Einleitung - Geschichte der Stadt

Ihr habt, meine lieben jungen Freunde, am Vorabend des 18. Januar das Geläute der Glocken von den Türmen Berlins und aller Kirchen des großen Preußenlandes gehört. Ihr habt euch wohl sagen lassen, dieses Geläute gelte einem hohen Festtage unseres Vaterlandes, dem 150 jährigen Jubelfeste der preußischen Königskrone, dem Gedenktage der feierlichen Krönung des Kurfürsten Friedrichs III von Brandenburg zum Könige. Ihr habt gewiss alle mit freudigem Gefühl es oft schon erwägen hören, was diese Krönung Preußen und Europa bedeutet hat, und wie die Schriftworte des 64. Psalmes: „Alle Menschen, die es sehen, werden sagen: das hat Gott getan, und merken, dass es sein Werk sei“ — der Text, den König Friedrich am Dank- und Bettage nach dem Krönungsfeste befahl — so herrlich sich erfüllt haben. Denn dass Preußens Erhebung Gottes Werk ist und der fromme Sinn der preußischen Könige stets das Werk Gottes schützte, das Alles habt ihr aus unseres Vaterlandes herrlicher Geschichte wohl schon gelernt und gefühlt. Den Sinn des Krönungsfestes für das preußische Vaterland kennt ihr also, aber vielleicht weniger die Bedeutung desselben für unsere Vaterstadt, und was vor der Krönung und in den anderthalb Jahrhunderten nach ihr durch Friedrichs Ahnen und seine Nachkommen, durch unsere Hohenzollern für diese Stadt geschehen ist. Das mögt ihr lesen in dem kleinen Büchlein. Ihr mögt es so freudig und dankbar lesen und beherzigen, wie es geschrieben wurde. Ihr mögt eure Begeisterung sich entzünden und das Gefühl der Treue und der Liebe sich erwärmen lassen, wenn ihr einsehen lernet, welchen Dank ihr für so viel Großes, das an unserem Volke geschehen ist, dem Königshause schuldet. Ihr mögt es das Streben eures künftigen Wirkens sein lassen, dem Königtum der Hohenzollern diese Treue und Liebe zu betätigen. Dann wird der erhabene Bruder der hohen Fürstentochter, die auch freudig und stolz in diesem Büchelchen es lesen will, was Ihre Ahnen für Ihre Vaterstadt getan, rühmen, was Seine Vorfahren Gott dankend rühmten: Kein Preuße verlässt einen Hohenzoller, kein Hohenzoller verlässt einen Preußen.

In diesem Sinne will dieses kleine Buch euch von Berlin erzählen, von seiner Entstehung und Vergrößerung und von seiner Verherrlichung durch so würdige Denkmale, die unsere Könige, welche alles Gute und Schöne zu fördern immer eifrig gewesen, sich und uns errichteten. Diese Denkmale nun, all die schönen Gebäude, Plätze und Kunstwerke unserer Vaterstadt, ich zeigte und erklärte sie jüngst meinem Enkel bei unseren Spaziergängen, Als er, der, noch sehr jung, schon seinen König so herzlich liebt, innige Freude an Allem hatte, was ich ihm von Berlin und seinen lieben Fürsten sagte, dachte ich: vielleicht erfreut, was wir auf unsern Gängen uns erzählt haben, auch andere Kinder. Und deshalb schrieb ich nieder, was ich gesagt hatte, und so entstand das Büchlein, das ich euch hier darbringe. Möge es euch, meine lieben Freunde, lieb um seines Inhalts werden. Möget ihr, die ihr Berlin bewohnt, mit dem Buche in der Hand eure Vaterstadt durchwandern, möge es euch aufmerksam machen auf die Schönheit und Herrlichkeit derselben, vor der ihr vielleicht sonst ohne Nachdenken vorüberginget; ihr habt das Glück den Orten nahe zu sein, die so viele und so große Veränderungen erfuhren; diese Nähe nebst der Betrachtung der mannigfaltigen Lebenszustände, die hier herrschten und sich entwickelten, wird euch mit Ehrfurcht vor dem Altertum und dem Walten der Geschichte erfüllen. Die ihr aber fern von der Hauptstadt wohnet, wenn ihr von dem großen und schönen Berlin höret und Lust empfindet es kennen zu lernen, möget ihr dieses Buch in die Hand nehmen und euch mit seinem Inhalt vertraut machen, bis ihr einmal selbst diese Stadt bettetet und mit eigenen Augen alles Herrliche in derselben sehet. Euch alle aber, wenn ihr vernehmet, wie es früher in Berlin aussah, und was es jetzt ist, erinnere das Buch, dass alles dieses Große und Schöne ein Werk eurer Fürsten ist, deren Nähe stets Segen und Wohlstand verbreitete. So folgt mir denn, meine lieben jungen Freunde, und lasst uns zuerst von der Höhe des Kreuzberges, auf der südwestlichen Seite Berlins, einen Blick auf unsere Stadt werfen. Da liegt sie vor euch in ihrer ganzen Ausdehnung, eine der schönsten und größten Europas, kleiner nur als London, Paris, Wien und Petersburg; da erstreckt sie sich wohl über vier Stunden im Umfange, von der Spree durchflossen. Aus der vor uns ausgebreiteten Häusermasse seht ihr die vielen Kirchen hervorragen, den Dom, die Marienkirche, die Kirche zu St. Nicolai, die neue Werdersche Kirche, die beiden Gensdarmen-Türme und andere. Das Opernhaus, die Universität, die Museen, das Schauspielhaus, wie schön heben sie sich heraus. Und seht, dort fast im Mittelpunkt Berlins erhebt sich das Königliche Schloss. Es steigt nicht stolz mit Türmen und Zinnen empor. In seiner erhabenen Größe steht es sicher unter den Häusern der Bürger, deren Liebe und Treue stets die schützendste Mauer des Fürstenhauses sein mag. Hat euch zuerst der Anblick der imposanten Stadt gefesselt, so seht nun dort vor euch die kuppelförmigen Gebäude der Gasanstalt, die vielen Schornsteine der Dampfmaschinen, die zeugen alle von friedlichen, dem Verkehr so günstigen Zeiten, die Berlin genossen. Da ziehen die Lokomotiven mit langen Zügen hin durch die Felder; in unserer nächsten Nähe da unten fährt der Dampfer, um in das Anhaltinische Land, von da nach Sachsen, Böhmen, Bayern zu führen; gleich dahinter ein anderer, über Potsdam und Magdeburg, gen Cöln, um die Rheinprovinz mit der Hauptstadt in nächster Nähe zu vereinigen, den Süden Deutschlands, Frankreich, ja den ganzen Süden Europas mit Berlin zu verbinden. Und eben so würdet ihr auf den andern Seiten der Stadt die Eisenbahnzüge wahrnehmen: den einen nach Hamburg, um Berlins Verkehr mit England, Amerika und allen Kolonien zu vermitteln. Jener andere Zug führt an die See, er hat uns Stettin nur auf Stunden Entfernung nahe gerückt; Pommern, Polen, Preußen, sind durch ihn mit Berlin verbunden. Dort endlich geht eine fünfte Bahn über Frankfurt und Breslau die Provinzen des Landes zu vereinen, um Preußen mit Österreich, mit dem ganzen Südosten in Verkehr zu bringen. All diese Eisenstraßen, in wie wenigen Jahren sind sie entstanden; gewiss sind unter euren Verwandten noch welche, die sich erinnern, wie man vor der Eröffnung der ersten Bahnstrecke von Berlin bis Zehlendorf (im Jahre 1838) nur in vier bis fünf Stunden nach Potsdam fuhr; so wie ich es aus meiner Kindheit weis, dass vor Anlegung der Chaussee zu dieser Reise ein ganzer Tag gehörte. Wie ungeheurer Geldmittel hat es bedurft, diese Schienenstraßen durch die Felder zu ziehen. Und diese Geldmittel, wodurch hat man sie gewonnen? Durch das Vertrauen zu unserem Lande, das wieder auf das Vertrauen in die Regierung unserer Könige begründet ist.


Wenn eure Aufmerksamkeit, die diese großartigen Eisenbahnen — eine Erfindung der neuesten Zeit — auf sich gezogen haben, befriedigt ist, wenn euer Blick sich satt gesehen hat an der schönen Stadt, die vor euch liegt, dann betrachtet das Denkmal, an dem wir stehen. Es soll jene große Zeit von 1813, 1814 und 1815 verewigen, die Zeit der Befreiung von fremder Herrschaft durch des Volkes Tapferkeit und hingebende Treue gegen seinen König. Das Denkmal ist in Eisen gegossen erbaut. Auf einem durch elf Stufen erhobenen achteckigen Platze, erhebt es sich, turmartig, in gotischem Style, zu einer Höhe von 64 (mit der Stufenerhöhung über 70) Fuß. Die Grundform ist ein Kreuz, und in jeder der dadurch gebildeten zwölf Seitenflächen ist in angemessener Höhe eine Nische, in welcher der Genius einer Hauptschlacht steht; hohe Gestalten, mit Attributen, welche auf die versinnbildete Schlacht hindeuten. Beachtet den Ausdruck der schönen sinnigen Gesichtszüge, die euch an manche durch Portraits bekannte fürstliche Personen und Helden jener Zeit erinnern werden. Die Architektur des Denkmals dient dazu, über diesen Gestalten einen schützenden und gleichsam zur Verehrung errichteten Baldachin zu bilden. Unter jeder steht der Name der Schlacht, die versinnlicht werden soll. Ich will sie hier aufführen; präget sie eurem Gedächtnis ein, damit ihr stets an jene Tage der Ehre erinnert werdet und euch angeregt fühlet, recht oft die Geschichte jener Freiheitskriege euch zu vergegenwärtigen. „Freiheitskriege“ heißen sie: denn damals nannte man Freiheit — nicht Unabhängigkeit von dem angestammten Fürsten, der ja eins mit seinem Volke ist, sondern von dem Druck fremder Gewaltherrschaft.

