessen Geiste die „Vestalin“, „Cortez“ und „Olympia“ hervorgingen.

Von den hiesigen Komponisten erwähne ich gleich nach Spontini unsern Bernhard Klein, der sich schon längst durch einige schöne Kompositionen rühmlichst bekannt gemacht hat und dessen große Oper „Dido“ vom ganzen Publikum mit Sehnsucht erwartet wird. Diese Oper soll, nach dem Ausspruche aller Kenner, denen der Komponist einiges daraus mitteilte, die wunderbarsten Schönheiten enthalten und ein geniales deutsches Nationalwerk sein. Kleins Musik ist ganz original. Sie ist ganz verschieden von der Musik der oben besprochenen zwei Meister, so wie neben den Gesichtern derselben das heitere, angenehme, lebenslustige Gesicht des gemütlichen Rheinländers einen auffallenden Kontrast bildet. Klein ist ein Kölner und kann als der Stolz seiner Vaterstadt betrachtet werden.


G. A. Schneider darf ich hier nicht übergehn. Nicht als ob ich ihn für einen so großen Komponisten hielte, sondern weil er als Komponist von Koreffs „Aucassin und Nicolette“ vom 26. Febr. bis auf diese Stunde ein Gegenstand des öffentlichen Gesprächs war. Wenigstens acht Tage lang hörte man von nichts sprechen als von Koreff und Schneider und Schneider und Koreff. Hier standen geniale Dilettanten und rissen die Musik herunter; dort stand ein Haufen schlechter Poeten und schulmeisterte den Text. Was mich betrifft, so amüsierte mich diese Oper ganz außerordentlich. Mich erheiterte das bunte Märchen, das der kunstbegabte Dichter so lieblich und kindlich schlicht entfaltete, mich ergötzte der anmutige Kon trast vom ernsten Abendlande und dem heitern Orient, und wie die verwunderlichsten Bilder, in loser Verknüpfung, abenteuerlich dahingaukelten, regte sich in mir der Geist der blühenden Romantik. – Es ist immer ein ungeheurer Spektakel in Berlin, wenn eine neue Oper gegeben wird, und hier kam noch der Umstand hinzu, daß der Musikdirektor Schneider und der Geheimrat Ritter Koreff so allgemein bekannt sind. Letztern verlieren wir bald, da er sich schon längst zu einer großen Reise ins Ausland vorbereitet. Das ist ein Verlust für unsere Stadt, da dieser Mann sich auszeichnet durch gesellige Tugenden, angenehme Persönlichkeit und Großartigkeit der Gesinnung.

Was man in Berlin singt, das wissen Sie jetzt, und ich komme zur Frage: Was spricht man in Berlin? – Ich habe vorsätzlich erst vom Singen gesprochen, da ich überzeugt bin, daß die Menschen erst gesungen haben, ehe sie sprechen lernten, so wie die metrische Sprache der Prosa voranging. Wirklich, ich glaube, daß Adam und Eva sich in schmelzenden Adagios Liebeserklärungen machten und in Rezitativen ausschimpften. Ob Adam auch zu letztern den Takt schlug? Wahrscheinlich. Dieses Taktschlagen ist bei unserm Berliner Pöbel durch Tradition noch geblieben, obschon das Singen dabei außer Gebrauch kam. Wie die Kanarienvögel zwitscherten unsere Ureltern in den Tälen Kaschimirs. Wie haben wir uns ausge bildet! Ob die Vögel einst ebenfalls zum Sprechen gelangen werden? Die Hunde und die Schweine sind auf gutem Wege; ihr Bellen und Grunzen ist ein Übergang vom Singen zum ordentlichen Sprechen. Erstere werden reden die Sprache von Oc, die andern die Sprache von Oui. Die Bären sind gegen uns übrigen Deutsche in der Kultur noch sehr zurückgeblieben, und obschon sie in der Tanzkunst mit uns wetteifern, so ist ihr Brummen, wenn wir es mit andern deutschen Mundarten vergleichen, durchaus noch keine Sprache zu nennen. Die Esel und die Schafe hatten es einst schon bis zum Sprechen gebracht, hatten ihre klassische Literatur, hielten vortreffliche Reden über die reine Eselhaftigkeit im geschlossenen Hammeltume, über die Idee eines Schafskopfs und über die Herrlichkeit des Altböckischen. Aber wie es nach dem Kreislauf der Dinge zu geschehen pflegt, sie sind in der Kultur wieder so tief gesunken, daß sie ihre Sprache verloren und bloß das gemütliche „I-A“ und das kindlich-fromme „Bäh“ behielten.

