Lola Montez

König Ludwig I. von Bayern war sechzig Jahre alt, als er die schöne spanische Tänzerin Lola Montez im Jahre 1847 kennenlernte. Es war gewiss nicht das erstemal, dass ein Fürst sich von den Reizen einer pikanten Tochter Terpsichores dermassen bestricken liess, dass er selbt die tollsten Sprünge machte.
Sprünge, wie sie einzig fürstliche Stellung und Machtmittel zulassen», sagte E. Fuchs in seinem Werk: Ein vormärzliches Tanzidyll. Darin also, dass Ludwig I. von Bayern seine alternden Sinne nochmals, und zwar diesmal an den üppigen Schönheiten einer raffinierten Tänzerin, entflammte, darin hätte kein Mensch auf der Welt etwas Aufregendes gefunden ... Um diesen zartgeknüpften Liebesreigen auf die Höhe historischer Bedeutung emporzuheben, musste etwas anderes hinzukommen. Dieses andere war, dass die «feurige Andalusierin» in die Lage kam, durch ihre runden Hüften die Position derjenigen Partei aus dem Gleichgewicht zu bringen, die bis dahin durch den König regierte, das heisst, dass durch den Einfluss der Tänzerin Lola Montez auf Ludwig I. die äussere Herrschaftsform des allgewaltigen Jesuitismus in Bayern zerbrochen wurde. Dieses andere schliesst aber noch ein zweites Gleichgewichtiges in sich, und dieses ist, dass durch das öffentliche Leben der schönen Nebenfrau Ludwigs I. die vormärzlichen Zustände in Bayern, dem grössten Mittelstaat Deutschlands, zu einer Zeit als unhaltbar zusammenbrachen, da man an anderen Orten noch nicht daran dachte, so nahe vor einem bedeutungsvollen Wendepunkt in der Geschichte zu stehen. Das sind die besonderen Umstände, durch welche dieses von zärtlichster Liebe dirigierte Tanzidyll zu dem «europäischen Skandal» wurde, der in den Brennpunkt der allgemeinen öffentlichen Kritik rückte.



Die Stimmung des Vormärz, und mit ihr auch die der Frau, ist frisch, männlich und strebend. Nicht alle Frauen unterliegen der Vermännlichung, aber einige verlieren ihr Gleichgewicht und geraten ausser Rand und Band. Sie mischen sich in Politik, pochen dabei auf ihre unwiderstehlichen weiblichen Vorzüge, um ihrer Herrschaft um so sicherer zu sein. Eine solche Frau ist Lola Montez. Ihre südliche, sinnliche Schönheit provoziert und zieht gleichzeitig die Männer an, wie das Licht in der Finsternis den Faltern zum Verderben wird. Das Fremde, Unbekannte in ihr übt jenen faszinierenden Zauber aus, dessen sich die Männer schwer erwehren können, wenn es sich um eine Frau, noch dazu um eine äusserst temperamentvolle Bühnenkünstlerin handelt.

