Der Teufel und die Hölle

Der Teufel ist ein kleiner, dicker, gedrungener Herr! Er hat eine Zigeunergelbe Gesichtsfarbe; graue tiefliegende Katzenaugen, ein breites hervorstehendes Kinn, einen Tituskopf mit Pechschwarzen Haaren und ein recht verteufelt diabolisches Ansehen.

Seine Hof-Poeten meinen zwar, er trage einen antiken Cäsarkopf auf seinen Schultern; aber ich muss zur Steuer der Wahrheit bekennen, dass solcher eher einem Lazaroni und italienischen Mausefallen - und Hechelkrämer als einem Cäsar anzugehoren scheint; dabei wirft Seine Majestät stets mit französischen Redensarten um sich, als: foudre! bourgre! diable ventre gris etc., und soll je zuweilen dergestalt von der Wut befallen werden, dass er die Epilepsie bekommt, worüber dann die ganze Hölle in Aufruhr gerät. Höchstdieselben schienen eine unruhige Nacht gehabt zu haben, und nicht guten Humors zu sein. — Ihre Gesichtsfarbe spielte aus dem Schwefelgelben ins Donnergrüne, Ihre Stirn war in furchtbare Runzeln gezogen, Ihre Augen schleuderten Blitze umher.


Kaum aber taten Höstdieselben den Mund auf, so applaudierte die ganze Hölle, und eine Legion Geschwind-Schreiber, Tag- und Nachtschmierer (worunter mir sehr viele Bekannte auffielen) und Diplomatiker übertrugen die gewichtigen Teufelsworte als Orakelsprüche in ihr Portefeuille, und ließen sie dann als papierene Drachen aufsteigen, welche sich bald in wirklich feuerspeiende Drachen verwandelten, und einen gewaltigen Geruch in der Hölle verbreiteten.

Hierauf wurde ich von einem geschwänzten Ceremonien-Meister vorgestellt, und überreichte meine Creditive und Empfehlungsschreiben.

Kaum hatte die Höllen-Majestät einen Blick hineingeworfen, als sich höchst dero Larve plötzlich aufklärte.

,,Sacre milles diables!“ — so hub er an, indem er seinen Mund zu einem freundlich lächelnden Grinsen verzog, und sich einigemal räusperte, (denn er war gewaltig enrhummirt) — „voila, une ambassade de notre aimables cousins allée“ —

„Soyez le bien venû!” —

„Bien venû!“ brüllte die Hölle ihm nach, denn bei»läufig gesagt: die französische Sprache ist auch hier die Hofsprache. — — — — — — — —

Sodann beschied er mich zum Abend zu einem großen Hofsoupée und entließ mich mit einem majestätischen Kopfnicken.

Im Vertrauen gesagt, war ich froh, von dem Teufel los zu sein, denn seine Fragen waren mitunter sehr verfänglich gestellt, so dass sie mir verteufelt sanatarisch vorkamen.

Nunmehr machte ich von der erteilten Erlaubnis Gebrauch, das Höllenreich in Augenschein zu nehmen, und überließ mich der Leitung eines seiner Kammerherrn.

Bei meiner ehrlichen Seele, es müsste den Hochwohl-Weisheiten keine geringe Gemütsergötzung gewähren, sich in dieser höllischen Marter- und Folterkammer ein Stündchen umzuschauen. Welch ein Schinden, Rosten, Braten, Schmoren, Spicken, Chikanieren und Frikassieren; schlimmer, ja weit schlimmer, als im Hamburger Detentions-Hause (wo ich 6 Tage bei Wein und Austern in einem engen Stübchen, welches ein Fensterchen mit eisernen Stäben versehen hatte, zubringen musste! *)

*) Da muss ich dem Herrn Major v. Ehrenberg, diesem menschenfreundlichen Menschenfreunde, noch jetzt meinen innigsten Dank für seine Bemühungen sagen. Er war es, durch den ich wieder los gekommen war, denn dem Hamburger Senat wäre es gleich gewesen, wenn ich auch ein ganzes Jahr in jenem martervollen Gefängnisse zugebracht hätte.

Man muss es dem maitres des spectacles des Teufels zum Ruhm nachsagen, dass er den Effekt gehörig studiert hat. Denn mit solcher Kunsterfahrenheit wusste er die Gräuelszenen zu ordnen, zu gruppiren und zu beleuchten, und das Ganze gewährt einen so imponierenden Anblick, dass ich überzeugt bin, der hochweise Senat würden dem genialen Erfinder einen Dreitürmchenorden*) gewiss nicht versagen. Das erste, was sich meinen Blicken darstellte, war der Tyrannensaal. — In der That! So einen Charakter von Majestät und Größe, als dieser Saal an sich trägt, bemerkte ich noch nie! — Er bildete ein ungeheures Eirund.

