Eine späte Liebe und Leidenschaft

Mit sechzig Jahren sprachen noch einmal Katharinas ewig junges Herz und ihre unersättlichen Sinne. Und der in der Liebe so leichtgläubigen Frau fiel es sogar nicht schwer, sich einen neuen Liebesfrühling vorzuzaubern. Der 22jährige Zubow wusste nämlich noch besser Komödie zu spielen wie seine Vorgänger. Er nahm die Sentimentalität zu Hilfe, um den Weg zum Herzen Katharinas zu finden.



Aber dieser liebenswürdige junge Mann entpuppte sich bald als ein ehrgeiziger, tyrannischer, unersättlicher Gebieter für den ganzen Staat. Er riss allen Einfluss, alle Aemter und Würden an sich, und stopfte sich und seiner Familie mit Katharinas Gold die Taschen voll. Seine Liebenswürdigkeit erstreckte sich nur auf die Person der Kaiserin, der er zu schmeicheln wusste. Alle anderen Menschen behandelte er wie Geschöpfe einer niederen Gattung. Dabei war er selbst der grösste Ignorant in allen Staatsgeschäften und gab sich nicht die geringste Mühe, etwas zu lernen. Seine Politik, seine Führung der Geschäfte und nicht zum wenigsten sein sybaritischer Luxus wirkten geradezu verheerend auf den russischen Staat und liessen nichts als leere Kassen zurück. Zubows verderblicher Einfluss machte sich noch viel bemerkbarer, als der immerhin gefürchtete Rivale Patiomkin gestorben war. In «sieben» Herrscherjahren gelangte Zubow zu allen Ehren und Auszeichnungen, wozu Patiomkin zwanzig Jahre wirklichen Verdienstes gebraucht hatte. Zubow wurde Fürst, «Generalgouverneur des neuen Russland», Grossmeister der Artillerie und erhielt alle russischen und ausländischen Orden, die sein Vorgänger gehabt, sogar den schwarzen und roten Adlerorden. Im Jahre 1795 schrieb Graf Rastopschin an Simon Woronzoff: «Der Graf Zubow ist hier alles. Es gibt keinen anderen Willen als den seinigen. Seine Macht ist grösser als die des Fürsten Patiomkin von einst. Er ist ebenso nachlässig und unfähig wie ehedem, obgleich die Kaiserin allen und jedem wiederholt, er sei das grösste Genie, das Russland je hervorgebracht habe.»

Katharina sah nicht oder wollte es nicht sehen, dass durch Zubows Hände Millionen flossen und das Innere ihres Staates zerrüttet wurde. Die Liebe und Leidenschaft machte sie vollkommen blind gegen diesen jungen Menschen. Der ganze Hof kannte die grosse Schwäche Katharinas für Zubow. Um ihr angenehm zu sein, schmeichelte man dem Günstling in der übertriebensten Weise. Alte Generale und Minister, die im Dienst Ihrer Majestät ergraut waren, füllten die Vorzimmer des jungen Mannes und warfen sich vor diesem Idol, das der weitsehende Blick der Herrin als Genie aufgefunden hatte, wie vor einem Götzen im Staube nieder. Im Innersten ihres Herzens aber verwünschten, hassten und verachteten sie ihn.



Er war zu arrogant. Einst gefiel es ihm, mit seinem Gefolge auf der Strasse, die von Petersburg nach Zarskoje-Selo führt, einen Hasen zu jagen. Um dieses Ziel zu erreichen, hielt Zubow eine Stunde lang mit seinen Wagen, Begleitern und Hunden die Strasse gesperrt, ohne sich im geringsten darum zu kümmern, dass dadurch die Höflinge der Kaiserin, die sich in ihren Equipagen an den Hof begaben, die Post, die Kuriere, die Bauern, die zur Stadt wollten, aufgehalten wurden und ihre Geschäfte versäumten. Niemand wagte, seinen Weg fortzusetzen, um die Jagd des mächtigen Zubow nicht zu stören. Katharina sah das alles nicht. Sie liebte ihn und wähnte sich von ihm geliebt. Sie war glücklich.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berühmte Frauen der Weltgeschichte