Wie komme ich aber vom „I-A“ der Langohrigen und vom „Bäh“ der Dickwolligen zu den Werken von Sir Walter Scott? Denn von diesen muß ich jetzt sprechen, weil ganz Berlin davon spricht, weil sie der „Jungfernkranz“ der Lesewelt sind, weil man sie überall liest, bewundert, bekrittelt, herunterreißt und wieder liest. Von der Gräfin bis zum Nähmädchen, vom Grafen bis zum Laufjungen liest alles die Romane des großen Schotten; besonders unsre gefühlvollen Damen. Diese legen sich nieder mit „Waverley“, stehen auf mit „Robin dem Roten“ und haben den ganzen Tag den „Zwerg“ in den Fingern. Der Roman „Kenilworth“ hat gar besonders Furore gemacht. Da hier sehr wenige mit vollkommner Kenntnis des Englischen gesegnet sind, so muß sich der größte Teil unserer Lesewelt mit französischen und deutschen Übersetzungen behelfen. Daran fehlt es auch nicht. Von dem letzten Scottischen Roman „Der Pirat“ sind vier Übersetzungen auf einmal angekündigt. Zwei davon kommen hier heraus; die der Frau von Montenglaut bei Schlesinger und die des Doktor Spieker bei Duncker und Humblot. Die dritte Übersetzung ist die von Lotz in Hamburg, und die vierte wird in der Taschenausgabe der Gebr. Schumann in Zwickau enthalten sein. Daß es bei solchen Umständen an einiger Reibung nicht fehlen wird, ist vorauszusehen. Frau von Hohenhausen ist jetzt mit der Übersetzung des Scottischen „Ivanhoe“ beschäftigt, und von der trefflichen Übersetzerin Byrons können wir auch eine treffliche Übersetzung Scotts erwarten. Ich glaube sogar, daß diese noch vorzüglicher ausfallen wird, da in dem sanften, für reine Ideale empfänglichen Gemüte der schönen Frau die frömmig heitern, unverzerrten Gestalten des freundlichen Scotten sich weit klarer ab spiegeln werden als die düstern Höllenbilder des mürrischen, herzkranken Engländers. In keine schönern und zartern Hände konnte die schöne, zarte Rebekka geraten, und die gefühlvolle Dichterin braucht hier nur mit dem Herzen zu übersetzen.

Auf eine ausgezeichnete Weise wurde Scotts Name kürzlich hier gefeiert. Bei einem Feste war eine glänzende Maskerade, wo die meisten Helden der Scottischen Romane in ihrer charakteristischen Äußerlichkeit erschienen. Von dieser Festlichkeit und diesen Bildern sprach man hier wieder acht Tage lang. Besonders trug man sich damit herum, daß der Sohn von Walter Scott, der sich just hier befindet, als schottischer Hochländer gekleidet und, ganz wie es jenes Kostüm verlangt, nacktbeinig, ohne Hosen, bloß ein Schurz tragend, das bis auf die Mitte der Lenden reichte, bei diesem glänzenden Feste paradierte. Dieser junge Mensch, ein englischer Husarenoffizier, wird hier sehr gefeiert und genießt hier den Ruhm seines Vaters. – Wo sind die Söhne Schillers? Wo sind die Söhne unserer großen Dichter, die, wenn auch nicht ohne Hosen, doch vielleicht ohne Hemd herumgehn? Wo sind endlich unsre großen Dichter selbst? Still, still, das ist eine partie honteuse.

