David Gilly

David Gilly ist neben Langhans die einflussreichste Persönlichkeit in dem Berliner Bauwesen des letzten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts; wie dieser von Kind an im Baufach ausgebildet, mit der heimischen Tradition aufs engste verbunden. Er war einer 1689 in Französisch Buchholtz eingewanderten Hugenottenfamilie entsprossen. Geboren 1748 in Schwedt an der Oder, trat er 1761 bereits als Baueleve bei der Kolonisation des Warthebruches ein. Die sorgfältig durchgeführten Zeichnungen, die der 22 jährige Künstler 1770 zum Landbaumeisterexamen unter Boumann in Berlin fertigte. Risse zu einem Wohnhause und Stallgebäuden, zeigen die Schule der märkischen bürgers liehen Rokokoarchitektur, die z. B. die Fassade der Porzellanfabrik von Boumann 1764 (?) vertritt. In Küstrin, das von Schmidt und Hahn in diesen Jahren aus den Trümmern der russischen Beschießung regelmäßig
aufgebaut wurde, finden sich mehrere Häuser des Stiles am großen Markt. Bei dieser Arbeit wirkte Gilly mit und ebenso, selbständiger, beim Aufbau der Zantocher Vorstadt von Landsberg an der Warthe kurz nach dem Brande 1768; einige Zeichnungen zu Häusern hierfür im Staatsarchiv sind u. E. von Gilly. Diese ökonomische märkische Provinzialarchitektur, ein strenger Blondelstil mit gemäßigten Rokokoformen, die auch in Frankfurt an der Oder zahlreich vertreten ist, und in Feldmann, Dieterichs, Dornstein und Petri, letztere beiden auch Lehrmeister Gillys, weitere Vertreter hat, geht die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts neben der Prachtarchitektur Berlins und Potsdams her. David Gilly, seit 1771 Landbaumeister in Stargard in Pommern, 1776 Oberbaudirektor in Stettin, entwickelte sein Können denn auch vorwiegend in der Nutzarchitektur; in Pommern baute er zahlreiche Kolonistenbauten an dem von ihm teilweise trockengelegten Madüesee; Wohnhäuser und Speicher, das Petrihospital in Stettin zusammen mit dem Schwedter Baumeister Berlischky, die erhaltene Kirche des von ihm angelegten Hafens Swinemünde 1785, die niederges brannten kleinen Städte Jakobshagen und Zachan, die Lastadie mit Steinpflaster in Stettin und zahlreiche Hafen-, Brücken-, Mühlen-, Dammbauten, Flussregulierungen usw., über die reiche Akten, aber Zeichnungen nur in großer Spärlichkeit vorhanden sind. Seine Verdienste um die technische Seite der Baukunst liegen in der Verbesserung des Ziegelbaus, des Baus mit Luftsteinen und Lehmpatzen (Pisee), der Dachsteine, der Dachkonstruktionen, die er in zahlreichen Schriften behandelte. Auf die Ausbildung des Nachwuchses wirkte er durch seine 1793 gegründete Bauschule. Sie bildet die Grundlage der in erster Linie durch seine Bemühung ins Leben gerufenen Bauakademie (1799), der jetzigen technischen Hochschule.

