Gehen Sie zum Teufel

„Gehen Sie zum Teufel!“ (ich meine nicht Dich, teure Laura, und auch nicht die lieben Leser, bewahre mich der Himmel vor einem solchen Gedanken!) ich wollte Dir nur die Worte des hochweisen Hamburger Senats, unter dessen Schutz Du lebst, wiederholen.

Also noch einmal: „Gehen Sie zum Teufel!“ so erscholl es am 27. Mai 1833 im Saale des Hamburger Senats! Gehen Sie, oder wir lassen Sie über die Grenze bringen! Diese Worte waren an mich gerichtet. Wahrlich nicht übel! Die Tradition, ein altes, hundertjähriges und tausendmündiges Mütterchen, das sich manche Fabel aus alten Zeiten aufbewahrt, hat sich's gemerkt, dass eben diese Worte an Börne, Heine, Maltitz etc., gerichtet worden waren, und das hatte sie mir schon erzählt gehabt. Was sollt' ich nun machen? —.


„Gehen Sie zum Teufel!“ —

So etwas ist leicht hingesagt, und obenein von dem Hamburger Senat, der sich viel darum bekümmert, wie man zum Teufel kommt; weil sich's der Teufel zur Ehre schätzen würde, dem Hamburger Senat in Person seinen Besuch abstatten zu dürfen; aber für mich war diese Sendung nicht sehr erwünscht.

Ich, der ich dm Teufel nur von Hörensagen kenne; ich, der ich ihn kaum in der Naturgeschichte gefunden; ich, der ich kein Senator der freien Stadt Hamburg bin, wie sollt ich mit dem Teufel im Leben in Berührung gekommen sein! — In der Tat, ich war in großer Verlegenheit!

Ich war in Hamburg die Seele im Leibe schuldig, sonst würde ich dem Herrn Urian diese verschrieben haben und er hätte sich zu mir bemüht; aber so hätte derselbe gewiss keinen Schritt gewagt, denn er hätte alle Schulden, die auf meiner Seele lasteten, bezahlen müssen, und das würde er nicht getan haben.

Überhaupt ist meine Seele gar kein guter Bissen für den hungrigen Teufel. — Ich wette 50 gegen 1, dass kein einziger Psalm in derselben aus meiner Schulzeit stecken geblieben;

1) weil ich im Leben keinen gelesen,
2) zweitens — nun zweitens ist eigentlich schon übrig

Also genug, ich war in großer Verlegenheit! aber da wird sich der Hamburger Senat viel daraus machen.

„Gehen Sie zum Teufel!“ und damit Punktum.

Ich aber ging nicht zum Teufel; im Gegenteil, ich ging aus dem Saale des Hamburger Senats. —

Wunderbare Gedanken kreuzten jetzt durch mein Gehirn. Mir fiel so ein, was ich eben gehört hatte: das Wohl Hamburgs, unsere freie Stadt und dann die Hölle, die Senatoren, der Teufel und dass ich gehen muss.

Wohin! wüsst ich selbst noch nicht, wenn ich nicht der Weisung des hochweisen Senats folgen wollte.

Weißt Du wohl, lieber Leser, wie es Einem ist, wenn man von einem Orte scheiden soll, den man so lieb gewonnen, wie seinen Geburtsort; indem man so gut gelebt, wie Gott in Frankreich; in dem man sich so wohl gefühlt, wie bei einer Geliebten? —

Weiß Du wohl, wie Einem zu Mute ist, wenn man den Ort nicht aus eigener Wahl, sondern auf des Teufels Namen verlassen muss, ohne so recht zu wissen, wohin man sich wenden soll? — Wenn man den Ort verlassen muss, ohne etwas mehr als ein Paar Federsünden begangen zu haben? —

Weiß Du, wie dann Einem zu Mute ist, der zufällig von seiner Feder leben, und einen Ort verlassen muss, in dem man sich schon heimisch fühlt? —

Wo man eine Zeitschrift und, was die Hauptsache, 800 Abonnenten im Stiche lassen muss. Weißt Du's —

Ich will Dir’s erklären:

