Ausdehnung des Stoffes und der Kraft.

Viele Naturforscher behaupten mit mehr oder minder Zuversicht, der Stoff habe eine unendliche Ausdehnung und die Kraft sei unerschöpflich. Büchner meint, wenn es nach den Gesetzen des Denkens unmöglich sei, sich eine Endlichkeit des Raumes auch nur vorzustellen, so sei auch eine Endlichkeit des Stoffes undenkbar.*) Dies ist aber, wie sich jeder Unbefangene sagen wird, keineswegs richtig.

*) Wenn er auch von einer Vorstellung der Teilbarkeit der Materie ins Unendliche spricht, so ist dieselbe durchaus nicht in den Denkgesetzen begründet, denn wir können uns kleine, unteilbare Atome ganz gut vorstellen; es wird ihm als Sensualist, der zur Erklärung von Erscheinungen gern anschauliche Begriffe zu Hilfe nimmt, auch nicht im Ernste einfallen, die zu diesem Zweck angenommene Atomen-Hypothese zu verwerfen. In diesem Fall muss er aber auch die entgegengesetzte dynamische Hypothese verwerfen und dieselbe darum auch nicht für seine Zwecke verwerten. Die durch unsere Mittel unteilbaren Atome sind eine zur Erklärung der Naturerscheinungen notwendige Annahme und man darf nicht einmal ihre Existenz behaupten und bei einer anderen Gelegenheit die gegenteilige Ansicht zur Unterstützung seiner Hypothesen verwenden.


Vielmehr ist in den Denkgesetzen die Annahme der Endlichkeit der Materie begründet, dagegen die Unendlichkeit derselben etwas, von dem wir uns keine Vorstellung machen können. Aber auch die Erscheinungen sprechen entschieden für eine Endlichkeit der Materie. Stellen wir uns den Stoff aus lauter Atomen bestehend vor, die sich nach bereits oben über die Schwingungen Erörtertem wenigstens im Ruhestande auf keiner Seite berühren können, so folgt, dass zwischen allen und jeden Atomen noch ein unbedingt leerer Raum vorhanden ist.*) Denn da ein in Schwingung befindliches Atom oder Molekel zu seiner Schwingung Raum braucht und es logisch undenkbar ist, dass ein Atom in das andere eindringen könnte, wir denselben vielmehr den Charakter der absoluten Undurchdringlichkeit zuerkennen müssen, so muss dieser Raum auch wirklich vorhanden sein. Ist aber zwischen jedem Atom ein leerer Raum vorhanden, so folgt daraus zugleich, dass alle leeren Räume in Zusammenhang stehen; denn wenn wirklich bei der Schwingung sich zwei Molekel berühren könnten, was noch sehr zu bezweifeln ist, so bleibt auf der anderen Seite immer noch ein leerer Raum und mehr wie drei Atome können sich unter allen Umständen nicht berühren. Wir müssen deshalb als unterscheidendes Kennzeichen des Raumbegriffs den ungetrennten und untrennbaren Zusammenhang, als Kennzeichen des Begriffs der Materie dagegen die Getrenntheit derselben feststellen. Man sieht also, dass zwischen den Eigenschaften des Raumes und des Stoffes ein entschiedener Gegensatz besteht, und dass es unlogisch ist, aus einer Eigenschaft des ersteren auf das Vorhandensein derselben bei dem letzteren zu schließen. Wenn wir uns nun den Raum als unendlich denken müssen, so folgt daraus keineswegs, dass der Stoff unendlich ist, sondern wir müssen vielmehr nach Analogie des eben erörterten Gegensatzes auf die Endlichkeit, auf die begrenzte Ausdehnung des Stoffes schließen.