Die zwölf auf dem Denkmal aufgezeichneten Schlachten mit ihrem Datum sind:

Großgörschen 2 Mai 1813. Leipzig 18 October 1813.
Großbeeren 23 August 1813. La Rotiere 1 Februar 1814.
Katzbach 26 August 1813. Bar fur Aube 27 Februar 1814.
Culm 30 August 1813. Laon 9 März 1814.
Dennewitz 6 September 1813. Paris 30 März 1814.
Wartenburg 3 Oktober 1813. Belle Alliance 18 Juni 1815.

Großgörschen, Leipzig, Paris, Belle Alliance stehen mit bronzenen Buchstaben auf den vier Hauptseiten, dazwischen je zwei der anderen.

Und nun leset auf der Vorderseite des Denkmals die bedeutsame Inschrift:

Der König dem Volke das auf seinen Ruf hochherzig Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte den Gefallenen zum Gedächtnis den Lebenden zur Anerkennung den Künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung

So ist diese Säule ein Ehrendenkmal Preußischer Krieger, die in jenen Jahren siegten und fielen, ein Zeugnis von der Anerkennung, die der König der aufopfernden Treue seines Volkes zollte, sie ist das Erinnerungsdenkmal preußischer Kinder, zu werden wie ihre Väter waren, treu und tapfer, dem Könige und dem Vaterlande ergeben. Diese Ruhmes- und Ehrensäule, sie soll euch Preußen stets im Gedächtnis stehen, damit der Geist, der jene große Zeit erzeugte und durchwehte, in euch lebendig bleibe und, wie er unsre jetzige Zeit erneuere, so durch euch in die folgenden übertragen werde. Nehmt euch zum Wahrzeichen jenes Kreuz auf der Spitze des Denkmals. Ich hoffe, ihr werdet die Worte auf demselben: „Mit Gott, für König und Vaterland“, die alle gute Preußen sich zum Wahlspruch nehmen, stets heilig im Herzen halten. Und wist ihr, woher die Kreuzesform stammt? Es ist das christliche Kreuz, das die Ritter der geistlichen Orden im Mittelalter zuerst sich aufhefteten, um für den Christenglauben zu kämpfen. „In diesem Zeichen sollst du siegen,“ so hatte schon der römische Kaiser Constantinus in den Wolken, wo ihm ein Kreuz sichtbar wurde, gelesen. Er siegte und sein Sieg machte das Christentum zur Weltreligion. „Bei diesem Zeichen sollst du siegen“ sei in eure Herzen geschrieben, liebe Preußenkinder, und mit Gottes Hilfe wird das Christentum Weltreligion bleiben, und mit ihm der Glaube, die Treue — denn Beides ist Eins — durch alle Schwankungen hindurch fest stehen und alle Feinde besiegen.

Wie herrlich erdacht und ausgeführt ist dieses Denkmal!

Friedrich Wilhelm der Dritte fasste die Idee desselben; Schinkel, der große Baumeister des Königs, entwarf es im Sinne seines Herrn; und nach seiner Ausführung ward es am 19. September 1818 in Gegenwart des Königs, des Kaisers Alexander von Russland und vieler anderer hohen Personen feierlich eingeweiht.

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Nun schaut auf Hügel und Felder und Strecken jenseits des Kreuzberges. Seht jene sandigen Höhen und Tiefen, jene dürftig lohnenden Äcker, jenen ärmlichen Baumwuchs; bedenkt, so war der ganze Umkreis, auf dem jetzt die stolze Hauptstadt sich erhebt. Es ist kein üppiges Land, kein ergiebiger Boden gewesen, auf dem unsere Vorfahren sich ansiedelten. Aber eben deshalb, weil die Anlage mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen und keiner Bevorzugung der Lage sich zu erfreuen hatte, gibt sie einen sehr merkwürdigen Beweis, dass wo Fürst und Volk sich vertrauen, kein Ding unmöglich ist, selbst das fast unmöglich Scheinende, eine Sandwüste in eine der schönsten Städte der Welt umzuschaffen.

Ihr möchtet nun gewiss gern hören, wann und von wem unsere Stadt erbauet worden. Aber darüber herrscht noch mancherlei Streit unter den Männern, die dies auch gern wüssten und deshalb in alten Büchern und etwa erhaltenen Urkunden nachsahen und forschten. Man weis nicht einmal, ob die Stadt von den Wenden oder von den Deutschen, die das Land den Wenden abgenommen hatten und sich hier festsetzten, gegründet worden. — Also unser Land gehörte zuerst den Wenden, und war kein deutsches Land? — Ursprünglich war es deutsch, so wie der ganze nordöstliche Teil des heutigen Deutschlands. Wir können indess nicht genau die Völkerstämme bezeichnen, die hier wohnten, da die Römer, durch die wir die Nachrichten von den ältesten Zuständen und Geschichten der Deutschen haben, bis in unsere Gegenden nicht kamen, als etwa einzelne Kaufleute. Wir wissen nur, dass im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt die Semnonen ungefähr zwischen Elbe und Oder wohnten, und man nimmt an, dass sie auch den Boden unserer Vaterstadt damals inne gehabt haben. Da mögen sie sich wohl zum Kampfe für die Freiheit gerüstet haben, als sie vernahmen, dass die Römer durch das nördliche Deutschland immer näher ihren Grenzen rückten; wie diese denn im Jahre 9 vor Christi Geburt bis an die Elbe kamen. Die Semnonen — so berichtet der römische Schriftsteller Tacitus — waren die ältesten und edelsten der Sueven, sogar durch ihre hohen Gestalten vor ihnen ausgezeichnet; sie hielten sich selbst für das Haupt der Sueven und wurden dafür von den übrigen Stämmen dieses Volkes anerkannt, von denen zu festgesetzter Zeit Gesandtschaften in einem heiligen Haine im Gebiete der Semnonen zusammenkamen um ihren obersten Gott mit heiligen Gebräuchen zu ehren und gemeinsame Angelegenheiten zu beraten. Zu nächsten Nachbarn hatten die Semnonen an der Elbe die Langobarden, ebenfalls Suevischen Stammes, und im Osten die Burgundier. Zur Zeit der sogenannten Völkerwanderung aber, am Ende des 4ten und im 5ten Jahrhundert nach Christi Geburt rückten die deutschen Völker immer weiter nach Westen und Süden vor, und drangen endlich in die Provinzen des Römischen Reichs, wo sie neue Reiche stifteten. Die Semnonen spielen hierbei keine Rolle, während wir von den Burgundiern und Langobarden wissen, dass sie, jene im südwestlichen Gallien, diese in Italien eigene Reiche gründeten. Durch diese Züge aber wurden die Gegenden des nordöstlichen Deutschlands von den deutschen Völkern leer, und Slavische Völker nahmen sie ein. So kamen diese in unsere Gegenden, und man nennt sie hier mit einem gemeinschaftlichen Namen Wenden. Sie blieben wohl mehr als drei Jahrhunderte in ungestörtem Besitz dieser Länder; bis Karl der Große nach Besiegung der Sachsen diese Völker angriff, um die Grenzen gegen sie zu sichern. Er legte schon im Jahre 789 den Wilzen, um die Peene, Tribut auf, und ließ im Jahre 806 die Sorben, die von der Elbe bis zum Thüringerwalde und dem Erzgebirge wohnten, durch feinen Sohn Karl angreifen, der sie besiegte. Aber bis in unsere Gegenden erstreckte sich Karls des Großen Macht nicht, und als nach seinem Tode das geteilte fränkische Reich den Angriffen der Normannen fast erlag, schüttelten die wendischen Völkerschaften das Joch ab, und ein Jahrhundert verstrich wieder, in welchem die Wenden unangegriffen blieben. Erst unter den Sächsischen Kaisern im 10ten Jahrhundert wurde der Kampf zur Ausbreitung der deutschen Herrschaft in diesen Gegenden wieder aufgenommen. Er erfüllte zwei Jahrhunderte. König Heinrich I. begann diesen Kampf, nachdem er durch einen Waffenstillstand den verheerenden Anfällen der Ungarn Einhalt getan und sich von dieser Seite gesichert hatte. Er belagerte im Jahre 927 Brennabor (Brandenburg), die Hauptfeste der Heveller an der Havel, mitten im strengsten Winter: auf dem Eise schlug er sein Lager auf und so bezwang er die Feste durch Hunger und Schwert; sein Feldherr Bernhard besiegte die Rhedarier bei Lenzen im Jahre 929 und drang bis Lebus vor; — ein Ort aber, Berlin, wird in den Kriegserzählungen nicht genannt. Doch konnten die Deutschen nicht festen Fuß fassen. Da stellte Heinrichs Sohn, Otto I. einen tüchtigen Mann auf, um die Wenden zu besiegen und sie in Zaum zu halten. Es ist der berühmte Gero, der von 938 bis 965 mit gewaltiger Hand längs der Slavengrenze in der alten Ostmark gebot und Markgraf und Herzog genannt ward. Er eroberte das verloren gegangene Brandenburg wieder, siegte in mehreren Schlachten und hielt die Wenden zwischen Oder und Elbe in Zinspflicht, freilich unter fortwährenden blutigen Kämpfen. Diese Kämpfe hatten von Seiten der Deutschen nicht bloß den Zweck, die Grenzen zu sichern und die deutsche Herrschaft auszubreiten; man stritt für den christlichen Gott gegen die Götzen, man glaubte das Heidentum ausrotten und mit Gewalt das Christentum pflanzen zu müssen. Zur Sicherung des Gewonnenen wurden durch König Otto I. Bistümer in Havelberg 946 und in Brandenburg 949 errichtet. Zum Sprengel des letztern wurden auch die Zpriavani (an der Spree) gezogen. So war schon in dieser frühesten Zeit unser Land der wichtigste Ausgangspunkt für die Verbreitung der christlichen Religion und deutschen Wesens, und wenn diese Verbreitung auch wieder eine Zeitlang gestört wurde, so nahm sie doch in der Folge gerade von hier aus ihren weitesten und sichersten Lauf. Dass diese Gründungen nicht in dem reinen Sinne des Christentums, im Geiste der Milde geschahen, lag in der Zeit. Gero selbst stellt sich im Charakter jener Zeit dar: tatkräftig, gewaltsam, ja grausam gegen die hartnäckigen heidnischen Feinde, war er von Eifer für die Verehrung Gottes erfüllt: er hat das Kloster Gernrode am Harz gestiftet, und im hohen Alter wanderte der fromme Held nach Rom, um sein Kloster dem Schutz des h. Petrus zu unterwerfen und die Bestätigung des Papstes zu erlangen. Bald nach seiner Rückkehr starb er.

