Vorwort - Fortsetzung

Die bisherigen Schriften zur Verteidigung des biblischen Glaubens gingen hauptsächlich von drei verschiedenen Gesichtspunkten aus: Die Einen glaubten mit völliger Zurückweisung aller gegen den biblischen Inhalt sprechenden Resultate der Naturforschung, mochten sie auch durch wiederholte Beobachtungen aufs unzweideutigste bestätigt sein, ihren Zweck zu erreichen; die Andern wollten zwischen Bibel und Naturforschung vermitteln, und da sie entweder nicht den Mut oder die Kenntnisse dazu hatten, gewisse Annahmen der letzteren zu widerlegen, so drehten und deutelten sie so lange an den Bibelworten herum, bis sie zu ihrer Auffassung passten; eine dritte Richtung wollte in dem hier vor allen Dingen in Frage kommenden Schöpfungsbericht gar keine mit Absicht einer geschichtlichen Erzählung geschriebene Darstellung, sondern nur eine für das religiöse Leben bestimmte ideale Geschichte der Schöpfung finden. Die erste dieser Auffassungen verdient zwar, sofern sie ihre Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nimmt, unsere Achtung, aber dass eine solche nicht geeignet ist, bei Verstandesmenschen Anklang zu finden, versteht sich von selbst und deshalb kann man dies auch keine Verteidigung der Bibel nennen. Die beiden letzten Anschauungen können zwar auch dem individuellen Bedürfnis, seine wissenschaftliche Erkenntnis mit dem geoffenbarten Glauben und den Erfahrungen des Herzens in Übereinstimmung zu bringen, vollständig genügen, einem am Glauben Schiffbruch Leidenden werden sie aber nie das rettende Seil werden. Das vorliegende Werk geht nun allerdings von ganz andern Grundsätzen aus, der Verfasser desselben sucht den Irrtum vielmehr in der Auslegung der Resultate der Naturforschung (nicht in den Resultaten selbst) als in einer falschen Auffassung des biblischen Berichts. Er ist der Ansicht, dass, wo die Sprache der Bibel klar und deutlich ist, wir sie auch buchstäblich zu nehmen haben, und uns nur da erlaubt ist, einen andern Sinn als den buchstäblichen anzunehmen, wo entweder die Sprache an sich oder andere Stellen der Bibel einen tieferen Sinn vermuten lassen. Eine andere als bloß buchstäbliche Auffassung darf aber nie gegen den ganzen Geist der Bibel verstoßen, denn sonst ist es eben keine Erfassung des geistigen Sinnes, sondern eine Fälschung desselben, leitet uns z. B. der Wortlaut des Schöpfungsberichts darauf, die Schöpfungstage nicht als 24 stündige Tage, sondern als längere Perioden aufzufassen, so dürfen diese Perioden doch nie so lang angenommen werden, dass sie außer allem Verhältnis zu der sonstigen schnellen Wirksamkeit Gottes stehen. Wenn deshalb manche Theologen bereit waren, die Schöpfungstage als Zeiträume von Millionen von Jahren anzunehmen, so ist dies doch ein ganz offenbarer Verstoß gegen die Allmacht Gottes, sowie gegen den in der Bibel dargestellten Zweck und Zukunft der Erde. Was wäre das für eine Schöpferstätigkeit, die zur Erschaffung jeder Organismen-Art einen Zeitraum von vielleicht mehreren Tausend Jahren brauchte! Es verstößt gegen den ganzen Geist der Bibel, die uns große Wunder in schneller Aufeinanderfolge erzählt, für die Wunder, die noch am leichtesten anerkannt werden, so große Zeiträume in Anspruch zu nehmen. Der Schwerpunkt der ganzen Frage liegt freilich in der Geologie, und deshalb war es des Verfassers erste Sorge, eine Theorie aufzustellen, vermöge welcher sich die Bildung der sedimentären Ablagerungen in viel kürzerer Zeit annehmen lässt, als es nur je einem Geologen in den Sinn gekommen ist. Weil aber sowohl Dieses, wie verschiedene andere Erörterungen eine rein wissenschaftliche Behandlung erforderten, erschien es, besonders auch im Hinblick darauf, dass der Verfasser hofft, seine wissenschaftlichen Ansichten von manchen Naturforschern akzeptiert zu sehen, notwendig, den ganzen Stoff streng in naturwissenschaftlichen und religiösen zu scheiden und demgemäß