Fortsetzung (2)

Eine sichtliche Angst befiel den unglücklichen Zensor, so oft des russischen Zarenreichs gedacht wurde. Ich betrachtete es als eine meiner vornehmsten Aufgaben, die folgerecht ihrem Ziele entgegenschreitende russische Politik im Orient auf allen ihren scheinbaren Irrgängen zu begleiten. Dabei hatte ich, wie man sich leicht denken kann, mit wunderbaren Schwierigkeiten zu kämpfen. Offen mit der Sprache herauszugehen, war in den meisten Fällen, wenn ich mich auch der mildesten Ausdrücke bediente, geradezu unmöglich. Ich musste mich daher gewöhnlich begnügen, die Tatsachen für sich selbst reden zu lassen und die Folgerungen, die ich aus denselben zog, nur durch die Art ihrer Zusammenstellung anzudeuten. Aber auch bei der Anführung einfacher Tatsachen war oft eine nicht geringe Kunst erforderlich, um ihnen durch die Einkleidung alles Anstößige zu nehmen. So oft ich dies vergaß, folgte die Strafe auf dem Fuße nach. Um das Verfahren der Zensur in solchen Fällen zu veranschaulichen, will ich nur ein Beispiel geben. So war ich, um die den Russen wenig günstige Stimmung in den Donaufürstentümern zu erklären, auf das Jahr 1828 zurückgegangen. „Damals“, sagte ich, „wurden die Russen von der Bevölkerung mit offenen Armen aufgenommen. Unglücklicherweise machten die Befreier an die armen Walachen Ansprüche, welche die Gewalttätigkeiten der Türken in Kurzem vergessen ließen. Ein Heer von 200.000 Mann musste verpflegt und mit Zugvieh versehen werden. Die zahlreichen Herden, welche den Wohlstand des Landes bilden, waren im Frühjahre durch eine Seuche vernichtet worden; die Russen nahmen aber so wenig Rücksicht auf den allgemeinen Notstand, dass sie dem Bauern sein letztes Stück Vieh vom Pfluge ausspannten, und da dies nicht ausreichte, Männer und Weiber zwangen, statt des Viehes, Vorspanndienste zu leisten. Tausende erlagen unter den Peitschenhieben, mit denen sie angetrieben wurden; und bei der Beendigung des Krieges im Jahre 1829 war die Bevölkerung der Fürstentümer um ein Vierteil vermindert. Es lässt sich denken, dass das Andenken, welches die Russen in der Moldau und Walachei hinterlassen haben, nicht das vorteilhafteste ist. Von der Stimmung, die unter dem niederen Volke herrscht, werden aber die höheren Stände und namentlich die Bojaren erster Klasse, die neben den Fürsten die höchste Gewalt haben, nicht berührt. Die Fürstentümer sind durch den Frieden von Adrianopel unter russischen Schutz gestellt. Die Fürsten, obwohl dem Namen nach unabhängig, dürfen in der Tat keine einigermaßen wichtige Regierungshandlungen vornehmen, ohne sich vorher von St. Petersburg die kaiserliche Genehmigung eingeholt zu haben.“ Die durch den Druck ausgezeichneten Stellen sind von der Zensur gestrichen; und nun urteile man, welche traurige Gestalt der ganze Aufsatz erhielt, der von Anfang bis zu Ende auf ähnliche Weise zugerichtet wurde!