Gleich ihre erste Begegnung mit dem König ist bezeichnend für ihren Charakter. Lola Montez war von der Münchner Theaterintendanz ein Engagement als Tänzerin verweigert worden, nachdem sie in Paris, London, Madrid und anderen Hauptstädten als Tänzerin auf der Bühne nur geringen Erfolg gehabt hatte. Für sie gab es jedoch keine Hindernisse. Sie setzte das grösste Vertrauen in ihre unwiderstehliche Schönheit. Deshalb begab sie sich in München ohne Umstände gleich selbst zum König, dessen zahlreiche Liebschaften ihr natürlich bekannt waren. Sie ging also ohne vorherige Anmeldung, ohne um eine Audienz gebeten zu haben, ins Schloss. Natürlich hatte sie gleich im Vorzimmer heftigen Streit mit dem Kammerdiener des Königs. Dieser wollte die Tänzerin durchaus nicht vorlassen. Da sie sich aber nicht abweisen liess, kam der Adjutant dazu und meldete schliesslich ihr dreistes Auftreten dem König. Aber auch der Adjutant war ein Mann. Auch er schien von Lolas Schönheit fasziniert zu sein, denn er fügte seiner Meldung hinzu: es wäre schon der Mühe wert, diese Dame zu sehen, denn sie sei sehr schön. Diese Worte zündeten. Nachdem Ludwig I. gesagt hatte: «Was soll ich jede hergereiste Tänzerin empfangen?» wurde er plötzlich sehr interessiert und erwiderte, «man möge sie nur vorlassen, er werde ihr selbst den Kopf waschen und sie zur Raison bringen.» Lola Montez kam. Als sie vor ihm stand in ihrem enganliegenden, wie ein Reitkostüm geschnittenen Kleid, das ihre wundervolle Gestalt so recht zur Geltung brachte, war der alte Herr sogleich gefangen, und mit der «Raison» war es vorbei. Er betrachtete die elegante hübsche Tänzerin mit Wohlgefallen, besonders die schöne Wölbung ihrer Büste. Als Ludwig dann etwas zweifelte, ob die Schönheit ihres Busens auch wirklich echt sei, fühlte sich die temperamentvolle Spanierin über eine solche Zumutung dermassen in ihrer Eitelkeit gekränkt, dass sie mit kühnem Griff von des Königs Schreibtisch eine Schere erfasste und kurz entschlossen ihr Kleid über der Brust aufriss. Der Effekt wäre nicht halb so gross gewesen, hätte sie vielleicht ihre Taille aufgeknöpft oder aufgehakt; eine Lola Montez brauchte die leidenschaftliche Geste, die impulsive Handlung. Sie musste doch beweisen, dass sie die vielbewunderte «leidenschaftliche Andalusierin» war, von der die europäischen Zeitungen soviel Pikantes und Abenteuerliches geschrieben hatten.

Die «schöne Andalusierin» war indes nur Halbblut. Sie wurde 1818 in Montrose in Schottland – nach anderen in Limerick in Irland – als aussereheliches Kind eines schottischen oder irischen, jedenfalls eines Offiziers der englischen Armee und einer Spanierin oder Kreolin geboren. Das feurige Temperament der spanischen Rasse und ihren absolut spanischen Typus hatte sie also von der Mutter. Sie hiess weder Montez Gonzales noch Umbro Sos, sondern ganz einfach Gilbert. Ihre Vornamen erinnerten allerdings an die Abstammung der Mutter, die ihr Kind Maria Dolores Eliza Rosanna taufte. Als internationale Abenteuerin sprach Lola Montez mehrere Sprachen. Englisch, Französisch und Spanisch beherrschte sie vollkommen, wenn auch nicht in der Schrift. Als sie nach München kam, war sie dreissig Jahre alt. Wäre sie eine reinrassige Spanierin gewesen, so hätte sie vielleicht nicht mehr jene ideale Schönheit besessen. Die Mischung mit englischem Blut gereichte ihr zum Vorteil und erhielt sie jünger und frischer, als es Spanierinnen im allgemeinen in diesem Alter sind. Anfangs wohnte sie in München mit einem Engländer im Hotel zum Hirschen. Gleich bei ihrem ersten Auftreten in diesem Hotel benahm sie sich dem Dienstpersonal gegenüber höchst anmassend und skandalös. Sie befahl allen in herrschendem Ton. Eine Bitte kannte sie nicht, ebensowenig ein Wort des Dankes gegen Untergebene. Wenn sie ihr nicht sofort gehorchten und alle ihre Launen erfüllten, liess sie die Reitpeitsche, mit der sie stets auf ihren Ausgängen, auch wenn sie nicht ausritt, bewaffnet war, über die Rücken sausen. Einen Hausknecht des «Hirschen» prügelte sie einst auf diese Weise, und mit den übrigen Dienstboten lag sie in ständiger Fehde. Auch der Wirt bekam ihre kleine, aber energische Hand zu spüren. Ehrbare Münchner Bürger hielten eines Abends in einem der Säle des Hotels eine geschlossene Gesellschaft ab. Lola fand es amüsant, obgleich sie gar kein Recht hatte, in diese Gesellschaft einzudringen, sich mit ihrem englischen Beschützer und ihrer grossen Dogge an die Tür des Tanzsaales zu stellen und sich über die Gewohnheiten, die Kleidung und das Tanzen der Bürger lustig zu machen. Sie lorgnettierte die harmlose Gesellschaft auf die keckste Weise und machte ganz laut freche Bemerkungen. Das liessen sich die Münchner Bürger natürlich nicht gefallen. Der Wirt wurde aufgefordert, die kecke Person zurechtzuweisen, und er erhielt dafür von ihr eine schallende Ohrfeige. Es gab einen grossen Tumult, wobei die herausfordernde Tänzerin ihre Dogge auf die Anwesenden hetzte, aber schliesslich samt ihrem Galan die Treppe hinuntergeworfen wurde. Am nächsten Tag musste sie aus dem Hotel ausziehen.