035 David Gilly, Kupferstich nach W. Chodowiecki.


Das Studium der Werke und Schriften Gillys ist deshalb von besonderem Interesse, weil er aus der Praxis hervorgegangen, seine Absichten wie kein anderer Meister dieses Kreises, auf das Zweckmäßige und Sachliche richtet; die künstlerische Ausgestaltung beschränkt er, wie er selbst stets fordert, vor allem aut die guten Proportionen. In dem Lande zwischen Oder, Havel und Ostsee sein ganzes Leben verbringend, ist er von allem Stil- und Modewesen freigeblieben. Seine Stärke ist der Landhausbau. Als Bauten seiner Berliner Zeit nennen wir: Schloss und Dorf Steinhöfel bei Fürstenwalde für Hofmarschall von Massow nach 1790, im ehemaligen Zustand nur in Aquarellen des jüngeren Gilly und darnach geätzten Aquatintablättern erhalten; ein langgestreckter Bau mit kaum vortretendem dreiachsigen Mittelteil und schlichter Pilastergliederung; die knappen Simse, die in die nackte Fläche einge; schnittenen Fenster, die Rosettenscheiben als einziges Schmuckmotiv unter Einwirkung des englischen Landhausstiles wie bei Erdmannsdorft und Langhans. Der Park, eine höchst malerisch komponierte Baum; Wiesen; und Seelandschaft zeigt am Eingang nach der Dorfaue Schadowsche Sphinxe mit Putten als Laternenträgern. Die Aue mit dem Dorfkrug am Anfang wird links vom Amtshaus und Scheunen flankiert; dasAmtshaus mit altem gelbem Putzüberzug ist ein feines Beispiel Gillyscher ländlicher Architektur. Weiterhin gibt er die Pilastergliederung ganz auf. Die Abwägung der langrechteckigen Fenster des Erdgeschosses gegen die fast quadratischen des Obergesschosses wird das Hauptmotiv seiner Landhausfassaden: Paretz für Friedrich Wilhelm III. 1797 erbaut, Freienwalde für die Königin Friederike Luise 1798, in den 30er Jahren bereits verändert, Klein Machnow für Herrn von Hake 1803, die Villa für den Kabinettsrat Beyme in Steglitz, das jetzige Schloss-Restaurant 1804, endlich das große Geschäftshaus für den Verleger Vieweg in Braunschweig vor der Burg mit Unterstützung des Herzogs Ferdinand 1801/04 nach Gillys Zeichnungen von Wolff gebaut. Die Mittelachse wird meist durch ein Halbbogenfenster oder eine dreiteilige Fenstergruppe, das englische Palladiomotiv, betont. Die Ornamentik, Mäander-, Pfeifen-; und Rosettenbänder, ist mit höchster Sorgfalt ebenso wie alle Gesimse gezeichnet. Als Innendekorateur ist David Gilly nicht minder treftlich. Auf die junge Generation, seinen Sohn Friedrich, Gentz, Catel, Meinecke, Simon, den jungen Schinkel war er von großem Einfluss. Er verfolgte die Ideen dieses jungen Künstlerkreises, die bei den Entwürfen für das Friedrichsdenkmal, bei den öffentlichen Bauten, wie dem Nationaltheater, der Börse, der Münze hervortraten, mit Teilnahme. Er stellte ihnen selbst Aufgaben, so für ein Denkmal zur Erinnerung an den von ihm erbauten Bromberger Kanal (1797).

036 1 bis 4 David Gilly, Zeichnungen zu einem Vorwerk 1770 und zu Kleinbürgerhäusern in Landsberg a. d. Warthe 1769.

036 5. Längsschnitt eines Bürgerhauses. David Gilly, Berlin 1770 (vergl. Seite 92).

Auf die edle Gesinnung des Meisters, die sich besonders in seinen, bei diesen Anlässen verfassten Briefen an die Behörden ausspricht, ist hier kein Platz einzugehen.

Von seinen Arbeiten seien noch die erhaltenen Direktionsgebäude und Kadettenanstalt im damaligen südpreußischcn Kalisch, die Entwürfe zum Rathaus in Landsberg an der Warthe 1805, die in Stichen erhaltenen Trauerdekorationen für die Leichenfeier Friedr. Wilhelms II. und die Bepflanzung des Lustgartens mit Pappelavenüen genannt. Schwere Schicksale, hauptsächlich der frühe Tod seines Sohnes Friedrich, hatten seine Lebenskraft gebrochen, als das Unglück des Vaterlandes den patriotischen Mann darniederwarf.

Aus der Korrespondenz des Meisters sei der letzte Brief an den geliebten, von Berlin nach Königsberg vertriebenen König Friedr. Wilhelm III. wiedergegeben, da er ein Licht auf den Meister und die Zeitumstände wirft.

Er ist datiert: Berlin, 5. Mai 1808:

,,Allerdurchlauchtigster großmächtigster allergnädigster König und Herr.

