Die Stadt Bremen liegt an der Weser

Die Stadt Bremen liegt an der Weser, welche hindurchfließt, und dieselbe in die alte und Neu-Stadt teilt. Beide Städte sind mit einer großen Brücken zusammengefügt, an welcher längst her viele Schiffmühlen liegen. Am Ende dieser Brücken nach der alten Stadt hin ist ein großes Rad, welches von der Weser immer umgetrieben wird, und das Wasser emporhebt, um solches durch die Stadt zu leiten.**) Es sind allhier in der alten Stadt unterschiedliche feine Kirchen, dahinter aber nur allein der Thum (ein altes ziemlich verfallenes Gebäude) evangelisch ist; die andern als St. Anscharius, Unser L. Frauen, S. Stephans-Kirch, etc. sind alle reformiert. In der Neustadt sahen wir nur eine ziemlich neue Kirche. Sonsten ist die Neustadt wenig bebauet nach ihrer Größe, und hat sehr viele ungepflasterte Plätze und Gärten. Auf der alten Stadt ist ein schönes Rathaus, woran das Wahrzeichen eine kleine geschnitzte Henne mit ihren Küchlein ist.***) Nahe dabei ist der Markt, ein kleiner aber mit Fliesen gepflasterter und mit Mauern eingefasster Platz. Daselbst ist auch die also genannte Studenten-Börse, der Roland, und an einer andern Seiten der Schütting, ein großes feingebautes Haus.****) Die Wohnhäuser der Stadt sind sonst ziemlich gebaut, insgemein sehr hoch, und meist alle über der Tür mit einem Spruch geziert. An einem Hause in der Oberngassen, nicht weit vom weißen Schwan (da wir logiert waren) stehet über der Tür ein sehr artig geschnitzter Mercurius, welchen man

**) Von dem großen Wasserrad an der Weserbrücke findet sich eine ausführliche Beschreibung bei Uffenbach, Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engeland. II S. 186. Dasselbe brachte bei jeder Umdrehung neun Tonnen Wasser in die Höhe, welches alsdann durch Röhren in die Altstadt geleitet wurde. Vgl. Zeiller, Topogr. Sax. inf. p. 510 und Büsching a. a. O. S. 557.


***) Im Zwickel eines Bogens an der Renaissance-Vorhalle des Bremer Rathauses befindet sich eine weibliche Figur (Treue), welche eine Henne mit ihren Küchlein hält. Diese galt den Handwerksburschen in der Fremde als das Wahrzeichen von Bremen. Vgl. Denkmale der Geschichte und Kunst der freien und Hansestadt Bremen Abt. I S. 21 und die Abbildung auf Tafel XVI.

****) Auf einer alten, um das Jahr 1600 entstandenen, Skizze des Marktes (Denkmale der Geschichte und Kunst II. S. 112 Taf. X) erscheint zwischen dem Schütting, dem Hause der Älterleute der Kaufmannschaft, und dem Rathaus ein von einer drei Fuß hohen Mauer umgebener viereckiger Platz: „Dieser diente den Kaufleuten als Börse und den Studenten in ihren Mußestunden als Promenade“ (nach brieflicher Mitteilung des Herrn Stadtbibliothekar Dr. Bulthaupt in Brenaen). Die daselbst befindliche Statue des Roland ist abgebildet in den Denkmalen I. Taf. I und bei Beringuer, die Rolande Deutschlands, Berlin 1890, S. 53 ff.


seiner schönen Posture wegen mit recht le Mercure galant*) nennen möchte. Die Riviere der Weser ist vor der Stadt so seichte, dass man mit großen ordinären Schiffen nicht hinankommen kann, derowegen lassen die Bürger ihre Güter mit langen, platten und bedeckten Schiffen heraufbringen. Die Weiber, welche sich nach der Bremischen Mode tragen, haben einen possierlichen Habit, lange spitze Mützen mit glatten schwarzen Korallen am Ende umwunden**), Röcke mit breiten samtenen Schnüren in der Mitte verbremt, und dergleichen.

*) Über den von Holz geschnitzten „Mercure galant“ ist in Bremen nichts mehr bekannt. Le Mercure galant ist der Titel einer im 17. Jahrhundert zu Paris erschienenen Zeitschrift, aus welcher v. Melle am Schluss der Handschrift ein Exzerpt mitteilt (S. 5).

**) Gemeint sind hier wohl die sog. Tip-Hoiken, lange Frauenmäntel mit Kapuzen, welche eine an der Stirn vorragende Spitze hatten. Vgl. Denkmale II S. 123.