Gewerbeschau

Die Werkstätten der Gewerbsleute unterscheiden sich wenig von den Buden der Kaufleute, und die Arbeiten dieser Menschen entstehen im Licht der Öffentlichkeit. Nach uralter Regel haben sich die Marktleute meist nach Fach und Zunft geordnet, doch in der Provinz, wo auch die Teilung der Arbeit nicht so ausgesprochen ist, weniger streng als in der IHauptstadt. Diese Ordnung scheint der Kollegialität keinen Eintrag zu tun. Von dem stillen Bezirk der Gewürzkrämer oder Volksapotheken gelangt man zu den gellenden Räumen der Klempner und Kupferschmiede, von den duftenden Herden der Garküche zu den berüchtigten Höhlen der Gerber. Machen wir die Runde bei den Stätten der Gewerbe. Zwar wer heutzutage eine Forschungsreise unternimmt, um die industrielle Tätigkeit der verschiedenen Völker der Erde zum Besten seines Heimatlandes zu verwerten, der wird seine Schritte zuletzt zu demjenigen Lande wenden, von dem einst das erste Licht der Kultur in alle Welt strahlte. Aber dennoch ist eine Gewerbsschau hier gar nicht ohne Interesse; sie ist zum mindesten Heiterkeit erregend, denn hier finden wir sonder Zweifel das leibhaftige Bild der Gewerbstätigkeit der ehrwürdigen Väter des Menschengeschlechts und sehr häufig der altägyptischen Vorfahren selbst. Der Schlüssel zum Verständnis der Werke der heutigen Ägypter ist ihr Grundsatz, aus naheliegenden billigen Materialien Gebilde zu schaffen, die ,,es tun“, wobei Dauerhaftigkeit, Genauigkeit und gar Ästhetik weiter nicht in Betracht zu kommen haben.

Staunend bleiben wir vor der Bude eines sonderbaren Geigers stehen (Fig. 3). Er hat die Schnur seines Fiedelbogens um eine senkrechte Welle geschlungen und versetzt diese durch Hin- und Hertreiben des Bogens in drehende Bewegung. Hierbei wühlt sich der über der Welle vorragende Eisenstift mit seiner lanzettlichen Spitze immer tiefer in das Mark des Rohres ein, das er mit der andern Hand darüber gestülpt hält. Mit wenigen Zügen, welche ein kratzendes, rasselndes Geräusch entlocken, hat der vermeintliche Maestro der Musik eine vortreffliche Pfeifenröhre hergestellt, jenes gemütliche Instrument des Volksglückes. Neben ihm sitzt sein Gehilfe oder Bruder, der Dreher. Sein ganzer sehr transportabler Apparat besteht in einem Fußbrett und zwei darauf senkrechten Brettchen, zwischen welchen vermittelst vorragender Stifte der abzudrehende Gegenstand, ein Holz, ein Knochen, ein Bernstein eingeklemmt wird. Durch den Fiedelbogen in der rechten Hand wird dieses Objekt in Achsenbewegung versetzt, während die linke Hand den scharfen Stahlmeißel ansetzt, der den Gegenstand glatt nagt. Die Stützung des Apparats geschieht durch Anstemmen des nackten rechten Fusses auf zwei Querstäbe, des linken auf das Fußbrett.


Der Schreiner oder Zimmermann, das ist arabisch ein Begriff (der ,,Neggâr“) , hat weder Hobelbank noch in der Regel Schraubenzwinge. Zu was auch so teures Handwerkzeug? Er hockt auf das Brett, das er hobeln und behauen will, stützt sein Scheit mit dem Fuß, oder bei feineren Arbeiten nimmt er seinen Gegenstand zwischen die zweite und die große Zehe seines Klammerfußes, wie es schon die alten Ägypter machten; auch die Zähne kommen ihm als Handwerkzeug zu Statten. Als Maßstab genügt ihm meist eine Schnur oder ein Palmzweig, an denen er sich das Maß merkt, und als Zirkel ein Strick, durch welchen als Zentrum ein Stift eingesteckt ist. Der Bohrer ist ähnlich dem Instrument des Pfeifenmachers und rührt auch aus altägyptischer Zeit her. Er ist ein am Ende lanzettlich verbreiterter Eisenstift, von einer Holzwelle umkleidet. Das obere Ende des Stifts steckt in einem hohlen Knopf oder Nussgelenk, das zumeist eine wirkliche Domnuss (Frucht der Dompalme) ist. Die Welle kommt wieder durch den bekannten Fiedelbogen in Drehung. Die Handhabung dieses Drehbohrers scheint in der Hand des arabischen Handwerksmanns leicht und spielend, der ungeübte Franke greift lieber zum Handbohrer. Das Hauptwerkzeug des Schreiners ist die kleine Axt, in deren Führung er eine große Geschicklichkeit besitzt.