Nach seinem Tode (im Jahr 965) teilte Kaiser Otto I. die Feldherrngewalt gegen die Wenden, und verteilte das bedeutende Gebiet der damaligen Ostmark, das Gero erworben, in mehrere Marken, von denen aus das angefangene Werk weiter geführt werden sollte; die Nordmark (die spätere Altmark) und die Verteidigung der Havelberger und Brandenburger Kirche ward Dietrich übertragen, der als der erste Markgraf der Nordmark anzusehen ist. Allein die Unklugheit und Härte dieses Mannes, die Verachtung, mit der die Deutschen den Wenden begegneten, der Druck, den sie bei der Einforderung des Tributs, so wie des Zehnten für die Geistlichkeit ausübten, bewirkte, dass im Jahre 983 die Wenden sich zu einem allgemeinen Aufstand erhoben; sie verweigerten den Tribut, zerstörten die Kirchen, schlachteten die christlichen Priester an den Altären ihrer Götter. Die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg entkamen nur mit Mühe durch eilige Flucht. Die Eroberungen jenseits der Elbe gingen verloren. Die Markgrafen vermochten kaum die deutsche Grenze zu schützen. Immer erbitterter wurden die Kämpfe, und wenn die Deutschen wieder Fuß fassten, so erhoben sich neue Aufstände. Die Züge der Ottonen nach Italien, die innern Streitigkeiten unter Kaiser Heinrich IV. und V. kamen den Slaven zu Gute. Da übertrug Kaiser Lothar im Jahre 1134 dem Askanier Albrecht dem Bären die erledigte Nordmark, deren Besitz ihm der Hohenstaufe Konrad III bestätigte 1143. Albrecht wird mit Recht der Gründer der Mark Brandenburg genannt. Die deutsche Herrschaft in unsern Gegenden ward nun eine dauernde. Das Glück begünstigte ihn. Ein Fürst der Heveller (an der Havel) Pribislav ward Christ, und übertrug Albrecht, oder vielmehr dessen Sohne Otto, der sein Taufzeuge gewesen, das Land der Heveller, und bestimmte, dass nach seinem Tode ihm auch die Zauche (das Land südlich der Havel) zufallen sollte. Als Heinrich — diesen Namen hatte Pribislav bei seiner Taufe angenommen — starb, bemächtigte sich einer seiner Verwandten, Jaczko, Brandenburgs; aber Albrecht kam herbei und eroberte diese stärkste Festung der Heveller mit Sturm, (1157) und darauf erfolgte die Germanisierung des Havellandes und der Zauche. Die unterjochten Wenden mussten das Christentum annehmen und Leibeigene werden, oder ihre Wohnungen verlassen. Nur unter blutigen Kämpfen wurde dies erlangt. Teils durch Tapferkeit und Gewalt, teils durch Klugheit und Milde verbreitete und befestigte Albrecht der Bär seine Herrschaft. Spandow, Potsdam, Saarmund, Trebbin, Mittenwalde werden unter ihm als Burgen und feste Stützpunkte der Deutschen genannt. Da das neuerworbene Land durch die Ausrottung oder den Abzug der Wenden, die nicht Christen werden wollten, entvölkert war, so wurden die alten Bewohner durch Deutsche ersetzt; selbst vom Niederrhein zog er Deutsche, denen der Strom ihre Länder überflutet hatte, in die Gegenden an der Elbe und Havel. Diese Ankömmlinge erhielten gegen einen bestimmten Zins und Dienst Ländereien, legten neue Ortschaften an und bebauten die besten Striche. Diese Nachricht, so wie die Annahme, der Name Berlin sei eine Ableitung von dem Beinamen Albrechts, des „Bären“, hat zu der Sage Anlass gegeben, dieser sei der Gründer Berlins gewesen. Allein Berlin wird unter ihm noch gar nicht genannt, und gegen jene Meinung spricht auch der unsichere Besitz der Gegenden an der Havel, ja es wird wahrscheinlich gemacht, dass Albrecht nur sehr unbedeutende Teile von dem Teltow und noch gar nichts von dem Barnim inne hatte. Letzterer erstreckte sich nördlich der Spree von der Havel bis nordöstlich an das Knie der Oder; der Teltow ist die Gegend südlich der Spree, und hier reichten Albrechts Besitzungen, wie man aus Urkunden folgert, nur bis über Zehlendorf hinaus. Albrecht der Bär konnte daher in unserer Gegend auch keine Stadt gründen. Überhaupt ist die Gründung neuer Städte und die Erhebung älterer Ortschaften zu Städten unter ihm in beschränktem Maße zu verstehen*).

*) Vergl. Geschichte des brandenburgisch -preußischen Staats. Ein Buch für Jedermann. Von Dr. A. Zimmermann. Berlin, bei A. Duncker. 3. Auflage. S. 6.

Erst nach Albrecht dem Bären, welcher 1170 starb, wurde durch glückliche Unternehmungen allmählich der Teltow und Barnim erworben. Die Tempelherrn leisteten hiebe! gute Dienste, die etwa um das Jahr 1198 die Dörfer Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Nixdorf als Eigentum erhielten gegen die Verpflichtung die Wenden im Zaum zu halten. Vollendet wurde die Erwerbung des Teltow und Barnim unter den trefflichen Urenkeln Albrechts des Bären Johann I und Otto III, und im Jahr 1232 verordneten die Markgrafen dass die Einwohner des Teltow und Barnim, also auch Berlins und Cölns, ihr Recht von der Stadt Spandow holen sollten. Unter diesen Markgrafen werden nun auch Berlin und Cöln zuerst urkundlich genannt. Es waren nämlich zwei Orte, die an beiden Ufern der Spree einander gegenüber lagen, Cöln am linken und Berlin am rechten Ufer.

So wie aber beide Städte zuerst genannt werden, erscheinen sie bereits als nicht unbedeutende Orte. Zuerst von beiden wird Cöln genannt, im Jahre 1238, als der Streit der Markgrafen mit dem Bischof von Brandenburg geschlichtet wurde. So wie nämlich die Nachfolger Albrechts des Bären glückliche Erwerbungen im Barnim und Teltow machten, waren sie mit dem Bischof wegen des Zehnten aus diesen Ländern in Streit geraten, welcher bis 1238 dauerte, wo bestimmt wurde, dass der Bischof den Zehnten aus den alten vor Albrechts des Bären Tode erworbenen Landen, die Markgrafen den Zehnten aus den neuen Landen erheben sollten. Berlin und Cöln gehörten zu den letztern. In der über diesen Vertrag aufgenommenen Urkunde kommt der Pfarrer Simeon von Cöln vor, und da dieser allein von den Geistlichen der neuen Lande genannt wird, so muss Cöln schon ein bedeutender Ort gewesen sein. Sechs Jahre später wird Berlin erwähnt, im Jahre 1244, wo in einer Urkunde Simeon als Probst von Berlin erscheint. Also war diese Stadt der Mittelpunkt eines Kirchenkreises, und muss ebenfalls als ein vorzüglicher Ort desselben angesehen werden. Noch andere Zeugnisse und Umstände deuten eben darauf hin. So erteilte im Jahre 1252 Markgraf Johann I der Stadt Prenzlow neben anderen Vorzügen die Zollfreiheit, wie sie Brandenburg und „Berlin“ hatten, und eben so wird Berlin als Musterstadt genannt, als der neugegründeten Stadt Frankfurt im Jahre 1253 städtische Rechte und Freiheiten verliehen wurden. Da dergestalt die Städte Berlin und Cöln, so wie sie deutlich aus der alten dunklen Zeit auftauchen, als bevorzugte Orte erscheinen, so können wir wohl glauben, dass sie vor der Zeit jener Urkunden schon geraume Zeit bestanden haben. Wann sie aber entstanden, bleibt immer in Dunkel gehüllt. Sie mögen schon von den Wenden angelegt sein; denn wir müssen uns diese Völker nicht als so roh denken: sie galten früh als vortreffliche Getreidebauer und Landwirte; Ackerbau, Viehzucht, Handel und Gewerbe blühten in den wendischen Staaten, den nördlichen wie den südlichen, dergestalt dass die bambergischen Sendpriester (1128) ihre Verwunderung nicht genug ausdrücken konnten, und ein Gelehrter hat wahrscheinlich gemacht, dass unsere Gegend ein Durchgangspunkt für die mannigfaltigen Waren, mit denen die Wenden Handel trieben, war; ja Einige meinen, dass Berlin schon im zehnten und elften Jahrhundert vorhanden gewesen. Dass aber in den damaligen Zeiten nicht Berlin und Cöln genannt werden, darf uns nicht Wunder nehmen, wenn man weis, dass die Geschichtsschreiber der wichtigsten Kriege, welche die Deutschen in diesen Gegenden führten, nur mit ein paar Worten gedenken, und kaum einige Orte, wo Schlachten geliefert wurden, nennen.