Die gewölbte Decke ward von 500 corinthischen Säulen getragen, die aus einem Guss von massivem Golde bestanden. Diese Säulen mussten zugleich anstatt der Öfen dienen, denn jede derselben wurde von einem hochweisen Herrn umarmt, der sich daran zu wärmen schien.

Mein Führer gab mir jedoch Aufklärung darüber.
,,Diese Herren, sagte er, — waren einst Minister, Regierungsräte, und - welche Unrecht über Unrecht ausübten, welche nur nach eigener Willkühr handelten, welche sich mehr denn ein König anmaßten, welche ach! mein Herz blutet mir, dass ich hier nicht Alles sagen darf, was ich sagen könnte und was ich so gern sagen möchte!!!

*) Ein Hamburger Wappen, welches die niedern Polizei-Beamten unter der Weste tragen. Man verzeihe mir, das Wort: niedrig; ich weiß in der Tat keinen andern Namen, für diese guten Leute; sie kommen mir vor, wie die Berliner Bettelvögte! —

Du holst Atem, liebe Laura! Du staunst drob, wie ein Staat, unter dem Du lebst so handeln kann, — wirst mir vielleicht noch zum Vorwurfe machen und sagen: nur darum, weil ich ein Preuße bin, und im Preuß. Staate lebe, schweige ich; würde aber, wenn mein Aufenthalt in einem fremden Staate wäre, über Preußen eben so raisonieren, — eben so denken, wie ich über den Hamburger Senat denke! So sage ich Dir frei heraus: dass auch wir in unserm Staate noch viele Mangel haben, aber wir haben einen König, hörst Du's, t'eure Laura! einenKönig, sag' ich Dir; einen gerechten, einen liebevollen, ja einen väterlichen und königlichen Konig!!! Was kümmert mich der Staat, die Beamten, und alle die Leute, die im Staate wohnen? — Ich sage Dir, wir haben einen König, bei Dem man sich über jedes Unrecht, so einem widerfahren könnte, beklagen kann; unser König lässt jedem sein Recht!

Vielleicht werde ich Dir im zweiten Bande meiner Briefe über diesen König mehr erzählen können, und dann über den Staat, über die Beamten und über die Leute, so in unserm Staate wohnen; aber jetzt will ich Dir nur über jene Herren in der Hölle weiter erzählen.

Also „diese Herren“ sagte der Kammerherr, welche Unrecht über Unrecht ausübten, sich nur willkührlichen Handlungen überließen, ohne sogar der menschlichen Naturgesetze zu achten, und welche dergestalt nach dem Golde hungerten, dass wir, um ihren Hunger zu stillen, sie an diese goldene Säulen angeschmiedet haben.

Das war jedoch — mit der Teufels Erlaubnis, — ein verteufelter Spaß; denn diese Säulen waren so glühend heiß, dass die hochweisen Herren ganz verteufelte Gesichter schnitten, und sie mit einer weit heißern Inbrunst umarmten, als ehedem ihre Maitressen.

„Betrachten Sie die höchst kunstreiche Mosaik, woraus dieser Fußboden besteht,“ — sagte ein Cicerone! — Es sind lauter Schurkenschädel, namentlich von Geheimsekretären, die früher Kuppler, Speichellecker oder andere Schurken waren; deren Gewerbe überhaupt es einst war, für die Wollust und Habsucht ihrer Herren neue Schlachtopfer auszuspüren und jetzt die Stelle eines Geheim-Sekretärs, Geheim-Rats, wirklich Geh. Rats u. s. w. bekleiden!

„Bravo!“ erwiderte ich, und gab ihnen einen recht wohlgemeinten Fußtritt, (das war gewiss das erstemal, dass sich diese Schürken betreten fühlten) hier sind sie an ihrer Stelle!

„Wie gefällt Ihnen die Beleuchtung?“ — fragte der Kammerherr. „Sahen Sie je etwas Prachtigeres, als diese unzähligen cristallenen Kronleuchter, die von der Decke herab schweben?“ —

In der Tat war ihr Glanz, den sie um sich herstreuten, mit nichts in der Welt zu vergleichen, (selbst die Berliner Gasbeleuchtung in den Sommermonaten ist ein bloßer Schatten dagegen.) Das hatte aber allerdings seine Ursach, denn die Beleuchtung war etwa nicht, wie man glauben sollte aus Talg- oder Wachslichtern, sondern nach der Versicherung des Kammerherrn aus einer Mischung von unbarmrerzigen Censoren und Polizei-Beamten, die sich sonst bemühten, jedes Licht zu beschneiden, damit es schön finster bleibe.

Apropo's! Censoren! da fällt mir wieder so etwas ein, dass ich fast Lust bekomme, ein neues Kapitel über diese Herren abzufassen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berlin und Hamburg oder Briefe aus dem Leben Bd1