Die kummervolle Lage, in welche mehrere der hiesigen Otfizianten durch die Nichtzahlung ihrer Gehälter versetzt werden, trifft auch mich sehr hart, indem ich schon seit dem 1. März 1807 kein Gehalt aus Euer Kgl. Maj. General-Domainen-Kasse erhalten. Die mir dadurch entzogenen 2.000 Rthlr. jährlich, haben mich schon den traurigsten Hültsmitteln, nähmlich dem Veräußern vieler mir nöthigen und wichtigen Bedürfnisse preisgegeben. Zwar habe ich die von Euer Kgl. Maj. höchstseligen Herrn Vater mir bewilligten und von Euer Kgl. Majestät vor 2 Jahren mir huldreichst auf Lebenslang zugesicherten jährlichen 500 Rthlr. aus der General Salzkasse in monatlichen Ratis à 41 Rthlr. 16 Seh. erhalten, allein bei der tortdauernden Unterhaltung der bei mir einquartierten französischen Offiziers und Commissairs und bei der überhand genommenen Teuerung der nötigsten Lebensbedürfnisse ist es demjenigen Diener Euer Kgl. Maj., welcher durch treu und redlich geleistete Dienste kein Vermögen sammeln konnte, unmöglich gewesen, ohne Veräußerung vieler mir unentbehrlicher Dinge und gemachten Schulden die nöthigsten Bedürfnisse bestreiten zu können.

Was aber meine Lage noch drückender macht, ist eine seit Jahr und Tag erlittene Brustkrankheit, welche mir jetzt ein nahes Ende befürchten lässt. Entblößt von allen bereits aufgeopferten Hülfsmitteln, sieht meine zu hinterlassene Witwe mit meinem Tode einem schrecklichen Schicksal entgegen.

Euer Kgl. Maj. jetzt spezialiter um allergnädigste Unterstützung anflehn zu wollen, würde unbillig sein und muss ich mich darüber allerdings bescheiden; allein, dass Euer Kgl. Majestät für mich die allerhöchste Gnade haben mögen, hiernächst, wann und wie die Staatseinkünfte es erlauben, meiner Frau das rückständige Gehalt allergnädigst auszahlen zu lassen geruhen wollen: Dies ist die alleruntertänigste Bitte, deren Gewährung mir die letzte meiner Lebensstunden erheitern würde.

Zu meinem einzigen gerechten und gnädigen Könige hege ich dieses unumschränkte Vertrauen, in welchem ich mit allertiefster Submission ersterbe als
Ew. Kgl. Maj.
alleruntertänigster Knecht
Gilly“

Auf diesen Brief hat der König am 15. Mai 1808 von Königsberg aus seine Antwort setzen lassen.

,,An die verwitwete geheime Oberbauräthin Gilly

Se. Kgl. Majestät von Preußen haben mit Bedauern ersehen, daß der Geh. Oberbaurath Gilly an dem nähmlichen Tage, als er sich noch in einer Immediatvorstellung zum Besten seiner Frau verwandte, gestorben ist. Allerhöchsdieselben bezeigen der verwitweten Geheimrätin Gilly allerhöchst deren Teilnahme und werden nach dem Wunsche des Verstorbenen, das ihm rückständig gebliebene Gehalt gerne nachzahlen lassen, wann und so wie es die Umstände des Staats gestatten werden.“

Neben David Gilly wirkte auf die jüngere Architektengeneration besonders Becherer, der Leiter der architektonischen Klasse an der Akademie, ein Schüler und Mitarbeiter Gontards, Erbauer der Börse am Lustgarten (1801), der Gensdarmenställe auf dem Gebiet der alten Akademie, seines eigenen Landhauses an der Tiergartenstraße, der reitenden Artilleriekaserne am Oranienburger Tor.


David Gilly, Kupferstich nach W. Chodowiecki.

David Gilly, Kupferstich nach W. Chodowiecki.

BB 036 Zeichnungen zu einem Vorwerk 1770 und zu Kleinbürgerhäusern in Landsberg a. d. Warthe 1769. 1 bis 4. Längsschnitt eines Bürgerhauses. David Gilly. 1770

BB 036 Zeichnungen zu einem Vorwerk 1770 und zu Kleinbürgerhäusern in Landsberg a. d. Warthe 1769. 1 bis 4. Längsschnitt eines Bürgerhauses. David Gilly. 1770

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