Um dem Ursprung der Städte Berlin und Cöln nachzuforschen, hat man auch die Bedeutung ihrer Namen zu ergründen gesucht; allein, das ist, wenn auch interessant, sehr misslich, da, wie jede Sprache, so auch die wendische Sprache mit der Zeit große Veränderung in ihren Lauten erlitten hat, viele Wörter derselben ganz verloren gegangen sind und verschiedene Mundarten bestanden; noch jetzt hat der geringe Überrest der Wenden in der Lausitz so viele Dialekte, dass sie viele ihrer Wörter wechselseitig nicht verstehen. Daher gibt es denn gar vielerlei Erklärungen von den Namen Berlin und Cöln, die ich euch nicht anführen will. Nur Einiges. Was Berlin betrifft, so finden wir in anderen Städten, in Augsburg und bei Nordheim, einen Platz Berlin, in Halle einen kleinen und großen Berlin, ja sogar in Frankreich ein Dorf Berlin. Unsere Stadt wird in früheren Jahrhunderten immer „der Berlin“ (wie der Haag in Holland bis auf den heutigen Tag) bezeichnet, und statt in Berlin sagte man nach altem Sprachgebrauch „zu dem Berlin“ oder „zu dem olden Berlin“ (im Gegensatz der Stadt Berlinchen), was auf den Namen Berlin als einen Gattungsnamen hinweist, welcher „Platz“ bedeuten soll. Cöln soll seinen Namen von dem wendischen Worte Koll haben, welches einen Pfahl bedeutet, weil viele Häuser in diesen damals morastigen Gegenden auf Pfählen erbaut waren; nach Anderen bedeutet Cöln einen Hügel und Coln oder Culm heißt noch heutiges Tages im Spreewalde jede aus Wasser oder Sumpf hervorragende Insel, auf welche man das in der Niederung gewonnene Heu zu bringen pflegt, und unsere Stadt Cöln soll seinen Namen daher haben, weil die Gegend des Petriplatzes die Ansicht eines Hügels gewährt habe, indem die Gegend herum, namentlich an der Spree, früher wirklich bedeutend tiefer gelegen hat. Die Namen Collin, Culm, Colberg sollen denselben Ursprung haben.

Dem sei wie ihm wolle, die Namen lassen sich nicht mit Gewissheit ergründen; das Wichtigere aber steht fest: die ersten Gründer Cölns und Berlins waren nicht, wie die Bewohner anderer Städte, Leibeigene eines Klosters oder Hörige eines Herzogs oder Ritters, nicht Männer einer kaiserlichen Burg oder Villa, sondern freie Leute, die auf eigenem Grund und Boden sich angebaut hatten. Deshalb brauchten sie keine Rechte abzulösen, die der Herr des Landes über sie übte. Auch gab es keine bevorrechteten Geschlechter, wie in anderen Städten. Die Markgrafen nahmen aus den Verfassungen anderer deutschen Städte das Beste was diese durch Kampf und allmähliche Entwickelung gewonnen hatten, und gewährten es als Rechte den beiden Städten an der Spree. So gestaltete sich schon sehr früh ein Verhältnis der Fürsorge, der Dankbarkeit, der Unabhängigkeit in der Gebundenheit der Treue zwischen diesen und ihren Fürsten. Diese höchst eigentümliche Verbindung zwischen den Markgrafen und den Bewohnern Cölns und Berlins hat den Grund zu dem Gedeihen der Städte gelegt; es ist der Anknüpfungspunkt des roten Fadens, der als Liebe zwischen Fürst und Volk die ganze Geschichte der Hauptstadt durchzieht.

Zwischen den Jahren 1272 und 1311 werden die eisten Zünfte in Berlin und Cöln gegründet. Das Bäckergewerk, weil es für das erste Lebensbedürfnis sorgte, hat zuerst seine Privilegien erhalten, 1272; dann die Kürschner 1280, denn Pelzwerk war damals weit mehr im Gebrauch und der Aufwand der Reicheren konnte sich darin zeigen; erst 1284 kommen die Schuster und 1288 die Schneider, 1295 die Wollenweber oder Tuchmacher; die Schlächter vereinigten sich erst 1311 zu einer Zunft. Andere Gewerke hat es bis zu jenen Zeiten nicht bei uns gegeben. Berlin und Cöln erhielten ihre Ratmänner, die nicht bloß aus dem Ritterstande, sondern auch aus den Zünften oder der Bürgerschaft gewählt wurden. Im Jahre 1280 bewilligten sie den Markgrafen eine gewisse (nicht benannte) Summe Geldes, wofür diese der Stadt den ewigen Pfennig sicherten: das war ein Zuschuss von zehn Pfund Brandenburger Währung, aus der neu errichteten Münze an die Stadtkammer zu zahlen. In der zu Spandau darüber ausgestellten Urkunde erklärten die Markgrafen Otto V, Albrecht III und Otto VI (die Söhne Ottos III): sie täten das, um die Einkünfte der Stadt zu vermehren. Damals waren die Marken (nach dem Tode Johanns I. 1266 und Ottos III. 1267, welche gemeinschaftlich regiert hatten) unter die Johanneische und Ottonische Linie geteilt, und zu den Besitzungen der letzteren gehörten Berlin und Cöln. Als Ottos V. Sohn, Markgraf Hermann, 1307 starb und einen minderjährigen Sohn Johann hinterließ, erhielt Markgraf Waldemar von der Johanneischen Linie die Vormundschaft bis 1314, und so kamen, da die übrigen Glieder des sonst so zahlreichen Geschlechts untergegangen waren, sämtliche Brandenburgische Lande und somit auch Berlin unter Waldemars Herrschaft. Übersehen wir einmal den Zustand der Städte Berlin und Cöln in jener alten Zeit.

Die Stralauer und Spandauer Straße sind die ersten Straßen Berlins gewesen, die der Spree, die damals viel breiter war, nahe gelegen haben. Mit Stralau ist schon damals wegen des Fischfangs viel Verkehr gewesen. In Spandau hielten die Fürsten Hof, wenn sie im Lande waren; daher wohl die Namen der beiden ersten Straßen. Hinter diesen beiden Straßen, an dem damaligen Ende der Stadt, wies man, wie es im Mittelalter gewöhnlich war, den Juden ihre Wohnungen an, daher kommt der große Judenhof und die Judenstraße. Die älteste Kirche ist die Nicolaikirche. Um 1265 ist schon ein Propst Teodorich in Berlin gewesen. Von dem Jahre 1271 datiert die Schenkungsakte des Platzes zum Bau des grauen Klosters in der heutigen Klosterstraße, die erst gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts entstanden ist. Um diese Zeit geschah auch der Bau der Marienkirche, die 1292 zuerst erwähnt wird, und die Anlegung des neuen Marktes. Die Juden finden wir dann weiter gedrängt in der Gegend des kleinen Judenhofes. Die Straße, die jetzt die Königsstraße heißt, endigte schon an der Ecke der Spandauerstraße. Zwischen Cöln und Berlin war ein freier Platz, dies war die rechte Seite der Poststraße, die Burgstraße und die Heilige Geiststraße, die erst später entstanden sind. Ein Übergang über die Spree nach Cöln war hier nicht da, die lange Brücke ist erst in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entstanden; der Weg ging über den Mühlendamm, wo schon gar früh die Mühlen angelegt waren, die zu den gewissesten Einkünften der Landesherren gehörten. In Cöln ist die Fischerstraße und nächst dem die Brüderstraße als die älteste zu betrachten. Die Petrikirche bestand in der ersten Hälfte des 13ten Jahrhunderts, wo der Pleban Simeon in der Urkunde von 1237 genannt wird. Am Ende des dreizehnten Jahrhunderts geschieht des Dominikanerklosters Erwähnung, von dem die Brüderstraße ihren Namen hat. Die Breite Straße, ehemals die große Straße benannt, scheint zuerst nicht am Wasser bebaut gewesen zu sein; das Ufer der Spree war hier vermutlich sumpfig. Der Anbau der Rossstraße ist unbekannt. Wo die Grünstraße ist, waren Wiesen, und sie ist bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts schlecht bebaut gewesen. Der Platz des jetzigen Schlosses war unbebaut und der jetzige Lustgarten bis 1573 ein bloßer Sumpf.

