Erste Fortsetzung

Diese Kaffeeklappen an der Königsmauer, am Oranienburgertor und anderen wenig besuchten Orten dienen dem Verfolgten auch zuweilen als Asyl. Ein sehr ergötzliches Intermezzo bildete einst eine lokale Überschwemmung, welche durch das Platzen der Wasserleitungsröhren entstand und aus einem in der Alexanderstraße befindlichen Verbrecherkeller den wirtlichen Hehler und seine verborgenen Gäste gleich nassen Mäusen ans Tageslicht und in die Hände der darüber selbst erstaunten Polizei trieb. Merkwürdig ist die Anhänglichkeit, welche die Verbrecherdirnen zu dem Gegenstand ihrer Neigung entwickeln. Sie greifen zu allen möglichen Mitteln, bringen jedes Opfer, um mit ihrem Geliebten in Verkehr zu treten, wenn er „Unglück hat" und in Untersuchungshaft gerät; sie nehmen vor der Abführung der Verurteilten im Gefängnishof den rührendsten Abschied, sie berechnen Tag und Stunde, wenn derselbe seine Strafe überstanden hat, und wallen an den Ort seiner Haft, um ihm bei seiner Freiheit die offene Hand und in derselben die mühsam ersparten Pfennige entgegenzubringen. Wehe dem Unglücklichen aber, wenn er sich dieser Opfer unwürdig macht, wenn er Grund zur Eifersucht gibt! Aus der heiß Liebenden wird eine rachsüchtige Megäre, welche zuerst die tiefsten Geheimnisse des Verbrechers der Polizei offenbart. Gewiegte Kriminal-Kommissäre benutzen diese erfahrungsmäßige Leidenschaft, lassen dieselbe auf geschickte Weise durch schlaue Vigilanten zur hellen Flamme anfachen, um sich da Licht zu schaffen, wohin sonst kein Späherauge eindringen kann.

Ähnliche Anstalten, wie die „Kitzelpelle", sind der „Totschlag", ein düsteres Lokal in der Ackerstraße, zu welchem man über einen langen Hof gelangt. Der „Totschlag" hat auch sein eigenes Liebhabertheater, und die Künstler nehmen es sehr übel, wenn ihren Leistungen nicht die gehörige Aufmerksamkeit gewidmet wird, ja vorlaute Unterbrechungen werden von dem Darsteller oder der Darstellerin sogleich mit einem sehr empfindlichen „Ich verbitte mir dergleichen" gerügt. Die „Linde" vor dem Cottbusser Tore hat ihr Spitzbubenpublikum verloren und wird, seit die Säle umgebaut und vergrößert worden, nur von Handwerkern besucht. Der „Schmortopf" vor dem Stralauer Tor, ein furchtbar heißer kleiner Tanzsaal im ersten Stockwerk, wird meistens von Schiffern, Holzarbeitern und nur sporadisch von Personen frequentiert, die schon über irgend einen Paragraphen des Kriminalgesetzbuches gestolpert sind.


Die Berliner Kriminal-Kommissäre sind schon so vertraut mit der Art und Weise, in welcher berüchtigte Verbrecher bei ihren Manipulationen vorzugehen pflegen, dass sie aus der Art und Weise der letzteren die Personen erraten, welche bei Hauptanschlägen beschäftigt waren. Vor längerer Zeit setzten z. B. einige mit beispielloser Frechheit ausgeführte Einbrüche die Geschäftswelt der Residenz in Angst und Schrecken. So wurden in der Brüderstraße bei dem Seidenwarenfabrikanten Magnus für zehntausend Thaler Stoffe gestohlen, bei einem Eisenhändler in der Friedrichsstraße ward das Geschäftslokal gewaltsam eröffnet und die schwere eiserne Geldspinde, worin sich ungefähr zweitausend Thaler befanden, ganz ungescheut auf einen Handwagen gepackt und weggeführt. Wenige Tage darauf fand man diesen eisernen Schrank auf dem Köpenicker Felde, seines Inhaltes beraubt, mit einem kreisrunden, künstlich eingeschnittenen Loche in der Tür. Hierdurch wurde der Verdacht der Mitbeteiligung auf einen viel bestraften flüchtigen Dieb, den Kunstschlosser Arnold, gelenkt, auf welchen jedoch die Polizei lange Zeit vergebens fahndete. Neun Einbrüche wurden in ganz kurzen Zwischenräumen mit gleicher Frechheit vollzogen; diese ging so weit, dass die Diebe zweitausend Thaler Wertpapiere, welche sie bei einem Gärtner in der Kommandantenstraße gestohlen hatten und nicht unterbringen konnten, unter Couvert per Post an den Kriminal-Kommissarius Pick zurücksandten. Die amtlichen Recherchen ergaben, dass alle diese Einbrüche mit denselben Werkzeugen, in gleicher Weise verübt worden waren, ja man fand sogar nach einem dieser Einbrüche ein von den Gaunern zurückgelassenes Feuerzeug, welches einige Tage vorher bei Ausübung eines ähnlichen Verbrechens an einem anderen Orte gestohlen worden war. Da hinterbrachte ein Vigilant die Anzeige, dass in einem Blumenkeller in der Alexanderstraße sich verdächtiges Treiben offenbare. Der Eigentümer, ein gewisser in der Hchlcnvelt bekannter Liebscher, wurde in aller Stille aufgehoben, und bei einer Untersuchung der Wohnung fand man nicht nur viele Spuren offenbar gestohlenen Gutes, sondern auch, als Hauptbelastungsbeweis, das aus der Geldspinde des Eisenhändlers Neune ausgeschnittene kreisrunde Stück.

Nun wurde, wie es in der Kunstsprache heißt, „die Klappe aufgemacht". Sobald die Kriminalpolizei sich von der Schuld des Hehlers, einer längst berüchtigten Persönlichkeit, überzeugt hatte, wurde derselbe in Gewahrsam gebracht und in dessen Wohnung einige Beamte in Zivilkleidung verborgen. Einer derselben übernahm das Amt des Verkäufers, gab sich bei den „alten Kunden" des Hauses für einen Verwandten des „Vater Liebscher" aus, der in Geschäftsangelegenheiten verreist sei, ihm aber ausreichendste Fonds und Vollmachten hinterlassen hätte. In kurzer Zeit waren in dieser Falle nicht nur eine ganze Reihe und zwar zweiundneunzig der bekanntesten Diebe Berlins, welche das gestohlene Gut zu verwerten kamen, gefangen, sondern auch die unzweifelhaftesten Spuren einer weitverzweigten Einbruchsbande entdeckt, welche seil längerer Zeit die bemittelte Klasse der Residenz in Angst und Schrecken gesetzt hatte.

Berlin, Faschingsball in einem Verbrecherlokal

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Berlin, Herbstmittag im Tiergarten (2)

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Berlin, Maienverkauf am Magdeburger Platz

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Berlin, Maitag im Tiergarten

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Berlin, Musikalische Abend-Unterhaltung in einem Kellerlokal

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