Ottmachau , den 12. Juli 1823.
Die Güter, welche ich in diesem Augenblicke bewohne, besitze ich erst seit 1820. Sie sind sehr reizend belegen. Das alte Schloß liegt auf einem Hügel, von dem man einen Kreis der schlesischen, böhmischen und mährischen Gebirge übersieht, und zwischen diesen Hügeln, an deren Fuß die Neisse hinläuft, und dem Gebirge sind die anmutigsten Äcker, Wiesen und Gebüsche, zu denen auch meine Besitzungen gehören. Ich bewohne zwar dieses Schloß nicht, da es nicht ausgebaut ist und nur einige bewohnbare Zimmer für meine Kinder hat, aber ein recht bequemes und gutes Haus, ein wenig tiefer, dient mir zur Wohnung und hat auch größtenteils dieselbe Aussicht.
Daß ich in einer glücklichen Lage bin, ist sehr wahr, und Sie bemerken mit Recht, daß das mehr die Sache des Glücks als meiner Anstrengungen ist. Das ist vollkommen wahr, und macht mir mein Glück, wenn ich so sagen soll, noch glücklicher. Eine Gabe, die mir nur durch das Glück zufällt, ist mir unendlich lieber, als etwas durch mein Verdienst Erstrebtes. Wer mit der ersten beschenkt wird, scheint für das Schicksal Wert und Wichtigkeit genug zu haben, um Gaben auf ihn zu häufen. Ich bin auch in vielen andern Dingen glücklich gewesen, die ein anderer nicht so, als diese Äußerlichkeiten, beurteilen kann, ja, ich kann wohl sagen, daß sich bis jetzt mein Glück ziemlich in allem bewährt hat, was ich unternahm. Manches in öffentlichen und Privat-Angelegenheiten, was nicht gerade sehr weise angelegt war, hat nicht die üblen Folgen gehabt, die daraus hätten entstehen können, anderes, das gar nicht sonderliche Mühe kostete, wurde mit ausgezeichnetem Erfolge belohnt. So bin ich gewohnt, mich als einen Glücklichen anzusehen, und habe Mut, aber nur immer wie einer, den das Glück auch in jedem Augenblicke verlassen kann. Daher macht auch dies Glück mich doppelt vorsichtig. Träfen mich große Unglücksfälle im Äußerlichen, oder moralisch, oder in meiner Gesundheit, so würde ich dadurch natürlich leiden wie ein anderer, aber sie würden mich sehr vorbereitet und gefaßt finden, ich würde doch mit Heiterkeit auf das lang Genossene zurückblicken, und meine innere Ruhe würde solche Zustände nicht zerstören oder nur bedeutend ergreifen. Eben jene Selbständigkeit, von der ich erst sprach, gibt Mittel, jedem Unglück so zu begegnen, daß für mich Glück und Unglück wenigstens ganz andere Bedeutung, als für andere Menschen haben. Und das ist mir immer eigen gewesen. Sie reden in Ihrem Briefe, liebe Charlotte, den ich hier die Freude hatte vorzufinden und wofür ich Ihnen noch nicht dankte, von der Sehnsucht und fragen mich, ob ich sie wohl je gefühlt habe? Ich glaube allerdings. Indes ist es freilich wahr, und ich sage das nicht eben als ein Lob, da es vielleicht eher eine Selbstanklage ist, daß ich früh eine große Ruhe gewonnen habe, die nicht leicht durch etwas gestört wird. Ich lernte früh mir in meinen eigenen Gedanken und meinen von keiner fremden Einwirkung abhängigen Gefühlen genügen, und jetzt paßt diese Ruhe und Zurückgezogenheit in sich selbst zu meinen Jahren und ist mir dadurch doppelt natürlich. Indes bin ich sicher, daß diese Ruhe und Bedürfnislosigkeit nie der Wärme meiner Empfindungen geschadet hat. Wenige Menschen aber können fassen, wie man auf der einen Seite nicht mit Unruhe wünschen und nicht schmerzlich entbehren und auf der andern Seite doch voll Dank empfangen und genießen könne. Dennoch kommt es mir äußerst natürlich vor. Sie müssen nun aber darum nicht denken, daß ich Sehnsucht und selbst unruhiges Begehren in andern tadle. Jeder hat und muß seine eigene Weise haben, und wenn ich auch in der meinigen bleibe und gewiß in keine andere hinüberzuziehen bin, so mißbillige ich die fremde nicht und bin Ihnen für jeden Ausdruck, jede erneute Versicherung Ihrer immer gleichen Gefühle für mich sehr dankbar, sie bleiben mir immer gleich wohltätig. Ich hoffe, Sie haben an Ihrer Lebenserzählung wieder gearbeitet und freue mich darauf. In zehn bis zwölf Tagen gehe ich von hier und hoffe, in Berlin Briefe von Ihnen vorzufinden.
