Die Abreise von Hamburg

Es war ein düsterer, stürmischer Maientag, als ich am Seegestade stand und mich der hochgetürmten Wellen freute, die mächtig gegen das Ufer schlugen, sich an ihm brachen und nichts zurückließen, als ihren weißen Schaum. — Eine einsame Möwe kreiste schrillend über meinem Haupte. Ein kalter Ostwind durchwühlte mein lockiges Haar und peitschte mein Angesicht; aber was kümmerte das meine junge Seele?! — Der Aufruhr der Elemente gefiel mir und ich wünschte mir selber der, Sturm zu sein, um recht nach Herzenslust unter die Wogen zu fahren, sie aus dem Abgrunde zu holen, wo sie die nie gekannten Wunder des Meeres einwiegten und sie dann zum Himmel zu schleudern und mich daran zu ergötzen, wie sie in Millionen Tropfen zerstiebt, wieder in die Flut zurückfielen, machtlos und zersplittert. —

Denn die ganze gesunde Kraft der Jugend lag in meiner Seele und gärte. —


Gegen Mittag wurde das Wetter freundlicher, die Luft erträglich und angenehm und ich sah mich noch einmal um nach der großen Seestadt, nach den hohen Türen um und dachte an mein Liebchen, an meine Laura!

Jetzt saß ich so ruhig auf einem Bänkchen, und dachte so über meine Veränderung nach. — Es fiel mir so manches ein, und endlich kam ich auf das Thema: Sonst und jetzt. Sonst und jetzt! welch ein ungeheurer Sprung! Sonst hatte ich so oft manch' wunderliche Gedanken, über den Senat, wie auch über den Teufel. — Sonst kam es mir immer vor, dass der Senat, diese Reliquie des Mittelalters, wo jede Stadt sich wohlweislich einen Rat aus Ratsherren anbaute, wo sich die Ratsherren so ungeheuer wichtig machten, als wären sie sämtlich Atlasse, auf deren Schultern die Erde läge und glaubten, dass wenn sie niesen, die ganze Welt erschüttert werden müsse, dass dieser Senat nur noch ein Schemen sei, ein geperücktes Phantom, das sich ungeheuer drollig ausnehme, wenn man sich die weit vorgeschrittenen großen Städte der benachbarten Lander dagegen denke. Stets fiel mir's immer ein, dass Hamburg, so groß es ist, durch den Senat einen Anstrich von etwas Kleinstädtischem bekomme; dass das Volk in Hamburg weit gebildeter, die Stadt selbst weit zeitgemäßer wäre, wenn der wohlweise Rat seine, die Stadt ihre verjährten, bestaubten und kleinlichen Rechte aufgäbe.

Aber jetzt wie anders! Dieser Senat, er ist ein Bund der Tugend, der Gerechtigkeit, die Stütze der ganzen Stadt, ja selbst der benachbarten Staaten; und ich, ich selbst, so bald ich vom Teufel zurückgekommen sein werde, werde ich selbst Senator sein! Himmel! wie will ich die Leute malträtieren, jetzt sollte mir ein Journalist in den Weg kommen, ich ließe ihn hängen, braten, spießen ohne Recht und Frage. Wozu nützt dies Ungeziefer? Überhaupt, die Schriftsteller — sie sind nichts, als Volksaufwiegler, die es nicht verdienen, dass sie auf Gottes Erdboden einherkriechen! — Zertreten, wie die Nattern möcht' ich sie!

