Anfänge des Klassizismus in Berlin. Knobelsdorf.

Knobelsdorf wird bereits von den Zeitgenossen als Wiederhersteller des klassischen Stiles in Deutschland im Sinne der Antike gefeiert. Der Dresdener Architekt und Akademiker Krubsazius, ein Schüler der Blondelschen Akademie in Paris, stellt ihn in seinen 1745 erschienenen Betrachtungen über den Geschmack der Alten dem verdorbenen Zeitgeschmack als Muster gegenüber. Das Opernhaus, 1743 vollendet, zu dessen Studium mehrere Architekten von Dresden nach Berlin kamen, sei, so sagt Krubsazius, völlig nach den Regeln der Griechen zustande gebracht und genieße die Bewunderung aller Kenner. Der Italiener Valeriani findet den Bau ganz im Geiste der Antike und Palladios. Knobelsdort ließ sich für die Fassade, ,,en tacon d'un Temple de l'antiquité“ das Kupferwerk des englischen Palladianers Inigo Jones kommen; er nennt den Bau selbst: ,,Un Edifice bâti à 1' Antique, pour le dehors un ordre véritable“ ... In Rheinsberg baut er bald nach der Rückkehr von Italien (1738/39) eine jonische Kolonnade als Abschluß des cour d'honneur, den Park eben dort schließt er mit den von vier korinthischen Säulen getragenen Torpfeilern, eine dorische Kolonnade wiederum ist dem Mittelbau des Charlottenburger Schlossflügels (1740) vorgelegt; der runde Saal in Sanssouci mit korinthischer Säulenstellung ist nach Friedrichs d. Gr. Meinung dem Pantheon nachgebildet. ,,Er liebte die edle Einfachheit der Griechen“, so fasst endlich der große König sein Urteil über den verstorbenen Freund in der Éloge zusammen (1753).

017 Knobelsdorf, Opernhaus, Rückseite. Kupferstich von Fünk 1743.
017 Knobelsdorf, Apollosaal des Opernhauses 1743.
018 Knobelsdorf, Treppenhaus im Rheinsberger Schloss 1739.


Aber derselbe Meister, der in Italien von der Kunst der alten Griechen schwärmt, verziert den Rheinsberger Treppenflur, die abgerundeten Ecken des kühngeschwungenen Treppenhauses im Potsdamer Stadtschloss, den Apollosaal des Opernhauses, ja die Vorderfront in Sanssouci mit bewegten Gebälkträgern, Atlanten, wie sie Schlüter und die Barock-Paläste der Wilhelmstraße anwenden, er verschmäht nicht die üppigen Gebälk-Konsolen und Kartuschenformen, die noch sein Lehrer, der jüngere Kemmeter, am ältesten rechten Flügel des Rheinsberger Schlosses anwendet. Im Rheinsberger Freundeskreis wird Knobelsdorf der ,,Chevalier Bernin“ genannt, zum Muster der Anlage des Opernhauses dienen ihm die italienischen Barocktheater.

An einer anderen Stelle der Éloge sagt der König: ,,Den Italienern gab er den Vorzug im Äußeren, aber in der Einteilung, Bequemlichkeit und Verzierung der Zimmer den Franzosen“; für das Innere des Opernhauses wählt er ,,une distribution des parties aussi reglée que commode“. Das Studium der französischen Akademiker ist das zweite Element in Knobelsdorfs Kunst. Seine Grundrissbildungen mit ovalen, runden oder viereckigen Mittelsalons und Vestibülen, und der Enfilade der Zimmer in Rheinsberg, Charlottenburg und Sanssouci, die strenge Pilastergliederung einzelner Fassadenteile legen von dem Studium der Blondelschen Lehren in Paris beredtes Zeugnis ab.

Endlich kommt als drittes Hauptelement der zierliche, phantasievolle deutsche Rokokostil hinzu, in dem die getäfelten und stuckierten Innenräume der Knobelsdorfschen Bauten, besonders Charlottenburg und Sanssouci, dekoriert sind.