Der König mietete ihr eine sehr elegante Wohnung in der Theresienstrasse, bis er ihr das schöne Palais in der Barerstrasse einrichtete. Da die Bewohner Münchens gegen die über alle Massen freche und exzentrische Mätresse des Königs ungeheuer aufgebracht waren und es bereits wiederholt von seiten der Bevölkerung zu Ausschreitungen gegen sie gekommen war, fürchtete man erhöhte Exzesse, wenn Lola dieses Geschenk des Königs erhielt. Er liess daher das Haus mit eisernen Fensterläden versehen, um die Geliebte vor Steinwürfen und Schüssen zu sichern. Vor dem Hause stand stets ein Posten mit geladenem Gewehr, und ab und zu durchstreiften Patrouillen auf Geheiss des Königs die Barerstrasse und die umliegenden Strassen. Auch auf ihren Spazierfahrten und Ritten begleitete Lola stets in einer gewissen Entfernung ein Gendarm.

Der König war in kurzer Zeit vollkommen von seiner Geliebten abhängig. Sie behandelte ihn wie einen alten Herrn, der sich den Launen einer schönen Frau zu fügen hat. Bei einem Besuch in ihrem Palais erklärte die Tänzerin dem König, dass ihr der Plafond nicht gefalle, und sie drang in ihn, ihn übermalen zu lassen, worauf der König nicht eingehen wollte. Hierauf fragte sie den mit seinen Gehilfen anwesenden Maler, was der Plafond koste. Dieser erwiderte: «Fünfhundert Gulden.» Die Montez bemerkte hierauf, sie wolle sich ihn von ihrem eigenen Gelde malen lassen, und zum König gewendet, sagte sie in gebrochenem Deutsch: «Du bist ein alter Geizhals.» Ludwig war über diese deutsche Phrase der Lola, die er immer zum Deutschlernen anhielt, so erfreut, dass er sogleich die Umarbeitung des Plafonds anordnete.

Sie wusste ganz genau, dass das Fremdländische in ihrer Sprache einen weiteren pikanten Reiz auf ihren Geliebten ausübte und nützte diese Situation aus. Noch in seinen alten Tagen hatte er Spanisch gelernt und unterhielt sich mit seiner Geliebten meist in dieser Sprache. Er liebte es auch, wenn sie ihm Calderon oder Cervantes vorlas. Lolas eigene Ausdrucksweise war indes keineswegs dem klassischen Sprachschatz dieser grossen spanischen Dichter entnommen. Im Gegenteil, sie bediente sich mit Vorliebe einer recht vulgären Sprache. Man erzählte sich unzählige Anekdoten darüber, wie sie sich in den Läden Münchens benahm, wenn sie die teuren Kleider, Toiletten- und Kunstgegenstände einkaufte, deren sie fast täglich bedurfte. Wenn man ihr die Rechnung vorlegte, sagte sie meist: «Sie kennen mich schon. Der König oder «mein» Louis wird es bezahlen!» Sie sprach in den meisten Geschäften französisch, wodurch das Wortspiel mit dem Louis verständlicher wird. Derartige Bonmots hatte sie eine ganze Menge auf Lager. Ihre Briefe an Lieferanten und Behörden unterzeichnete sie im Anfang ihres Favoritentums ganz offiziell mit «Maitresse du roi», bis ihr der König dies verbot.

