Delmenhorst, Oldenburg, Ape, Leer, Emden

Den 22. Jun. reisten wir weiter nach

Delmenhorst


(1 M.) eine gräfliche Stadt, und befestigtes Schloss, von dar über das Dorf Dingstedt***), 4 Meil. Weges nach Oldenburg.

***) Dingstede. Vgl. Uffenbach a. a. O. II S. 217.

Oldenburg,

da wir den ganzen Weg bis zur Stelle von einem so gewaltigen durchdringenden Regen begleitet wurden, dass wir einen solchen Gefährten selten wieder antrafen, auch niemals wiederum begehren werden. Die gräfliche Stadt Oldenburg liegt an der Hunte, ist vordem wohl eine schöne Stadt gewesen, aber nunmehr durch den Brand von Anno 1676 sehr ruiniert. Dennoch stehen noch feine Kirchen und Häuser darin, absonderlich ein schönes gräfliches Schloss.****) Auf demselben wird das wunderbare Horn gezeigt, welches Anno 939 eine Jungfer Graf Otto von Oldenburg auf der Jagd soll presentiert haben*****) etc. Die gräflichen

****) Das alte gräfliche Schloss dient jetzt als Wohnung des Erbgroßherzogs und zur Abhaltung größerer Festlichkeiten.

*****) Das Oldenburger Wunderhorn, der Sage nach einem Grafen Otto im zehnten Jahrhundert, als er auf der Jagd verschmachten wollte, von einer Fee gefüllt dargeboten, wurde, wie mir Herr Regierungsrat Dr. Kollmann schreibt, auf Bestellung des Grafen Gerhard des Mutigen im 15. Jahrhundert zu Köln angefertigt, und im Jahre 1690 von Oldenburg nach Kopenhagen gebracht, wo es sich jetzt im Schloss Rosenborg befindet. Dagegen glaubt P. Brock (Rosenborg Slot. Kjobenhavn 1884 p. 19 ff.), das Horn sei von Daniel Aretaeus im Auftrag König Christians I. von Dänemark angefertigt, welcher in den Jahren 1474—75 eine Reise nach Köln zur Schlichtung eines Streites zwischen dem dortigen Erzbischof und seinem Domkapitel unternahm und das Horn ursprünglich zu einer Gabe an die heiligen drei Könige bestimmt hatte. Es ist ein Kredenzbecher aus Silber mit Vergoldung, in Form eines Trinkhorns, welches auf zwei turmartigen Füßen und zwei Greifen ruht, und enthält Darstellungen aus dem Ritterleben in gegossener und getriebener Arbeit. Abgebildet bei Brock und auf dem Titelbild zu Bd. 2 von des Knaben Wunderhorn und in der Illustrierten Zeitung vom 29, Mai 1886.


Begräbnissen sind auch allhier, Reitplatz, Pferdestall, und so ferner. An der einen Seite ist eine große Vorstadt, die rechte Stadt aber ziemlich befestigt, und lagen diesmal über 3 Regimenter dänische Völcker zur Besatzung darinnen.*) Wir waren hier logiert zum güldenen Leuen [goldenen Löwen].

Den 23. Juni fuhren wir von Oldenburg durch Blixhus, ein feines Wirtshaus, (woselbst gegen Oldenburg zu auf dem Felde wir mehr als 100 Hirsche groß und klein antrafen, die auf einer Stelle gleich dem Rindviehe weideten**) vier Meilen Weges nach

*) Die rechte Stadt bezeichnet die eigentliche Stadt oder Altstadt am linken Ufer der Hunte. Unter der Vorstadt sind die Häuser des sog. mittleren Dammes, welcher nach der Osternburg führt, zu verstehen. (Nach Mitteilungen von Herrn Dr. Kollmann.)

