Berlin , den 12. Februar 1825.
Meine Gesundheit ist ganz wieder hergestellt, und ich bin wieder im gewöhnlichen Zuge meiner Arbeiten. Es ist mir dies vorzüglich lieb, da ich mit Recht sagen kann, daß das mein Leben ist. Es sind lauter selbstgewählte Beschäftigungen und immer mit Ideen allgemeinerer Art. Da ich diese Beschäftigungen einen großen Teil meines Lebens hindurch geführt habe, so haben sie meinem Wesen auch die Richtung zum Ernst und zum Halten an Ideen und Gedanken gegeben, die es offenbar hat. Ich habe alles, was mich umgibt und womit ich in Berührung komme, in ein gewisses System gebracht. Ich behaupte darum garnicht, daß dies System immer richtig ist. Vielmehr ist nichts darin, was ich nicht von Zeit zu Zeit von neuem überdenke und in Betrachtung ziehe, und immer findet sich auch irgendwo ein Irrtum zu verbessern. Allein so lange ich das, was ich meine, für wahr halte, kann ich nicht leiden, daß um mich her, soweit ich Einfluß darauf habe, anders gehandelt wird. Ich kann alsdann die Grundsätze jedes Handelns aufweisen, und somit ist doch eine Grundlage vorhanden, auf die man fußen kann. Denn nichts ist mir so zuwider, als das bloße launige Wechseln der Ideen, oder das blinde Herumtappen. Es ist allerdings nicht immer möglich, jede Sache in ihrer Wahrheit zu ergründen, jeden Entschluß immer so zu nehmen, wie es am weisesten wäre. Aber man kann dem doch nahe kommen, und alles, auch das Unbedeutende in Regel und Norm zu pressen, nicht der wechselnden Lust oder Unlust zu diesem oder jenem zu folgen, sondern sich selbst zur Befolgung dieser Regel zu nötigen, ist eine heilsame Weise für den äußeren Erfolg und für den inneren Charakter. Es ist auch garnicht richtig, daß eine solche Art des Seins den Aufschwung des Geistes hindern sollte, oder dem Erguß der Empfindung Schranken setze. Der Geist bewegt sich vielmehr zuverlässiger in einem ihm gegebenen Gleise, in dem er eine feste Richtung und den gehörigen Anhalt findet, und die Empfindung erlangt mehr Stärke, wenn sie aus ganz geläuterten und berichtigten Ideen hervorgeht.
Nun leben Sie wohl, liebe Charlotte, und seien Sie überzeugt, daß ich sehr oft und immer mit herzlichster Teilnahme Ihrer gedenke. Auf Ihr Befinden, denke ich, hat der gelinde Winter, den wir haben, einen wohltätigen Einfluß ausgeübt. Je älter man wird, desto mehr wird man dem plötzlichen Wechsel und den Extremen der Witterung gram. Mit den alten, sich nie ändernden Gesinnungen der Ihrige. H.
Nun leben Sie wohl, liebe Charlotte, und seien Sie überzeugt, daß ich sehr oft und immer mit herzlichster Teilnahme Ihrer gedenke. Auf Ihr Befinden, denke ich, hat der gelinde Winter, den wir haben, einen wohltätigen Einfluß ausgeübt. Je älter man wird, desto mehr wird man dem plötzlichen Wechsel und den Extremen der Witterung gram. Mit den alten, sich nie ändernden Gesinnungen der Ihrige. H.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe an eine Freundin