Lola Montez
Gemälde von Jos. Stieler

Im Theater erschien sie ungeniert, selbst wenn die Königin mit dem König und dem ganzen Hof anwesend war. Sie hatte ihre eigene Loge neben der grossen mittleren Hofloge. Immer erregte sie das grösste Aufsehen, sei es durch ihre wirklich eigenartige Schönheit oder durch ihre auffallenden fabelhaften Toiletten, durch ihr tiefes Decolleté, oder – vielleicht am meisten – durch ihr äusserst exzentrisches Wesen. Der Schmuck, den der König ihr geschenkt hatte und den sie bei jeder Gelegenheit anlegte, besonders im Theater, wurde auf 60 000 Gulden geschätzt. Der ehemals gegen seine früheren Mätressen so geizige Ludwig wurde in Lolas Händen zum Verschwender. In München erzählt man, so sagt ein zeitgenössischer Bericht, der König habe der Lola zum letzten Geburtstag 40 000 Gulden und ein Silberservice um 6000 Gulden geschenkt. Ihr Haus in der Barerstrasse war mit dem grössten Luxus ausgestattet. Man speiste bei ihr nur auf silbernem Tafelgeschirr und die Dienerschaft trug eine reichere Livree als die Hoflakaien.

Ihre Unterhaltung war, wenn auch nicht immer klug und geistreich, zum mindesten immer amüsant, und der König langweilte sich keineswegs mit ihr. Sie konnte berückend liebenswürdig sein und eine wahrhaft bestrickende Anmut entfalten. Denn wäre sie das nicht imstande gewesen, schwerlich hätten sich wohl ein Franz Liszt oder andere bedeutende Künstler um ihre Frauengunst bemüht. Ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit besassen sogar die Macht, Frauen wie die reizende, geistreiche Marquise d'Agoult, die langjährige Freundin Liszts und Mutter seiner Tochter, Cosima Wagner, aus dem Felde zu schlagen. Lola Montez begleitete den berühmten Virtuosen auf vielen seiner Konzertreisen, bis sie auch seiner überdrüssig wurde, weil sie keinen Nutzen weiter aus ihm ziehen konnte. Seine Berühmtheit allein genügte ihr nicht. Und so trennte sie sich ohne Bedauern von ihm. Es fehlte ihr ja nicht an Bewunderern. Sie wurde mit Liebesanträgen, besonders in Deutschland, wahrhaft überschüttet.

Aber sie wollte die Männer nicht nur durch ihre Schönheit in der Gewalt haben, sondern sie in jeder Beziehung beherrschen. Sie verspottete alle Frauen, die im Banne eines geliebten Mannes standen und sich ihm in natürlicher Hingabe unterordneten. «Man versichert», bemerkte sie, «dass es Frauen gäbe, die so dumm seien, Männer zu lieben und sich von ihnen beherrschen zu lassen. Das nenne ich verkehrte Wirtschaft. Ich für meinen Teil habe nie an so etwas geglaubt.»