Man wird vielleicht sagen, dass ich unter solchen Umständen besser getan hätte, die Feder ganz niederzulegen; und dies ist in der Tat von vielen Seiten gesagt worden. Ich hielt es für rühmlicher, den Beweis zu führen, dass keine Zensur, wie rücksichtlos und „durchgreifend“ sie auch verfahre, den Schriftsteller, der nur seiner Muttersprache vollkommen mächtig ist, hindern kann, seine Meinung auszusprechen. Ob und inwiefern mir dies gelungen ist, davon legt diese Sammlung, die ihrem bei weitem größten Teile nach aus. Aufsätzen der Deutschen Nationalzeitung zusammengesetzt ist, ein Zeugnis ab, welches vielleicht schon in dieser Beziehung, als ein merkwürdiges Denkmal der Tagesgeschichte, einige Beachtung verdient. Ein anderer Grund, der mich bestimmte, meinen Posten nicht zu verlassen, obwohl ich mir nicht verbarg, wie sehr eine solche Stellung meinen literarischen Ruf gefährdete, war die Überzeugung, dass nur durch tapferes Beharren auf dem Wege, den ich eingeschlagen, für die deutsche Nation die Erlaubnis zu erzwingen sei, in ihren Zeitungen, den wichtigsten Organen der Öffentlichkeit, selbst zu denken, statt ihr Urteilüber politische Ereignisse von den Franzosen und Engländern zu entlehnen, wodurch die deutsche Volksgesinnung bereits seit so vielen Jahren verfälscht worden war und zuletzt notwendig in ihrem innersten Wesen vergiftet werden musste. Auch fehlte es nicht an guten Vorzeichen, dass ich meinen Zweck ungeachtet aller Ungunst der Zeiten zuletzt doch erreichen würde. Zwei Blätter im deutschen Westen, der von jeher größere politische Regsamkeit gezeigt hat, als der Osten, – die Frankfurter „Oberpostamts-Zeitung“ und die „Aachener Zeitung“ – fingen bald nacheinander an, dem von mir gegebenen Beispiele folgend, selbstständige leitende Aufsätze zu bringen, in denen sie die Tagesereignisse besprachen, zwar beide in der oberflächlichen mehr schöngeistigen Manier, aber doch nicht von fremdländischem, sondern von deutschem, wenn auch noch so untergeordnetem Standpunkte aus. Große Erheiterung gewährte es mir, wenn Herr Hofrat Berly in Frankfurt von Zeit zu Zeit die aus seiner Feder geflossenen Aufsätze zählte und mit naiver Selbstgefälligkeit ankündigte, dass deren jetzt schon so und so viele wären, ohne es auch nur durch die leiseste Andeutung zu verraten, dass einer seiner Zeitgenoffen inzwischen eben so viele Tausende solcher leichten Erzeugnisse des Augenblickes hervorgebracht hatte, als er selbst sich rühmen konnte, Hunderte an das Licht gestellt zu haben, und wie es schien, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass es bei diesen Leistungen doch wohl etwas mehr auf den Werth, als auf die Menge ankam.


Diese Erheiterung war bei dem zunehmenden Drucke der Zensur so ziemlich die einzige, die ich meiner ganzen Zeitungstätigkeit verdankte. Die Partei der Ultraliberalen, die ihre Hoffnung auf eine demnächst zu veranstaltende allgemeine deutsche Revolution gesetzt hatte, war von Anfang in entschiedene Feindseligkeit gegen mich getreten, weil sie wohl fühlte, dass meine gemäßigte, gerade, männliche Sprache mehr dazu beitrug, die Massen ihren Planen zu entfremden, als der kriechende Lakaien-Ton aller bezahlten Hofzeitungsschreiber *). Dr. Wirth, der von München aus mich wiederholt um Beiträge aus meiner, wie er sich ausdrückte, „klassischen Feder“ für eine deutsche Tribüne ersuchte, hatte seinen Wohnsitz kaum nach Rheinbayern verlegt, als er mich einem Anhange als einen jener „faulen Knechte des Jute-Milieu“ bezeichnete, welche der Freiheit mehr schadeten, als alle erklärte Gegner. Die Genossen in den Blättern verwandter Richtung fielen bei. Die Stuttgarter deutsche allgemeine Zeitung schmückte mich ihrerseits bereits mit dem königlich hannoverschen Guelfenorden, was in der Meinung des mir wohlbekannten Redakteurs vermutlich ein arger Schimpf sein sollte. Auch nachdem die Partei in ganz Deutschland den Maßregeln des deutschen Bundes erlegen war, wie ich ihr dies von Anfang vorhergesagt hatte, setzte der zurückbleibende Tross seine Feindseligkeiten fort, indem er Verdächtigungen und Verleumdungen ausstreute, die ich in den seltensten Fällen einer Beachtung würdigte. Die Blätter, welche sich nicht dazu hergaben, die albernsten Lügen aufzunehmen, beobachteten wenigstens ein vorsichtiges Stillschweigen, um unter ihren Lesern das Geheimnis nicht auskramen zu lassen, dass eine deutsche Zeitung vorhanden war, die gerade das besaß, was ihnen am meisten abging, – ein eigenes Urteil. So geschah es, dass zu derselben Zeit, während die deutsche Nationalzeitung von englischen und französischen Blättern als Auktorität [s.v.w. Autorität] angeführt und in Athen wie in Konstantinopel genannt wurde, die meisten deutschen Zeitungen den Schein annahmen, als sei ihnen selbst der Name unbekannt; denn nicht selten machten zwar nicht ganze Aufsätze, die für den sparsamen Zuschnitt der trefflichen Sammelblätter zu ausgedehnt waren, doch Bruchstücke aus denselben die gewöhnliche Zeitungsrunde, die ohne Weiteres dem Blatte zugeschrieben wurden, das sie ohne Nennung der Quelle zuerst entlehnt hatte. Ich durfte diese unbedeutenden Kleinigkeiten nicht verschweigen, wenn ich von den Leiden eines deutschen Zeitungsschreibers ein annähernd treues Bild geben wollte.