Es ist Einem so zu Mute, als hätte man gar keinen Mut; und es kommen Einem Gedanken in den Kopf, als hätte man den Kopf verloren. Und das Herz? — nun dieser rote Fleischklumpen ballt sich zusammen und gießt seinen kochenden Geifer durch den ganzen Leib bis in die Fingerspitzen, dass Einem zu Mute wird, als müsste man die Hände zusammen ballen, und wenn gerade ein Senatsgebäude Einem im Wege steht, als müsste man dasselbe ergreifen, aufheben und es wieder niedersetzen, dass die Schlafmützen — wollte sagen Senatoren — sich die Köpfe einrennen — wollte sagen — sich umarmen, und es ist dann Einem so zu Mut, als müsste man sagen: Schu wollte sagen Senatoren, aber daran bist Du Schuld, teure Laura, dass ich mich so oft verspreche, also wo blieb ich stehen? aha, Senatoren — wenn ich zum Teufel gehen soll, so zeigt mir den Weg hin, oder ich will Euch dorthin expedieren! — Aber steht nun gerade kein Senatsgebäude vor Einem, sondern im Gegenteil, ein geliebtes Gebäude, wo Leute wohnen, die man lieb gewonnen, und sieht man so zufällig ein Mädchen am Fenster sitzen, das man lieb gewonnen, und lächelt sie Einen an, als wollte sie sagen: auch ich habe Dich liebgewonnen! und kommt Einem dann in den Sinn: Du musst nun schnurstracks zum Teufel gehen! Dann ist Einem zu Mut, als würde die Seele zu Blei und als wäre die Luft ein Brechpulver, das man nicht schlucken kann, weil Einem der Atem, wie eine Latwerge in dem Hals steckt.

Dann statten ein paar Wassertropfen den Augen einen Besuch ab und es wird Einem ums Herz, als müsste man hinaufstürzen in das Haus, wo die lieben Leute wohnen und ins Zimmer, wo das liebe Mädchen, das zuckersüße Täubchen, die schöne Laura sitzt und sich ein Plätzchen mieten, dort, wo ihr Fußbänkchen steht, und ihre Finger und ihre netten Füßchen küssen und dann zu dem lieben Mädchen sagen: „Liebe Laura, erlaub', dass ich Dir noch einmal eine Liebeserklärung mache, denn ich muss zum Teufel, und zwar so bald als möglich! —

O, mir bricht das Herz, dass ich Dich, Dich nebst 800 Abonnenten, und meine Liebe und mein Blatt, die doch beide so interessant waren, im Stich lassen muss.

Ich werde Euch einem meiner Mitarbeiter übergeben müssen, aber ich tue es mit blutendem Herzen und leeren Taschen. — Versprich mir bei dieser Geldbörse, die Du mir doch wahrscheinlich zum Andenken schenken willst, versprich mir's, dass wenn ich Dich, Dich, Geliebte meines Herzens verlassen habe, und Gram und Herzenskummer an meinem glühenden Busen nagen, versprich es mir, dass

Du meine Schulden bezahlen willst! Und Du sollst sehen, dass ich Madrigale und Sonette in jede Zeitschrift, die sich damit belästigen lässt, einrücken lassen werde, und Dein Name soll darüber prangen, und Du sollst Abonnentin jeden Blattes sein, das ich in der Hölle herausgeben werde und — und — und ich werde Dich lieben in Ewigkeit. Amen!

Was nun das Madchen darauf antwortet ist gleichgültig, wenigstens Dir, liebe Laura und meinem Leser gleichgültig; ob nun das Mädchen weinend Einen zur Tür hinauswirft, oder mit der Fassung, die einer freireichsstädtischen Maid ziemt, sagt: Geh' getrost, mein einzig Geliebter, geh nur getrost zum Teufel, wie dir gesagt worden im heiligen Hause des Senats am 27. Mai 1833.

Ob es mir so erging? fragst Du! — Lass ein tiefes Dunkel die Szene decken, die ich erlebt habe. Ich trennte mich von Ihr; steckte ein Dutzend Seufzer und Locken zum Andenken von ihr in mein Taschenbuch, schwur ihr heiße Treue und ging zum Teufel. —

Zum Teufel, sagte ich? Nein, ich ging zu Marr und ließ mir Wein und Kaviar geben.

Der Wein ist unter den Getränken, was das Feuer unter den Elementen, das Gold unter den Metallen ist. Und ich sah den Wein an, und dachte an das Feuer meiner Liebe und an das Gold meiner Abonnenten, und es ward mir wehmütig ums Herz, und ich sah in den sommersprossigen Kaviar und schmeckte ihn und er mundete mir!