Ich will nicht ungerecht sein und hier unerwähnt lassen die Verehrung, die man hier dem Namen Goethe zollt – der deutsche Dichter, von dem man hier am meisten spricht. Aber, Hand aufs Herz, mag das feine, weltkluge Betragen unseres Goethe nicht das meiste dazu beigetragen haben, daß seine äußere Stellung so glänzend ist und daß er in so hohem Maße die Affektion unserer Großen genießt? Fern sei es von mir, den alten Herrn eines kleinlichen Charakters zu zeihen. Goethe ist ein großer Mann in einem seidnen Rock. Am großartigsten hat er sich noch kürzlich bewiesen gegen seine kunstsinnigen Landsleute, die ihm im edlen Weichtilde Frankfurts ein Monument setzen wollten und ganz Deutschland zu Geldbeiträgen aufforderten. Hier wurde über diesen Gegenstand erstaunlich viel diskutiert, und meine Wenigkeit schrieb folgendes mit Beifall beehrte Sonett:

      Hört zu, ihr deutschen Männer, Mädchen, Frauen,
      Und sammelt Subskribenten unverdrossen;
      Die Bürger Frankfurts haben jetzt beschlossen,
      Ein Ehrendenkmal Goethen zu erbauen.

      Zur Meßzeit wird der fremde Krämer schauen‘ –
      So denken sie –, ‚daß wir des Manns Genossen,
      Daß unserm Miste solche Blum’ entsprossen,
      Und blindlings wird man uns im Handel trauen.‘

      Oh, laßt dem Dichter seine Lorbeerreiser,
      Ihr Handelsherrn! Behaltet euer Geld.
      Ein Denkmal hat sich Goethe selbst gesetzt.

      Im Windelnschmutz war er euch nah, doch jetzt
      Trennt euch von Goethe eine ganze Welt,
      Euch, die ein Flüßlein trennt vom Sachsenhäuser!

Der große Mann machte, wie bekannt ist, allen Diskussionen dadurch ein Ende, daß er seinen Landsleuten mit der Erklärung, „er sei gar kein Frankfurter“, das Frankfurter Bürgerrecht zurückschickte.

Letzteres soll seitdem – um Frankfurtisch zu sprechen – neunundneunzig Prozent im Werte gesunken sein, und die Frankfurter Juden haben jetzt bessere Aussicht zu dieser schönen Akquisition. Aber – um wieder Frankfurtisch zu sprechen – stehen die Rothschilde und die Bethmänner nicht längst al pari? Der Kaufmann hat in der ganzen Welt dieselbe Religion. Sein Kontor ist seine Kirche, sein Schreibpult ist sein Betstuhl, sein Memorial ist seine Bibel, sein Warenlager ist sein Allerheiligstes, die Börsenglocke ist seine Betglocke, sein Gold ist sein Gott, der Kredit ist sein Glauben.

Ich habe hier Gelegenheit, von zwei Neuigkeiten zu sprechen: erstens von der neuen Börsenhalle, die nach dem Vorbilde der Hamburger eingerichtet ist und vor einigen Wochen eröffnet wurde, und zweitens von dem alten, neu aufgewärmten Projekte der Judenbe kehrung. Aber ich übergehe beides, da ich in der neuen Halle noch nicht war und die Juden ein gar zu trauriger Gegenstand sind. Ich werde freilich am Ende auf dieselben zurückkommen müssen, wenn ich von ihrem neuen Kultus spreche, der von Berlin besonders ausgegangen ist. Ich kann es jetzt noch nicht, weil ich es immer versäumt habe, dem neuen mosaischen Gottesdienste einmal beizuwohnen. Auch über die neue Liturgie, die schon längst in der Domkirche eingeführt und Hauptgegenstand des Stadtgespräches ist, will ich nicht schreiben, weil sonst mein Brief zu einem Buche anschwellen würde. Sie hat eine Menge Gegner. Schleiermacher nennt man als den vorzüglichsten. Ich habe unlängst einer seiner Predigten beigewohnt, wo er mit der Kraft eines Luther sprach und wo es nicht an verblümten Ausfällen gegen die Liturgie fehlte. Ich muß gestehen, keine sonderlich gottseligen Gefühle werden durch seine Predigten in mir erregt; aber ich finde mich im bessern Sinne dadurch erbaut, erkräftigt und wie durch Stachelworte aufgegeißelt vom weichen Flaumenbette des schlaffen Indifferentismus. Dieser Mann braucht nur das schwarze Kirchengewand abzuwerfen, und er steht da als Priester der Wahrheit.