Um 1307 haben sich die Städte an der Spree vereinigt, einen gemeinschaftlichen Rat zu haben. Sie bauten das erste Rathaus an der Spree, das damals „by der langen Brücken“ in der jetzigen Poststraße lag. Markgraf Hermann hat diese Vereinigung bestätigt. Zwei Drittel Ratmänner sollten Berliner, ein Drittel Cölner Bürger sein, die Cölner die Berliner und die Berliner die Cölner wählen. Der Innungsbrief der Schlächter vom Jahr 1311 weist zwölf Ratmänner in Berlin und sechs in Cöln nach. Die beiden obersten Ratmänner nennen sich: gekorene Olderlüde. Alte Leute, Olderlüde, das weist auf die Ehrfurcht unserer Vorfahren, der reifen Vernunft gezollt. Die Olderlüde wurden später die Bürgermeister. 1319 hat Bischof Johann von Brandenburg das geistliche Regiment beider Städte an die Propstei zu Berlin gewiesen. Diese Zeit ist besonders der Erhebung der Städte günstig gewesen, und wir finden in einer Urkunde desselben 1319ten Jahres schon erwähnt, dass die Berliner mit Getreide nach Hamburg handelten. Die Askanischen Fürsten haben sich gut mit den Städten gestanden und ihnen viele Freiheiten und Gerechtsame gegeben; vom Herzog Rudolf von Sachsen haben Berlin und Cöln einen Freibrief erworben, dass kein Bürger außerhalb der Stadt vor Gericht gezogen werden dürfte. Dieser Rudolf war Verweser der Mark nach dem Tode des letzten Askaniers Heinrich 1320. Waldemar (welcher 1319 starb) war von allen Askaniern der Mächtigste und so von seinen Untertanen geachtet und geliebt, dass man 1347 an das Märchen vom falschen Waldemar glaubte, weil man ihm so gerne wieder gehorcht hätte. Die Freudigkeit, mit der die Bürger von Berlin und Cöln dem Müller Rehbock glaubten, er sei der Markgraf Waldemar, der aus dem heiligen Lande heimkehrend seine Regierung wieder antreten wolle, spricht für die Dankbarkeit und Treue, die dem Askanischen Stamme in den Herzen ihrer Untertanen lebte, und wie unwillig die Städte der Mark sich einem anderen als dem angestammten Fürstenhause unterworfen haben. Auch ist von den Herren und Fürsten, die in den Marken nach demselben geboten haben — Ludwig I seit 1324 aus Bairischem Hause, seine Brüder Ludwig der Römer und Otto, Kaiser Karl IV der Lulemburger, der seinen Sohn Wenzel, König von Böhmen, mit der Kurmark belehnte, die später Sigmund erhielt als sein Bruder Wenzel zum römischen König erwählt worden war, Jobst von Mähren, der von seinem Vetter Sigmund die Marken als Unterpfand für große Summen, die er ihm geborgt hatte, annahm — keiner recht heimisch in den Landen Brandenburg geworden. Dennoch hinderten diese Verhältnisse nicht das Aufnehmen der Städte. Die Städte erlangten noch mehrere Freiheiten. In der Zeit der großen Verwirrung unter Jobst von Mähren 1388 bis 1411, wo Räuberei und Mordbrennereien überhand nahmen und 1367 ein Brand, der angelegt gewesen sein soll, einen großen Teil von Berlin verzehrte, litt zwar das Gewerbe; aber die Städte erstarkten dadurch, dass in ihren Mauern Sicherheit zu finden war. Sie verbündeten sich unter einander, so im Jahre 1396 die Städte Berlin, Frankfurt, Spandau, oder mit der Hanse, in deren Bund auch Berlin trat. Endlich als die Brandenburgischen Lande 1411 an Kaiser Sigmund zurückfielen, ernannte dieser den Burggrafen von Nürnberg Friedrich VI. aus dem Hause Hohenzollern zum Stattalter in den Marken. Friedrich hatte dem Kaiser gar wichtige Dienste geleistet, und wurde dafür 1412 zum Stattalter und Verweser der Mark Brandenburg bestellt; 1413 am 30. April empfing er die Kurwürde und das Erzkämmereramt und 1417 zu Constanz die Belehnung.

Der erste Hohenzoller nahm seinen Sitz zu Berlin, während bis dahin die Fürsten, wenn sie in den Marken sich aufhielten, zu Spandau oder Tangermünde Hof hielten. Zwar ist es in den ersten Zeiten nicht ganz freundlich gewesen, denn die Stadt wollte ihre Huldigung nicht eher leisten, als „bis der Kaiser Sigmund, dem sie als Erbherrn mit Hand und Mund gehuldigt, sie losgezählt hätte“, was denn auch geschah. Zwar wollten die Städter dem Kurfürsten das ihnen damals zustehende Öffnungs- und Schließungsrecht (d. h. ein Tor oder alle für den Durchzug seiner Reisigen in seiner Gewalt zu haben) nicht gestatten, und der Kurfürst drang nicht darauf, weil er erst die übermütigen und räuberischen Edelleute demütigen musste; doch der Kurfürst rühmte die trefflichen und mannigfaltigen Dienste, die ihm die Ratmänner und Bürger Berlins und Cölns erwiesen hätten, als er 1433 beide Städte von den Zöllen und dem Geleite in verschiedene Orte der Mark Brandenburg zu Wasser und zu Lande frei sprach.

Im Jahre 1440 kam der zweite Hohenzoller, Friedrich der Eiserne, an die Regierung. Ihm überlieferten die Bürger die Schlüssel aller Tore der Städte, nachdem er mit 600 Reitern vor das Spandauer Tor gekommen und sich das Öffnungsrecht mit Gewalt genommen hatte. Da traten an ihn die Bürger und Ratmänner und baten ihn „einmütiglich und mit gemeinem Rate“, er möge mit seinen Rächen die Gebrechen ihrer städtischen Verfafsung erwägen und ihnen seinen Willen als Bescheid auf ihre Bitte kund tun. Freilich vernichtete des Kurfürsten Antwort auf diese Bitte, die 1442 erteilt wurde, manche Vorrechte und Privilegien der reicheren Bürger, der Rat von Berlin und Cöln ward wieder getrennt; aber sie befahl, dass die Bürgermeister und Ratmänner, die, wenn sie ein Jahr als solche gesessen hatten, ihre Nachfolger zu wählen hatten, unter Bestätigung des Kurfürsten, stets „fromme und biedere Leute aus den Gewerken und unter den gemeinen Bürgern“ berücksichtigen müssten; auch dass immer je vier Meister der Gewerke, welche dazu geschickt wären, von allen Einnahmen und Ausgaben redlich Rechnung ablegen sollten. Da hatte der Hohenzoller zuerst gezeigt, wie er zum Volke stehen und es mit dem Volk halten wollte, was gleich ihm später alle seine Nachfolger bis auf den heutigen Tag getan haben. Zu dieser Zeit baute Friedrich die Burg, um manchen Ungehorsam und manche Widersetzlichkeit zu zügeln, die sich aber jetzt um so mehr zeigten. Wühlereien regten die Bevölkerung auf, und rissen sogar einen Teil der Glieder des Rats mit sich fort. Man ahnte nicht das Heil, welches die Vorsehung durch das neue Herrschergeschlecht der Stadt und dem ganzen Lande zu bringen bestimmt hatte. Es begann eine Reihe von Eigenmächtigkeiten, Trotz und Willkuhr. Balzer Boytin, der dem Kurfürsten anhing, ward von dem Rate zu Berlin und Cöln verwiesen; man achtete nicht das sichere Geleit, das ihm der Kurfürst gab. Die Bürger zogen sogar die kurfürstliche Arche (die Schleuse) auf, wodurch ein Teil der Stadt und der Schlossbau unter Wasser gesetzt wurde. Dem Befehle, sie wieder zu schützen, gehorchten sie nicht, und als der Kurfürst seinem Hofrichter befahl, sie dazu zu zwingen, brach im Februar 1448 ein offener Aufruhr aus; der Rat ließ den Hofrichter ins Gefängnis werfen, und die Bürger erbrachen im Schloss die kurfürstliche Kanzlei. Der Kurfürst lud die Aufruhrer zum 19. März 1448 vor sein Hofgericht; sie erschienen nicht; da kündigte Balzer Boytin den Städten Berlin und Cöln durch einen Fehdebrief offenen Krieg an. Wieviel er ihnen Schaden getan, ist nicht bekannt. Endlich konnte der Kurfürst auf den 24. Mai in Spandau ein Schiedsgericht einsetzen, vor dem er die Städte Berlin und Cöln anklagte, mit den Worten schließend: „es mag ein jeglicher erkennen, wie gar gütig, rechtlich und aufrichtig wir uns gegen die Unsern in Cöln und Berlin gehalten, und anders nicht als Recht begehrt haben und begehren.“ Der Bischof von Brandenburg, der Fürst zu Anhalt, Albrecht Graf von Lindow, und der Johannitermeister, so wie die Bürgermeister und Ratmänner der Städte Brandenburg, Frankfurt und Spandow waren die Schiedsrichter; sie sprachen ein hartes Urteil wider die pflichtvergessenen Städte.