O Marqueur! dachte ich in meinem Herzen, wüsstest du, dass ich vielleicht zum letzten Male Wein und Kaviar bei dir genieße, — du würdest mir ein Madrigal vorlegen, das sich etwa so anfangt, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt:
Den 3. Mai d. J. 2 Fl. Champagner à 8 Mark —
Den 4. Mai d. J. 5 Fl. Champagner à 8 Mark —
und ich würde zu dir sagen: lieber Marquer, mein Busenfreund, mein Herzensjunge, mein göttlicher Rebenknabe! von bezahlen ist heute nicht die Rede; aber ich werde, Korrespondenz-Nachrichten an den hiesigen unparteiischen Korrespondenten (redigiert von Runkel, beiläufig gesagt auch kein übler Mann, — Du kennst ihn doch, mein Püppchen) schicken, Korrespondenzen aus der Hölle, wohin ich mich begebe, und das Honorar das ich bekomme, will ich, ich gebe dir's schriftlich, aber wozu? glaube mir auf Ehre! das Honorar will ich ganz und gar auf deine Gesundheit vertrinken! —

Und der Marqueur würde wüten vor Schaum und schäumen vor Wut und Zeter schreien und lamentieren, was? die Rechnung macht über 20 Louisd'or und vielleicht noch mehr; doch gleichviel! er würde schreien und lamentieren, und jetzt ist er ganz ruhig, noch obendrein gefällig, zuvorkommend, ja sogar witzig! — Ach, dieses Nichtbewusstsein? Es ist heilbringend für diejenigen so im Dunkeln wandeln! —

Aus Versehen muss ich die letzten Worte zu laut gesprochen haben, denn ein Senator trat zu mir, klopfte mich auf die. Schulter und sprach freundlich zu mir:

„Mein Herr! aus Ihnen wird etwas Großes! Stoßen Sie an mit mir, es lebe das Nichtbewusstsein! Es lebe die Dunkelheit!“

Wir stießen an und tranken; wir schenkten wieder ein und stießen an und tranken; wir schenkten abermals ein und stießen an und tranken und so fort, bis wir uns selig in die Arme stürzten, und Arm in Arm in die Gottesluft hinaustaumelten; es war eine maiengrüne und veilchenblaue Gottesluft, die uns freudig entgegentanzte. — Und die Häuser tanzten auch und das Steinpflaster wogte vor Wonne; und wir gingen dem Senatsgebäude vorüber und es war jetzt ein schönes Gebäude, das ich hätte küssen mögen, und es neigte sich vor mir und machte Komplimente, und das war Alles, weil ich mit dem Senator Brüderschaft getrunken! Und nun gingen wir dem Hause meiner Geliebten vorüber, mein erster Mitarbeiter H. lag in ihrem Fenster, ich warf ihm einen Kuss zu, den er ihr geben mag; ich flog vorüber, und dann lustig nach Hause. Daselbst stand ein schwarzer Bursche und wartete auf mich.

— Habe ich die Ehre den Herrn Teufel!

— ,,Nein, ich möchte noch zu zwei Spalten Manuskript!“

Es war ein neuer Bursche aus der Druckerei. Ich warf ihn zur Tür hinaus und rief ihm nach: der Setzer möge sich den Kopf spalten und machen was er wolle. Ich geh' zum Teufel und werde Senator, und damit Punktum!

Ich zerstückelte alle meine Federn, zerschlug mein Tintenfass, zerriss alle Verse die ich hatte, und war aus Verzweiflung fidel und lamentierte, bis ich endlich müde aufs Sopha sank!

Kaum hatte ich einige Minuten gelegen, als mein senatorischer Bruder hereintrat und mir meldete, dass es Zeit sei, meine Reise in die Hölle anzutreten, das Dampfboot stehe segelfertig (?).

Ich sprang auf und folgte meinem Führer.

Wir kamen an das Ufer der Elbe und unser Dampfboot hatte die Flaggen des erhabenen, wohlweisen Senats und war gefüllt mit Dekreten, die dem Herrn Teufel zur Unterschrift geschickt wurden. Ich nahm einen rührenden Abschied von meinem senatorischen Bruder und beauftragte ihn, Dich, teures Kind, mit der Nachricht, dass ich Senator werde, zu überraschen!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin und Hamburg oder Briefe aus dem Leben Bd1