*) Büchner sagt zwar: „Die Physik lehrt, dass es nirgends einen leeren Raum gibt und auch niemals gegeben haben kann"; wir müssen jedoch diesen Satz als eine in die Form der Wahrheit gekleidete Fälschung zurückweisen. Sofern es sich nämlich um den wägbaren Stoff handelt, weist uns die Physik schon in der Terricellischen Leere einen leeren Raum nach und wir müssen für den Raum zwischen den Himmelskörpern aus denselben Zustand schließen. Sofern es sich aber um die Erfüllung mit Äther handelt, so ist dies ein Stoff, den noch kein Physiker auf seiner Wage, noch kein Chemiker in seiner Retorte nachgewiesen hat, sondern den man vielmehr bloß zur Erklärung der Erscheinungen anzunehmen sich gezwungen sieht. Derselbe Zwang aber führt uns auch zur Annahme absolut leerer Räume zwischen den Ätheratomen. Von einem Nachweis, dass überhaupt kein leerer Raum existieren könne, kann erst gar keine Rede sein.

Einen andern Grund für die Unendlichkeit des Stoffes in seiner Ausdehnung finden die Materialisten darin, dass im Falle des Gegenteils kein Gleichgewicht in der Körperwelt des Weltalls bestehen könnte, sondern dass bei einer Begrenzung desselben die Anziehung nach dem Schwerpunkt desselben, also nach dem Mittelpunkt hin stattfinden, und also eine Vereinigung der Weltkörper zu einem einzigen ungeheuren Körper eintreten müsse. Allein wenn das Gleichgewicht im Weltall, selbst eine Unendlichkeit desselben angenommen, nur auf der gegenseitigen Anziehung der Weltkörper beruhte, so wäre es schon längst vernichtet. Wäre nämlich der Weltraum mit einer Menge gleich großer und gleich schwerer Körper gleichmäßig erfüllt, so dass einer von dem andern gleichweit abstände, so wäre durch die gegenseitige Anziehung bei unendlicher Ausdehnung nicht nur ohne jegliche Bewegung der Weltkörper die Erhaltung des Gleichgewichts überhaupt möglich, sondern wir müssten sogar in Berücksichtigung der schon bei den irdischen Erscheinungen erkannten Anziehung und bei wirklicher Abwesenheit einer Bewegung der Himmelskörper in Folge derselben, auf die alleinige Herstellung des Gleichgewichts durch gegenseitige Anziehung und also auf die Unendlichkeit des Stoffes schließen. Diesen Zustand finden wir aber, wie bekannt, keineswegs im Weltraume. Schon in unserm Sonnensystem finden sich Körper von der verschiedensten Größe und Gewicht, und stehen in den verschiedensten Entfernungen voneinander; dasselbe findet sich auch bei den Fixsternen, bei welchen die verschiedene Größe nicht nur durch verschiedene Leuchtkraft, die uns eigentlich kein sicheres Resultat gibt, sondern vielmehr durch die Bewegungen der Doppelsterne verraten worden ist. Findet aber in der Größe und Anordnung der Weltkörper keine solche Regelmäßigkeit statt, so kann das Gleichgewicht auch bei unendlicher Anzahl derselben Nicht durch die gegenseitige Anziehung erhalten werden, sondern es bedarf dazu einer gewissen Bewegung derselben. Und diese ist es denn auch, welche überall das Gleichgewicht erhält. Hätten z. B. die Planeten keine Revolutionsbewegung., so müssten sie sämtlich der Anziehung der übermächtigen Sonne zum Opfer fallen und in sie hinein stürzen; nur die Umlaufsbewegung schützt sie vor diesem Schicksal, nicht die Anziehung anderer Weltkörper von der entgegengesetzten Seite. In solchem Zustande könnte die Sonne mit ihrem Planeten-System allein im Raume bestehen, ohne dass wir für die Stabilität desselben etwas zu fürchten hätten. Ebenso verhält es sich mit den Weltsystemen, den großen Fixsternkomplexen; auch bei diesen wird das Gleichgewicht nur durch die Bewegungen der Fixsterne um einen gemeinsamen Schwerpunkt erhalten. Für den Fixsternkomplex, dem unsere Sonne angehört, darf man dies bereits als vollständig erwiesen ansehen, und für die andern darf man auf ein gleiches Verhältnis) schließen. Wie könnte es auch anders sein? Die ungleiche Größe und Entfernung der leuchtenden Fixsterne von einander lässt keiner andern Annahme Raum, als dass sie nur durch ihre Bewegung im Gleichgewicht erhalten werden; die dunklen Weltkörper aber, die sich noch im Weltraume befinden, stellen die Gleichförmigkeit auch nicht her, wie wir nicht bloß an unseren Planeten, sondern auch an den in der Nähe des Sirius sich befindenden dunkeln Körper wahrnehmen können. Der Sirius hat nämlich eine Helligkeit, die, soweit unsere jetzigen Kenntnisse einen solchen Schluss gestatten, auf ein mindestens 60 mal so starkes Licht schließen lässt, als es unsere Sonne ausstrahlt. Daraus kann man schließen, dass er unter allen Umständen um ein Mehrfaches größer sein muss, als unsere Sonne; wenn sich nun aber in seiner Nähe noch ein großer dunkler Weltkörper befindet, so geht daraus unwiderleglich hervor, dass die dunklen Körper keine gleichförmigere Verteilung des Stoffes im Weltraum bewirken. Wenn wir nun auch tatsächlich von einer Bewegung der Fixsterne noch gar nichts wüssten, so müssten wir schon aus den in unserm Sonnensystem stattfindenden Bewegungen und aus der Erhaltung des Gleichgewichts durch dieselben schließen, dass auch in den Fixsternen dasselbe stattfände. Nun ist aber die Bewegung der Fixsterne durch eine Reihe der genauesten Beobachtungen erwiesen, und wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass durch dieselben das Gleichgewicht im System erhalten wird. Was aber für alle Systeme (Nebenplaneten-, Hauptplaneten- und Fixsternsystem) unseres Fixsternkomplexes gilt, darf man nicht nur für alle andern Fixsternsysteme als ebenfalls existierend voraussetzen, sondern wir dürfen sogar schließen, dass wie die Hauptplaneten mit den um ihnen sich bewegenden Nebenplaneten, und die Sonne mit den um ihr sich bewegenden Hauptplaneten, sich mit allen Fixsternen unseres Fixstern- oder Weltsystems um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegt, also wieder die Gesamtheit der Weltsysteme sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt, um den Schwerpunkt des ganzen Weltalls bewege, und durch diese verschiedenen Bewegungen das Gleichgewicht im Metall erhalten wird.

