Blicke aus der Zeit in die Zeit. Band I

Randbemerkungen zu der Tagesgeschichte der letzten fünfundzwanzig Jahre (1820-1845)
Autor: Hermes, Karl Heinrich Dr. (*1800 in Kalisch - †1856 in Stettin) deutscher Journalist, Publizist und Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1845
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Gesellschaft, Politik, Sozialkunde, Pressefreiheit, Zensur, Landesgeschichte,
Kelchner, Ernst, "Hermes, Karl Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 199-201 [Onlinefassung]
URL: https://www.deutsche-biographie.de/gnd116744359.html#adbcontent

Ac plerique suam ipsi vitam narrare fiduciam potius morum, quam arrogantiam arbitrati sunt.     Tac.

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Es ist in diesen Tagen unter literarischen Größen aller Dimensionen – die kleinsten nicht ausgenommen – eine so allgemeine Gewohnheit geworden, gesamte Werke oder gesammelte Schriften herauszugeben, dass ich es kaum gewagt haben würde, dem oft missbrauchten und deshalb übel berüchtigten Beispiele auch nur von Ferne zu folgen, wenn nicht ganz besondere Gründe meine Bedenklichkeiten beseitigt hätten. Schwerlich hat in den letzten fünfzehn Jahren irgend eine andere literarische oder publizistische Persönlichkeit von Seiten der meisten namhaften deutschen Journale eine gleich gehässige und gleich beharrliche Feindseligkeit erfahren, wie die des Schreibers dieser Zeilen. Man hat sich nicht damit begnügt, mir jede literarische Bedeutung, jede nicht ganz gewöhnliche Befähigung, außer etwa einer durch lange Übung erworbenen Federfertigkeit abzusprechen, sondern man hat sich zugleich darin gefallen, bei hundert verschiedenen Gelegenheiten meinen politischen Charakter zu verdächtigen, indem man mir Wetterwendigkeit, Gesinnungslosigkeit und, ich weiß nicht, wie viele andere politische Verbrechen vorwarf, die mit der tiefsten Verachtung jedes Ehrenmannes nicht zu hart bestraft worden wären. Wenn die ziemlich allgemein verbreitete Ansicht von der unumschränkten Gewalt begründet wäre, welche die Presse über die öffentliche Meinung üben soll, so müsste die geringe schriftstellerische Geltung, die mir meine frühesten Versuche auf dem Gebiete der Journalistik, durch meine Teilnahme am „Morgenblatte”, durch die Herausgabe der „Britannia“ und durch die Begründung des noch jetzt bestehenden „Auslandes”, so wie einige spätere Arbeiten vielleicht erworben haben, längst völlig vernichtet sein. Zur Beruhigung der guten Freunde, die sich seit einer ganzen Reihe von Jahren so außerordentlich um meine Person bemüht haben, kann ich indessen versichern, dass ich alle Ursache habe, mit der Aufnahme zufrieden zu sein, die meinen publizistischen Bestrebungen von Seiten der großen Masse meiner nicht schreibenden aber lesenden und urteilenden deutschen Landsleute zu Teil geworden ist, und dass ich in dieser Aufnahme eine hinreichende Entschädigung für die Nachteile finde, welche die Lüge und die Verleumdung mir etwa, ohne mein Wissen, zugefügt haben mag. Eine so auffallende Erscheinung durch einfache Darlegung der Tatsachen zu erklären, ist der Zweck dieses Vorwortes, für das ich, wenn es sich hauptsächlich mit meiner Persönlichkeit beschäftigen wird, die Nachsicht der Leser erbitte.