Sie sind es, die sich unfern wohlweislichen Plänen entgegen stammen, um so das Volk zu beglücken! —

Wozu aber soll das Volk glücklich sein? — um vielleicht übermütig zu werden? —
Niedermetzeln, lass ich sie, die Hunde, die Schriftsteller! —

***

Ich habe die schlechte Gewohnheit, dass ich meine Monologe, wie der Schauspieler auf der Bühne, laut spreche; aber mit dem Unterschied, dass ich mir keine Claqueurs miete und mich nicht nachher selbstgefällig lächelnd verbeuge, wie der Schauspieler, wenn der Bezahlte zweimal mehr in die Hände geklatscht hat, als bedungen worden ist. Aber dieses mal hatte ich doch einen Zuhörer. Es war ein kleines Miniaturteufelchen, das mir Bravo klatschte! Ich sah mich um, es hatte früher die Gestalt einer Tänzerin angenommen, und jetzt hat es die Waden, Hüften und Locken abgelegt und stand, als Teufelchen erster Klasse mit Eichenlaub vor mir.

Wozu so wüten gegen die Schriftsteller? sagte es sanftgrinsend zu mir; das ist nicht artig, ja sogar gefährlich.

Wir haben bessere Mittel, mein werter Freund; (danke bestens, Herr Teufel, für die zutrauliche Freundschaft,) man muss die Schriftsteller nur auf die Bahn führen, die ihnen geziemt. Sehen Sie, man muss zu jedem sagen: „Teurer Freund! es ist schade, dass Du so sehr von der Bahn abweichst! Du hast ein großes Talent. Es geht, doch nichts über die echte Lyrik, über die höhere Regions-Lyrik; das Schmachtende, das Sehnsüchtige sind doch eigentlich die wahren Grundpfeiler der Poesie.

Was hilft Dir dies Fluchen und Lamentieren? Lass das und wende Dich himmelwärts, spanne auf die Fittige Deiner Seele, und verliere Dich in Sphärenklang und Äthersang, denn Du bist der Mann, der seine Zeit bilden kann! u. s. w. —

Ich war erstaunt über das schöne Mittel!

Staunen Sie nicht über dieses Mittel, rief mein Miniatur-Teufelchen, dass sind die kleinsten Kniffe, die wir aufbieten, um Schriftsteller zum Schweigen zu bringen. — Hören Sie, was ich neulich tun müsste.

In B. lebte ein junger Mann, bei dem ich Feuer genug verspürte, dass er das Gebäude unserer Politik niederzubrennen im Stande wäre, da müsste ich mich in die Gestalt einer Tänzerin werfen und so lange mit ihm coquettiren, bis er sich in mich verliebte.

Ich bat ihn nun, Gedichte auf mich zu machen, und er ließ sich auch gern dazu bereden. Seine Liebe raubte ihm die Zeit. Wegen meiner verlor er das Zutrauen der Demagogen und sieh, er ist jetzt ein Serviler, weil er sich zu sehr schämt, zurückzukehren. Da ich ihn auf gutem Wege hatte, verließ ich ihn, denn ich habe genug getan.

Ich umarmte das Miniaturteufelchen, denn ich erkannte es; es war eine Tänzerin, der ich selbst einst die Cour geschnitten hatte! Du vergibst es mir doch, schöne Laura?—

***

Wir steuerten nun mit grader Richtung dem Cap Dammertus zu und gingen bald darauf in dem Höllenrachen vor Anker.

,,Qui vit!“ brüllten uns die Vorposten entgegen und machten Miene auf uns zu feuern. Wir aber steckten die wohlweisliche Senatsflagge heraus, und man ließ uns ungehindert vor Anker gehen.

Eine höllische Schar ruderte auf uns zu und schickte sich an, uns zu visitieren, ob wir vielleicht konfiszierte Schriften einschwärzen, denn der Teufel halt streng auf das Continental-System.

Sie stellten Untersuchungen an, haben jedoch nichts gefunden, und trotzig schrie ich: „gemach! respektvergessene Gesellen!“ und hielt ihnen meinen Pass vor die Nasen, das wirkte. — Wie krochen die Spürhunde zu Kreuz, als sie das hochweisliche Insiegel erkannten!

Wir waren angebandet, erklimmten einen steilen Felspfad und langten endlich bei der Höllenpforte an.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin und Hamburg oder Briefe aus dem Leben Bd1