Bildnisse berühmter Männer - Rezensionen
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Eine weit misslichere Aufgabe haben sich die „Deutschen Zeitgenossen“ gestellt, welche im Weigel’schen Verlag erscheinen und von denen uns ebenfalls die erste Lieferung vorliegt. Während jene sich nur auf Kunst und Gelehrsamkeit beschränken und von Mitlebenden nur wenig allgemein anerkannten Namen den Zutritt gestattet haben, wollen die „Zeitgenossen“ eine „lebensvolle Galerie“ liefern, der „bedeutendsten vaterländischen Persönlichkeiten der Gegenwart“ und zwar nicht bloß der Gelehrten und Künstler, sondern auch — der Staatsmänner. Der Umfang des Werkes ist vorläufig auf zwölf Lieferungen festgesetzt, von denen jede drei Bildnisse enthalten soll, und zwar jedesmal das Bildnis eines lebenden deutschen Fürsten oder Staatsmannes, eines Gelehrten und eines Künstlers. — Wir bekennen, dass wir, mit allem möglichen Respekt vor der Überlegsamkeit und Umsicht der Unternehmer, für die erste Rubrik, die Rubrik der Staatsmänner, doch ein wenig in Sorge sind. Zwölf „staatsmännische Größen“ verspricht man uns, zu einer Zeit, da es schmachvoll klar geworden ist vor ganz Europa, dass wir in Deutschland weder zwei noch zwölf, weder große noch kleine Staatsmänner haben, sondern überhaupt gar keine! Zwölf Staatsmänner, „die von bleibendem Einfluss auf die Entwicklung unseres Volkes sind“, ach, wir fürchten sehr, wenn auch der Einfluss bleiben sollte, eine „Entwicklung“ wird es doch nicht gewesen sein, was diese vermeintlichen Staatsmänner hervorgebracht, sondern im Gegenteil, eine — Verkümmerung! Werke, wie das vorliegende, die, auch bei der gründlichsten künstlerischen Ausführung, doch immer nur auf ein augenblickliches, vielfach wechselndes Zeitinteresse gegründet sind, müssen vor Allem rasch erscheinen. Das war auch Wunsch und Absicht des verstorbenen Biow, und auch nur dies augenblickliche, rasch vorübergehende Interesse kann es rechtfertigen, wenn bei Sammlungen dieser Art die schnellste, aber auch unwahrste, genaueste, aber auch unkünstlerischste Art der Porträtierung, das Lichtbild zu Grunde gelegt wird. Aber Biows Wunsche damals trat die Ungunst der Zeit hindernd entgegen: und auch jetzt will es uns fast Schade dünken, um die vortreffliche künstlerische Ausstattung, welche an diese Zeitgenossen verwendet, beinahe hätten wir gesagt, verschwendet ist. Wenige Monate erst sind seit der Ankündigung des Unternehmens verflossen — und schon jetzt, du lieber Himmel! in diesem Register berühmter Zeitgenossen wie viel Veraltetes, wie viel Verschollenes! Beckerath, Camphausen, Mittermaier und ähnliche „gute Männer und schlechte Musikanten“ — sollen die jetzt auch noch für „staatsmännische Größen“ passieren?!
Nein! Da lob’ ich mir den Amerikaner, den praktischen Mann! Auch die Galerie berühmter Amerikaner Gallery of illustrious Americans, New-York herausgegeben von C. Edward Tester hat es nur mit Zeitgenossen oder genauer nur mit solchen Berühmtheiten zu tun, die seit Washingtons Tode aufgetaucht sind. Aber der amerikanische Ruhm, der Ruhm eines General Taylor, Daniel Webster, Henry Clay, Oberst Fremont etc., ist auch etwas dauernder, weil mühsamer errungen, als diese Lorbeeren der Paulskirche, mit denen wir unsere deutschen „Staatsmänner“ groß gezogen haben; jedes Kind im Lande kennt die Namen dieser Männer, denn es sieht und genießt die Früchte ihres Thuns; Niemand von ihnen steht in der Gefahr, vergessen zu sein, bevor der Kupferstecher noch mit seinem Bildnis fertig geworden. — Auch die Portraits der „berühmten Amerikaner“ sind nach Lichtbildern genommen. Aber dafür liegen uns in rascher Folge auch bereits sechs Hefte vor und alle vierzehn Tage erscheint ein neues: nur Lithographien, aber von so kecker Behandlung, so geistreicher Ausführung, dass sie uns lieber sind und jedenfalls unendlich mehr Wahrheit und Leben enthalten, als die Mehrzahl unserer landesüblichen Kupferstiche. — Dieselbe Keckheit und Frische liegt auch in den Gesichtern selbst, es sind im charakteristischen Gegensatz gegen die „großen Deutsche“ fast ausschließlich Staatsmänner, Männer des Handelns und der Wirklichkeit, deren Bildnisse uns hier gebracht werden, wenn schon auch ein Washington Irving, ein Prescott und andere Zierden der jungen amerikanischen Literatur nicht fehlen. In der Mehrzahl dieser Gesichter, welche Ursprünglichkeit, welch energische, fast trotzige Frische! Das sind freilich nicht die harmonisch-gerundeten Züge unserer Goethe, Herder, Hebel, Humboldt: aber dafür auf diesen eckigen Stirnen, zwischen diesen harten Mundwinkeln, in diesen großen, verwunderten Augen schwebt ein Etwas — ist es nur das ursprünglichere, der Natur noch so viel verwandtere Blut des Hinterwäldlers, das diese amerikanischen Gesichter durchströmt? oder ist es die Jugend des amerikanischen Lebens überhaupt, der Morgenhauch seiner großen, weltgebietenden Zukunft, was auf diesen freien, offenen Stirnen thront, und wogegen die Mehrzahl unserer deutschen Berühmtheiten so alt, so abgewelkt aussieht? — Jedenfalls bieten diese drei Sammlungen nicht nur dem Kunstfreunde reichen Stoff des Genusses, sondern auch zum Nachdenken bieten sie Geschichtsfreunden, Politikern, sowie überhaupt Allen, die sich für das Leben der Nationen interessieren, reichliche Gelegenheit, und wollen wir sie daher in beiden Beziehungen angelegentlichst empfohlen haben. N. P.
Beethofen, Ludwig van (1770-1827) Komponist
Prof. Dr. Albert Einstein, Physiker, Forscher (1879-1955)
Feuerbach, Ludwig (1804-1872) deutscher Philosoph und Anthropologe
Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814) Erzieher und Philosoph
Fontane, Heinrich Theodor (1819-1898) Apotheker und Schriftsteller
Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832) Dichter und Universalgelehrter
Händel, Georg Friedrich (1685-1759) deutsch-britischer Komponist und Opernunternehmer
Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (1770-1831) deutscher Philosoph
Heinrich Heine
Herder, Johann Gottfried (1744-1803) Dichter, Übersetzer, Theologe, Kulturphilosoph
Wilhelm von Humboldt (1767-1835) Staatsmann, Wissenschaftler, Gelehrter und Mitbegründer der Universität in Berlin
Humboldt, Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von (1769-1859) deutscher Naturforscher