Aus diesen drei bis jetzt erörterten Tatsachen, nämlich der Getrenntheit des Stoffes im Gegensatz zu dem untrennbaren Zusammenhang des leeren Raumes, der ungleichmäßigen Verteilung des Stoffes im Weltraum und der Erhaltung des Gleichgewichts in der Körperwelt durch Bewegungen derselben, — alles Dinge, die kein Naturforscher, wenn er unparteiisch sein will, bestreiten wird, — geht nun unwiderleglich hervor, dass der wägbare Stoff, die Körperwelt, eine begrenzte Ausdehnung hat, dass er nicht unendlich, sondern endlich in der Ausdehnung ist.*)

*) Es wird uns allerdings nie vergönnt werden, eine Bewegung der Weltsysteme um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt nachzuweisen, weil bei dem ungeheuren Durchmesser einer solchen Bahn und der auf alle Fälle äußerst geringen Winkelgeschwindigkeit eine solche Bewegung sich nur in ungeheuer langen Zeiträumen wird entdecken lassen. Aber wenn, was freilich noch weniger möglich ist, sich die Unbeweglichkeit der Weltsysteme heraus stellte, so wäre dadurch noch keineswegs die Unendlichkeit des Stoffes erwiesen, sondern es siele dadurch nur ein Grund gegen dieselbe, während sich die Endlichkeit desselben auch bei dem Stillstand der Weltsysteme erklären ließe. Zerbrechen wir nämlich einen Körper und passen die Stücke wieder zusammen, so haften die Teile nicht ohne Weiteres wieder; wir können nun, da der Zusammenhang der Körper auf der Anziehung der Atome beruht, annehmen, dass die Entfernung der Atome von einander so groß geworden ist, dass die Atomanziehung nicht mehr wirksam sein kann, sondern bloß die Massenanziehung. Dasselbe aus die Entfernungen der Himmelskörper angewendet, könnten wir allerdings annehmen, dass auch die Entfernung zwischen zwei Massen so groß werden kann, dass die Gravitation nicht mehr wirksam ist. Aus diese Weise würde es sich erklären, dass die Weltsysteme auch ohne Bewegung um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt, bei der Begrenzung des Weltalls in ihrer gegenseitigen Lage verharren können. Wir werden indessen aus diese Anschauung keine weitere Rücksicht nehmen, da wir unsere obige Entwicklung von der Bewegung der Weltsysteme als vollkommen begründet ansehen.