*) Diese Behauptung beruht nicht auf Vermutungen; ich werde, wenn die Zeit gekommen ist, nachweisen, wie unter Mitgliedern des bekannten Pressevereines eine
förmliche Beratung darüber stattfand, auf welche Weise man mich unschädlich machen könne. Dass die schmählichsten, selbst verbrecherische Mittel in Vorschlag gebracht wurden, ist eine Tatsache, die sich durch das Zeugnis ehrenhafter Männer erhärten lässt.

Mit gerechtem Stolze kann ich jetzt wohl sagen, dass ich auf meinem bescheidenen Arbeitsstübchen in Braunschweig zehn Jahre hindurch mit Manneskraft gestritten habe. Auch ist mir eben so, wie gegen die Erbärmlichkeit des deutschen Schreibergesindels, in dem härteren Kampfe gegen die Zensur der Sieg geblieben. Denn als einen Sieg betrachte ich es, dass die Behörde, welcher die Aufsicht über die Presse im Herzogtum Braunschweig oblag, nachdem die Zensur alle ihr zu Gebote stehende Mittel erschöpft hatte, sich von der Unwirksamkeit derselben überzeugte, indem man das Weitererscheinen des Blattes, welches man durch geistlähmenden Druck nicht zu töten vermochte, geradezu untersagte. Die Gründe der Unterdrückung find mir amtlich nicht bekannt geworden, da die Verfügung, welche dieselbe aussprach, nur dem Verleger mitgeteilt und dieser auf sein Gesuch, eine Abschrift nehmen zu dürfen, abschlägig beschieden wurde. Ich habe gehört, dass als der vornehmste Grund die undeutsche Gesinnung angegeben worden sei, welche die Deutsche Nationalzeitung an den Tag lege. Wie eine solche Verkennung der Grundrichtung eines Blattes, das einen Zeitraum von zehn Jahren hindurch bestanden hatte, möglich war, wird heute zu Tage schwer begreiflich erscheinen. Damals, als man gegen meine bestimmte Vorhersage den Ausbruch eines Krieges mit Frankreich erwartete, genügte es, zur Begründung des Verdammungsurteils dass ich in Bezug auf die orientalischen Wirren der Ansicht nicht untreu wurde, die ich von dem ersten Anfange der Verwicklung aufgestellt hatte, und die seitdem durch den Erfolg mehr als hinreichend gerechtfertigt worden ist. Eine Kuriosität, die ich nicht mit Stillschweigen übergehen darf, ist es, dass zwar die französischen Journale die Unterdrückung der Deutschen Nationalzeitung mit ziemlich genauer Kenntnis der Umstände besprachen und nur meiner Person etwas zu viel Ehre erwiesen, dass aber sämtliche deutsche Blätter, die mir zu Händen gekommen sind, das Aufhören „der Braunschweiger Zeitung“ als ein bloßes Eingehen aus Mangel an Abonnenten darstellten, ohne auch nur ein Wort weiter über eine so gleichgültige Erscheinung zu verlieren. Ich glaube, dass das traurige Völklein hohler, unwissender, aufgeblasener, neidischer Gesellen, welches leider die Mehrzahl unserer deutschen Journalisten bildet, seine Denkart nicht leicht treffender bezeichnet hat, als durch solche Entstellung einer offenkundigen Tatsache. Meine Absicht war jetzt das Zeitungsschreiben völlig aufzugeben, weil ich es nicht für nötig hielt, meine wohlbewusste Selbstaufopferung an einem anderen Orte zu wiederholen. Ich glaubte darauf rechnen zu dürfen, dass das Beispiel, welches ich gegeben, nicht verloren sein, und dass die Saat, die ich ausgestreut, unter günstigeren Zeitverhältnissen von selbst aufgehen und ihre Früchte tragen würde. Ich beschloss, meine