Beim Klempner, Schlosser, Silberschmied bewundern wir das Gebläse; ein kleiner Erdhügel ist von einer alten abgeschnittenen Flintenröhre durchbohrt, und diese mündet gegen den Herd, d. h. ein von einigen losen Steinen zusammengehaltenes Kohlenhäufchen. Der Blasebalg ist ein kegelförmig sich zuspitzender und hier an das hintere Ende des Flintenlaufes angesetzter Bockschlauch, wahrscheinlich ein alter Wasserschlauch. Hinten ist dieser zu einer queren Spalte aufgeschnitten, die Spaltränder sind mit Holzstäben verstärkt. Im Hintergrund der Bude hockt der dickbackige Lehrbube, spielt mit den Fingern einer Hand an den Schlüpfern des Balges, erhebt ihn, den Spalt öffnend, senkt ihn beim Schließen, und die durch den Balg eingeatmete Luft dringt unter dem Erdhügel durch die Flinte und bläst auf die Kohlenglut davor los.

Etwas komplizierter ist das Gebläse des Schmiedes. Hinter einer schiefen Bretterwand befinden sich zwei große zylindrische, durch eine Anzahl Holzreifen gestärkte Lederbälge, beide gegen hinten geschlossen durch einen Holzboden mit Luftloch und Klappe. Durch eine sehr einfache Vorrichtung, nämlich einige an dem Balgboden befestigte senkrechte Holzstäbe, die unten an einem Fußbrett mittelst eines eisernen Ringes charnierartig beweglich sind, werden sie abwechselnd von dem auf dem Fußbrett stehenden Jungen durch Vor- und Zurückziehen für die Luft geschlossen und geöffnet. Die Bälge konvergieren, setzen sich auch in Flintenröhren fort, erst in zwei, dann in einer gemeinschaftlichen, und die Luft bläst auf den vorderen Herd, nämlich einen durch rohe Steine ummauerten Erdwall. Der arabische Hephästus hat seine zerlumptesten Kleider an- oder der Hitze wegen bis auf die Hüften ausgezogen, und die Decke der geräumigen Schmiede ist mit herabhängenden Lappen und Strohmattenfetzen festonniert. Denn, meint er, Eleganz der Ausstattung hilft nichts zur Arbeit. Ein ungeschlachter knorriger Stiel, wie er aus dem Boden wächst, erfüllt ihm für seinen Hammer den Zweck ebenso gut, als ein feingedrehter eingelegter elfenbeinerner Griff und kommt billiger.

Wir werfen einen Blick in die sämtlich offenen Buden der Schneider, Schuster, Sattler, Bortenwirker, Filzarbeiter, Klempner, Kupferschmiede oder Kesselflicker, der Matten- und Korbflechter, und dringen in die zurückgezogeneren halboffenen der Gerber, Indigofärber, Weber, Bäcker, Töpfer. Ein Bettdeckenmacher lockert mit der langen Saite seines harfen- oder schießbogenartigen Instruments die bollicht gewordene alte Baumwolle. Der Silber- und Goldschmied schmilzt das feine Gold der alten Zechinen und österreichischen Ducaten (,,Magar“, d. h. Ungarn), sowie das zinngemischte Silber der Mariatheresienthaler ein und verfertigt daraus mittelst einiger Model, eines einfachen konischen Lötrohres , Zängchen und Hämmer die zierlichsten, sehr gesuchten Schmucksachen. Bei dem Hang der Ägypterinnen zu Gold- und Silberschmuck findet ein solcher Goldschmied in jedem Städtchen sein Auskommen. Die Glasfabrikation, welche ihre Heimat im alten Ägypten, nicht in Phönizien hat und einst hier so berühmt war, ist jetzt auf einige jämmerliche Erzeugnisse herabgesunken. Fast alle Waren dieses Stoffes, sowie des Porzellans, selbst die so allgemein gebräuchlichen, in Europa kaum zu habenden Kaffeetässchen werden aus dem fränkischen Auslande bezogen. Dagegen steht die Töpferei an einigen Orten Oberägyptens (Kenne, Balas, Siut) sehr in Flor, die Prozedur unterscheidet sich kaum von der in Europa gebräuchlichen. Diese Gefäße sind ohne Glasur, porös, und halten daher das Wasser kühl; sie haben noch dieselben Formen, wie die, welche man in den altägyptischen Gräbern findet. Die großen Henkelkrüge aus Balas, und nach diesem Dorf benannt, werden in Flöße zusammengebunden verschifft. Wir sehen das Geschick des auch in diesem Lande stets gesprächigen Barbiers, der sämtliche Schädel, die unter seine Hände kommen, glatt poliert, und daher eine ganz erstaunliche Übung im Rasieren gewonnen hat; seine Kunden beschauen selbstgefällig ihre großen Gesichtszüge in dem vorgehaltenen gestielten Hohlspiegel. Ein Patient wird an irgend einem leidenden Teile durch Schnitte mit dem Rasiermesser in die Kreuz und Quere geschröpft, und das Blut mittelst eines zur Luftverdünnung oben angesaugten und dann mit einer Lederklappe verschlossenen, konisch gestalteten Wiederkäuerhonrs herausgelockt.