Hat aber der wägbare Stoff nur eine begrenzte Ausdehnung, so können wir bei dem unwägbaren, dem Äther, auf dasselbe Verhältnis schließen. Auch ist der eine Grund, den wir für die Endlichkeit der Körperwelt des Weltalls anführten, nämlich den der Getrenntheit der Materie, auf den Äther auch anwendbar. Dann aber ist der Äther der Vermittler der Kraft; wenn nun die Stabilität der Welt nicht sehr schnell gestört werden soll, so muss bei der Begrenzung des wägbaren Stoffes auch die im Weltraum vorhandene, an den Stoff gebundene Kraft ein beschränktes unveränderliches Quantum haben. Wir werden nämlich später finden, dass der Weltäther nicht bloß der Überträger der Kraft von einem Weltkörper zum andern ist, dass er nicht bloß Licht- und Wärmestrahlen durch sich hindurchlassen oder fortpflanzen, sondern auch eine gewisse, wenngleich im Verhältnis zur strahlenden Wärme sehr geringe Kraftmenge dauernd in sich aufnehmen kann. Er kann, physikalisch geredet, nicht bloß fortschreitende, sondern auch stehende Schwingungen machen und deshalb eine gewisse, wenngleich gegenwärtig sehr niedrige Temperatur besitzen. Die unerschöpfliche Kraftmenge, wie sie von den Materialisten angenommen wird, ist eigentlich nach ihrer Meinung an die Unendlichkeit des wägbaren Stoffes gebunden; da wir nun die Endlichkeit desselben nachgewiesen haben, so fällt damit auch schon die Unerschöpflichkeit der Kraft. Wollen dieselben indes auch nach unserem Vorgang den Weltäther als Träger der Kraft, nicht als bloßen Vermittler ansehen, so ist gleichwohl dadurch weder eine Unendlichkeit des Äthers noch eine Unerschöpflichkeit der Kraft zu beweisen. Der Äther hat auf alle Fälle eine äußerst niedrige Temperatur; diejenige welche ihm Poisson zuteilt (— 60° C.) mag noch viel zu hoch sein. Sie mag aber übrigens noch so hoch sein als sie will, auf alle Fälle ist sie im Vergleich zu der Erdtemperatur eine sehr niedrige, von der Temperatur der Sonne noch gar nicht zu sprechen. Damit wird aber zugleich bewiesen, dass die Kraftmenge im Verhältnis! zum unwägbaren Stoff nicht unerschöpflich ist, sondern nur insoweit als unerschöpflich gedacht werden kann, als eben der Äther unendlich ist in seiner Ausdehnung. Dieses einmal angenommen, so würde, da der Äther eine so niedrige Temperatur hat, der wägbare Stoff aber als begrenzt in der Ausdehnung dem unbegrenzten Äther gegenüber gering genannt werden müsste, — so würde sich die Schwingungskraft der Weltkörper sehr bald in den unendlichen unbegrenzten Äther zerstreuen und alles Leben im Weltraume erlöschen. Die begrenzte Ausdehnung des wägbaren Stoffes führt uns in Verbindung mit der niedrigen Temperatur des Weltäthers auf eine Begrenzung auch dieses Stoffes und auf eine Begrenzung der Gesamtsumme der im Weltraum vorhandenen Kraft. So kann man also die Frage von der Ausdehnung des Stoffes und der Kraft betrachten von welcher Seite man will, überall gelangt man zu dem Resultat: Die Kraft so gut wie der Stoff, und der wägbare Stoff so gut wie der unwägbare ist begrenzt in de, Ausdehnung; der Raum allein ist unendlich.