Kocherthal, Josua von (unbekannt - 1719) Pionier in New York.

Die Rheinpfalz, aus welcher Kocherthal stammte, ist eines der schönsten Länder von Deutschland. Von mildem Klima, fruchtbarem Boden, hügelig, bewaldet, mit prächtigen Gewässern versehen, liegt die Pfalz zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland, am schönen Rhein, der schönsten Verkehrsstraße der Welt, zwischen dem unabhängigen Schweizer Bergvolk und dem freien Kaufmannsvolk der Niederlande. Von frühester Zeit war diese Gegend die Wiege deutscher Bildung. An den schönen Rebhügeln der Pfalz sang man das erste deutsche Lied.

Aber so herrlich die Pfalz gelegen ist, so viel Elend hat sie auch durchgemacht. Wie reichbegabte Leute oft das bewegteste, an Not reichste Leben zu führen haben, so hat die Pfalz, die sich die „fröhliche“ nannte, auch die schrecklichsten Zeiten durchgemacht. Zum Teil lag das im lebhaften Charakter des Pfälzer-Stammes, welcher Volk und Fürsten zu mancher gewagten Unternehmung hinriss. Ihr Kurfürst Friedrich V. war es, der durch Annahme der böhmischen Krone die Ursache der traurigsten Schicksale für sich und sein Volk, und die Veranlassung zum dreißigjährigen Kriege ward, dem längsten und verheerendsten Krieg, den je die Welt gesehen hat, und der besonders auch der Pfalz furchtbares Leid brachte.


Auch die geographische Lage des Landes brachte ihm viel Leid, besonders als Ludwig XIV., der erste Prophet französischer Glorie, durch seine Ländergier in den spanischen Erbfolgekrieg verwickelt wurde. Die mit einander ringenden gewaltigen Heere unter den feurigen Feldherren Turenne, Villars, Marlborough und Prinz Eugen wälzten verwüstend ihre Heere hin und her über die Pfalz. Im Jahre 1688 verwüstete der französische General Melae auf Befehl des Louvois die ganze Pfalz, verbrannte das prächtige Heidelberger Schloss und machte 400,000 Pfälzer heimat- und brodlos.

Nach Beendigung dieses Krieges riß bei den Pfälzer Kurfürsten die gleiche Sucht, wie bei den meisten andren deutschen Fürsten, ein, Ludwigs XIV. Prunk nachzuahmen, was sie nur durch Aussaugung ihrer Unterthanen tun konnten.

Unter diesen Umständen war es kein Wunder, daß die Nachrichten aus Amerika, von dem fruchtbaren Boden, von dem allgemeinen Wohlstand und besonders von der dort herrschenden völligen Glaubensfreiheit, welche durch die Agenten englischer Kolonisation - Gesellschaften mit großem Eifer in Deutschland verbreitet wurden, in der Pfalz empfängliches Ohr fanden. Von Dorf zu Dorf verbreiteten sich die übertriebensten Gerüchte. Das leicht erregbare Pfälzervolk ward von einer fieberhaften Aufregung ergriffen, eine förmliche Völkerwanderung trat ein.

Der Leiter der ersten Schaar, gleichsam der Vorhut, war der Pfarrer Josua von Kocherthal. Er landete 1709 in New York und gründete Neuburg. Im nächsten Jahre traf die Hauptmasse, 3.000 Seelen stark, ein. Aber nicht olme Beschwerde war diese Wanderung vor sich gegangen. Im Vertrauen auf die übertriebenen Versprechungen der Agenten waren mehr als zehntausend Pfälzer über Holland nach England gekommen und hakten sich hier, ohne Mittel zur Weiterreise und ohne Vorräte zum Unterhalt, in großem Elend gelagert, erwartend, daß die Königin Anna sie weiter befördern würde. Das geschah denn freilich auch, aber erst nach vielem Verzug, der Hunderten von ihnen das Leden kostete. Dann wurden sie, gleich einer Heerde hilfloser Sklaven, in enge Schiffsräume verpackt nach der neuen Welt entsendet. Über ein Fünftel von ihnen starb auf der Überfahrt, den Fischen zur Speise.

Da gab es Arbeit für Kocherthal. Auf der einen Seite verlangte die Not der hilflosen Tausende seiner Landsleute Hilfe, auf der andren eine an Haß grenzende Gleichgültigkeit, mit Mißtrauen seitens der Kolonial-Regierung, welche damals ganz auf Seiten der Vornehmen und der großen Grundbesitzer stand, die eine neue Aristokratie in Amerika aufrichten wollte, dabei aber auf beharrlichen Widerstand des Volkes stieß.

Es gelang jedoch Kocherthals unermüdlichen Bestrebungen, seiner weisen Menschenkenntniß und seiner klugen Benützung jedes günstigen Umstandes, seinen unglücklichen Landsleuten in der Nachbarschaft des Hudson neue Heimathen zu bereiten. Er ging ihnen mit Rath und Tat, mit Aufmunterung und Trost zur Hand, so daß sie den Mut nicht verloren und in einigen Jahren ihre neuen Wohnstätten zu Stande brachten. Im Jahre 1710 machte er sogar eine Reise nach London und erhielt von dort Schutz und Hilfe für seine deutschen Pflegebefohlenen.

Im Jahre 1718 konnte Kocherthal bereits ein Verzeichniß von 394 seiner Pfälzer-Familien anfertigen, welche in den deutschen Niederlassungen von Hunterstown, Kingsbury, Annsbury, Haysbury und Rheinbeck auf dem Ostufer des Hudson, und in Newtown, Georgetown, Elisabethtown, Kingston und Esopus auf dem Westufer wohnten, und hier nach langen Strapazen endlich zufrieden ihre Familien ernähren und ihrem Glauben leben konnten. Im folgenden Jahr ist er gestorben.

Er hat ein schweres Werk vollbracht zum Heil der Seinen, und sicherlich auch zum Nutzen des neuen Vaterlandes.