Zeit daher ausschließlich auf die Ausarbeitung meiner „Geschichte der letzten fünf und zwanzig Jahre“ zu verwenden, zu der ich die Materialien mit nicht geringer Mühe gesammelt, und von der ich in Jahresfrist einen Band vollendete. Ein Umstand bestimmte mich, meinen Plan zu ändern. Ich erfuhr gegen das Ende des Jahres 1841, dass man in meinem Vaterlande, Preußen, aus dem ich beinahe zwanzig Jahre entfernt war, den Entschluss gefasst habe, zwar noch nicht wirkliche Pressfreiheit, aber doch eine so freie Bewegung der Presse zu gestatten, als sich mit der Zensur irgend vereinigen ließ. Ich verkannte die entscheidende Bedeutung dieses Schrittes keinen Augenblick und zögerte deshalb nicht, mich noch einmal auf die Bresche zu stellen, obwohl ich mir keineswegs verbarg, dass ich auf dem neuen Kampfplatze eben so wenig ein Lager von Rosen zu erwarten hatte, wie auf dem kaum verlassenen früheren. In Preußen musste der Kampf der deutschen Gedankenfreiheit ausgefochten werden, weil von allen deutschen Staaten Preußen allein die Macht besaß, die Freiheit, sobald sie einmal errungen war, dauernd festzuhalten. Alles kam jetzt darauf an, dass von den Zugeständnissen der Regierung sofort, ehe man sich eines anderen besann, Besitz ergriffen und dass von denselben ein Gebrauch gemacht wurde, der den erbittertsten Gegnern der freien Presse keinen Vorwand bot, das freiwillig Gewährte zurückzunehmen. Ich traute mir die Kraft zu, die ersten Bewegungen des erwachenden Gedankens, von denen sich vorher sehen ließ, dass sie anfangs plump und ungeschickt genug sein würden, zu leiten, indem ich denselben durch Rat und Beispiel das Maß vorzeichnete, innerhalb dessen sie sich halten mussten, wenn dem Feinde, der nur auf den ersten Fehltritt lauerte, nicht gewonnenes Spiel gegeben werden sollte. Aus diesen Gründen nahm ich die Einladung des Buchhändlers Josef Dumont an, an die Spitze der in seinem Verlage erscheinenden Kölnischen Zeitung, eines bisher bloß referierenden, durchaus haltungslosen, aber wegen der günstigen Lage des Druckortes am Rhein viel gelesenen Blattes, zu treten, obwohl ich kurz vorher zwei ähnliche in Bezug auf die äußern Bedingungen ungleich vorteilhaftere Anerbietungen von anderen Seiten abgelehnt hatte. Das Terrain, auf dem ich wirken wollte, war mir nur oberflächlich bekannt; umso genauer kannte ich die Schwierigkeiten, die ich besonders von Seiten des ultramontanen Elementes zu erwarten hatte; aber ich wusste auch, wie sehr es jedem besonnenen Vaterlandsfreunde willkommen sein musste, wenn ich das Meinige dazu beitrug, den französischen Sauerteig auszufegen, der von den Zeiten der Fremdherrschaft her am Rheine noch in so manchen Kreisen zurückgeblieben war. Ich bin Preuße mit Leib und Leben, nicht allein aus alter angeborener Anhänglichkeit an den Fürstenstamm der Hohenzollern, obwohl mir diese noch in jungen Jahren selbst meine durch elende Fraubasereien [Klatscherei, Geschwätz] und Vetterschaften veranlasste Verbannung aus der Heimat nicht hat austreiben können, deren lächerliche, (auch noch in der jetzigen Darstellung lügenhaft entstellte) Motive der verstorbene Steffens erst kurz vor seinem Tode, zu spät bereuend, aufgedeckt hat; *) sondern hauptsächlich, auch deshalb, weil ich die feste Überzeugung habe, dass, wenn