in zwei Bände zu verteilen. Durch den ganzen ersten Band geht unausgesprochen das Bestreben, nicht die biblische Erzählung geradezu zu rechtfertigen, sondern vom Standpunkte eines die Tatsachen prüfenden nüchternen und unparteiischen Naturforschers aus zu einer Weltanschauung zu gelangen, welche für die biblische Erzählung Raum lässt. Dieser Band enthält deshalb in Bezug auf viele Dinge, die der Glaube nicht preisgeben darf, keine spezielle Beweisführung, sondern stellt nur die naturwissenschaftliche Möglichkeit des biblischen Berichts fest. Es mag in Folge dessen nicht ausbleiben, dass manche gläubige Christen in Bezug auf diesen ersten Band sich getäuscht sehen oder wohl gar Anstoß daran nehmen; diese verweist der Verfasser nur darauf, in Geduld das Erscheinen des zweiten Bandes abzuwarten, wo sich alle Missverständnisse, sofern sie nicht auf völliger Unkenntnis der Resultate der Naturforschung beruhen, ausgleichen werden. Es wird wenigstens im zweiten Teil gezeigt werden, dass man bei der Annahme der im ersten Bande aufgestellten Naturphilosophie die biblische Wahrheit in keinem Stück verleugnen muss, ja es werden sogar einzelne Erzählungen naturwissenschaftlich bewiesen werden, von denen dies im ersten Teil nicht geschehen konnte, weil sie nicht gerade in die Naturphilosophie gehören, sondern speziell biblisch sind. Es muss überhaupt festgehalten werden, dass der Verfasser sich bei Abfassung des ersten Bandes auf einen ganz anderen Standpunkt gestellt hat, als sein religiöser eigentlich ist, nämlich auf den eines Naturforschers, dem es nicht speziell um Rechtfertigung des christlichen Glaubens zu tun ist, sondern der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Existenz Gottes, der Seele, des freien Willens, überhaupt solcher Dinge, die allen Religionen gemeinsam sind, die noch ein Recht auf diesen Namen haben, zu beweisen. Im zweiten Bande spricht dann erst der christliche Naturforscher, der die wissenschaftlichen Ergebnisse des ersten zur Rechtfertigung der Bibel benutzt. Es schien diese Sonderung des naturwissenschaftlichen und religiösen Stoffs durchaus notwendig, um die Grenzlinie zwischen beiden Gebieten festzustellen und dadurch bei dem Naturforscher die Furcht vor dem Übergriff der Religion in sein Gebiet zu beseitigen. Deshalb sind für alle Annahmen im ersten Bande auch nur naturwissenschaftliche Gründe geltend gemacht worden. Es mögen zwar Manche der Ansicht sein, dass der Verfasser gewisse Lehren der Philosophie preisgegeben hat, die sie als notwendigen Bestandteil einer spiritualistischen Weltanschauung ansehen; allein dies hat seinen Grund nur darin, dass sie die gelernten philosophischen Anschauungen zu lieb gewonnen haben und die Beweiskraft gewisser naturwissenschaftlicher Tatsachen unterschätzen, dagegen auf philosophische Beweisführungen zu großen Wert legen. Auch kann man persönlich in manchen Erscheinungen eine Bestätigung seiner Ansicht finden, die gegen die Materialisten gleichwohl als Beweis nicht zu brauchen sind, weil die Wahrheit derselben von diesen bestritten wird, wie z. B. verschiedene Erscheinungen des Traumlebens und des Ahnungsvermögens. Ebenso werden auch Andere sich finden, die da meinen, dass der Verfasser manches speziell biblische der Naturwissenschaft gegenüber noch verteidigen konnte, was er nicht getan hat. Denen kann er indessen versichern, dass er in der Verteidigung der Wahrheit nicht nur so weit gegangen ist, als die naturwissenschaftlichen Tatsachen es zulassen, sondern auch so weit, als es überhaupt nötig war, um den Offenbarungsinhalt der Bibel sicher zu stellen. Solche Ansichten mögen meist darin ihren Grund haben, dass diese verehrten Leser weder die Fortschritte der Naturwissenschaften noch die Anmaßungen des Materialismus kennen. Solche Leser werden sich aber bei dem aufmerksamen Durchlesen des ganzen Buches von der Wahrheit des eben Gesagten überzeugen.