Ungemeines Aufsehen erregten die heftigen Ausfälle gegen die hiesige Theologische Fakultät in der Anzeige der Schrift „Gegen die de Wettesche Akten sammlung“ (in der „Vossischen Zeitung“) und in der Entgegnung auf die Erklärung der Fakultät (ebendaselbst). Als Verfasser jener Schrift nennt man allgemein Beckedorff. Aus wessen Feder jene Anzeige und Entgegnung geflossen ist, weiß man nicht genau. Einige nennen Kamptz, andere Beckedorff selbst, andere Klindworth, andere Buchholz, andere andere. Die Hand eines gewandten Diplomaten ist in jenen Aufsätzen nicht zu verkennen. Wie man sagt, ist Schleiermacher mit einer Entgegnung beschäftigt, und es wird dem gewaltigen Sprecher leicht werden, seinen Antagonisten niederzureden. Daß die Theologische Fakultät auf solche Angriffe antworten muß, versteht sich von selbst, und das ganze Publikum sieht mit gespannter Erwartung dieser großen Antwort entgegen.

Man ist hier sehr gespannt auf die zwei Supplementbände zum Brockhausischen Konversationslexikon, aus dem sehr natürlichen Grunde, weil sie, laut dem Inhaltsverzeichnisse der Ankündigung, die Biographien einer Menge öffentlicher Charaktere enthalten werden, die, teils in Berlin, teils im Auslande lebend, gewöhnliche Gegenstände der hiesigen Konversation sind. Soeben erhalte ich die erste Lieferung von A bis Bomz (ausgegeben den 1. März 1822) und falle mit Begierde auf die Artikel: Albrecht (Geh. Kabinettsrat), Alopäus, Altenstein, Ancillon, Prinz August (v. Preußen) usw. Unter den Namen, die unsere dorti gen Freunde interessieren möchten, nenne ich: Akkum, Arndt, Begasse, Benzenberg und Beugnot, der brave Franzose, der den Bewohnern des Großherzogtums Berg, trotz seiner haßerregenden Stellung, so manche schöne Beweise eines edeln und großen Charakters gegeben hat und jetzt in Frankreich so wacker kämpft für Wahrheit und Recht.

Die Maßregeln gegen den Brockhausischen Verlag sind noch immer in Wirksamkeit. Brockhaus war vorigen Sommer hier und suchte seine Differenzen mit unserer Regierung auszugleichen. Seine Bemühungen müssen fruchtlos gewesen sein. – Brockhaus ist ein Mann von angenehmer Persönlichkeit. Seine äußere Repräsentation, sein scharfblickender Ernst und seine feste Freimütigkeit lassen in ihm jenen Mann erkennen, der die Wissenschaften und den Meinungskampf nicht mit gewöhnlichen Buchhändleraugen betrachtet.

Die griechischen Angelegenheiten sind hier, wie überall, tüchtig durchgesprochen worden, und das Griechenfeuer ist ziemlich erloschen. Die Jugend zeigte sich am meisten enthusiastisch für Hellas; alte, vernünftigere Leute schüttelten die grauen Köpfe. Gar besonders glüheten und flammten die Philologen. Es muß den Griechen sehr viel geholfen haben, daß sie von unsern Tyrtäen auf eine so poetische Weise erinnert wurden an die Tage von Marathon, Salamis und Platää. Unser Professor Zeune, der, wie der Optikus Amuel bemerkt, nicht allein Brillen trägt, sondern auch Brillen zu beurteilen weiß, hatte sich am meisten tätig gezeigt. Der Hauptmann Fabeck, der, wie Sie aus öffentlichen Blättern ersehen hatten, von hier aus, ohne viel tyrtäische Lieder zu singen, nach Griechenland gereist ist, soll dort ganz erstaunliche Taten verrichtet haben und ist, um auf seinen Lorbeern zu ruhen, wieder nach Deutschland zurückgekommen.