Bis zum Jahre 1830 hatte ich ungeachtet vielfachen Wechsels meines Aufenthaltes innerhalb und außerhalb Deutschlands beinahe ausschließlich gelehrten Studien obgelegen, und meine Tätigkeit, teils als Schriftsteller in einem Dutzend verschiedener Journale, unter denen ich auch die Augsburger „allgemeine Zeitung“ anführen muss, teils als öffentlicher Lehrer an der Hochschule zu München, war eine diesen Studien mehr oder weniger entsprechende. Nur selten warf ich einen Blick auf die politischen Zustände der Gegenwart, die für den freisinnigen Mann so wenig Erfreuliches boten, dass selbst Rotteck, den doch wahrlich Niemand der Zaghaftigkeit beschuldigen wird, an einer vernünftigen Gestaltung der Dinge in Europa – wie dies aus den Schlussworten seiner allgemeinen Geschichte hervorgeht, – verzweifelte. Dass dennoch in diesem frühesten Abschnitte meiner öffentlichen Wirksamkeit mein politisches Urteil kein ganz unreifes war, hoffe ich wenigstens durch einen und den andern meiner damals geschriebenen Aufsätze dargetan zu haben, von denen einzelne auch in diese Sammlung übergegangen sind. Im Frühjahre 1831 gab ich meine Stellung als Dozent an der Münchener Hochschule auf und verließ die bayerische Königsstadt, außer andern sehr erheblichen und reif erwogenen Gründen, von denen ich nur mein durch treulose Einflüsterungen und eigennützige Intrigen veranlasstes Zerwürfnis mit unserm größten deutschen Buchhändler, dem verstorbenen Freiherrn Cotta von Cottendorf erwähnen darf, hauptsächlich deshalb, weil ich durch vertrauliche Mitteilung eines königlichen Prinzen in Erfahrung gebracht hatte, dass ich Sr. Majestät dem Könige Ludwig von Bayern durch den geheimen Medizinalrat Professor Ringseis als Revolutionär und sittlicher Miturheber der im Dezember 1830 ausgebrochenen Studentenunruhen denunziert worden war *), wogegen mir kein Mittel der Verteidigung zu Gebote stand, und weil ich vorhersah, dass der bei dem bevorstehenden Zusammentreten des Landtages von 1831 unvermeidliche Kampf der Parteien eine Wendung nehmen würde, die mir, dem zum voraus an der höchsten Stelle verdächtigten, noch nicht eingebürgerten Fremden einen sicheren und für meine Sache, für die Sache einer vernünftigen freien politischen Entwicklung, unnützen Untergang bringen musste**). Ich stellte für einen Teil meiner Tätigkeit in München einen Ersatzmann in der Person des Advokaten Wirth, eines geborenen Bayern, den ich auf der Durchreise in Bayreuth kennen lernte und seiner damals sehr gemäßigten, liberalen Gesinnungen wegen für geeignet hielt, sowohl der bayerischen Regierung als der Sache des besonnenen vernünftigen Fortschrittes gute Dienste zu leisten.

*) Herr Dr. Ringeis hatte sich auf meine Vorlesungen bezogen, die er für revolutionär erklärte; mit welchem Grunde, kann man aus den an der Spitze dieser Sammlung mitgeteilten Fragmenten entnehmen.
**) Wer diese Voraussetzung als eine übertriebene, durch die Furcht eingegebene ansehen will, den erinnere ich nur an das Schicksal, das den wackeren, in einen politischen Ansichten nichts weniger als überspannten und nur durch die Gewalt der Ereignisse zum Äußersten gedrängten Dr. Eisenmann getroffen hat, der damals gleich mir zugleich Dozent an einer bayerischen Universität und Journalist war.

                        (Fortsetzung)

                  Inhalt des ersten Bandes.