Nach so hartem Streit kam eine Aussöhnung zu Stande, wodurch die Gewalt der Landesherren und das Wohl der Städte gleich sicher gestellt ward. Nachdem die Bürger die Wiederkehr der Gnade des Kurfürsten erbeten und erlangt hatten, hielt derselbe seinen feierlicheu Einzug in Berlin, und schlug im Februar 1451 seine Residenz in dem Schlosse auf. Als Zeichen gütiger Gesinnung hat der Kurfürst 1453 dem Ratskollegium gestattet, in rotem Wachs zu siegeln, was damals als ein bedeutendes Vorrecht galt.

Von dieser Zeit an bis in den Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts haben zwar die Städte Berlin und Cöln keine besonderen Vergrößerungen erfahren: wohl aber übte der Hof und die Gunst der Kurfürsten auf dieselben einen wohltätigen Einfluss.

Unter dem Kurfürsten Albrecht Achilles, der nach Friedrich II. 1471 an die Regierung kam, die Friedrich der Eiserne, sein Bruder, ihm nach seines Sohnes Tode übergab, haben die Städte sich gehoben und ist oft ritterliches Spiel und Turnier hier gehalten, wodurch viel Fremde an den Hof und in die Städte gezogen worden sind. 1486 hat man eine Stadtordnung gemacht. Kurfürst Friedrich II war sehr oft außer Berlin, und Kurfürst Albrecht fast beständig außer Landes, aber Johann Cicero (1486 — 1499) hat seit 1495 seinen beständigen Aufentalt in Cöln genommen; dies taten auch seine Nachfolger, und beförderten dadurch den inneren Wohlstand. Obgleich die Pest in den Jahren 1500, 1550, 1566 wütete, so gediehen doch die Städte unter dem Schutze der Hohenzollern und vermehrten ihre Einwohnerzahl. Joachim I Nestor hat dadurch viel für Land und Städte getan, dass er die Obmacht des Adels brach und der Hohenzollern Wahlspruch „Jedem das Seine“ übte. Joachim II liebte die Pracht und die Feste und hatte seine Freude an schönen Bauten. Er, der Gütige und Wohltätige von seinen Zeitgenossen genannt, führte die Reformation ein, nachdem er selbst am 1. November 1539 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu Spandau genommen hatte, und gab dem Kammergericht eine bessere Verfassung. Joachim, der seinen Bürgern herzlich vertrauen durfte, ließ im Jahre 1538 die Burg abbrechen und den neuen Schlossbau beginnen, nach dessen Vollendung unsere Fürsten sicherer unter ihren Untertanen gewohnt haben, in dem Hause ohne Wall und Türme, als beschützt von Mauern und Gräben. Johann Georg, der seinem Vater von 1571 bis 1598 in der Regierung folgte, musste viele Befehle erlassen gegen die überhandnehmende Lust an Kleiderpracht und festlichen Gelagen in den Spreestädten. Zu seiner Zeit, als das Branntweinbrennen ein bedeutender Erwerbszweig war, wird im Jahre 1595 der Blasenzins als Steuer an den Rat genannt, woraus wir ersehen, dass nun viel Branntwein (ob aus Korn oder Wein- und Bierhefen?) bereitet wurde. In Folge davon soll der Weinbau in der Mark, von dem man jetzt nur wenig Spuren findet, abgekommen sein, besonders weil Posen, Russland, Schweden, die bis dahin viel märkischen Wein kauften, das gebrannte Wasser vorzogen. Johann Georg gab auch 1580 eine Polizeiordnung und beförderte die Gewerbe; er ließ 1585 die ersten Wohnungen auf dem Werder erbauen, und seine erste Gemahlin Katharina, dieselbe welche die Hofapotheke stiftete, legte auch auf ihrem Viehhofe eine Molkenwirtschaft an und ließ die Milch auf dem Molkenmarkte verkaufen, der davon seinen Namen erhalten. Im Jahre 1598 litt die Stadt von der Pest; bloß in den beiden Berlinischen Kirchspielen starben 2.200, so dass, Cöln mitgerechnet, vielleicht der vierte Teil der Einwohner hingerafft worden ist.

Joachim Friedrich, der schon 1608 starb, hat das Gymnasium, das später nach Berlin kam, gestiftet. Die Regierung Johann Sigmunds, der 1608 seinem Vater folgte und 1609 durch den Tod des Herzogs Wilhelm von Jülich, Cleve, Berg berufen war, auch dessen Erbe anzutreten, ist eben wegen dieser Erbschaft eine gar kriegerische, unruhige Zeit für seine Lande. Die Hauptstadt verlor den heiteren Ton, der sonst hier vorwaltete. Die Bußtage, welche der Kurfürst angeordnet hatte, „um den lieben Gott um Abwendung der gefährlichen Läufe anzurufen“, mahnten an ernste Einkehr in die Gemüter. Der Krieg um die Erbschaft brach aus. Der Kurfürst ist selten in Berlin heimisch geworden: denn auch die Angelegenheiten des Herzogtums Preußen, das im Jahre 1618 nach dem Tode Albrechts des Blöden an Brandenburg fiel, forderten Sigmunds Gegenwart zu Königsberg und Warschau. Doch all die Leiden und Drangsale, die Berlin damals erduldet, wo im Jahre 1611 die Pest wütete, wenn auch nicht so heftig als im Jahre 1598, und die sogenannten Gardenbrüder, dienstliche Söldner welche mit kaiserlichen Privilegien versehen im Lande und in den Städten bettelnd umherzogen, fast ärger als die Pest hausten, haben einen guten Erfolg gehabt: denn der Besitz der Jülichschen Erbschaft und der Heimfall von Preußen sind dem Kurhause geblieben.

Trotz der schlimmen Zeiten, trotz vieler religiöser Aufregung — die sogar, da der Kurfürst reformiert geworden und die Bilder aus dem Dom gebracht wurden, am 31. März 1615 in einen Aufruhr zu Berlin ausbrach — hat Sigmund viel für Berlin getan, und die Bevölkerung nahm zu. Auch hat er Komödianten kommen lassen und den Sinn der Bewohner Berlins für teatralische Vorstellungen geweckt, was ihm besonders deshalb nötig erschienen ist, weil der Mangel an Eintracht in jenen unwirrschen Zeiten andere Vergnügungen, wo die Leute redend mitsammen in Verkehr kamen, störte. Am 22. November 1619 hat der Kurfürst, den der Schlagfluss gelähmt, die Regierung seinem Sohn Georg Wilhelm übergeben, hat das Schloss verlassen, sich bei seinem Kammerdiener Freitag, der in der Poststraße (der jetzigen Nr. 4) wohnte, eingerichtet, und ist dort am 23. Dezember gestorben.

Georg Wilhelm, dessen Regiment in den Anfang des dreißigjährigen Krieges fiel, hätte gar gern seinen Landen die Teilnahme an jenem verheerenden Streit gespart. Doch konnte dem nicht so sein: die Durchzüge fremder, besonders englischer Truppen (die sich zwar, wie ein alter Bericht sagt, im Anfang ziemlich schäfern, am Ende aber der Mark wölfisch genug erwiesen) waren sehr lästig. Schon im Jahr 1621, als George Wilhelm in Preußen war, haben die Landstände sich gezwungen gesehen, Kriegsvolk in Sold zu nehmen und diesen durch Kopfsteuer aufzubringen. Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 sind an 40.000 Mann feindlicher Truppen in der Mark einquartiert worden. Am 15. November 1627 ist Wallenstein selbst in Berlin gewesen, und Markgraf Sigismund hat von dem harten Kriegsobersten keine Schonung der Mark erbitten können. Die Kaiserlichen haben das Land wie ein feindliches behandelt, weil der Kurfürst zu Gustav Adolph von Schweden, der den protestantischen Glauben verteidigte, gestanden hat. Das war eine unglückselige Zeit. Noch öfter wurde Berlin gebrandschatzt. Der Stattalter Graf von Schwarzenberg ließ 1639 im Oktober die nahe an der Stadtmauer liegenden Häuser niederreisen und 1640 bei Annäherung der Schweden den größten Teil der berlinischen Vorstädte, 1641 aber die sämtlichen estnischen Vorstädte abbrennen. Nur die Gertraudtenkirche und etwas vom Werder blieb. Dazu kamen erhöhte Abgaben, Verschlechterung der Münze oder die sogenannte „Kipper- und Wipperzeit“ Teurung, Hunger, wiederholt Pest. Damals soll es ein traurig Leben hier in Berlin gewesen sein; an Hoffeste war nicht zu denken, Komödie und all dergleichen hatten ihren Stillstand; die wohlhabenderen Bürger schmausten vielleicht in ihren Häusern, die Ärmeren besuchten die Bierschenken, doch nur die in der Stadt, denn auf die umliegenden Dörfer durfte man sich nicht wagen wegen der Räubereien der Gardebrüder und Diebe. Die Stadt selbst bot ein gar trauriges Bild des Elends und der Verkommenheit, die Spuren der Verwüstung zeigten sich überall, Vorstädte gab es noch keine oder sie waren niedergebrannt; mehr als der vierte Teil der Häuser standen leer; die Häuser selbst waren schlecht und verfallen, oft mit Stroh gedeckt; Schweineställe vor denselben, die Brunnen vertrocknet, weil aller Unrat hinein geworfen wurde, das Pflaster in den Straßen ganz versunken. Auf dem Schlossplatz stand der alte Dom ganz verfallen, vom Kirchhof umgeben. An der Hundebrücke fing die Wildernis des Tiergartens an.