jemals aus meinem deutschen Vaterlande etwas Rechtes werden soll, dies notwendig von Preußen ausgehen muss. Dass ich während meines langen Aufenthaltes im außerdeutschen und außerpreußischen Auslande meine scharfausgeprägte, streng loyale, echt preußische Gesinnung nicht verleugnet habe, davon sind in dieser Sammlung auf mehr als einer Seite die Beweise zu finden, die ich, wenn es mir darum zu tun gewesen wäre, leicht mit vielen anderen hätte vermehren können. Ich erinnere nur an meine beharrliche Unterstützung des deutschen Zollvereines, die so stark preußisch gefärbt war, dass die Braunschweiger Zensur sich bewogen fand, mehrere meiner Aufsätze bis zur Unbekenntlichkeit zu entstellen; an meine Parteinahme in den katholischen Wirren, die damals von hochstehenden Männern in der preußischen Verwaltung dankbar anerkannt wurde, wenn man es gleich nicht öffentlich zugestand, dass dieselbe ungleich wirksamer war, als die lahme Hilfe der berühmten Triarier; an meine Aufsätze über den Tod Friedrich Wilhelms III. und über die ersten Regentenhandlungen Sr. Majestät des jetzt regierenden Königs. Ich glaubte unter diesen Umständen mit Sicherheit darauf rechnen zu können, dass das Recht der freien Rede, welches der „loyalen mit Würde freimütigen Gesinnung“ nicht länger vorenthalten bleiben sollte, mir in weitestem Umfange zugestanden werden würde.

*) Im zehnten Bande des Buches: „Was ich erlebte“.

Auch täuschte ich mich darin nicht. Ich muss es dem ersten Zensor, mit dem ich es in Köln zu tun hatte, Herrn Polizeirate Dolleschall, zum Ruhme nachsagen, dass er mir, so lange die Handhabung der Zensur ihm vertraut blieb, nie eine missbilligende Bemerkung gemacht, geschweige eine Zeile oder auch nur ein Wort gestrichen hat. Wie mit der Zensur, so gelang es mir auch, mit der katholischen und selbst mit der ultramontanen Partei meinen Frieden zu machen, weil ich die Differenzpunkte unberührt ließ und in der schönen deutschen Sache des Kölner Dombaus einen fruchtbaren Boden fand, auf dem ich, ohne meinen Überzeugungen untreu zu werden, meine Wirksamkeit mit der ihrigen vereinigen konnte. Mit der Würdigung, die meinen Arbeiten durch die große Mehrheit der biedern treuherzigen Bevölkerungen des Rheinlandes zu Teil wurde, hatte ich alle Ursache zufrieden zu sein. Ich hoffe nicht, dass man mich der Übertreibung bezichtigen wird, wenn ich sage, dass die Aufsätze, in denen ich meine Ansichten über alle wichtigere Tagesereignisse niederlegte, im Ganzen eine beinahe ungeteilte Billigung fanden. Zum Beweise berufe ich mich auf die Tatsache, dass die Abonnentenzahl der Kölnischen Zeitung, die, als ich diesem Blatte beitrat, sich auf noch nicht 8.000 belief, nach Verlauf von Jahresfrist in das zehnte Tausend ging: ein Umstand, den ich hier nicht erwähnen würde, wenn derselbe nicht gerade zu einer Zeit eingetreten wäre, wo Jedermann, der sich in seinem Urteile durch die unparteiischen Berichte vorzugsweise liberaler oder gelegentlich mit dem Liberalismus kokettierender Journale leiten ließ, die Kölnische Zeitung notwendig in langsamen Dahinsiechen und Absterben begriffen glauben musste. Denn es war um diese Zeit zu Köln, unmittelbar neben der Kölnischen Zeitung, dem erstaunten Deutschland ein neues Licht aufgegangen, welches freilich