4. Alkoholische Getränke

Von den drei Arten alkoholischer Getränke, Branntwein, Bier und Wein, können wir den letzteren fast ganz von unsrer Betrachtung ausschließen, da er, einige weinbauende Gregendend vielleicht ausgenommen, bei uns nicht eigentliches Volksgetränk ist.*) Um so mehr werden die beiden anderen, zum Teil in sehr erheblichen Mengen genossen, und es ist zu untersuchen welchen Einfluss dieser Genuss auf das Volkswohl hat, und wie dem schädlichen Übermaß des Genusses da, wo er vorhanden ist, gesteuert werden kann.

Branntwein wird bei uns fast ausschließlich aus Kartoffeln gewonnen, jedenfalls liefern andre Rohstoffe (Getreidearten, beim Nordhäuser Korn z. B,) nur einen geringen Beitrag. Dies schließt freilich nicht aus, dass zuweilen Mais und andre stärkereiche Rohstoffe gelegentlich mit Verwendung finden, wo dies für den Brenner vorteilhaft ist. Die Stärke wird durch den Maischprozess in Traubenzucker verwandelt, letzterer durch Gärung in Alkohol und Kohlensäure zerlegt, und aus der alkoholhaltigen Flüssigkeit dieser durch Destillation in stärkerer Konzentration abgeschieden.


*) Damit will ich jedoch nicht sagen, dass der Wein niemals zu schweren Schädigungen der Gesundheit führt. Im Gegenteil, dies kommt bei uns und anderswo (z. B. in England) viel häufiger vor als in den wirklichen Weingegenden. Aber einerseits ist es doch nur immer kleinere Anzahl von Personen im Vergleich mit denen, welche dem Branntweingenuss ergeben sind; andrerseits ist sehr häufig der von diesen genossene „Wein“ derart mit Sprit versetzt, dass er sich vom Branntwein mehr durch den Namen und den Preis als durch seine Beschaffenheit unterscheidet.

Abgesehen von unbedeutenden Zusätzen, welche meist nur die Farbe und den Geschmack ein wenig verändern, haben wir es daher im Branntwein mit Alkohol und Wasser allein zu thun. Denn auch der größte Teil dessen, was unter verschiedenen Namen, als Kognak, Rum u. s. w. verkauft wird, ist heutzutage aus gewöhnlichem Spiritus durch Mischung und Zusatz von Färbemitteln und Essenzen bereitet. Obgleich die Ausfuhr von Sprit aus Deutschland infolge der veränderten Zollpolitik fast aller Staaten sehr abgenommen hat, so werden doch auch jetzt noch erhebliche Mengen von Alkohol aus Deutschland nach Frankreich, Spanien und andern Ländern ausgeführt, welche dort zum Verschneiden von Weinen verwandt werden oder von dort zum Teil „veredelt“, d. h, mit allerlei Zusätzen versehen, wieder zu uns zurückkommen und als Kognak, Rum, Chartreuse u. s. w., oder auch als Portwein, Sherry u. d. g. getrunken werden.

Die Wirkung des Branntweins auf den menschlichen Organismus fällt zusammen mit der Wirkung des Alkohols. Die Zusätze, durch welche Liqueure aller Art aus ihm bereitet werden, können seine Wirkung nur unerheblich abändern. Eine Ausnahme hiervon macht vielmehr der Absinth, welcher aber bei uns in geringer Menge getrunken wird, während sein Verbrauch in Frankreich ein sehr bedeutender ist. Von diesem behaupten französische Ärzte, dass er die Wirkungen des Alkohols erheblich verändere. Sie schreiben ihm sehr gefährliche Folgen zu, namentlich soll er die Entstehung von Hirn- und Nervenkrankheiten, Epilepsie, Dementia paralytica u. a. begünstigen.*) Was die andern beliebten Zusätze anlangt, so wissen wir von ihnen wenig, denn die meisten werden erst im Kleinbetrieb vor dem unmittelbaren Ausschank gemacht. Zuckerzusatz bei Liqueuren fügt ja einen nützlichen Nahrungsstoff zu. Aber der eigentliche Schnapstrinker liebt andre „Corrigentien“, welche den Geschmack nicht mildern, sondern eher schärfer machen.