Und doch musste auch sie bisweilen erfahren, dass es Männer gab, die sich nicht von ihren bezaubernden Augen, ihren Körperformen faszinieren liessen. Als sie auch während ihres zweiten Aufenthaltes in Paris mit ihren Tänzen keinen Erfolg hatte, versuchte sie, auf den damals sehr einflussreichen Schriftsteller Emile de Girardin mit ihren Reizen zu wirken, um ihn für sich zu gewinnen. Er aber blieb bei ihrem Anblick und trotz aller Avancen von ihrer Seite kalt und gleichgültig. Dagegen schrieben bedeutende oder wenigstens bekannte Männer wie Dujarrier, Theophile Gautier, Alexandre Dumas, Janin und andere günstig über sie. Dujarrier musste seine Begeisterung für die schöne Tänzerin mit dem Leben büssen. Es kam zu einem Duell mit einem Kritiker, der die Tänze der Lola lächerlich gemacht hatte. Dujarrier wurde von seinem Gegner getötet. Lolas Aufenthalt in Paris war nun unmöglich, und sie musste die Stadt fluchtartig verlassen.

Aber nicht nur den alten König packte die Liebe für die schöne Tänzerin. Ihre Erfolge bei den Männern trösteten sie daher über die Niederlagen, die sie auf der Bühne als Künstlerin erlitt. In München tanzte sie übrigens nur zweimal. Allen, Jungen und Alten, war sie das Idol. Sie trugen ihr Bild an Krawattennadeln, in Zigarettenetuis, auf Tabakdosen. Die Junggesellen schmückten ihre Wohnungen oder Zimmer mit Lolas Bildern. Studenten brachten ihr Ovationen und sangen Ständchen vor ihrem Haus. Dabei war es ihnen vergönnt, in die hellerleuchteten Räume zu schauen, denn Lolas ganzes Leben war wie ein öffentliches Schaustück. Es fiel ihr nicht ein, die Jalousien oder Vorhänge zu schliessen. Jeder durfte zusehen, wen sie empfing, mit wem sie flirtete, wie sie sich ankleidete. Die Schneider mussten ihr die Kleider und Wäschestücke auf dem blossen Körper anprobieren. Ihr Boudoir und Ankleidezimmer barg für niemand Geheimnisse. Lola provozierte alles und jeden und rief dadurch die stärkste Kritik hervor. Sie war die «fleischgewordene Provokation». Entsprechend kleidete sie sich auch. Meist bewegte sie sich im Reitkostüm, und alles war der Amazonentracht angemessen, Schritt, Gang, Haltung – alles bewusst frech.

So wie die Montez als verkörperte Wollust die bürgerliche Wohlanständigkeit Münchens, deren Begriff von Sitte und Anstand brüskierte, so brüskierte sie den geistigen Horizont derselben Gesellschaft durch die Keckheit ihrer Sprache und Urteile. Nicht weniger verletzte sie durch ihre Kühnheiten und zynischen Extravaganzen die jedem Bürger ehrwürdigen Vorstellungen von Recht und Gesetz. Lola Montez vollstreckte selbst und eigenhändig jedes Urteil, das sie geruhte zu fällen. Sie dokumentiert ihren Aerger durch eigenhändig verabreichte Ohrfeigen und Reitpeitschenstreiche – ihr Handgelenk ist so locker wie ihre Zunge – und sie bahnt sich durch die sich ihr entgegenstellenden Mächte mit ihrer Reitpeitsche und ihrer auf den Mann dressierten Dogge selbst den Weg. Nicht ein einziges Mal nur, nein, dies gehört zu ihren ständigen Gepflogenheiten während ihrer Münchner Regierungszeit.