In dem untern Gelass eines Hauses in der Mühle sehen wir ein Pferd kreisen, das einen rohen Baumstamm auf seinem Nacken hat, und damit eine Walze, ein Zalmrad und einen Mühlstein in Bewegung setzt. Letzterer bekommt die Getreidekörner aus einem Klappenkasten zugespielt und lässt weiter unten das fertige Mehl und die Kleie durcheinander gemahlen auströmen. Wir erfahren, dass es mit den von den Franzosen einst eingeführten und auf manchen Höhen noch weithin sichtbaren Windmühlen nicht recht gehen will, und dass auch schon das ,,Dampfmehl“, das feine Mehl der Dampfmühlen immer größeren Absatzes sich erfreut. Viel Mehl wird auch in den Häusern gemahlen mittelst einer Handmühle, deren Basis ebenfalls der Mühlstein ist. Sie erfordert immerhin viele Kraft, und das Mahlen wird von stämmigen Sklavinnen oder von Frauen der niedersten Stände versehen. Es beginnt schon beim ersten Tagesgrauen. Die Frauen vereinigen sich gern zu Mahlgesellschaften, singen dabei eigentümliche eintönige Mahlweisen und klatschen mit Hand und — Mund.

Ein ,,Kafasmacher“ zimmert aus den Zweigen der Dattelpalme , so lang sie noch frisch sind , eine Menge billiger gegitterter Möbel, welche bei dem Holzmangel des Landes sehr zu Statten kommen: Bettgestelle, Stühle, Bänke, Käfige, Gitterkisten für allerlei zerbrechliche Waren, z. B. für Gläser, Tonkrüge. Diese Möbel haben freilich die fatale Eigenschaft, dass sie den Wanzen als geeignetster Aufenthalt dienen.

Der ägyptische Handwerker ist geschickt und gelehrig, er erregt selbst Bewunderung, wenn man die Rohheit seiner Werkzeuge bedenkt. Man sieht aber doch einem Gegenstand sofort an, ob er von einem Araber oder Europäer gearbeitet ist. Die Eingebornen wissen das selbst recht gut und verachten sich in solchen Dingen selbst. Ein arabischer Stuhl steht nie ganz sicher auf seinen Füßen; ein Tisch, eine Türe muss immer ein bisschen schief sein, ein Kasten, ein Koffer muss irgendwo klaffen, an einer Blechbüchse ist die Lötnaht jedenfalls schmierig, die Fläche ein wenig eckig, oder es ist ein ganz kleines Löchelchen da.

Der eingeborene Handwerker lernt von Kindesbeinen an: sobald er gehen und sprechen kann, hält er sich den größten Teil des Tages in der Bude seines Vaters auf, hilft und hindert, so gut er kann. Der Sohn ist selbstverständlich Lehrjunge, später Geselle und endlich Nachfolger seines Vaters im Geschäft. Wer keinen Sohn hat, kauft sich dafür einen Sklaven und lehrt ihn sein Handwerk. Sobald der Junge es so weit gebracht hat als der Vater, ist er Meister. Mehr als dieser wissen zu wollen, wäre Vermessenheit. Wird der Alte müde, so ernährt ihn der Dank seiner Jungen.

Im Übrigen kann Jeder treiben was er will. Gewerbefreiheit hat im mohamedanischen Orient von jeher geherrscht. Bei den alten Ägyptern dagegen waren die Zünfte streng geschlossen, kein Handwerker durfte bei Strafe sich in die Geschäfte eines andern mischen, der Sohn trieb stets das Handwerk seines Vaters.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bilder Oberägypten, der Wüste und dem Roten Meere