So war Berlin, als Georg Wilhelm 1640 starb und mit dem Regierungsantritt seines Sohnes Friedrich Wilhelm, den wir so gern den großen Kurfürsten nennen, eine neue Sonne über unser liebes Vaterland und über unsere Vaterstadt aufging. Die teilweise Erwerbung Pommerns war die erste Morgenröte dieser Sonne, die immer herrlicher über die Lande leuchtete, je mehr das Kriegsgetümmel verhallte. Im November 1649 sind die letzten Schweden in der Mark gewesen, die, elf Regimenter stark, im Teltower Kreise lagerten, deren Befehlshaber, General Wittenberg, am 6. November sich auf drei Tage in Berlin einquartierte. Damals waren der Kurfürst und sein Land so arm, dass man die Kosten für das Leichenbegängnis Georg Wilhelms durch eine Steuer herbeischaffen mußte. Im Jahr 1648 wurde der Friede nach dem dreißigjährigen Kriege zu Münster und Osnabrück geschlossen; doch hatten die brandenburgischen Lande gar manche Nachwehen der schlimmen Zeiten zu tragen, bis endlich am 6. November 1650 die Glocken zum Dankfest für den Frieden durch die ganze Mark läuteten und dem Lande einen neuen herrlichen Morgen verkündeten.

Was dieser Morgen für Berlin bedeutet hat, wie das Walten des großen Kurfürsten eben so wichtig für unsere Stadt wie für das Land geworden ist, wird euch Kinder recht verständlich werden, wenn ihr erst seine Werke und Schöpfungen hier an der Spree kennen gelernt haben werdet.

Er beförderte den Anbau wüster Stellen, sorgte für Reinlichkeit und Ordnung in der Stadt, ließ 1685 die meisten Straßen in Berlin und Cöln neu pflastern, begann 1679 die Erleuchtung der Straßen, indem er befahl, dass aus jedem dritten Hause eine Laterne ausgehängt werden sollte, gab eine Feuerordnung und ließ die Stadt nach neuerer Art befestigen. Indem neue Gegenden in die Befestigung mit eingeschlossen wurden, entstanden neue Stadtteile, der Friedrichswerder, der 1660 sein Privilegium erhielt, und Neu Cöln seit 1681. Auch die Georgenvorstadt (die Königsvorstadt) wurde unter ihm seit 1680 angebaut.

Sehr viel verdankt Berlin des großen Kurfürsten zweiter Gemahlin Dorothea, geborenen Herzogin von Holstein, verwittweten Herzogin von Braunschweig — mit der er sich, nachdem die liebenswürdige Kurfürstin Louise von Oranien am 8. Juni 1667 gestorben war, im folgenden Jahre am 14. Juni vermählt hatte. Sie legte 1670 in der jetzigen Spandauer Vorstadt ein Vorwerk an, wozu die an der Spree gelegenen Äcker geschlagen wurden. Hauptsächlich ist ihr Andenken in Berlin erhalten worden durch die Gründung der Dorotheenstadt, rechter Hand von den jetzigen Linden. Diese Gegend gehörte zu ihrem Vorwerke in der Spandauer Vorstadt. Die linke Seite der Linden gehörte nicht zu demselben, sondern zum Tiergarten; der Kurfürst aber gab 1678 hier Baustellen. Die Kirche ward in den Jahren 1678 bis 1687 erbaut. Diese Vorstadt ging bis an den Tiergarten. Dieser jetzt so schöne Park, der schönste in Europa, der im sechszehnten Jahrhundert bis in die Gegend des jetzigen Dönhofsplatzes und längs der Spree bis in die Gegend des Zeughauses ging, erstreckte sich damals bis an die jetzige Schadowstraße und hinter der jetzigen Behrenstraße bis an die Mauerstraße. Die neue Stadt war längs der jetzigen Behrenstraße mit einem Walle und Graben an die Befestigungswerke gehängt. Der Kurfürstin verdanken wir auch die Anlage der Linden. Schon im Jahre 1647 hatte der Kurfürst eine Allee von Nuß- und Lindenbäumen angelegt, die von der Hundebrücke bis zum Tiergarten ging. Sie wurde abgehauen und eine neue angelegt. Die Kurfürstin pflanzte selbst die erste Linde. Es waren vier Reihen Lindenbäume. Aber schon 1699 war die Allee sechsfach; in späterer Zeit, nach dem Jahre 1815, wurden wieder die beiden Reihen zunächst den Häusern abgehauen. Die Lindenallee begann zuerst schon in der Gegend des Opernhauses und ging dafür nur bis an die kleine Wallgasse (Schadowstraße). Den folgenden Teil ließ Friedrich Wilhelm I bei Erweiterung der Doroteenstadt 1727 pflanzen.

Die mittelste Allee war ungepflastert und diente zum Spaziergange. Zwar ist Berlin seit jener Zeit um vieles herrlicher geworden, aber wenn wir es mit dem Zustande beim Antritt der Regierung des großen Kurfürsten vergleichen, wie hatte sich Berlin unter ihm verschönert und vergrößert. Gegen Ende seiner Regierung war es fast noch einmal so groß, die Straßen waren gepflastert, bei Nacht erleuchtet, mit Festungswerken umgeben, wie sie die Lehren Vaubans vorschrieben, neue Stadtteile gebaut. So rege ward das alles betrieben und so weise geordnet und weiter gefördert, dass Friedrich Wilhelm der Große als der eigentliche Gründer und Bauherr des europäischen Berlins betrachtet werden muss, während seine Vorfahren nur das märkische Berlin gefördert hatten.

Das sei euch hier noch gesagt, wie die Macht und Bedeutendheit Brandenburgs sich durch die Erwerbung Magdeburgs und Halles, das besonders wegen seiner Salzwerke wichtig war — bisher mussten die Marken unter lästigen Bedingungen ihr Salz von den Hannoverschen Salinen zu Lüneburg kaufen — mehrte; wie die Abtretung eines damals wieder an Schweden gekommenen Teils von Pommern beim Friedensschluss durch Besitzungen an der Elbe und Weser entschädigt wurden; wie die Bedeutung und Ausdehnung des Kurstaates sich so hob, dass Friedrich Wilhelms Sohn, Friedrich, nach des Vaters viel beweintem Tod wohl mit Recht den Entschluss ausführen konnte, sich die Königskrone aufzusetzen.

Friedrich III. kam 1688 zur Regierung. Nachdem er für das Land, besonders nach außen hin, gar viel gewirkt, hat er Berlin seine ganz besondere Fürsorge zugewendet. Er verschönerte es durch herrliche Gebäude und durch die Aufstellung der Reiterstatue des großen Kurfürsten, auf die Berlin stets stolz gewesen ist und sein wird, legte die Friedrichsstadt an, die nach einem regelmäßigen Plane bis zur Mauer- und Junkerstraße bebaut wurde. Unter ihm erhielten 1709 die berlinischen Städte eine gemeinschaftliche Verwaltung und einen gemeinsamen Rat. Seine Gemahlin, die Königin Sophie Charlotte, welcher der König das Vorwerk in der Spandauer Vorstadt verliehen hatte, verschenkte 1691 mehrere Teile des Ackers zum Anbau und begründete so die Anlage der Spandauer Vorstadt, und ebenso die Anlage der Stralauer Vorstadt, indem sie im Jahre 1700 von einem ihr gehörigen Acker Baustellen verschenkte.

Friedrichs Liebe für unsere Stadt danken wir es wohl, dass sie Residenz geblieben. Denn ohne diese Liebe wäre es fast gerechtfertigt gewesen, dass Königsberg, die bedeutendste Stadt der Provinz Preußen, die dem neuen Königreich den Namen gab, Hauptstadt geworden wäre. Doch die Liebe welche die Hohenzollern für die Marken und deren bedeutendste Stadt, stets betätigt haben, und die diese mit Treue und Anhänglichkeit dankten, bewahrte Berlin vor dem Schicksal, das z. B. Tangermünde getroffen, welcher Ort zur Zeit der Askanischen Markgrafen der erkorene Lieblingsaufentalt derselben gewesen ist. Darum, um dieser Liebe und dieser erkannten Treue halber, kehrte Friedrich 1701 aus Königsberg nach Berlin zurück, nachdem er sich am 18. Januar die Königskrone aufgesetzt und auch seine Gemahlin Sophie Charlotte, der Berlin so unendlich viel verdankt, gekrönt hatte. Jetzt begann für unsere Stadt ein ganz neuer Aufschwung, dessen Ahnung die Berliner Bürger wohl empfanden, als sie das heimkehrende Königspaar nach der Krönungsreise so herzlich empfingen und so feierlich begrüßten.