Die berühmtesten Maler und Bildhauer verewigten diesen Dämon Weib unzählige Male in ihren Bildern und Büsten zur Freude des Königs und der Lola selbst. Aber wehe, wenn sie es sich einfallen liessen, ihre Schönheit nicht voll zu Worte kommen zu lassen, wenn sie der Karikatur den Vorzug gaben. Und doch ist nie eine schöne Frau von der Karikatur so zerzaust worden wie gerade diese auf die Macht ihrer körperlichen Reize so stolze Tänzerin. Eduard Furchs hat in seinem bereits erwähnten Werk über die Montez die meisten dieser äusserst amüsanten und zum Teil sehr wertvollen Blätter beschrieben, die die Geliebte Ludwigs I., die «deutsche Pompadour», verhöhnen. Eine köstliche Geschichte erzählt er unter anderem über ein lange Zeit vor dem König und Lola selbst geheimgehaltenes satirisches Oelgemälde, das Kaulbach von dem «Teufelsweib» malte. Es stellte die Tänzerin mit einer Schlange um den nackten Leib und einem Giftbecher in der Hand dar. «Die Tatsache», dass Kaulbach dieses Bild unter der Hand hatte, blieb dem König nicht verborgen, und eines Tages schoss er in seiner bekannten Weise in das Atelier Kaulbachs hinein. «Kaulbach, was höre ich, was haben Sie gemacht? Das ist eine Beleidigung, gegen mich auch! Warten Sie nur, das wird Ihnen die Lola gedenken!» Und ohne das Bild näher zu betrachten oder Kaulbach zu Wort kommen zu lassen, war er auch schon wieder hinaus. Der Maler, der wusste, wie schnell die heissblütige Tochter des Südens zum tätlichen Angriff überging, legte sich für alle Fälle vorsorglich einen tüchtigen Prügel neben die Staffelei.

Er hatte nicht lange zu warten. Eine knappe Stunde danach wurde die Tür aufgerissen, und Lola Montez erschien wutschnaubend, neben ihr die grosse Dogge, hinter ihr der König. Kaulbach, nichts Gutes ahnend, griff sofort nach seinem Prügel, im selben Augenblick hatte jedoch Lola auch schon ihre Dogge auf ihn gehetzt. Aber auch Kaulbach hatte einen Hund, einen riesigen Neufundländer. Dieser schoss ungerufen und ebenso plötzlich hinter der Staffelei hervor, Lolas Dogge an die Kehle. Das änderte die Situation. Die beiden Bestien hatten sich wütend ineinander verbissen und fuhren jäh in den Hof hinaus. Lola sauste in Angst und Wut hinter ihrem Hunde drein, der König ihr selbstverständlich nach und hinter diesem natürlich wieder Kaulbach. Dadurch nahm dieser Auftritt, der so bedrohlich begonnen hatte, plötzlich ein lächerliches Ende. Die beiden Hundebesitzer hatten die grösste Mühe, ihre vierbeinigen Verteidiger wieder auseinanderzubringen. Ein allgemeiner Rückzug schloss die bewegte Szene, das heisst nur für den Augenblick. Denn wenn auch Kaulbach das Bild der Oeffentlichkeit vorenthalten hatte, so wurde ihm trotzdem seine Kühnheit weder vergeben noch vergessen.

Trotz des grossen Einflusses, den Lola Montez auf den König ausübte, ist es ihr doch nicht gelungen, in die Gesellschaft der Aristokratie einzudringen, obwohl sie selbst als Gräfin Landsfeld eine Art Hof hielt und viele Leute von Bedeutung um sich versammelte. Aber die höheren Kreise mieden sie. Selbst die persönlichen Bemühungen des Königs in dieser Beziehung hatten keinen Erfolg. Man wollte nichts mit der kecken Abenteuerin, «dieser hergelaufenen Person» zu tun haben. Sie war keine Lady Hamilton, die es trotz ihres Vorlebens, trotz ihrer obskuren Herkunft so wundervoll verstanden hatte, mit ihrem Liebreiz, ihrer grossen Liebenswürdigkeit in den feudalsten Kreisen der englischen Aristokratie anerkannt und aufgenommen zu werden. Lola Montez vermochte ihre physischen und geistigen Gaben nur in den Dienst der sie anbetenden Männer zu stellen. Das bürgerliche Zeitalter war nicht tolerant wie das 18. Jahrhundert. Man wahrte in allem den Schein, wenn man auch im geheimen noch so lasterhafte Neigungen besass. Nach aussenhin durfte nichts zugegeben werden. Die Gesellschaft boykottierte Lola.

