Bilder aus Wladiwostok - Die Beherrscherin des Ostens

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Sibirien, Kriegshafen, Hafenstadt, Handelszentrum, Völkergemisch, Chinesen, Koreaner, Japaner, Kosaken, Ostsibirier, Russen, Eisbrecher, Fahrrinne
Nur wenige Jahre noch, und man wird nach der dann erfolgten Vollendung der sibirischen Bahn von Berlin nach Wladiwostok dem „Sebastopol Sibiriens“ an der Küste des Stillen Ozeans, in 12 bis 13 Tagen gelangen können. Wie die Arbeiten gegenwärtig gefördert werden, unterliegt es keinem Zweifel, dass die Eröffnung der ganzen ungeheuren Strecke von Moskau bis Wladiwostok im Jahre 1904 wird stattfinden können, und russische Tatkraft und russisches Geld haben dann das großartigste Unternehmen durchgeführt, das unsere Zeit im Bahnbau aufweist. Erst dann wird Wladiwostok wirklich „Beherrscherin des Ostens“ werden, wie sie die Russen schon jetzt nennen.

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Wladiwostok wurde 1861 gegründet, als Posten für eine kleine Abteilung russischer Soldaten. Da man aber die günstige Lage und den Wert des ausgezeichneten Hafens bald erkannte, so erwählte man 1871 die kleine Ansiedlung zur Endstation des sibirischen Überlandtelegraphen und zum Kriegshafen für die sibirische Flotte. Seitdem hat sich Wladiwostok mächtig entwickelt und ist jetzt eine stark befestigte, von der Seeseite her uneinnehmbare Hafenstadt von 30.000 Einwohnern und einer Garnison von 25.000 Mann Soldaten aller Waffengattungen. Das „sibirische Sebastopol“, wohin uns die fünf Bilder auf S. 25 versetzen, ist aber nicht nur eine höchst wichtige, sondern auch schöne Stadt. Je mehr man sich ihr von der Seeseite her nähert, desto prächtiger entfaltet sich die Rundsicht über die Quais und großen staatlichen Anlagen, über die Häuser und Gärten bis zu dem Hügelkranze, der die Stadt von der Landseite umschließt, mit seinen Forts und versteckten Batterien. Kommt man ans Land, so sieht sich der fremde Besucher, der das träge Wesen der ostasiatischen Völker kennen gelernt hat, wohltuend überrascht von dem lebhaften Treiben auf den Werften, den Ausladeplätzen, Märkten und in den Hauptstraßen und Bazaren. Man fühlt sofort, dass europäische Kultur hier mit Nachdruck den Hebel angesetzt hat. Die vielen Offiziere und Soldaten des Landheeres und der Marine, die durch zwanzig Kriegsschiffe vertreten ist, dazu die zahlreichen Kasernen usw. geben auch das moderne Handelselement fehlt nicht und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Deutschland steht hier unter allen Nationen voran. Im Jahre 1898 wurde Wladiwostok von 242 Handelsschiffen besucht; davon waren 82 deutsche, 53 russische, 45 japanische, 29 norwegische, 21 englische. Bedeutende deutsche Großhandelsfirmen haben sich in Wladiwostok niedergelassen. Der Kleinhandel dagegen ist fast ausschließlich in den Händen der Einheimischen und der Chinesen, die einen starken Bestandteil der bürgerlichen Bevölkerung bilden. Sie zählen etwa 8.000 Köpfe; dazu kommen noch Japaner und Koreaner, Ostsibirier aller Stämme, angesiedelte Kosaken aus Südrussland, Russen aus den verschiedensten Landesteilen, kurz, das Völkergemisch auf dem Markte ist ebenso mannigfaltig als interessant. Außer den großen Schiffen der europäischen Nationen sieht man im Hafen zahlreiche chinesische Sampans, aber im Straßenverkehr sind die sonst in Ostasien allgemein üblichen Jinrikschas und Tragstühle völlig von dem kleinen zwei- und dreispännigen russischen Fuhrwerk verdrängt worden. Die größten und hervorstechendsten Gebäude und Anlagen gehören naturgemäß der Marine an. Diese besitzt jetzt sogar ein mächtiges Trockendock zur Aufnahme der größten Panzerschiffe, ferner zwei Schwimmdocks, sowie große Reparaturwerkstatten und Werkstätten zum Bau von Torpedobooten! Überall ist Ordnung und Rührigkeit, und man erhält den Eindruck, dass Wladiwostok eine bedeutende Zukunft hat. Ein schwerer Nachteil für das Aufblühen des Hafens sind allein die Witterungsverhältnisse. Während des Januars und Februars wird der Schiffsverkehr durch das Eis unmöglich gemacht, doch hofft man, der neue Eisbrecher „Stadeschny“ eine der gewaltigsten Maschinen dieser Art, werde künftighin im Stande sein, auch im stärksten Winter eine Fahrrinne offen zu halten.

Wladiwostok, Admiralitäts-Landungsbrücke

Wladiwostok, Admiralitäts-Landungsbrücke

Wladiwostok, Admiralitätsgebäude und Park

Wladiwostok, Admiralitätsgebäude und Park

Wladiwostok, Allgemeiner Landungsplatz und Etablissement des deutschen Kaufhauses Kunst & Albers

Wladiwostok, Allgemeiner Landungsplatz und Etablissement des deutschen Kaufhauses Kunst & Albers

Wladiwostok, Auf dem Markt

Wladiwostok, Auf dem Markt

Wladiwostok, Güterbahnhof und Fort

Wladiwostok, Güterbahnhof und Fort