Ein recht sichtlicher Segen ist unserem Lande geworden, dass jeder Fürst aus Hohenzollerschem Stamme immer so gewesen, wie er sein musste, um den Anforderungen, die seine Zeit und sein Land an ihn stellten, zu genügen. Und so war es denn auch zu des Landes Heil, dass Friedrich Wilhelm, der Sohn Friedrichs, ein rechter Kernmann von Preußischem Schlage, es für notwendig hielt, durch weise Sparsamkeit die Summen dem Schatze zu ersetzen, die Friedrichs Verhältnisse kosten mussten, der zuerst mit königlichem Glanz in Europa sich zeigte. Wie der große Kurfürst durch seine weise Regierung und den bedeutenden Ländererwerb dem Sohne die Königskrönung möglich gemacht, so hat Friedrich Wilhelm I durch seine Sparsamkeit, die sich nur eine preußische Leidenschaft erlaubte, die Fürsorge und herrliche Ausbildung seiner Armee, seinem Sohne die großen Kriege möglich gemacht, nach deren glücklicher Beendigung Preußen eine Großmacht in Europa wurde. Berlin dankt dem zweiten Könige auch gar viel. Er ließ an manchen niedrigen Stellen die Straßen wohl 5 bis 6 Fuß erhöhen; die Bebauuug und Vergrößerung der Friedrichsstadt lag ihm sehr am Herzen und er förderte sie auf alle Weise; der Schiffbauerdamm ward durch seine Vergünstigung 1738 durch Schiffbauer angebaut und dies Gewerbe in Berlin eingeführt; Kirchen wurden gegründet; Tore, Brücken, alles Nötige für den Verkehr, alles Mögliche für die Verschönerung der Stadt ward vom König beliebt, oder musste von den Bürgern geleistet werden. So vieles, so Praktisches, so Zeitgemäßes wurde geleistet, dass man wahrlich staunt ob dem guten Regiment, der tüchtigen Verwaltung des großen Vaters, der dem größeren Sohne Berlin so gefördert und vergrößert hinterlassen konnte. Berlin hat ihn tief betrauert, als er 1740 starb und sein Sohn Friedrich ihm folgte. Dem hat unsere Stadt und das Land gar innig Liebe und Treue gehalten, und hat in schweren Zeiten so freudig und opferbereit zu ihm gestanden, wodurch unserem großen Fritz solche Taten möglich wurden, wie sie die Welt im siebenjährigen Kriege erlebte. Dieser Krieg, der Schlesien mit Friedrichs Krone vereinigte, ist aber für Deutschland noch wichtiger als für Preußen geworden. Denn Friedrich hat durch diesen Krieg das ganze deutscht Vaterland vom Drucke der geistigen Knechtschaft befreit. Friedrich der Große und der Sinn, aus dem er regierte, haben die Preußen berechtigt, sich das erste Volk Deutschlands zu nennen. Friedrich hat gar viel für Berlin getan. Wie es Glück und Unglück, Freude und Leid im siebenjährigen Kriege mit Friedrich geteilt — 1757 brandschatzte der österreichische General von Haddick die Stadt, und 1760 hausten die Russen und Österreicher hier; aber der Ruf von Friedrichs Annäherung verscheuchte sie nach drei Tagen, — so galt auch jetzt, nach Beendigung jener Kriege, Friedrichs väterliche Sorge besonders dem Ausbau der von seinen Vorfahren schon so bedeutend vergrößerten Stadt. Die Festungswerke wurden beseitigt, neue Mauern aufgeführt, die Alexander- und die Münzstraße, der Haaksche Markt, die Kommandantenstraße, die beiden Präsidentenstraßen, der Monbijouplatz mit neuen Häusern bebaut, das sogenannte Voigtland zwischen dem Rosentaler und Hamburger Tore angebaut für die vielen Maurer und Zimmerleute, die bei den zahlreichen Bauten aus Sachsen und dem Voigtlande kamen; viele Stellen der Spree wurden überbrückt, an anderen alte Brücken erneut. Großartige Kasernen und Militärgebäude aller Art mussten in des Heldenkönigs Hauptstadt aufgeführt, Prachtgebäude, wie das Opernhaus, die Bibliotek, die Akademie, die Porzellanmanufaktur, durften in des Gelehrtenkönigs Residenz wohl beachtet werden. Der Dom, die Türme der Kirchen auf dem Gendarmenmarkt, die katholische Kirche zeugten für des Philosophenkönigs Meinung, dass in seinem Staate jeder nach seinem Gefühl Gott dienen solle. Des Prinzen Heinrichs Palais (die heutige Universität), der Prinzessin Amalie Palais, später der Louisenstiftung anheimgegeben, das Kadettenhaus mit der schönen Inschrift: dem Mars und der Minerva, das Invalidenhaus, wie bezeichnend sind all diese schönen und großartigen Bauten für den Sinn des großen Bauherrn.

So hat Friedrich viel für unsere Stadt getan, aber mehr noch für das Land, indem er Preußen in die Bahn des Fortschritts führte und unser Land mit seiner herrlichen Armee, mit dem treuen Sinn seiner Bewohner als Vorkämpfer jeder edlen Freiheit dem deutschen Volke zum künftigen Führer gab. Als der große Friedrich 1786 gestorben war, hat sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II mit väterlich liebender Hand viele, viele Wunden geheilt, welche die Kriege seines Ahnherrn dem Vaterlande nicht sparen konnten. Seine Regierung fiel in die Zeit der ersten französischen Revolution, wo die armen Völker aus ihrem ruhigen Leben geschreckt wurden, und wenn es auch in Deutschland noch gute Tage hatte, so pochte doch der Aufruhr schon an die Grenzen des Landes; — und so hat Friedrich Wilhelm II. in bedrängter Zeit regierend, für die schlimmen Verhältnisse seiner Tage genug gefördert durch den Neubau des Oranienburger, Rosentaler, Hamburger und besonders des Brandenburger Tors, der Propyläen Berlins; er hat die Tierarzneischule gegründet, die Colonnaden an der Mohrenstraße und manch anderes nützliche Gebäude beginnen und vollenden lassen.

Friedrich Wilhem III, der seinem Vater 1797 auf dem Trone folgte, bestieg denselben an der Seite eines Engels, der unvergesslichen Königin Louise. Das Walten dieses jungen Königspaares in Berlin und im ganzen Lande, es war wie ein Zeichen des Friedens, der heiligen Ruhe. Aber leider war diese Ruhe nur die Schwüle, welche den Stürmen vorangeht. Während die Preußen und besonders die Berliner sich in unbegrenzter Liebe an ihrem König und ihrer Königin freuten, als die junge, liebe, schöne Königin, die Mutterliebe und Kindestreue ihrem Volke weihte, so recht als Zeichen der Vereinigung zwischen Volk und Fürst gestellt war, da waren plötzlich die Tage der Ruhe für Preußen beendigt. Der Krieg Napoleons gegen unser Vaterland wurde erklärt, der Feind überschritt die Grenzen, der König und die Königin mussten in Königsberg Schutz suchen, weil die Franzosen sich ihrer Hauptstadt näherten. Das sind schreckliche Zeiten gewesen. Aber glaubt mir, meine Lieben, auch schöne Zeiten; denn sie haben es dem Volke und dem Könige so recht zum Bewusstsein gebracht, was sie sich gegenseitig gelten. Der König hat für sein Volk, das Volk für seinen König gelitten. Und als dann 1813 die Zeit der Erhebung kam, da hat das Gefühl dieses Leidens unbeschreiblich herrliche Taten erfüllt. Da ist vor allen anderen Städten Berlin mit glänzenden Beweisen von Liebe und Aufopferung vorangegangen. Damals fühlte man sich so freudig stolz, Berlin anzugehören, was mit treuem Dank so gern vergelten wollte alles von den Hohenzollern Gegebene. Das Vertrauen zwischen König und Volk hat Preußen damals herrliche Früchte getragen. Nach dem Frieden von 1815 ist über das ganze Land und besonders über die Hauptstadt ein Wachsen und Gedeihen gekommen — was dieser König für die Verschönerung und Vergrößerung Berlins getan, wird den größten Teil dessen einnehmen, was ich euch bei unseren Wanderungen zeigen und erklären werde; ein ganzer Stadtteil, die Friedrichs-Wilhelmsstadt, trägt seinen Namen, — ein Fortschritt in jedem Zweige der Lultur, der Wissenschaft und der Kunst, wie man in dreißig Jahren noch nirgends es so rasch und dabei so sicher erlebte. Als unser Heldenkönig Friedrich Wilhelm der Gerechte seinem Sohne im Jahre 1840 die Krone hinterließ, war die Preußenkrone die allerreichste und verehrteste der Welt; denn sie war mit Siegeslorbern und Friedenspalmen umschlungen — der kostbarste Diamant in ihrem Diadem war Volkes Dankbarkeit und Volkes Treue. Dass nun diese beiden Edelsteine in ungetrübter Reinheit auf immerdar in der Preußischen Königskrone strahlen, das, meine Kinder, wolle Gott geben. Unser geliebter König Friedrich Wilhelm IV hat getan, was an ihm ist, auf dass der Juwel Volkes Dankbarkeit ungetrübt bleiben kann — Berlin selbst, das heutige, und seine rasch fortschreitende Vergrößerung und Verschönerung ist ein Zeuge, der euch täglich gegenwärtig ist; — ihr, meine Teuren, sollt künftig tun was an euch ist, damit auch der Juwel Volkes Treue stets strahlend an der Krone erglänze, wenn zu eurer Zeit der jüngste Hohenzoller dieselbe tragen wird.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin