London , Juni 1828.

Zu Ihrer gänzlichen Beruhigung noch etwas über meinen Gesundheitszustand. Ich begreife nicht recht, was Sie, liebe Charlotte, deshalb besorgt gemacht hat. Daß ich älter geworden bin, seit wir uns in Frankfurt sahen, liegt in der Natur und dürfte Sie nicht wundern. Ich bin bis auf diesen Tag auf der ganzen Reise durch meinen Körper an nichts gehindert worden. Mein Körper fügt sich ohne irgendeine Unbequemlichkeit in alle abweichenden Lebensweisen. Man ißt hier nie vor halb acht Uhr zu Mittag, es wird aber oft auch acht und bisweilen neun Uhr. Ich frühstücke, da man hier im Hause spät aufsteht, um halb zehn Uhr, und nur Kaffee, ohne dazu zu essen, und dazwischen und dem Mittagessen nehme ich nichts. Sie brauchen also gewiß nicht besorgt meinetwegen zu sein.

Unser Aufenthalt hier nähert sich seinem Ende. Wir schiffen uns zwischen dem 10. und 15. Juli wieder ein. Es tut mir sehr leid, nicht länger bleiben zu können, aber mehrere zusammentreffende Umstände, vor allem unsere Badereise und die Notwendigkeit, den 15. August in Gastein zu sein, erlauben es nicht. Sonst fehlt es hier nicht an interessanten Gegenständen, um eine viel längere Zeit sich angenehm zu beschäftigen. Es gibt eine große Menge der schönsten und merkwürdigsten Kunstsachen hier, ein unglaublicher Reichtum von Statuen und Gemälden, auch in Privathäusern, die einzeln auszusuchen viel Zeit fordern. In Paris ist das viel leichter, da man alles an wenig Orten beisammen findet. Außerdem ist auch sehr viel für Wissenschaften und Sprachen zu tun, vorzüglich für die letzteren, da hier aus allen Weltteilen Menschen zusammenkommen. Endlich ist jetzt gerade die Zeit der meisten Gesellschaften, so daß man ohne Ende mittags und abends ausgebeten ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe an eine Freundin