Brauch bei Viehseuchen in der Gegend von Nahe, Mosel und Saar.

Aus: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 23. Jahrgang
Autor: Lohmeyer, Karl, Erscheinungsjahr: 1913

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Volkskunde, Tierseuchen, Zauberei, Zaubertrank, Heilung, Seuche, Bann
„Um die Mitte der 70er Jahre des verflossenen Jahrhunderts herrschte eine Schweineseuche in Baumholder. Die Tiere wurden schwarz, auch gelb und blau und verendeten. Da erinnerte man sich, dass der Großvater des Hirten Schick bei gleicher Veranlassung eine noch zu beschreibende Prozedur vorgenommen hatte, und der Gemeinderat beschloss diese zu wiederholen. Der Bürgermeister hatte nichts dagegen, also geschah's. Etwa ein Dutzend der gefallenen Schweine wurden an den Kreuzweg nach Ausweiler geschafft und dort wurde Holz aufgeschichtet. Der Hirt Schick ging abends spät, als die Straßen und Häuser ruhig geworden waren, hinaus, steckte das Holz an und verbrannte die Schweine. Dann ging er wieder heim, und die Herde wurde beigetrieben; es ging durch die Lehmkaul am Schwerspatshaus hin und über die Reichenbacher Chaussee zurück. Die Leute, die die Herde begleiteten, sollten schweigend folgen; einer aber konnte den Mund doch nicht halten. An der Brandstelle angekommen, streute Schick Körnerfrucht in die Asche, die Tiere fraßen beides, und die Seuche hörte auf.“*).

*) Briefliche Mitteilung von Pfarrer Pinscher in Baumholder an Rektor Jungk in Saarbrücken, der sie mir zur Veröffentlichung gütigst übergab.

Ich möchte einige Beispiele aus älterer Zeit anführen, die uns die Bräuche erhellen sollen, die in dieser Gegend bei Viehseuchen üblich waren. An vielen Orten in dem Bezirk zwischen Rhein, Mosel, Nahe und Saar waren, um das Rindvieh gegen Seuchen zu schützen, die Notfeuer und auch das Räderschieben in Brauch. Diese Notfeuer*), die mit unserem Worte Not nichts zu tun haben, waren Reibefeuer, die auf die ursprüngliche Weise durch Aneinanderreihen von weichem und hartem Holz entfacht. wurden. Man löschte dann gewöhnlich alle andern Herdfeuer aus und trieb das Vieh durch die Notfeuer. Sicher ist wohl, dass hiermit auch die regelmäßig wiederkehrenden Johannis- und Frühlingsfeuer zusammenhängen. Nach allem Glauben reinigt eben das Feuer.

Hierzu gibt uns ein Visitationsbericht vom Jahre 1575 einen guten Beleg aus älterer Zeit**) für unsere Gegend. Als die Visitatoren in diesem Jahre nach Winterburg kamen, berichtete der dortige Pfarrer, in den Gemeinden Gebroth und Allenfeld habe man noch unlängst Räder geschoben und Notfeuer gemacht.

Darüber teilten Pfarrer und Zensoren von Gebroth dieses mit: Die Leute hätten die Notfeuer am hellen Tage angefacht, und zwar in der Weise, dass sie ein Rad in die Erde gegraben, sodann einen Balken von Eichenholz darüber gezogen und Rad und Balken solange, etwa zwei Stunden, aneinandergerieben, bis es Feuer gegeben. Um das Feuer schneller hervorzurufen, habe man in die Nabe Schwefel und Papier gelegt. Als das Holz gebrannt, hätten sie drei Kinder, zwei Mägdlein und ein Büblein, die ganz nackend gewesen***), genommen und sie mit bloßen Schwertern die ganze Viehherde der Gemeinde im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes durch das Feuer treiben lassen. Die Weiber hätten nicht zusehen dürfen, weshalb man sie während des Vorgangs eingesperrt, sonst sei die ganze Gemeinde dabei gewesen. — Um zu erfahren, wie man das Notfeuer mache, hätte die Gemeinde von Gebroth zwei Männer erst nach Arienschwang und danach gen Dörrenbach gesandt; die zu Allenfeld hätten es von den Leuten zu Winterbach erlernt.

Über eine Viehseuche in Saarbrücken und deren versuchte Heilung geben uns die Stadtprotokolle vom Jahre 1623 Nachricht****). Ein von Saarwerden berufener Hirte verlangte, um die Seuche auszurotten, zwei Ohm Wein und sott darin eine Menge Ingredienzien, wie Salz, Muskatblüte, Pfeifer, Ingwer, Enzian, Maria-Magdalenenblumen, Kalmus, Nießwurz, Eberwurz, Lorbeer, Alaun, Theriak und Muskatnuss ab, verdünnte dies mit Wasser und verordnete die Mischung als Trank für das Vieh. Auch sollte dem Vieh zur Ader gelassen werden. Doch die Seuche hörte nicht auf, und der Stadthirt, der zu allem scheel sah, meinte, alles Vieh müsse sterben. Worauf der Fremde sich vernehmen ließ, solange der schwarze Hund auf dem Bann herumlaufe, sei kein Glück vorhanden. Was es mit diesem schwarzen Hund für eine Bewandtnis hat, ist nicht ohne weiteres zu sagen. Interessant ist es, dass sich eine Sage von einem gespenstischen schwarzen Hund bis in unsere Zeit in Saarbrücken gehalten hat, zu der hier also ein Beleg aus älterer Zeit wäre. Nach dieser Sage spukte des Nachts in der Etzel, da, wo heute die Dragonerkaserne steht, ein gespenstischer schwarzer Pudel, der eine Kette nach sich schleppte und den einst ein Kapuzinermönch im verflossenen Jahrhundert gebannt haben soll, den man sich eigens zu diesem Zwecke verschrieben hatte.

              Heidelberg. Karl Lohmeyer.

*) [Wuttke, Deutscher Volksaberglaube 3 § 115.]
**) Vgl. Back, Die evang. Kirche im Lande zwischen Rhein, Mosel, Nahe und Glan 3, 355ff. (1874).
***) Also auch hier wieder die Nacktheit, die so vielen alten Kulthandlungen und den sich daraus entwickelnden Gebräuchen eigentümlich ist [vgl. J. Heckenbach, de nudidate sacra, Gießen 1911]. Das Anreiben des Feuers deutet gleichfalls auf uralte Zeit hin.
****) Vgl. Ruppersberg, Geschichte der Grafschaft Saarbrücken 3, 195) (1903).

Schweine, Waldmast

Schweine, Waldmast

Rinder auf der Weide

Rinder auf der Weide

Kühe auf der Weide

Kühe auf der Weide

Pferd und Schwein

Pferd und Schwein