**) Oldenburg stand von 1667—1773 unter Dänischer Herrschaft.


Ape

einem Flecken, samt einem Schlosse, welches befestigt ist, und einen Hauptmann mit 30 Soldaten zur Besatzung hatte. Es liegt an einem Wasser, welches in die Emse fließt und von den Einwohnern Deep genand wird. Von hier ging die Reise auf Holtgast***), eine Redoute, 3/4 Meil. von Ape, woselbst sich das Oldenburgische und Ostfriesland scheidet. Dann auf Deterner-Schantz, ebenmäßig eine redoute, Ostfriesischen Gebiets, und ein großes Dorf Detern benannt (1/4 M.). Dieses liegt nahe bei Stickhusen einem festen Schlosse, um welches wir herumfuhren, nach

***) Das hier gemeinte Holtgast ist ein Dorf im Oldenburgischen nahe an der Eisenbahn zwischen Apen und Detern dicht bei der Ostfriesischen Grenze.

Leer

einem Flecken, welcher l starke Meile von Detern liegt, und sowohl seiner zierlich gebauten Häuser als Größe wegen billig eine Stadt möge genannt werden. Die Emse fließt hart neben hin, auf welcher wir mit einem Fährschiff, die Nacht über (2 M.), hinunterfuhren über den Dollert nach

Emden.

Diese Hauptstadt von Ost-Friesland liegt an der Emse, welche an unterschiedlichen Orten durch die Stadt fließt, und sie in 3 Teile, eigentlich aber in die alte und Neustadt abteilt****): Die Fortifikation dieser Stadt ist der vielen Abschnitte wegen, so sie machen können, sonderbar. Allhier sind drei deutsche Kirchen, die Große, Neue und

****) Die Stadt Emden lag im Jahre 1683 noch unmittelbar an der Ems, welche später einen anderen Lauf genommen hat. Die drei Stadtteile waren Emden (Altstadt), Faldern und Mittelfaldern. Für diese und die folgenden Bemerkungen über Emden konnte ich die mir von Herrn Kirchenrat Vietor daselbst freundlichst übersandten Mitteilungen benutzen.

Gasthaus Kirche*), und eine Französische.**) Wir waren am Johannistage (welcher auf den 3 Trinitatis-Sonntag fiel) in dieser Französischen Kirchen, und hörten das gewöhnliche Evangelium vom verlorenen Schafe Luc. XV. predigen. Der Prediger sind zusammen 8***). Der Rath besteht aus 4 Bürgermeistern und 8 Ratsherren, welche von 40 Bürgern erwählt, und alle Neujahrstage nach Gutbefinden können abgesetzt werden. Unter diesen Ratsherren befand sich jetziger Zeit ein Edelmann, Junker Pollman, welcher ein Doktor war.****) Das Emder Rathaus ist ein feines Gebäude. Das Schloss aber verfällt nachgerade*****): sonst ist die Stadt hin und wieder mit artigen Häusern geziert.

*) Dies war früher die Kirche des daneben liegenden Franziskaner-Klosters, welches nach der Reformation zu einem Asyl für Waisen und arme Leute eingerichtet wurde. Solche Häuser heißen in Ostfriesland und Holland Gasthäuser und die dazu gehörigen Kirchen Gasthaus-Kirchen.

**) Außer den drei deutschreformierten Kirchen mit sechs Predigern hatte Emden seit der Reformation eine kleine französischreformierte Kirche mit einem Prediger. An die Stelle der letzteren trat im Anfange des 19. Jahrhunderts eine neue Kirche, welche im Stockwerk der städtischen Wage erbaut wurde.

***) Nach Vietors Meinung gab es im Jahre 1683 in Emden nicht 8 sondern nur 7 Prediger.

****) Über den Junker Pollmann und seinen berüchtigten Kriminalprozess im Jahre 1668 hat Lohstoter in dem Jahrb. der Ges. für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden, Bd. 2 II. 1 S. 63 ff. einen Aufsatz veröffentlicht.

*****) Die Burg von Emden, im 13—14 Jahrhundert erbaut und später zur Residenz der Ostfriesischen Fürsten aus dem Hause Cirksena erweitert, ist im Jahre 1767 abgebrochen. Jetzt befindet sich daselbst eine unter Friedrich dem Großen aufgeführte Kaserne. Vgl. Wiarda, Ostfriesische Geschichte VIII S. 378, IX S. 104.