Sechste Fortsetzung

Dagegen sind in der Regel (die Epidemien von 1855 und von 1832 machen hiervon eine Ausnahme) mehr Personen weiblichen Geschlechts gestorben. Diese letzte Regel ist auch von der diesjährigen Epidemie innegehalten worden, doch sind diesmal 158 Personen weiblichen Geschlechts mehr erkrankt, als männlichen. In den früheren Epidemien war das Alter von 20 bis 30 Jahren am meisten der Erkrankung ausgesetzt, dagegen herrschte die größte Sterblichkeit in dem Alter von 1 bis 10 Jahren. In dieser Epidemie haben die meisten Erkrankungen in dem Alter von 1 bis 10 Jahren, nämlich 747, und zwar 391 männlichen und 356 weiblichen Geschlechts stattgefunden und sind auch die meisten in dieser Altersklasse, nämlich 581, und zwar 311 männlichen und 270 weiblichen Geschlechts gestorben. Dann folgt aber nicht das Alter von 20 bis 30 Jahren, sondern das von 30 bis 40. — Von letzterer Altersklasse sind nämlich erkrankt 625, 310 männlichen und 315 weiblichen Geschlechts, und gestorben 405, 205 männlichen und 200 weiblichen Geschlechts. Jetzt folgt erst das Alter von 20 bis 30 Jahren mit 557 Erkrankungen, 224 männlichen und 333 weiblichen Geschlechts, gestorben sind von dieser Altersklasse 310 Personen, 127 männlichen und 183 weiblichen Geschlechts. Die Erklärung dieser Verhältnisse liegt nahe. Das Kindes-Alter ist wegen seiner zarteren, nicht befestigten Körperbeschaffenheit äußeren Schädlichkeiten mehr zugänglich, wie der Erwachsene und das Alter von 20 bis 40 Jahren, das ohne Rücksicht auf äußere Umstände den täglichen Erwerb zu schaffen hat, ist der Einwirkung äußerer Schädlichkeiten am meisten und am schonungslosesten ausgesetzt.

Die Beschaffenheit der Witterung in diesem Sommer hat unzweifelhaft einen sehr bestimmenden Einfluss auf die Epidemie ausgeübt. Aus dem oben angeführten Stande des Barometers und Thermometers während der Epidemie darf gefolgert werden, dass weder ein hoher noch ein niederer Stand beider, für sich von Einfluss auf das Steigen oder Fallen der Krankheit ist, dagegen tragen bedeutende und plötzliche Schwankungen beider, besonders ihr Fallen, entschieden zur Steigerung der Epidemie bei. Gewitter, deren wir hier viele und sehr heftige gehabt haben, waren ebenso wie starker Regen ohne allen Einfluss, sobald sie ohne heftige Schwankungen im Barometer- oder Thermometerstande verliefen, starker kalter Regen dagegen verursachte bedeutende Steigerung der Krankheit. Die Richtung der Winde war ohne Einfluss, sie wirkten dagegen schädlich, wenn sie kalt und heftig wehten.


Die Betrachtung der Zahl der Erkrankungen und Sterbefälle in den verschiedenen Lebensbeschäftigungen der Menschen gibt zu folgenden Erwägungen Veranlassung. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Cholera in diesem Jahre sich hier nicht sowohl als Epidemie, sondern vielmehr als Pandemie geltend gemacht hat, d. h. die individuelle Disposition zur Krankheit war eine allgemeine, nicht allein das Befinden des größten Teils der Einwohnerschaft war von dieser oder jener Erscheinung, die der Cholera eigentümlich ist, z. B. Schwindel, Krämpfe in den Waden und Unterarmen, starkes Poltern im Leibe, Appetitlosigkeit, Schwere in der Herzgrube, sparsame Urinabsonderung, Neigung zu dünnen Stuhlgängen u. s. w. angekränkelt, sondern auch alle wirklichen Erkrankungen machten sich überwiegend nur in der Form der Cholera geltend und selbst Personen, die an anderen Krankheiten niederlagen, wurden noch von der Cholera mitergriffen. Bei einer derartig weitverbreiteten und tiefgreifenden Krankheitsbeschaffenheit genügt der Hinzutritt selbst einer nur unbedeutenden äußeren Schädlichkeit, z. B. einer Erkältung, eines Diätfehlers u. s. w., um die Krankheit in ihrer vollen Form zur Entwickelung zu bringen. Die Cholera trifft zwar vollständig gesunde und kräftige Personen, plötzlich, ohne Vorboten und ohne dass besondere äußere Schädlichkeitsursachen vorangegangen wären, wenn man aber in dem oben angegebenen Zahlenverhältnis der Erkrankungs- und Sterbefälle unter den verschiedenen Ständen, z. B. die Zahl derselben unter dem sehr zahlreichen Gewerk der Maurer (695) und Zimmerleute (326) mit der Zahl der viel weniger stark vertretenen Bäcker (287), Fuhrherrn und Kutscher (150) vergleicht (von Maurern erkrankten 27 und starben 21, also 3,88 und 3,02 Prozent, von Zimmerleuten 25 und 16, also 7,67 und 4,91 Prozent, von Bäckern dagegen 38 und 27, also 13,24 und 9,41 Prozent, von Fuhrherrn und Kutschern 39 und 26, also 26,00 und 17,33 Prozent), so folgt hieraus, dass gerade diejenigen Stände, die unter allen Verhältnissen trotz der ungünstigsten Witterung ihrer Arbeit nachgehen müssen, die also gezwungen sind, die Einwirkungen äußerer Schädlichkeiten unbeachtet zu lassen, am meisten der Krankheit verfallen, während diejenigen Stände, die die Einwirkungen äußerer Schädlichkeiten von sich ferne zu halten wissen, auch am meisten vor der Gefahr der Erkrankung gesichert sind. Maurer und Zimmerleute verlassen die Arbeit, wenn sie von der Witterung mit heftigen Unbilden betroffen werden, weil das von ihnen zu verwendende Material einer weiteren Bearbeitung widerstrebt. Bäcker, Droschkenkutscher u. s. w. bieten der Witterung Trotz und opfern, wie hier ersichtlich, Gesundheit und Leben ihrem Beruf. Bei den kalten regnerischen Tagen des Julis ist das Erkranken der Droschkenführer von den Ärzten immer vorhergesagt worden. Die Bäcker setzen sich heftigen Erkältungen aus, weil sie häufig wegen der Lokalitäten gezwungen sind, zur Nachtzeit vorn geheizten Ofen über den kalten Hof wegzugehen, um nach anderen Arbeitsräumlichkeiten gelangen zu können.