Tegel , August und September 1834.

Man kann mit Grund voraussetzen, daß alles in der Welt gerade so am besten eingerichtet ist, wie es wirklich besteht, und dies schließt von selbst jeden kurzsichtigen Tadel aus, den sich kein Vernünftiger erlauben wird. Sonst ist eine Erscheinung in der Weltanordnung auffallend, daß die lebendigen und empfindenden Geschöpfe, von den Pflanzen an bis zu den Menschen, den wilden und rohen Elementen untergeordnet und von ihnen abhängig gemacht erscheinen. Es ist als wenn die Natur meinte, jenen großen körperlichen und elementarischen Verhältnissen müsse erst ihr Recht werden, ehe an das Gedeihen und das Glück der empfindenden Wesen zu denken sei. Es ist ohngefähr wie im menschlichen häuslichen Leben, wo auch nicht bloß die höhere geistige Beschäftigung oft dem gewöhnlichen körperlichen Tagewerke nachstehen muß, sondern wo alle Tätigkeit in Geschäften, die doch auch immer nur eine äußere ist, in der Meinung der Menschen höher gestellt wird als eine innere Hinneigung zu Nachdenken und Wissenschaft. In beiden liegt sichtbar der Sinn, daß durch die körperlichen, äußeren Verhältnisse erst der Boden bereitet und gesichert werden muß, ehe das Geistige, Innere ruhig darauf Wohnplatz finden und ohne Gefahr seine Blüten erschließen kann. In von Menschen eingerichteten und also immer unvollkommenen Dingen ist das sehr begreiflich. Menschliche Vernunft und Kraft reichten nicht zu, den Hauptzweck ohne einige Aufopferung des Besseren zu erreichen. Bei der von der höchsten Weisheit und Macht herkommenden Welteinrichtung ist eine solche Erklärungsart nicht zulässig. Was man sonst über eine solche Zurücksetzung des Geistigen gegen das Körperliche, wenn man sie so nennen kann, sagt, ist auch wenig genügend. Es muß darin noch etwas von uns Unverstandenes geben, das vielleicht in einem uns ganz unbekannten Verhältnis des Geistigen zum Körperlichen liegt. Denn wenn wir auch vom Geist oder der Seele nicht viel mit Gewißheit erkennen, so ist uns das eigentliche Wesen des Körpers (der Materie) völlig unbekannt und unbegreiflich.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe an eine Freundin