Bilder Oberägypten, der Wüste und dem Roten Meere

Autor: Klunzinger, Carl Benjamin (1834-1914) deutscher Tropenarzt, Professor für Zoologie, Anthropologie, Hygiene und Publizist, Erscheinungsjahr: 1878
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ägypten, Rotes Meer, Reisebericht, Reisebeschreibung, Sittenbild, Kulturgeschichte, Orient
Vorwort
von Dr. Georg Schweinfurth.

Geistesverwandte Neigungen und ein gleiches Interesse der Wissenschaft führten mich vor 13 Jahren in Kairo mit dem Verfasser dieses Buches zusammen und befestigten in kurzer Zeit zwischen ihm und mir ein dauerhaftes Band der Freundschaft. Als wir uns zum ersten Male in der Kalifenstadt trafen, hatte ich, ein Neuling auf afrikanischem Boden, noch meine erste Lehrzeit durchzumachen, während der deutsche Arzt und Naturforscher, den ich inmitten eines abgelegenen arabischen Quartiers aufsuchte, bereits weit in Sprache und Sittenkenntnis des Volks vorgeschritten war.

Während Andere, die von der fremden Welt sich das Eine oder Andere anzueignen gekommen waren und nicht Willens, auf den heimatlichen Komfort des Hotel-Lebens zu verzichten, diese Welt wie auf einer Schaubühne vor ihren Blicken vorüberziehen ließen, indem sie es dem Zufall anheimstellten, wohin und bis wieweit sich ihre geistigen Fühler erstreckten, lebte Dr. Klunzinger, wie weiland Burkhard, ,,der Sohn des Lutheraners“, und Lane, gesegneten Andenkens, ganz unter den gläubigen Erben des Paradieses. So wie in neuerer Zeit sich das Leben der Europäer im Orient überhaupt gestaltet, kann man seine zwanzig Jahre in Ägypten verlebt haben, ohne von Land und Leuten beträchtlich mehr zu wissen, als in hundert Büchern steht, wo Stubengelehrte über Dinge berichten, die sie nie gesehen haben. Nein, zu dieser Kategorie von Leuten gehörte mein Freund nicht. Wie ich ihn da fand, in seinem Hause von rohen Erdziegeln der Armenpraxis beflissen, von Blinden und Lahmen umlagert, deren Lippen manch salbungsvollen Spruch zum Segen des aufopfernden und uneigennützigen Menschenfreundes ertönen ließen, während er aus den Händen Anderer als ärztliches Honorar zoologisches Material für seine Studien empfing, da musste ich zu einem Genossen hinaufblicken, an dessen Vorbilde meine Augen mit Bewunderung hafteten.

Als ich darauf einige Monate nach meiner ersten Begegnung mit dem Verfasser die Reisen begann, welche mich im Laufe der Jahre von wenig bekannten Gegenden bis zu völlig unerforschten führen sollten, erreichte ich jenen abgeschiedenen Hafenplatz am Roten Meere, wo sich mein Freund inzwischen bereits als Sanitätsarzt niedergelassen hatte. Zu drei verschiedenen Gelegenheiten fand ich in seinem Hause die gastlichste Aufnahme und verlebte an seiner Seite manche Woche, durch den besten Lehrmeister eingeführt in die arabische Welt und zugleich mit den Geheimnissen der unterseeischen Wunderwelt der Korallen vertraut gemacht. Viele Jahre hat mein Freund seitdem in diesem entlegenen Winkel der Erde hingebungsvoll für die Wissenschaft und zum Besten der leidenden Menschheit gewirkt. Noch bewahren ihm die Bewohner Koseir's das dankbarste Andenken, und einen eklatanten Beweis von der Liebe und Verehrung, welche er sich bei ihnen zu erwerben gewusst, gaben ihm die Ältesten dieser Stadt, als sie, nachdem er nach mehrjähriger Abwesenheit in Europa wieder, aber nur als Privatmann, zurückgekehrt war, von der obersten Sanitätsbehörde seine Wiederernennung als ihren Arzt in einer besonderen Petition erflehten.
...
Vorrede

Gar gewaltig ist der Strom der Literatur, der sich seit alten Zeiten, insbesondere aber in neuerer Zeit über das wunderbare Land des heiligen Nil ergossen hat, und doch sind wir weit entfernt, uns einer vollendeten Kenntnis auch nur des eigentlichen Ägyptens rühmen zu dürfen. In Genauigkeit und Wahrheit der Schilderung seiner heutigen Bewohner steht Lane noch immer unerreicht da; aber er hat sich fast nur an die Bürger der Hauptstadt gehalten: vom Landleben, von Oberägypten zumal, existieren eben nur Berichte von Reisenden. In ganz Oberägypten sind bis heute nur wenige Europäer angesiedelt, und diese sind fast ausschließlich griechische Handelsleute, die ihre Erfahrungen nicht publizistisch zu verwerten vermögen. Noch weniger ist dies von den Eingeborenen selbst zu erwarten. Genaue Beobachtungen und Urteile lassen sich nicht durch eine Vogelschau gewinnen, sondern dadurch, dass man sich, wie Lane, mit dem Volk verflicht, wie dieses lebt, allmählich in die Geheimnisse seiner Sitten und seiner Religion, vor allem aber seiner Sprache einzudringen sucht, und dazu gehört ein fester Wohnsitz, eingehendes Studium, Entbehrungsfähigkeit und viel Zeit.

Als ich im Jahre 1863 Europa verlies, mit dem speziellen Zweck, am Roten Meere zoologische Studien und Sammlungen zu machen, beschloss ich, meine Beobachtungen nicht auf Tiere zu beschränken, sondern meine ganze Umgebung verstehen zu lernen, denn, wie Humboldt sagt, nur das, was man versteht, genießt man. Seit jener Zeit, von 1863 — 1869, und mit Unterbrechung einiger Jahre, die ich in Europa zubrachte, von 1872 — 1875, lebte ich in einem kleinen Hafenstädtchen am oberägyptischen Gestade des Roten Meeres, in Koseir als Sanitäts- oder Quarantänearzt, von der ägyptischen Regierung angestellt, hielt mich aber auch viel in dem benachbarten Teil des Niltales, welcher der alten Thebaide oder der heutigen Mudirie Kene entspricht, in Privat- und Amtsgeschäften auf. Als langjähriger Bewohner einer kleinen Ortschaft, wo ich so zu sagen zur Familie gehörte, als Arzt und Regierungsbeamter, als Naturforscher, hatte ich reiche Gelegenheit, Land und Volk kennen zu lernen und eingehende Studien über die Volkssprache zu machen, während es Europäern, die in der Hauptstadt wohnen, äußerst schwer wird, aus ihren Kreisen sich herauszureißen und in die der Eingeborenen einzudringen.

Meine langjährigen Erfahrungen und Beobachtungen habe ich nun in diesem Buche niedergelegt und in ein für das größere Publikum genießbares Gewand zu kleiden versucht. Ich habe nicht die Form der Reisebeschreibung gewählt, wo die Person des Verfassers sich immer lästig breit macht, sondern ich habe den Wissbegierigen an der Hand genommen, und so wandern wir von einem Bild zum andern. Nur bei einigen Kapiteln musste mehr eine beschreibende Darstellung gegeben werden. Als besonders interessant erschien mir die Vergleichung der heutigen Ägypter mit den alten, um so mehr, als die Oberägypter den alten Typus und viele Sitten besonders rein erhalten haben. Die Leser mögen daher Wilkhisons ,,ancient Egyptians“ stets zur Hand haben. Dass die Naturgeschichte nicht kurz weg kam, wird man dem Naturforscher zu gute halten.

Manches aus dem vorliegenden Buche ist den Lesern einiger Zeitschriften z. B. des ,, Ausland“, der ,,Westermann'schen Monatshefte“, der ,, Zeitschrift für Erdkunde“ bekannt, aber Alles ist durchaus umgearbeitet und durch Beobachtungen während meines zweiten Aufenthaltes in jener Gegend reichlich vermehrt worden, andere Kapitel sind durchaus neu.

Der Text ist von einigen bildlichen Darstellungen begleitet, welche ich selbst an Ort und Stelle getreu nach der Natur gezeichnet habe. Sie sind von Herrn Maler Sues in Stuttgart sorgfältig ausgeführt und auf Holz geschnitten.

Berlin, im November 1876.

C. B. Klunzinger

001 Die Stadt Manfalut am Nil

001 Die Stadt Manfalut am Nil

002 Laden eines Krämers

002 Laden eines Krämers

005 Frau aus den niederen Ständen

005 Frau aus den niederen Ständen

013 Ababdeknabe

013 Ababdeknabe

019 Ein „Takruri“ oder freier Schwarzer aus Darfur

019 Ein „Takruri“ oder freier Schwarzer aus Darfur

000 Die Karawanserei Bir Amber bei Kene, auf der großen Karawanenstraße vom Niltal zum Roten Meere

000 Die Karawanserei Bir Amber bei Kene, auf der großen Karawanenstraße vom Niltal zum Roten Meere