001. Die Geschichte der Gegenwart - 002. Die französische Revolution - 003. Béranger - 004. Spanische Literatur - 005. Die Türkei und die türkische Frage - 006. Die periodische Literatur in München - 007. Die bayerische Verfassung - 008. Die Burschenschaft - 009. Der politische Horizont - 010. Deutschland - 011. Die Reform des deutschen Bundes - 012. Die Zukunft Deutschlands - 013. Der deutsche Zollverein
014. Das Jahr 1831 - 015. Die Parteien und die Verhältnisse - 016. Die deutsche Presse - 017. Deutschland und Europa - 018. Die deutsche Reform - 019. Die neuesten Maßregeln des deutschen Bundes - 020. Die Volksversammlungen im südlichen Deutschland - 021. Das badische Pressegesetz
022. Handelsfreiheit und Pressefreiheit - 023. Fortschritte des öffentlichen Geistes in Deutschland - 024. Die Gesetzgebung der Presse - 025. Das Jahr 1832 - 026. Das Journalwesen in Frankreich, England und Deutschland - 027. Die Ständeversammlungen und die öffentliche Meinung - 028. Der Tumult in Frankfurt a. M. - 029. Die Reform der Universitäten - 030. Die sächsische Ständeversammlung - 031. Zunftwesen und Gewerbefreiheit - 032. Der deutsche Zollverein - 033. Das Jahr 1833 - 034. Der Ministerkongress zu Wien - 035. Die Beratungen des Ministerkongresses - 036. Die deutschen Universitäten - 037. Die Beschränkungen des Universitätswesens - 038. Die deutsche Presse - 039. Die deutschen Ständeversammlungen - 040. Lüntzels Antrag auf Pressefreiheit in Hannover - 041. Vorschlag eines Zensurgerichtes zum Schutze der Presse - 042. Die Maßregeln zur Beaufsichtigung der Presse - 043. Freiheit im antiken und im modernen Sinne 044. Undeutsche Gesinnung in Deutschland - 045. Die Universität Leipzig vor der sächsischen Ständeversammlung - 046. Schluss der sächsischen Ständeversammlung - 047. Das Bundesschiedsgericht - 048. Der deutsche Zollverein und das Ausland - 049. Das Jahr 1834 - 050. Der neue Universitätsplan in Bayern - 051. Die deutschen Ständeversammlungen - 052. Die Eröffnung der badischen Ständeversammlung - 053. Die Eröffnung der großherzoglich hessischen Ständeversammlung - 054. Der Schluss der badischen Ständeversammlung - 055. Der Tod des Kaisers Franz von Österreich - 056. Der Beitritt Badens zum deutschen Zollvereine - 057. Die Abneigung gegen den deutschen Zollverein - 058. Der Bundesbeschluss gegen den Nachdruck - 059. Die wahre Ursache der allgemeinen Gärung - 060. Das Verbot gegen das junge Deutschland - 061. Das Verbot der Werke Heinrich Heines - 062. Das Jahr 1835 - 063. Das Großherzogtum Luxemburg und die öffentliche Meinung - 064. Schreibfreiheit und Pressefreiheit - 065. Der Einfluss der Presse - 066. Die Wiedererweckung des deutschen Volksgeistes - 067. Die Bedingungen einer volkstümlichen Literatur - 068. Wolfgang Menzels Geist der Geschichte - 069. Die Aufhebung des Verbots von Laubes Werken - 070. Das Verbot des Nachdrucks in Württemberg - 071. Das literarische Eigentum - 072. Die politische Reform und die Reformation - 073. Der Zeitgeist und der öffentliche Unterricht - 074. Der Beitritt Frankfurts zum deutschen Zollvereine - 075. Das Jahr 1836 - 076. Die neue sächsische Zensurverordnung - 077. Christianis Antrag auf Pressfreiheit in Hannover - 078. Der Bundesbeschluss über das literarische Eigentum - 079. Das preußische Gesetz über literarisches Eigentum - 080. Der Einfluss der Presse - 081. Die deutschen Zeitungen - 082. Die Zeitungen und der Zeitgeist - 083. Das politische Urteil in Deutschland - 084. Wolfgang Menzel und die neueste Entwicklung der deutschen Literatur - 085. Wolfgang Menzel und das junge Deutschland - 086. Steffens und die geschichtliche Schule - 087. Das deutsche Volkstum und das Turnwesen - 088. Eile und Weile in der Entwicklung - 089. Einführung vorgeschriebener Lehrbücher in Bayern - 090. Die Verhaftung des Erzbischofs von Köln - 091. Die päpstliche Allokution - 092. Die Gesetzlichkeit der Verhaftung des Erzbischofs von Köln - 093. Neue Übergriffe der Hierarchie - 093. Die neue revolutionäre Propaganda - 094. Die Propaganda in München - 095. Die congregatio de propaganda fide - 096. Die Anklagen der Propaganda gegen die preußische Regierung - 097. Görres Athanasius - 098. Die preußische Regierung und die römische Curie - 099. Die Vermittlung zwischen Preußen und Rom - 100. Sittliche Würdigung des Benehmens des Erzbischofs - 101. Preußen und Rom - 102. Erster Schritt der Nachgiebigkeit von Seiten der Curie - 103. Die Bestätigung des Kapitelverwesers zu Köln - 104. Der Tumult zu Köln - 105. Die politische Bedeutung der kirchlichen Wirren - 106. Die Hierarchie und die religiöse Richtung unserer Zeit - 107. Leos Hegelingen- 108. Der Einfluss der Presse - 109. Die -kirchlichen Wirren in Preußen - 110. Die Verurteilung des Erzbischofs von Posen - 111. Die neue päpstliche Allokution - 112. Die Entweichung des Erzbischofs von Posen aus Berlin - 113. Verhandlungen über Pressefreiheit in Baden - 114. Die Eisenbahnen - 115. Rhein und Donau - 116. Die Gedächtnisfeier Friedrichs des Großen in Berlin - 117. Der Tod König Friedrich Wilhelms III. von Preußen - 118. Das Vermächtnis Friedrich Wilhelms III. - 119. Preußens Hoffnung - 120. Die Begnadigung der politischen Verbrecher in Preußen - 121. Die Ernennung Dr. Eichhorns zum Kultusminister - 122. Der Huldigungslandtag in Königsberg - 123. Die Guttenbergsfeier - 124. Deutschland und die Wirren im Orient - 125. Übersicht der politischen Entwicklung seit dem Jahr 1832