Wird es vorläufig nicht an Bedenken von gläubiger Seite fehlen, so in noch viel höherem Grade von Seiten der Naturforscher. Man wird dies Werk vielleicht als ein revolutionäres bezeichnen, das einen großen Teil dessen, was die größten Naturforscher aufgebaut haben, keck umstoßen wolle. In der Tat ist der Verfasser in vieler Beziehung nicht nur anderer Ansicht als die meisten Naturforscher, sondern er vertritt sogar viele Annahmen, die bisher kein Naturforscher vertreten mochte. Er hat deshalb, wo ihm irgend eine Autorität bekannt war, die die gleiche Ansicht ausgesprochen, sich gern darauf berufen. Dabei blieb aber immer noch eine ganze Menge neuer Ausstellungen, welche, wenigstens so weit dem Verfasser bekannt, bis jetzt keine Vertreter gefunden haben, ja welche mitunter den herrschenden Annahmen diametral entgegen stehen. Dieselben aber deshalb von vornherein zu verurteilen, wäre absurd, und so etwas erwartet der Verfasser von keinem Leser, sondern vielmehr eine genaue Prüfung der Gründe für und wider. Dass der Verfasser sich vornimmt, Annahmen zu widerlegen, die man unter den Naturforschern schon als gewiss angesehen hat, ist kein Grund gegen die Wahrscheinlichkeit seiner Behauptungen. Was in aller Welt haben nicht schon die Naturforscher von Newton an bis auf Humboldt als ausgemachte Wahrheit angesehen und schließlich hat es sich doch als falsch erwiesen. Der Verfasser erinnert hier nur an die sog. Imponderabilien und an die Wilson'sche Erklärung der Sonnenflecken, woran sich die weitere Annahme über die Konstitution der Sonne schloss. Die Astronomen und Physiker von Wilson an bis auf Herrschel, Arago und Humboldt haben angenommen, das Licht der Sonne entstehe in einer Atmosphäre derselben, während der Sonnenkörper keineswegs glühend sei. Bode glaubte in den Sonnenflecken sandigen, felsigen Boden und Meere zu erkennen, während Andere unter der, so bedeutende Hitze ausstrahlenden Photosphäre Organismen ungestört gedeihen ließen. Der Verfasser konnte sich, als ihm in seiner Jugend (zu einer Zeit, wo die Entdeckung Kirchhoffs und Bunsens schon gemacht war, aber noch nicht allgemein anerkannt wurde) diese Annahmen vorgetragen wurden, des Lachens über solchen Unsinn kaum enthalten, und es schien ihm schon damals „die Wilsonsche Hypothese in solchem Grade sichern physikalischen Erkenntnissen zu widersprechen, dass sie selbst dann verworfen werden müsste, wenn man nicht im Stande wäre, die Erscheinungen der Sonnenflecken auch nur einigermaßen begreiflich zu machen." Ein anderes Beispiel ist die Unveränderlichkeit der Arten. Ehe der Darwinsche Fund getan wurde, behaupteten die meisten Naturforscher nicht nur die Unmöglichkeit der Entstehung neuer Arten durch Variation, sondern die bibelfeindliche Richtung behauptete auch die Unmöglichkeit der Entstehung verschiedener Menschenrassen aus einer Urform. Heute sind gerade die letzteren entschiedene Anhänger Darwins geworden, aus einem Extrem in das andere verfallen. Dies gilt namentlich auch von Carl Vogt. Diese Männer scheinen indessen z. Th. ihre wissenschaftliche Überzeugung nach ihren bibelfeindlichen Herzenswünschen zu modeln. Erst, als die Deszendenztheorie noch zu wenig begründet war, behauptete man, dass die Verschiedenheit der Menschenrassen zu groß sei, als dass sie gleichen