*) Diese kommen aber auch bei uns vor als Folgen von Alkoholmissbrauch.

Ganz anders liegt die Sache beim Bier. Die Bereitung des Biere beruht im wesentlichen auf denselben Prinzipien wie die des Branntweins: stärkehaltige Stoffe, (Gerste, Weizen, zuweilen auch Reis u. a.) werden durch das Einmaischen in Zucker und dieser dann durch Gärung in Alkohol übergeführt. Aber die Destillation fällt fort. Und dies hat zur Folge, dass erstens der Alkoholgehalt des Bieres ein sehr viel geringerer ist, als der des Branntweins, und dass zweitens die fertige Flüssigkeit neben dem Alkohol noch eine Reihe andrer Stoffe enthält, welche ihren Charakter wesentlich bestimmen. Dazu kommt dann noch drittens der Zusatz von Hopfen zu der Bierwürze, welcher chemische Veränderungen hervorruft, einen Teil der gelösten Stoffe niederschlägt und entfernt und den Geschmack und die physiologische Wirkung wesentlich beeinflusst. So ist denn das fertige Bier ein sehr zusammengesetzter Körper, dessen physiologische Wirkungen nicht vom Alkoholgehalt allein bedingt werden. Auch sind die verschiedenen Biere deswegen untereinander viel weniger vergleichbar, als dies mit verschiedenen Schnäpsen der Fall ist.

Bier enthält neben Alkohol vorzugsweise noch geringe Mengen von Eiweißkörpern, die sogenannten Extraktivstoffe, d. h, Dextrin und Zucker, Salze und Kohlensäure. Die Eiweißkörper beeinträchtigen die Haltbarkeit des Biers, sind daher besonders bei den Lagerbieren bis auf geringe Spuren entfernt. Die Extraktivstoffe, Dextrin und Zucker, rühren von der nicht vollkommen zu Ende geführten Gärung her, welche auch den Kohlensäuregehalt bedingt. Man hat diesen Stoffen zu lieb, welche ja wertvolle Nahrungsstoffe sind, dem Bier einen hohen Nährwert zugeschrieben. Ich will jedoch hier von vornherein bemerken, dass es diesen nur in geringem Grade hat. Bier ist kein Nahrungsmittel von irgend welcher Bedeutung, sondern ein Genussmittel. Nur als solches darf es betrachtet werden, wenn man seinen Wert für den Menschen richtig beurteilen will. Wer Dextrin und Zucker genießen will, kann sich diese Stoffe billiger und bequemer in andern Formen verschaffen und auch der Umstand, dass sie im Bier schon gelöst sind, kommt, wenigstens für den gesunden Menschen, nicht in Betracht. Es wäre jedenfalls nationalökonomisch durchaus nicht zu rechtfertigen, den größten Teil der Stärke des Getreides in Alkohol zu verwandeln, um einen geringen Bruchteil derselben als wertvollen Nahrungsstoff zu genießen, wenn dazu nicht andre Gründe vorlägen. Ebenso wenig Wert lege ich auf die Anpreisung der im Bier enthaltenen Salze. Abgesehen davon, dass diese Salze auch auf andre Weise billiger zu beschaffen sind, ist ihr hoher Wert für die Ernährung überhaupt problematisch.

Bier und Branntwein sind also alkoholische Genussmittel. Im Branntwein genießen wir den Alkohol fast rein und in starker Konzentration, im Bier stark verdünnt und gemischt mit einer Reihe andrer Stoffe, welche dem Getränk einen besondern Charakter geben und seine Wirkungsart beeinflussen. Um diese Wirkungen zu studieren, müssen wir untersuchen, wie der Alkohol in verschiedenen Graden der Verdünnung wirkt, und wie diese Wirkung durch die andern Bestandteile des Biers beeinflusst wird.