019 Knobelsdorf, Kolonnade in Sanssouci 1745.
020 Hedwigskirche, Aufriss und Querschnitt. Kupferstich von Legeay 1747

Von der Kunst der Alten, geschweige der Griechen, bleibt also in Knobelsdorfs Schaffen nichts übrig als die Säulenstellungen; aber auch diese, die ihm den Beifall des Krubsazius und Konsorten eintrugen, sind keine antiken, ja wohl kaum solchen nachgebildet. Es sind ins Schlanke umgebildete Formen der Säulenordnungen der französischen Akademiker; sie sind meist zu zweien gekuppelt, echt barock. Die jonischen Kapitelle (z. B. Rheinsberger Kolonnade) haben kleine Rocailleschnörkel in der Mitte und Festons aus den Voluten hängend, die korinthischen, — Knobelsdorts Lieblingsform, (Rheinsberger Gartenportal, Opernhaus, Kolonnaden am Potsdamer Stadtschloss und Sanssouci) — haben tief ausgeschnittene Akanthusblätter, zackig krause Umrisse, geschweifte Deckplatten. Die mehrfach einspringenden Tragbalken, die überhöhten Architrave, die weit ausladenden Gesimse mit zierlich ausgeschnittenen, reich profilierten Zahnschnitten und Konsolen durchströmt eine nervöse Bewegung; sie setzt sich in den schlanken Balustern der Attika fort und lebt sich in den bewegten Musen und Puttengruppen, den bizarr geschweiften rocaillegeschmückten Blumenvasen aus. Knobelsdorf, so klassisch auf der einen Seite, ist auf der anderen durch und durch ein Meister des Barock. Nicht weniger als seine süddeutschen Zeitgenossen Neumann, Fischer usw. ,,Er verschönerte die Baukunst durch seinen Sinn für das Malerische“: hiermit trifft Friedrich den Charakter der Knobelsdorfschen Kunst weit besser als mit dem Vergleich an der Kunst der Griechen. Sein Verhältnis zur antiken Kunst ist souverain, wie in der ganzen Barockzeit. Ähnlich wie der Rheinsberger Freundeskreis der Antike auf dem Wege über Voltaire, Racine und Corneille nahe stand. Die malerisch zarten Reliefs aus dem Leben Apollos am Opernhause, die faunhaft lächelnden, ihre Gebälke in schwebenden Wendungen tragen; den, mit Rebengerank umkränzten Atlantenfiguren an der Vorderfassade von Sanssouci führen in der Bildhauerei das sinnlich idyllische Naturempfinden dieses Kreises von Antikenschwärmern vor, der sich in der ausgehenden Barockzeit hier oben an den märkischen Waldseen um den jugendlichen Friedrich zusammenschloss. Ewald von Kleists Idyllen im Stil des Horaz geben die lyrische Stimmung dieser Kunst in Worten. Noch die letzten Schöpfungen Knobelsdorfs, die abgebrochene Kolonnade bei Sanssouci mit mächtigen Korbbogen und Voluten, steingehauenen Fratzen, Felsstücken, Muscheln und Seegetier, und die Neptunsgrotte ebendort (1753) mit grottenartiger Muschel- und Rustikaplastik sind aus dem vollen Naturgefühle des Barock geboren. Ausgebildet in der Malerei, Intendant der Oper, Sänger und Musiker für Friedrich in Italien anwerbend, Festarrangeur, Surintendant des gesamten Bauwesens: auch hier zeigt sich der den Gesamteffekt beherrschende Meister des Barock. Ausgehend von der Berliner Barockkunst seiner Lehrer Wangenheim, Feldmann und Kemmeter, mit dem plastischen Gefühle des italienischen Barock und deutschen Rokoko durchtränkt, hat er zwar die strengen Prinzipien der Blondelrichtung ernster und früher als die übrigen deutschen Meister aufgenommen; aber wie weit steht er dennoch von jenen trockenen Theoretikern Sachsens, den Wortführern rein Blondelscher Observanz entfernt, die in den 40er Jahren in Nachahmung der französischen Akademiker die Rückkehr zur Kunst der Alten predigen! Welch ein Gegensatz zu der nüchternen Kunst und der platten ,,à la grèque“-Theorie des Krubsazius, der den Knobelsdorf zu den Seinen zählt. Die weise zurückhaltende Verteilung des plastischen Schmuckes, die schon Friedrich in der Éloge als einen Vorzug der Knobelsdorfschen Bauten rühmt, beweist das Maß halten können des großen Meisters; hinter der gemäßigten Regelrechtigkeit des Krubsazius verbirgt sich dagegen nur die Armut an Formen und Gedanken!