Es ist jetzt bestimmt, daß das Kleistische Schauspiel „Der Prinz von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin“ nicht auf unserer Bühne erscheinen wird, und zwar, wie ich höre, weil eine edle Dame glaubt, daß ihr Ahnherr in einer unedeln Gestalt darin erscheine. Dieses Stück ist noch immer ein Erisapfel in unsern ästhetischen Gesellschaften. Was mich betrifft, so stimme ich dafür, daß es gleichsam vom Genius der Poesie selbst geschrieben ist und daß es mehr Wert hat als all jene Farcen und Spektakelstücke und Houwaldsche Rühreier, die man uns täglich auftischt. „Anna Boleyn“, die Tragödie des sehr talentvollen Dichters Gehe, der sich jetzt just hier befindet, wird einstudiert. Herr Rellstab hat unserer Intendanz ein Trauerspiel angeboten, das den Titel führen wird „Karl der Kühne von Burgund“. Ob dieses Stück angenommen worden, weiß ich nicht.

Es wurde hier viel darüber geschwatzt, als man hörte, daß bei Wilmanns in Frankfurt der neue Hoff mannsche Roman „Meister Floh und seine Gesellen“ auf Requisition unserer Regierung konfisziert worden sei. Letztere hatte nämlich erfahren, das fünfte Kapitel dieses Romans persifliere die Kommission, welche die Untersuchung der demagogischen Umtriebe leitet. Daß unserer Regierung an solchen Persiflagen wenig gelegen sei, hatte sie längst bewiesen, da unter ihren Augen, hier in Berlin, bei Reimer, der Jean Paulsche „Komet“ mit Erlaubnis der Zensur gedruckt wurde und, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, in der Vorrede zum zweiten Teile dieses Romans die Umtriebeuntersuchungen aufs heilloseste lächerlich gemacht werden. Bei unserm Hoffmann mochte man aber höheren Ortes gegründetes Recht gehabt haben, einen ähnlichen Spaß übelzunehmen. Durch das Zutrauen des Königs war der Kammergerichtsrat Hoffmann selbst Mitglied jener Untersuchungskommission; er wenigstens durfte durch keine unzeitigen Späße das Ansehn derselben zu schwächen suchen, ohne eine tadelhafte Unziemlichkeit zu begehen. Hoffmann ist daher jetzt zur Rechenschaft gezogen worden. Der „Floh“ wird aber jetzt mit einigen Abänderungen gedruckt werden. Hoffmann ist jetzt krank und leidet an einem schlimmen Nasenübel. – In meinen nächsten Briefen schreibe ich Ihnen vielleicht mehr über diesen Schriftsteller, den ich zu sehr liebe und verehre, um schonend von ihm zu sprechen.

Herr von Savigny wird diesen Sommer Institutionen lesen. Die Possenreißer, die vorm Brandenburger Tor ihr Wesen trieben, haben schlechte Geschäfte gemacht und sind längst abgereist. Blondin ist hier und wird reiten und springen. Der Kopfabschneider Schuhmann erfüllt die Berliner mit Verwunderung und Entsetzen. Aber Bosco, Bosco, Bartolomeo Bosco sollten Sie sehen! Das ist ein echter Schüler Pinettis! Der kann zerbrochene Uhren noch schneller kurieren als der Uhrmacher Labinski, der weiß die Karten zu mischen und Puppen tanzen zu lassen! Schade, daß der Kerl keine Theologie studiert hat. Er ist ein ehemaliger italienischer Offizier, noch sehr jung, männlich, kräftig, trägt anliegende Jacke und Hosen von schwarzem Seidenzeug und, was die Hauptsache ist, wenn er seine Künste macht, sind seine Arme fast ganz entblößt. Weibliche Augen sollen sich an letztern noch weit mehr als an seinen Kunststücken erbauen. Er ist wirklich ein netter Kerl, das muß man gestehen, wenn man die bewegliche Figur sieht im Scheine einiger fünfzig langen Wachskerzen, die, wie ein funkelnder Lichterwald, vor seinem, mit seltsamen Gauklerapparaten besetzten langen Tische aufgepflanzt stehen. Er hat seinen Schauplatz vom Jagorschen Saale nach dem Englischen Hause verlegt und ist noch immer mit erstaunlich vielem Zuspruche gesegnet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe aus Berlin 1822