den bleichen Schein der alten Nachtlampe verdunkelte, die durch das neu aufgegossene Öl nur eben vor dem Erlöschen bewahrt war. Die Rheinische Zeitung, deren Entstehen mit meiner Berufung nach Köln zusammenfiel und diese Berufung, wie ich erst später erfuhr, durch die Furcht vor einer gefährlichen Konkurrenz sogar veranlasst hatte, besaß ohne Zweifel tüchtige Kräfte; aber die einseitige gegen religiöse Richtung, der sämtliche Mitarbeiter von einigem Einfluss angehörten, würde es nur bei der äußersten Verwahrlosung aller übrigen Blätter möglich gemacht haben, dass sie jemals in dem katholischen Rheinlande allgemeinere Verbreitung gewonnen hätte. Die Ritter der reisigen Schaar, die aus dem Osten und aus dem Westen dem lustig im Winde flatternden Banner der neu-hegelschen Schule zulief, waren kaum im Sattel warm geworden, als sie bereits die jungfräulichen Lanzen gegen die Kölnische Zeitung und besonders gegen mich, den Vordermann des verhassten Blattes, einlegten. Die Hähnlein waren noch gar sehr jung, und sie liefen, wie ich in fröhlichem Übermute ihnen einmal zurief, ehe sie zu Rosse stiegen, großenteils noch mit den Eierschalen auf dem Kopfe herum. Es begann ein lustiges Rennen, bei dem aber die Mühe und der Schaden bloß auf der Seite der Angreifenden war. Denn ich blieb lange unbekümmert, ließ sogar die gewaltigen Stöße, durch die man mich in den Sand zu strecken meinte, unerwidert und lachte nur für mich im Stillen, wenn eines der vorlauten Herrlein durch das Anprallen an meinen guten Harnisch bügellos wurde. Endlich, als das tolle Treiben gar kein Ende nahm, wurde es mir denn doch zu arg; ich ergrimmte auch etwas und führte einige derbe Schwadronhiebe, die dann jedesmal ein lautes Aufkreischen der Getroffenen zur Folge hatten. Der Kampf war kein ehrlicher mehr; darin hatte die Augsburger allgemeine Zeitung, die denselben mit ihrer gewohnten Treue und Redlichkeit schilderte, ganz recht; nur irrte das treffliche Blatt, wenn es in dankbarer Erinnerung an die ihm früher (zu den Zeiten des seligen Stegmann) geleisteten Dienste, versicherte, dass die Gesetze, die in jedem ehrlichen Streite gelten sollen, von meiner Seite verletzt worden wären. Ich meinerseits warnte die Gegner; ich sagte ihnen vorher, dass ihr Spiel, wenn sie nicht noch bei Zeiten zur Besinnung zurückkehrten, zu keinem guten Ende führen würde. Ich habe nie die Zunge gegen sie herausgereckt, wie Straßenbuben zu tun pflegen; und ich habe auch nie meine Zuflucht zu dem niedrigen Hilfsmittel genommen, erbärmliche Lügen und Verleumdungen gegen ihre Personen zu verbreiten, wie z. B. die lächerliche und besonders, da sie von Juden ausging, bezeichnende, die ich eines schönen Morgens in der Rheinischen Zeitung las, dass ich von Geburt ein Jude sei und als Apostat das Judentum mit wütendem Hasse verfolge. Ich hielt es unter meiner Würde, auf diese Lüge, wie auf so manche andere, ein Wort zu erwidern, und lächelte, als mein alter Vater, weil der Schimpf natürlich die Runde durch alle Zeitungen machte, sich die Mühe gab, durch eine öffentliche Erklärung in der „Breslauer Zeitung“ meine christlich-deutsche Herkunft bis auf meine Urälterväter hinauf nach zu weisen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Blicke aus der Zeit in die Zeit. Band I