Die Universität, das ehemalige Palais des Prinzen Heinrich, als Gegenstück zum Opernhause, das von Knobelsdorf geplante Forum Friedericianum einfassend und unter Benutzung seiner Ideen, 1748— 53von J. Boumann errichtet, möge noch den Knobelsdorfschen Stil vergegenwärtigen. Boumann, Büring, Manger, A. Krüger (Niederländisches Palais, unter den Linden, 1753), Dieterichs stehen unter der Einwirkung Knobeldorfs, der letztere noch in dem Ephraimschen Hause um 1762 — 65. Die Stiche des älteren Hoppenhaupt um 1753 sind für den Stil der Innendekorationen lehrreich. Die Entwürfe für die von dem König 1770 geplante lange Brücke in Potsdam mit Wacht- und Akzisehäusern, wohl von Boumann, vertreten noch die Mischung der Blondeischen Säulenordnungen mit deutschen Rocaillemotiven (das Technische schließt sich an Belidors Brückenwerk an). Vereinzelt kommt der französische klassische Stil zu Wort in der Hedwigskirche nach Friedrichs Angabe von Legeay 1747—78 nach dem Muster des Pantheon gebaut. — Neben der Prachtarchitektur ist der Nutzbau nicht zu vergessen, der in den Kasernen-, Speicher- und Kolonistenbauten Friedrich Wilhelms I. bereits eine schlichte charakteristische Form angenommen hatte, die auch in der Rokokozeit nicht verändert wird. Feldmanns Entwurf zum Packhofe möge dafür als Beispiel dienen. Die Fürsorge, die Friedrich auch der praktischen Seite der Architektur, dem Land; und Wasserbau, besonders nach dem siebenjährigen Kriege, hat angedeihen lassen, ist fast noch mehr zu bewundern, als die Tätigkeit, die er auf die Verschönerung von Berlin und Potsdam verwendet hat. Eine Betrachtung hierüber liegt indes außerhalb des Rahmens dieser Arbeit.

021 Feldmann, Aufriss zum alten Packhof, um 1750. Geh. Staatsarchiv.
022 Kupferstich von Hoppenhaupt senior um 1750.


BB 016 Berlin, Opernhaus und Hedwigskirche 1747. Kupferstich von Legeay

BB 016 Berlin, Opernhaus und Hedwigskirche 1747. Kupferstich von Legeay

BB 017 Berlin, Knobelsdorf, Apollosaal des Opernhauses 1743

BB 017 Berlin, Knobelsdorf, Apollosaal des Opernhauses 1743

BB 017 Berlin, Knobelsdorf, Opernhaus, Rückseite. Kupferstich von Fünk 1743

BB 017 Berlin, Knobelsdorf, Opernhaus, Rückseite. Kupferstich von Fünk 1743

BB 018 Berlin, Knobelsdorf, Treppenhaus im Rheinberger Schloss 1739

BB 018 Berlin, Knobelsdorf, Treppenhaus im Rheinberger Schloss 1739

BB 019 Berlin, Knobelsdorf, Kolonade in Sanssouci 1745

BB 019 Berlin, Knobelsdorf, Kolonade in Sanssouci 1745

BB 020 Berlin, Hedwigskirche, Aufriss und Querschnitt. Kupferstich von Legeay 1747

BB 020 Berlin, Hedwigskirche, Aufriss und Querschnitt. Kupferstich von Legeay 1747

BB 021 Berlin, Feldmann, Aufriss zum alten Packhof, um 1750. Geh. Staatsarchiv

BB 021 Berlin, Feldmann, Aufriss zum alten Packhof, um 1750. Geh. Staatsarchiv

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