Ursprung haben könnten. Jetzt sollen nicht nur die Arten einer Gattung, sondern nach dem Ultradarwinismus alle Organismenarten von einer einzigen Urform abstammen. Nach diesen wenigen Beispielen kann man beurteilen, wie geringen Wert oft die Meinungen der berühmtesten Naturforscher haben. (Damit soll indessen ihr sonstiges Verdienst um die Wissenschaft keineswegs herabgesetzt werden.) Deshalb lässt sich auch daraus, dass in dem vorliegendem Werke von den Meinungen berühmter Naturforscher oft sehr abweichende Anschauungen vertreten werden, noch keineswegs schließen, dass dieselben falsch sind, denn nur zu oft hat sich die Naturforschung, durch berühmte und auch in vieler Beziehung verdienstvolle Männer auf falsche Wege leiten lassen. Die Autorität solcher Männer war oft die Ursache, dass man Jahrzehnte lang eine Meinung beibehielt, die eine genaue Beurteilung der Resultate der Naturforschung längst als falsch erwiesen hatte. So hat z. B. auch Cuviers Ansehen die Paläontologie längere Zeit auf Abwege geführt. Richtiger ist es, Hypothesen nur nach dem Gewicht der Tatsachen und nicht nach der Autorität ihrer Urheber zu beurteilen. Tut man dies auch dem vorliegenden Werke gegenüber, so wird man finden, dass viele in demselben aufgestellte Hypothesen durch die Tatsachen bewiesen, keine aber durch dieselben widerlegt wird. Über die naturwissenschaftliche Möglichkeit dürfen die Anhänger des Spiritualismus aber mit demselben Recht verfügen, wie die Gegner über die Zeit.


Obgleich der Verfasser viel Mühe auf das Zustandekommen des Werks verwendet hat, will er dasselbe doch keineswegs für etwas Vollkommenes ausgeben. Tatsächlich übersteigt eine solche Aufgabe die Kraft eines einzigen Menschen, und es wird auch auf Erden Alles unvollkommen bleiben. Gleichwohl wird es nicht ratsam sein, schnell daran zu ändern, indem das Werk wie aus einem Guss hervorgegangen dastehen muss, wenn sich nicht alsbald Widersprüche ergeben sollen. Man wird deshalb wohltun, vorläufig entweder das Ganze anzunehmen oder das Ganze zu verwerfen.

Der Verfasser beabsichtigt durch sein Werk nicht, entschiedene Gegner des Christentums zu überzeugen, sondern vielmehr nur Schwache im Glauben zu befestigen. Die Christen sind es der Welt schuldig, den Beweis zu führen, dass der biblische Glaube nicht gegen die Vernunft verstößt. Freilich wird auf diesem Weg Niemand zum seligmachenden Glauben und zu einer Überzeugung des Herzens gelangen, dazu bedarf es vielmehr der Wirksamkeit des heiligen Geistes. Aber doch ist es ein großer Unterschied, im Verstande überzeugt zu sein, dass die Bibel auf Wahrheit beruht, oder Gründe zu haben, die Unvereinbarkeit derselben mit den Tatsachen zu behaupten. Jedenfalls wird man im ersten Fall einer weiteren Förderung in der Wahrheit viel zugänglicher sein. Es ist des Verfassers sehnlichster Wunsch, dass sich Solche vom Geist Gottes weiter in alle Wahrheit leiten lassen möchten, so dass sie zum lebendigen Glauben an ihren Erlöser und Versöhner gelangen und zuletzt sagen möchten: „Wir glauben nun fort nicht um deiner Rede willen, wir haben selbst gehöret und erkannt, dass dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland." Wer diesen Grund gefunden hat, den macht Nichts mehr an der Wahrheit der Bibel irre, denn er trägt den Beweis derselben in sich selbst. „Wer an den Sohn Gottes glaubet, der hat solches Zeugnis bei ihm." Und wenn dieses Werk Veranlassung würde, einige Wankelmütige im Glauben zu befestigen, und nur Einer von ihnen so weit käme, wie eben geschildert, dann hätte es schon seinen Zweck erreicht. Gott aber segne es vielmehr an Vieler Herzen!
                        Der Verfasser.