Selbst Männer, die in ihrem Hause ein- und ausgingen, bekamen oft die Verachtung zu spüren, die man der herausfordernden Abenteuerin entgegenbrachte. Viele verkehrten nur ganz geheim in ihrer Gesellschaft und gaben es niemals öffentlich zu, dass sie im Salon der königlichen Mätresse Gäste waren. Als Saphir – der bekannte Schriftsteller – in München Vorlesungen hielt, vermied er es lange Zeit, sich im Hause der Kurtisane zu zeigen, obwohl ihn der König direkt einlud, die Abendgesellschaften Lolas öfter zu besuchen. Saphir indes befürchtete, er könne von der öffentlichen Meinung boykottiert werden, und so ging er erst am letzten Tage seines Aufenthalts zu ihr. Andere allerdings rissen sich um die Gunst, in ihrer Nähe zu weilen, und es ist durchaus nicht übertrieben, wenn einer ihrer Schmeichler behauptet: «Die ersten Geister ihres Jahrhunderts zogen an ihrem Siegeswagen.»

Schliesslich aber hatte auch sie in München ihre Rolle ausgespielt. Im Februar 1848 schlug ihre Stunde. Als Görres, ihr grösster Feind und Gegner, gestorben und in München beigesetzt wurde, kam es zu erneuten Demonstrationen gegen die verhasste Favoritin, und diese Ereignisse verursachten ihre endgültige Verabschiedung. Einige Tage vorher schon hatte der König seine exzentrische Freundin aus der Hauptstadt entfernt, um Aergernisse zu vermeiden. Er hatte sie zu dem Arzt und Magnetiseur Justinus Kerner in das Kernerhaus nach Weinsberg gesandt. Kerner sollte ihr den «Teufel austreiben».

«Die Lola Montez kam vorgestern hier an», schreibt Kerner an seine Tochter, «und ich bewahre sie in meiner Wohnung bis auf weitere Befehle aus München. Drei Alemannen halten dort Wache; es ist mir ärgerlich, dass sie der König zuerst zu mir sandte, aber es wurde ihm gesagt, die Lola sei besessen und er solle sie mir nach Weinsberg senden, den Teufel aus ihr zu treiben. Interessant ist es immer. Ich werde sie magisch und magnetisch behandeln, eine starke Hungerkur mit ihr vornehmen. Sie bekommt täglich nur dreizehn Tropfen Himbeerwasser und das Viertel von einer weissen Oblate. Sage es aber niemand, verbrenne diesen Brief!»



Kerners Sohn Theobald, der die magnetischen Kuren des Vaters unterstützte, musste das «Satansweib» magnetisieren. Es nützte aber nichts. Der «Teufel» sass Lola in Fleisch und Blut. Sie war weder hysterisch noch geistesgestört und fühlte sich auch nicht im geringsten krank, um eine derartige «Teufelskur» auszuhalten. Besonders wird ihr die Hungerkur nicht gefallen haben. Jedenfalls machte sie wie immer kurzen Prozess und verschwand eines Tages heimlich aus Weinsberg. Sie tauchte noch einmal in München beim König auf und hoffte, er werde ihr wie immer zu Füssen liegen. Aber Ludwig schien sie seiner Protektion jetzt nicht mehr für wert zu halten. Es erschien das bekannte Dekret vom 17. März 1848, worin der König erklärte, «dass die Gräfin Landsfeld das bayrische Indigenat zu besitzen aufgehört habe.» Er kümmerte sich auch nicht weiter um sie. Nur mit pekuniären Mitteln unterstützte er sie noch eine Zeitlang, bis sie von England aus auf ihn eine sehr deutliche Erpressung machte. Von da an erhielt sie nichts mehr. Bald darauf heiratete sie in England und liess sich wieder scheiden, siedelte dann nach Amerika über, verheiratete sich dort noch zweimal und starb als Witwe eines Arztes in ziemlich dürftigen Verhältnissen im Jahre 1861, kaum 43 Jahre alt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berühmte Frauen der Weltgeschichte