Kleidung

In seiner Kleidung lässt sich der Orientale von keinem Modedespotismus tyrannisieren, sondern diese bewegt sich im weitesten Spielraum nach gewissen unabänderlichen Regeln. Nur der höhere Beamte, vom Oberschreiber und Doktor an, musste sich in neuerer Zeit, auch in der Provinz, einem höheren Willen fügen und sich einen schwarzen, europäisch-türkischen Anzug (mit Stehkragen am Rock) anschaffen, welcher als Basis aller Zivilisation gilt. Der gemeine Mann in der Stadt trägt ein bis zu den Füßen reichendes oder etwas kürzeres Hemd oder Blouse aus Baumwollstoff mit oder öfter ohne Gürtel. Darunter ist er in kurze leichte Unterhosen geschlüpft oder hat sich mit einem Hüftentuch umschlungen. Nur bei schwerer, nässender oder schmutzender Arbeit wird die Blouse abgelegt. Die Alten waren darin noch weniger bedenklich: der Arbeiter, der Krieger und selbst der König in der Hitze des Kampfes bot sich nur im kurzen Lendentuch oder Schurz. Die wohlgebildete behaarte Brust tritt durch den Vorderschlitz der Blouse in einem breiten Dreieck zu Tage oder ist durch eine buntgestreifte Weste, die unter oder auch über dem Rock angezogen wird, verhüllt. Die Farbe des Rockes ist zumal bei den schwarzen Sudanern und den blassen Beduinen eine weiße, bei dem sparsamen städtischen Ägypter aber, der sich im Wechsel der Wäsche nicht übereilt, vorsichtigerweise zumeist eine blaue. Der oberägyptische Bauer dagegen, daran ist er sofort zu erkennen, trägt einen weiten Rock von braunem Rohwollstoff auch im Sommer, und seine Ärmel, weit genug, um je einen Mannskörper aufzunehmen, hängen fast bis zu den Fußknöcheln herab. Nie fehlt beim Bauer oder Bürgersmann, wenn er über Feld geht, das gestreifte an beiden Enden gefranzte Umschlagtuch ,,Milaje“ (eine Art Plaid), das um die Schulter gehängt wird; es dient zu allerlei Zwecken: als Wärmstoff im Winter, als Kopfkissen beim Ruhen, als Teppich, als schattengebender Vorhang, als Umschlagtuch bei Einkäufen, als Futtertrog und Tischtuch.

Die durch frühe Übung gehärteten Füße gehen nackt, oder sind mit hochroten, vorn meist etwas geschnäbelten Lederpantoffeln, zuweilen auch mit Sandalen bekleidet. Strümpfe oder gar Stiefel sind, als die Ausübung der Religion hindernd, wenig im Gebrauch. Desto sorgfältiger ist das Haupt bedacht. Der Jugend und manchem Arbeiter muss eine weiße Mütze aus Baumwollzeug, die sich genau der Rundung des Schädels anschmiegt und das Ohr frei lässt, genügen. Die reifere oder vornehmere Jugend stülpt über jene noch eine rote Troddelmütze (,,tarbusch“ , türkisch: ,,Fäs“) aus gediegenem westländischem Tuch (die aus europäischem Tuch sind nicht beliebt bei den Eingeborenen), an der eine kühne Quaste von blauer Seide herabhängt. Die Erwachsenen bilden sich durch Umwindung besagter Unterlage, welche meist nur einmal für das Leben angeschafft wird oder von Geschlecht zu Geschlecht sich vererbt, bis sie die letzte Spur ihrer Farbe verloren hat, mit einem gewöhnlich weißen oder roten, bei Nachkommen des Propheten grünen, bei den Kopten schwarzen oder blauen, zusammengefalteten ungeheuer langen Gazestoff den malerischen Turban, jenes achtunggebietende, schwer auf dem Haupt wiegende Symbol des Muselmans. Mancher Fellah und der Derwisch trägt eine dicke Filzmütze von der Form eines umgestülpten Stockscherbens oder eines Zuckerhuts. Der Beduine des Ostens und auch mancher Städter lässt grellfarbige, oft seidene Tücher um Haupt und Schulter flattern als Schutz gegen Sonne und Sturm. In den Zeiten stürmischer Wintertage ist der Eingeborene vor allem auf den Schutz seines rasierten Kopfes bedacht, es scheint ihn nur an diesem trotz der Turbandecke und am Nacken zu frieren, während die unteren Extremitäten nach wie vor der Nacktheit überlassen bleiben. Der schwarze oder weiße oder gestreifte wollene Wintermantel wird dann über den Kopf gezogen oder nur die Kapuze, die oben an demselben angebracht ist. Der lange gestreifte, vom Hals bis zu den Fußknöcheln herabwallende, mit einem tripolis-seidenen oder Kaschmirgürtel zusammengehaltene Kaftan, über dem ein weitärmliges, blauschwarzes Hemd wie eine Toga getragen wird, gehört den besseren Ständen an. Der elegante arabische Herr bezieht sich über dem kostbaren, buntgestreiften seidenen Kaftan mit einem vorn offenen, ebenfalls körperlangen, meist taillelosen feinen Tuchrock von einfacher, aber gern hoher Farbe. Der Türke, und wer sich gern Effendi heißen hört, wirft sich in ein Wams und die üppigen faltenreichen Pumphosen, deren Zwischenstoff in Form eines Sackes kokettierend nachgeschwänzelt wird. In den Gürtel steckt der kriegerische Türke Dolche und Pistolen, der friedliche Arabersohn (so heißt sich der Ägypter, während ,,Araber“ Beduine bedeutet) das Tintenzeug. Eine bequeme, besonders bei Halborientalen (Levantinern, Juden, Syriern) beliebte, auf Straße und Salon noch als fashionabel geltende Mischkleidung ist die Vereinigung des arabischen meist einfach weißen Kaftans mit dem türkischen Wams oder dem europäischen Rock, wobei aber der Turban dem Tarbusch weichen muss. Auch der Beamte vertauscht, sobald es ihm seine Stellung erlaubt, zumal im Sommer, seine ihm unbequeme Uniform (s. oben) mit diesem leichten Anzug, unter dem die bloßen Unterhosen getragen werden. Den Nutzen der Leibwäsche scheint selbst der vornehmere Araber nicht einzusehen, er badet und wäscht sich zwar viel und sorgfältig, aber als Hemd dient ihm meist nur ein ganz leichter, halb durchsichtiger Gazestoff, der zur Aufsaugung des Schweißes wenig geeignet ist. Die Tracht der alten Ägypter war, soweit man aus den Umrissen der Bilder schließen kann, von der jetzigen ziemlich verschieden. Der gemeine Mann trug, wie oben erwähnt, bloß ein Lendentuch oder einen kurzen bis zu den Knien reichenden Rock und auf dem rasierten und stets bartlosen Kopf eine der heutigen ähnliche Schweißmütze, der vornehmere aber einen längeren vielfaltigen, an der Hüfte durch einen Gürtel zusammengehaltenen Rock mit gefranztem Saum, und darüber wohl noch einen weiten Wollmantel, ähnlich dem der heutigen Moghrebiner. Auf dem Kopfe saß eine Perücke, und am Kinn ein künstlicher Bart, statt der Schuhe dienten nur Sandalen.