Gutenbergdenkmal in Straßbourg

Gutenbergdenkmal in Straßbourg

Erfurt, Lutherdenkmal

Erfurt, Lutherdenkmal

Frankfurt, 033 Das Buchhändlerhaus zum Wetterhahn in der Alten Mainzer Gasse

Frankfurt, 033 Das Buchhändlerhaus zum Wetterhahn in der Alten Mainzer Gasse

Frankfurt, 014 Die St. Leonhardskirche

Frankfurt, 014 Die St. Leonhardskirche

Frankfurt, 061 Blick in die Judengasse

Frankfurt, 061 Blick in die Judengasse

Napoleons Krönung in Notre Dame

Napoleons Krönung in Notre Dame

Napoleon nach der Schlacht von Aspern

Napoleon nach der Schlacht von Aspern

Napoleon auf St. Helena

Napoleon auf St. Helena

030 Napoleon Bonaparte (1769-1821) Kaiser der Franzosen

030 Napoleon Bonaparte (1769-1821) Kaiser der Franzosen

003 Diorit-Statue des Königs Chephren (2840-2680 v. Chr.)

003 Diorit-Statue des Königs Chephren (2840-2680 v. Chr.)

Reformationszeit, Die Heroen der Naturwissenschaft

Reformationszeit, Die Heroen der Naturwissenschaft

St. Leonhardskirche

St. Leonhardskirche

Römerberg mit Römer

Römerberg mit Römer

Börne-Denkmal

Börne-Denkmal

Germane und Germanin in der Bronzezeit

Germane und Germanin in der Bronzezeit

Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen

Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen

Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) trug den Beinamen: der Große Kurfürst

Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) trug den Beinamen: der Große Kurfürst