Mit herzlicher Anhänglichkeit der Ihrige. H.
Daß ich in einer glücklichen Lage bin, ist sehr wahr, und Sie bemerken mit Recht, daß das mehr die Sache des Glücks als meiner Anstrengungen ist. Das ist vollkommen wahr, und macht mir mein Glück, wenn ich so sagen soll, noch glücklicher. Eine Gabe, die mir nur durch das Glück zufällt, ist mir unendlich lieber, als etwas durch mein Verdienst Erstrebtes. Wer mit der ersten beschenkt wird, scheint für das Schicksal Wert und Wichtigkeit genug zu haben, um Gaben auf ihn zu häufen. Ich bin auch in vielen andern Dingen glücklich gewesen, die ein anderer nicht so, als diese Äußerlichkeiten, beurteilen kann, ja, ich kann wohl sagen, daß sich bis jetzt mein Glück ziemlich in allem bewährt hat, was ich unternahm. Manches in öffentlichen und Privat-Angelegenheiten, was nicht gerade sehr weise angelegt war, hat nicht die üblen Folgen gehabt, die daraus hätten entstehen können, anderes, das gar nicht sonderliche Mühe kostete, wurde mit ausgezeichnetem Erfolge belohnt. So bin ich gewohnt, mich als einen Glücklichen anzusehen, und habe Mut, aber nur immer wie einer, den das Glück auch in jedem Augenblicke verlassen kann. Daher macht auch dies Glück mich doppelt vorsichtig. Träfen mich große Unglücksfälle im Äußerlichen, oder moralisch, oder in meiner Gesundheit, so würde ich dadurch natürlich leiden wie ein anderer, aber sie würden mich sehr vorbereitet und gefaßt finden, ich würde doch mit Heiterkeit auf das lang Genossene zurückblicken, und meine innere Ruhe würde solche Zustände nicht zerstören oder nur bedeutend ergreifen. Eben jene Selbständigkeit, von der ich erst sprach, gibt Mittel, jedem Unglück so zu begegnen, daß für mich Glück und Unglück wenigstens ganz andere Bedeutung, als für andere Menschen haben. Und das ist mir immer eigen gewesen. Sie reden in Ihrem Briefe, liebe Charlotte, den ich hier die Freude hatte vorzufinden und wofür ich Ihnen noch nicht dankte, von der Sehnsucht und fragen mich, ob ich sie wohl je gefühlt habe? Ich glaube allerdings. Indes ist es freilich wahr, und ich sage das nicht eben als ein Lob, da es vielleicht eher eine Selbstanklage ist, daß ich früh eine große Ruhe gewonnen habe, die nicht leicht durch etwas gestört wird. Ich lernte früh mir in meinen eigenen Gedanken und meinen von keiner fremden Einwirkung abhängigen Gefühlen genügen, und jetzt paßt diese Ruhe und Zurückgezogenheit in sich selbst zu meinen Jahren und ist mir dadurch doppelt natürlich. Indes bin ich sicher, daß diese Ruhe und Bedürfnislosigkeit nie der Wärme meiner Empfindungen geschadet hat. Wenige Menschen aber können fassen, wie man auf der einen Seite nicht mit Unruhe wünschen und nicht schmerzlich entbehren und auf der andern Seite doch voll Dank empfangen und genießen könne. Dennoch kommt es mir äußerst natürlich vor. Sie müssen nun aber darum nicht denken, daß ich Sehnsucht und selbst unruhiges Begehren in andern tadle. Jeder hat und muß seine eigene Weise haben, und wenn ich auch in der meinigen bleibe und gewiß in keine andere hinüberzuziehen bin, so mißbillige ich die fremde nicht und bin Ihnen für jeden Ausdruck, jede erneute Versicherung Ihrer immer gleichen Gefühle für mich sehr dankbar, sie bleiben mir immer gleich wohltätig. Ich hoffe, Sie haben an Ihrer Lebenserzählung wieder gearbeitet und freue mich darauf. In zehn bis zwölf Tagen gehe ich von hier und hoffe, in Berlin Briefe von Ihnen vorzufinden.
Mit herzlicher Anhänglichkeit der Ihrige. H.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe an eine Freundin